L 4 U 4672/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KNU 3907/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 U 4672/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 17. Juli 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab 30. Mai 2005 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 v.H. anstelle der von der Beklagten für die Zeit vom 30. Mai 2005 bis 31. Januar 2006 gewährten Gesamtvergütung nach einer MdE von 20 v.H ...

Der 1956 geborene Kläger ist in einem Salzbergwerksunternehmen beschäftigt. Beim Zerkleinern von Brocken mit dem Lader stieß er am 4. November 2004 mit seinen Kopf an das Dach des Führerhauses des Laders. Durchgangsarzt Prof. Dr. S. diagnostizierte eine Commotio cerebri, eine Schädelplatzwunde sowie eine Nackenmuskelzerrung. Die Röntgenaufnahmen des Schädels und der Halswirbelsäule ergaben keine Fraktur sowie keine Subluxation und Luxation der Halswirbelsäule bei degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule. Gegenüber Prof. Dr. S. gab der Kläger an, sich an den Unfallhergang nicht erinnern zu können (Durchgangsarztbericht vom 4. November 2004). Der Kläger befand sich bis 6. November 2004 in stationärer Behandlung, während der sich keine peripheren neurologischen Auffälligkeiten zeigten (Entlassungsbericht des Prof. Dr. S. vom 10. November 2004). Bei der ambulanten Untersuchung durch den Chirurgen/Unfallchirurgen Dr. H. klagte der Kläger über erhebliche Nackenschmerzen. Die Beweglichkeit der Halswirbelsäule war in allen Ebenen schmerzhaft eingeschränkt (Nachschaubericht des Dr. H. vom 8. November 2004). Aufgrund anhaltender Beschwerden erfolgte eine Vorstellung in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Ludwigshafen, bei der sich aufgrund einer Kernspintomographie und Computertomographie umformende Veränderungen im Bereich der Deckplatte bzw. der Vorderkante der Brustwirbelkörper 2 und 3 sowie degenerative Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule fanden sowie die Diagnose einer Deckplattenfraktur dieser beiden Brustwirbelkörper gestellt wurde (Bericht des Dr. Hi. vom 2. Dezember 2004, Bericht des Prof. Dr. W. vom 7. Dezember 2004). Vom 10. Januar bis 24. Februar 2005 sowie vom 23. März bis 27. April 2005 erfolgten stationäre Rehabilitationsbehandlungen mit Ergo- und Physiotherapie (Berichte des Prof. Dr. W. vom 1. März und 29. April 2005). Vom 2. bis 30. Mai 2005 erfolgte eine Arbeits- und Belastungserprobung. Prof. Dr. W. ging mit dem 30. Mai 2005 von Arbeitsfähigkeit aus (Bericht vom 1. Juni 2005). Er nannte im Gutachten vom 20. September 2005 als wesentliche Unfallfolgen eine Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule, insbesondere für die Seitneigung rechts/links, für das Rückneigen und für die Drehfähigkeit rechts/links. Er wies darauf hin, dass bereits auf den Röntgenaufnahmen am Unfalltag degenerative Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule dokumentiert und beschrieben seien. Die MdE schätzte er für die Zeit vom 30. Mai "2004" (gemeint wohl 2005) bis 30. Januar 2006 mit 20 v.H., danach voraussichtlich auf 10 v.H. ein.

Mit Bescheid vom 25. Oktober 2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Rente nach einer MdE in Höhe von 20 v.H. als Gesamtvergütung für die Zeit vom 30. Mai 2005 bis 31. Januar 2006. Als Folgen des Arbeitsunfalls erkannte sie an: Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule, insbesondere der Seitenneigung und des Zurückneigens sowie der Drehung. Als unfallunabhängig sah sie an: degenerative Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule, linksbetonte Innenohrschwerhörigkeit mit Zeichen eines Hörsturzes.

