L 13 AL 4955/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 10 AL 1645/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 4955/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 26. Juli 2006 abgeändert und der Bescheid vom 26. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Mai 2005 aufgehoben.

Im Übrigen wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 26. Juli 2006 zurückgewiesen.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 18. Februar 2009 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger ein Zehntel seiner außergerichtliche Kosten bzgl. des Urteils vom 26. Juli 2006 für beide Rechtszüge zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe des dem Kläger seitens der Beklagten bewilligten Unterhalts- (Uhg) und Arbeitslosengeldes (Alg). Der Kläger begehrt ab 1. September 2004 höhere Leistungen unter Zugrundelegung eines Bemessungszeitraums vom 1. September 2003 bis 31. August 2004.

Der am 1984 geborene Kläger absolvierte ab 1. September 2004 eine von der Beklagten geförderte Ausbildung zum Industriekaufmann bei der Firma S. GmbH in E ... Zuvor hatte er bei dieser Firma den Beruf des Papiermachers erlernt (4. September 2000 bis 21. Mai 2003) und anschließend bis 31. August 2003 als Gehilfe gearbeitet. Nachdem er diesen Beruf aus gesundheitlichen Gründen hatte aufgeben müssen, hatte die Agentur für Arbeit Ulm (AA) die Notwendigkeit einer Qualifizierung festgestellt und einen Bildungsgutschein für die Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildung ausgestellt. Zunächst bewilligte die AA mit Bescheid vom 8. Oktober 2004 Uhg ab 1. September 2004 in Höhe von 25,29 EUR täglich. Mit Bescheid vom 13. Dezember 2004 änderte die AA diese Entscheidung ab und hob den täglichen Leistungssatz mit Wirkung ab 1. September 2004 Uhg auf 25,69 EUR an. Dem seitens des Klägers gegen diesen Bescheid am 13. Januar 2005 erhobenen Widerspruch half die AA (teilweise) ab und bewilligte mit Änderungsbescheid vom 11. März 2005 Uhg für die Zeit vom 1. September bis 31. Dezember 2004 Uhg in Höhe von 29,55 EUR täglich (Bemessungsentgelt wöchentlich 572,10; Leistungsgruppe A; Prozentsatz 60). Mit Bescheid vom 14. März 2005 bewilligte die AA bei gleichbleibendem Bemessungsentgelt Alg für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 2. September 2007 (voraussichtliches Ende der Ausbildung) in Höhe von täglich 30,26. EUR. Diesen Bescheid änderte die AA mit weiterem Änderungsbescheid vom 26. April 2005 wiederum ab und bewilligte ab 1. April 2005 Alg in Höhe eines täglichen Leistungssatzes von 29,84 EUR. Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 2005 wies die Widerspruchsstelle der AA den Widerspruch im Übrigen zurück. Der Kläger habe Anspruch auf Alg bzw. Uhg nach einem Bemessungsentgelt von 561,57 EUR. Das Entgelt für den Monat August 2004 sei hierbei nicht zu berücksichtigen, da dieses im Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers noch nicht abgerechnet gewesen sei. Soweit für die Zeit vom 1. September 2004 bis 31. März 2005 höheres Uhg bzw. Alg gezahlt worden sei, habe es damit sein Bewenden, da die Bewilligung nur mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen werden dürfe.

Der Kläger hat am 10. Juni 2005 beim Sozialgericht Ulm (SG) Klage erhoben (S 10 AL 1645/05). Die Beklagte habe das von ihm im Monat August 2004 erzielte (höhere) Entgelt zu Unrecht außer Betracht gelassen. Die am 1. September 2004 erstellte Abrechnung müsse schon am 31. August 2004 als abgerechnet gelten, da die tatsächliche Ausfertigung allein auf der Arbeitszeit der Sachbearbeiterin beruhe, was ihm nicht zum Nachteil gereichen dürfe. Zur weiteren Begründung hat der Kläger eine Bescheinigung der Fa. S. GmbH vom 13. Juli 2006 vorgelegt; wegen des Inhalts dieser Bescheinigung wird auf Bl. 32 der Klageakten des SG Bezug genommen. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat zur Begründung ausgeführt, hinsichtlich des Entgelts für den Monat August 2004 komme es allein darauf an, ob dieses zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers aus dem Versicherungsleben bereits abgerechnet gewesen sei. Dies sei im Fall des Klägers zu verneinen; auf die Gründe hierfür komme es nicht an. Mit Urteil vom 26. Juli 2006 hat das SG die Klage unter Bezugnahme auf die Begründung des angefochtenen Widerspruchsbescheids abgewiesen.

Gegen dieses ihm gemäß Empfangsbekenntnis am 11. September 2006 zugestellte Urteil richtet sich die vom Kläger am 29. September 2006 schriftlich beim Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung (L 13 AL 4955/06). Selbst wenn die Lohnabrechnung - wie hier - erst am ersten Tag nach dem Ausscheiden aus dem Versicherungspflichtverhältnis vorliege, müsse der abgerechnete Monat noch in die Bemessungsgrundlage einbezogen werden. Die vom SG für rechtmäßig erachtete an einer reinen Wortlautauslegung des Gesetzes orientierte Praxis der Beklagten verstoße seines Erachtens gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Seine Arbeitslosigkeit habe am 10. September 2007 geendet; lediglich bis zu diesem Zeitpunkt mache er Leistungen geltend.

Nachdem der Kläger seine Ausbildung mit Ablauf des 12. Juli 2007 erfolgreich beendet hatte, bewilligte die Beklagte mit Änderungsbescheid vom 27. Juni 2007 ab 13. Juli 2007 Alg in Höhe von (weiterhin) 29,84 EUR täglich für die Dauer von 30 Kalendertagen. Der Bewilligungsbescheid über Alg werde gemäß § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) geändert, da sich der Beginn des Anspruchs vom 3. September 2007 auf den 13. Juli 2007 verschoben habe. Den gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. Juli 2007 zurückgewiesen. Mit Bescheid vom 27. Juli 2007 ist die Bewilligung von Alg mit Wirkung ab 13. August 2007 aufgehoben worden. Die mit dem Begehren, ihm höheres Alg bis einschließlich 10. September 2007 zu gewähren, seitens des Klägers am 20. Juli 2007 erhobene Klage (S 3 AL 2807/07) hat das SG mit Urteil vom 18. Februar 2007 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Alg über den 12. August 2007 hinaus; die Höhe des Alg sei von der Beklagten zutreffend berechnet worden. Der Kläger hat gegen dieses ihm gemäß Postzustellungsurkunde am 3. April 2009 zugestellte Urteil am 28. April 2009 schriftlich beim LSG Berufung eingelegt (L 13 AL 1950/09). Mit Beschluss vom 4. Mai 2009 hat der Senat die Berufungsverfahren L 13 AL 4955/06 und L