Der Kläger, der weiterhin über Kopf- und Nackenbeschwerden sowie Schwindelattacken klagte (Berichte der Chirurgen und Unfallchirurgen Dr. H. vom 31. Oktober und 22. November 2005 und Dr. B. vom 7. November 2005 sowie des Neurologen Dr. M. vom 11. November 2005), erhob Widerspruch. Das Unfallereignis habe bei ihm zu Verletzungen der Halswirbelsäule und Brustwirbelsäule geführt, deren Folgen noch andauerten, behandlungsbedürftig seien sowie der medizinischen Rehabilitation bedürften. Er legte den Arztbrief des Radiologen Dr. v. G. von 29. August 2001 über die Kernspintomographie der Halswirbelsäule und der Brustwirbelsäule vom selben Tag vor, der eine beginnende erosive Osteochondrose und Unkovertebralarthrose der Halswirbelkörper 6/7 mit linksbetonter Einengung der Foramina intervertebralia C 7 sowie eine leichte Keildeformation der Brustwirbelkörper 7 und 8 mit Bandscheibendegeneration und kleiner intraspongiöser Discushernie wie bei Morbus Scheuermann beschrieb. Arzt für Chirurgen und Arbeitsmedizin Dr. T. kam nach Auswertung von Röntgen- und Computertomographieaufnahmen zu der Auffassung, die u.a. im Gutachten des Prof. Dr. W. beschriebenen Befunde beträfen ausschließlich eine unfallunabhängig bestehende degenerative Erkrankung der unteren Halswirbelsäule (C 6/C 7) mit vollständigem Zusammensintern und knöcherner Einengung des Neuroforamens beidseits (Stellungnahme vom 7. Januar 2006).

Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 11. Juli 2006). Zur Begründung verwies er auf das Gutachten des Prof. Dr. W ... Die erhobenen Befunde würden auch von den behandelnden Ärzten bestätigt. Die verbliebenen Beschwerden seien auf unfallunabhängige, bereits vor dem Arbeitsunfall bestehenden Veränderungen der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der unteren Halswirbelsäule und einer inadäquaten Traumaverarbeitung (Somatisierung des Verletzungsmusters) zurückzuführen.

Der Kläger erhob am 8. August 2006 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG), zuletzt in der mündlichen Verhandlung des SG mit dem Begehren, Rente nach einer MdE von 30 v.H. ab 30. Mai 2005 zu zahlen. Die rasante Zunahme der bereits im November 2004 bestehenden Veränderungen an der Halswirbelsäule, die damals geringgradig gewesen seien, seien nicht durch eine fortschreitende Alterung, sondern nur durch eine Beschleunigung des arthrotischen Prozesses durch das Unfallereignis erklärbar. Der Kläger legte das Gutachten des Orthopäden Dr. Ro. vom 10. Januar 2008 vor, das dieser für das SG im Rechtsstreit des Klägers gegen die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (S 2 KNR 5321/06) erstattete. Dr. Ro. diagnostizierte ein chronifiziertes pseudoradikuläres Halswirbelsäulen- und Brustwirbelsäulensyndrom beidseits rechts betont, chronisch rezidivierende Spannungskopfschmerzen beidseits rechts betont nach einem Schädelhirntrauma 1. Grades sowie Vorderkantenabbrüche und Deckplattenfrakturen der Wirbelkörper thorakal 2 und 3 auf dem Boden degenerativer Veränderungen im Bereich der Hals- und oberen Brustwirbelsäule. Es bestünden erhebliche Einschränkungen in allen drei Bewegungsebenen der Hals- und Brustwirbelsäule, insbesondere die Reklination im Bereich der Halswirbelsäule sei erheblich schmerzhaft eingeschränkt.

Die Beklagte trat der Klage entgegen.

Arzt für Orthopädie Dr. Sc. erstattete auf Veranlassung des SG das Gutachten vom 25. Oktober 2007. Auf das Unfallereignis zurückzuführen sei ein muskuläres Reizsyndrom der oberen Brustwirbelsäule nach Vorderkantenabsprengung an den Brustwirbelkörpern 2 und 3 und ohne wesentliche Funktionsbehinderung sowie Narben am Schädeldach. Die deutlichen degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule (ventrale Spondylose/Verkalkungen im vorderen Längsband C 4/5 bis C 6/7, Osteochondrose C 6/7, Spondylarthrose) mit daraus resultierender endgradiger Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule ohne radikuläre Reizerscheinungen könnten nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückgeführt werden. Bereits eine im Jahr 2001 wegen eines Halswirbelsäulen-Schulter-Arm-Syndroms bzw. einer Wurzelreizung Th 1/2 angefertigte Kernspintomographie der Halswirbelsäule und Brustwirbelsäule zeige eine erosive Osteochondrose und Uncovertebralarthrose im Segment C 6/7 sowie auch eine leichte Keilform der Brustwirbelkörper 7 und 8. Auch die vier Wochen nach dem Arbeitsunfall angefertigte Röntgenaufnahme der Halswirbelsäule zeige ohne Zweifel degenerative Veränderungen, ausgeprägt im Segment C 6/7 und auch Verkalkungen im vorderen Längsbandes in den Segmenten C 4/5 bis C 5/6 sowie begleitende Veränderungen in den kleinen Wirbelgelenken. Der Beurteilung der MdE durch Prof. Dr. W. sei zuzustimmen. In den ergänzenden Stellungnahmen vom 11. Dezember 2007 zu Einwänden des Klägers sowie vom 12. Februar 2008 zum Gutachten des Dr. Ro. blieb er bei seiner Auffassung, dass die nachweisbaren Veränderungen an der Halswirbelsäule ohne Zweifel als degenerativ zu bewerten seien und nicht im kausalen Zusammenhang mit dem Unfallereignis stünden. Bereits im Durchgangsarztbericht sei auf degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule hingewiesen worden.

Das SG zog die Ermittlungsakten des Regierungspräsidiums Freiburg - Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau - bei.

Mit Urteil vom 17. Juli 2008 wies das SG die Klage ab. Es seien keine weiteren Gesundheitsstörungen nachgewiesen, die auf den (von der Beklagten anerkannten) Arbeitsunfall vom 4. November 2004 zurückzuführen seien. Der gerichtliche Sachverständige Dr. Sc. habe schlüssig und nachvollziehbar das Vorliegen weiterer unfallbedingter Gesundheitsstörungen unabhängig von dem genauen Unfallhergang auszuschließen vermocht. Die beim Kläger vorgefundene Befundsituation im Bereich der Halswirbelsäule verweise eindeutig auf Veränderungen degenerativer Natur. Dies habe der Sachverständige überzeugend aus der Gegenüberstellung der über den Kläger im Jahre 2001 erhobenen Befunde mit denjenigen Befunden, die kurz nach dem Unfall erhoben worden seien, sowie den Befunden, wie sie sich nunmehr längere Zeit nach dem Unfall darstellten, hergeleitet. Mit Dr. Sc. gehe das Gericht davon aus, dass der im Jahre 2006 diagnostizierte Bandscheibenvorfall nicht wahrscheinlich durch das Unfallereignis verursachten worden sei, sondern eine schicksalhafte Weiterentwicklung der bereits vor dem Unfall begonnenen degenerativen Entwicklung darstelle. Dr. Sc. habe nachvollziehbar dargelegt, dass fehlende bildgebende Aufnahmen aus dem November 2004 (Unfalltag) keine Relevanz für die Beurteilung der beim Kläger nachgewiesenen Gesundheitsstörungen im Bereich der Halswirbelsäule hätten. Die beim Kläger im Bereich der Halswirbelsäule vorliegenden Gesundheitsstörungen könnten auch nicht als vorauseilende arthrotische Veränderungen in hinreichend wahrscheinlichen Zusammenhang mit dem Unfallereignis gebracht werden. Die Einschätzung des Dr. Sc. sei nicht durch die Ergebnisse des Gutachtens des Dr. Ro. erschüttert. Die anerkannten Unfallfolgen ergäben keine MdE in rentenberechtigendem Grade über den 31. Januar 2006 hinaus. Dr. Sc. habe in Übereinstimmung mit der Unfall versicherungsrechtlichen Literatur das für Wirbelsäulenverletzungen geltende Segmentprinzip angewandt. Daraus ergebe sich auch, dass für den die Zeit vom 30. Mai 2005 bis 31. Januar 2006 keine höhere Verletztenrenten zu gewähren sei.

Gegen das den Prozessbevollmächtigten des Klägers erster Instanz am 11. September 2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 2. Oktober 2008 Berufung eingelegt. Bis zu dem Unfallereignis am 4. November 2004 habe er praktisch keine krankheitsbedingten Fehlzeiten gehabt. Die Beschwerden, welche ausschließlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen seien, hätten sich weiter verschlimmert. Der Kläger hat die Reha-Nachsorge-Dokumentation der Dr. Baumgarten vom 17. Dezember 2008 vorgelegt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 17. Juli 2008 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 25. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Juli 2006 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 30. Mai 2005 anstelle der von der Beklagten für die Zeit vom 30. Mai 2005 bis 31. Januar 2000 gewährten Gesamtvergütung nach einer MdE von 20 v.H Rente nach einer MdE von 30 v.H. zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat - wie bereits das SG - die Ermittlungsakten des Regierungspräsidiums Freiburg - Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau - über den Arbeitsunfall des Klägers beigezogen.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat der Senat Prof. Dr. Ho., Ärztlicher Direktor der Neurochirurgischen Klinik des Klinikums S., mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Zusammen mit Oberarzt Se. hat er das Gutachten vom 18. September 2009 erstattet. Als Unfallfolgen seien die erlittene Gehirnerschütterung, die chirurgisch versorgten Platzwunden, die Deckplattenfrakturen Th 2 und Th 3 sowie das zeitlich zu befristende klinische Geschehen nach einem Beschleunigungstrauma der Halswirbelsäule des Schweregrades I/II anzusehen. Unabhängig vom Unfallgeschehen seien die degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule und Brustwirbelsäule, die bereits vor dem Unfall als auch am Unfalltag mittels Bildgebung nachgewiesen worden seien. Diese hätten durch das Unfallereignis auch keine beschleunigte Entwicklung erfahren. Ein unmittelbarer Eintritt von Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule und Brustwirbelsäule nach dem Trauma fehle. Dies spreche eindeutig gegen das Vorliegen einer schweren traumatischen Schädigung, insbesondere der nervalen Strukturen. Aus neurologisch-neurochirurgische Sicht ergäben sich keine Hinweise auf verbleibende Unfallfolgen, die im orthopädischem Gutachten nicht berücksichtigt worden seien. Die vom Kläger im Mittelpunkt der Beschwerdeschilderung stehenden Nackenschmerzen bzw. Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule und Brustwirbelsäule mit begleitender Einschränkung der Bewegungsausschläge ließen sich bei fehlendem Nachweis morphologisch fassbarer Verletzungsfolgen im Bereich der Halswirbelsäule und den geringfügigen Veränderungen im Areal der Brustwirbelsäule sowie im Lichte der aktuellen Untersuchungsbefunde nicht mit der geforderten hinreichenden Kausalitäts-Wahrscheinlichkeit auf das Unfallgeschehen ursächlich zurückführen. Seit Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit sei die MdE vom 30. Mai 2005 bis 31. Januar 2006 mit 20 v.H. sowie seit dem 1. Februar 2006 mit weniger als 10 v.H. auch auf neurochirurgischem Fachgebiet ausreichend abgebildet. Die Erstellung des Gutachtens sei in Bezug auf die Aktendurchsicht, die Literaturrecherche, die klinische und elektrophysiologische Untersuchung sowie die Reservierung erhobenen Befunde unter der Mitarbeit des Oberarztes Se. erfolgt. Zu dem Einwand des Klägers, er sei von Prof. Dr. Ho. nicht untersucht worden, haben Prof. Dr. Ho. und Oberarzt Se. in der ergänzenden Stellungnahme vom 3. November 2009 ausgeführt, die aufwändige mehrstündige Anamneseerhebung sowie die klinische und elektrophysiologische Untersuchung sei von dem besonders in Gutachtensfragen erfahrenen Oberarzt Se. durchgeführt worden, worüber der Kläger in Kenntnis gesetzt worden sei und dem zugestimmt habe. An den nach Referierung der Untersuchungsbefunde und der Aktenlage - getroffenen Aussagen des Gutachtens werde uneingeschränkt festgehalten.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG, die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie die beigezogenen Akten Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 25. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Juli 2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch für die Zeit vom 30. Mai 2005 bis 31. Januar 2006 auf eine höhere Gesamtvergütung sowie für die Zeit ab 1. Februar 2006 auf Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

Da der Senat die Berufung des Klägers einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, entscheidet er gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.

Nach § 56 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 (SGB VII) begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Das Unfallereignis am 4. November 2004 war ein Arbeitsunfall. Die Beklagte hat dies - wenn auch nicht ausdrücklich, jedoch sinngemäß - anerkannt, indem sie mit dem Bescheid vom 25. Oktober 2005 eine Gesamtvergütung bewilligte.

Bei dem Arbeitsunfall erlitt der Kläger eine Gehirnerschütterung, eine Schädelplatzwunde, eine Nackenmuskelzerrung sowie eine Deckplattenfraktur des zweiten und dritten Brustwirbelkörpers. Dies ergibt sich aus dem Durchgangsarztbericht des Prof. Dr. S. vom 4. November 2004 und dem Bericht des Prof. Dr. W. vom 7. Dezember 2004.

Die Gehirnerschütterung ist folgenlos verheilt. Insoweit werden vom Kläger auch keine Beschwerden mehr vorgebracht. Gleiches gilt für die Frakturen des zweiten und dritten Brustwirbelkörpers. Dr. Sc. konnte - auch unter Berücksichtigung des Gutachtens des Dr. Ro. - keine wesentlichen Funktionseinschränkungen feststellen, ebenso wenig Prof. Dr. Ho. in dem auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG erstatteten Gutachten (zur Verwertbarkeit dieses Gutachtens siehe unten). Die vom Kläger geklagten Beschwerden der Halswirbelsäule sind keine Folge des Arbeitsunfalls vom 4. November 2004.

Voraussetzung für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls ist u.a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der eingetretenen bzw. bestehenden Gesundheitsstörung (haftungsausfüllende Kausalität). Für die Beurteilung der haftungsausfüllenden Kausalität gilt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), der der Senat folgt, die Theorie der wesentlichen Bedingung. Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung sind Ursachen im Rechtssinne danach diejenigen Bedingungen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg an dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Der Begriff "wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Ist allerdings eine Ursache gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist nur sie "wesentlich" und damit Ursache im Rechtssinn. Ist die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinungen ausgelöst hätte. Für psychische Krankheiten gelten insoweit keine Besonderheiten (zum Ganzen: BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 17; Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 40/05 R -, jeweils mit weiteren Nachweisen).

Wie das SG folgt auch der Senat dem Gutachten des Dr. Sc ... Er hat die vorhandenen Röntgenaufnahmen ausgewertet. Bereits auf den am Unfalltag angefertigte Röntgenaufnahmen zeigten sich degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule. Ein solcher Befund zeigte sich auch bei den Aufnahmen sowohl der am 3. Dezember 2004 durchgeführten Kernspintomographie der Halswirbelsäule als auch der am 6. Dezember 2004 durchgeführten Computertomographie der Halswirbelsäule (Berichte des Prof. Dr. W. vom 7. Dezember 2004 und des Dr. Hi. vom 9. Dezember 2004). Auch in den vor dem Arbeitsunfall angefertigten Aufnahmen der Kernspintomographie der Halswirbelsäule vom 29. August 2001 beschrieb Dr. von G. eine beginnende erosive Osteochondrose und Uncovertebralarthrose der Halswirbelkörper 6 und 7 (Arztbrief vom 29. August 2001). Dr. Sc. hat nachvollziehbar dargelegt, dass die in der bereits vier Wochen nach dem Unfallereignis durchgeführten Kernspintomographie und Computertomographie erkennbaren Veränderungen nicht durch den Arbeitsunfall verursacht wurden, sondern es sich insoweit um degenerative Veränderungen handelt, die auch gegenüber dem er 2001 zugenommen haben.

Der Senat folgt auch der Bewertung der MdE durch Dr. Sc., die er insbesondere unter Berücksichtigung des so genannten Segmentprinzip (vgl. hierzu Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, 8.3.2.8, S. 536) vornahm. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil (S. 10 unter 2.).

Das Gutachten des Dr. Sc. wird durch das im Berufungsverfahren auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG eingeholte Gutachten des Prof. Dr. Ho. bestätigt. Auch der Sachverständige kam unter Berücksichtigung der durchgeführten bildgebenden Verfahren zum Ergebnis, dass bereits vor dem Arbeitsunfall degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule und der Brustwirbelsäule bestanden, die durch den Arbeitsunfall keine beschleunigte Entwicklung erfuhren.

Das Gutachten des Prof. Dr. Ho. ist verwertbar. Auch wenn Prof. Dr. Ho. den Kläger nicht selbst untersucht hat, sondern die Untersuchung durch Oberarzt Se. erfolgte, ist dieses Gutachten verwertbar. Die Grenze der erlaubten Mitarbeit - mit der Folge der Unverwertbarkeit des Gutachtens - ist erst überschritten, wenn aus Art und Umfang der Mitarbeit eines weiteren Arztes gefolgert werden kann, der beauftragte Sachverständige habe seine das Gutachten prägenden und regelmäßig in einem unverzichtbaren Kern von ihm selbst zu erbringenden Zentralaufgaben nicht selbst wahrgenommen, sondern delegiert (BSG SozR 4-1750 § 407a Nr. 3; Beschluss vom 5. Mai 2009 - B 13 R 535/08 B -, veröffentlicht in juris). Zu dem unverzichtbaren Kern der Aufgaben des Sachverständigen gehört - ausgenommen psychiatrische Gutachten - nicht die persönliche Untersuchung des Patienten. Aufgrund der übersandten Akten, der umfassenden Untersuchung durch Oberarzt Se. sowie der vorliegenden Röntgen-, Computer- und Kernspintomographieaufnahmen konnte der vom Senat zum Sachverständigen ernannte Prof. Dr. Ho. ein ausreichende Aussage über die Frage des ursächlichen Zusammenhangs der vom Kläger geklagten Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule mit dem Arbeitsunfall vom 4. November 2004 machen. Der Sachverständige Prof. Dr. Ho. hat auch die volle Verantwortung für das Gutachten übernommen, was sich bereits aus dem am Ende des Gutachtens gegebenen Vermerk "Aufgrund eigener Überprüfung und Urteilsbildung einverstanden" ergibt und durch die ergänzende Stellungnahme vom 3. November 2009 nochmals bekräftigt wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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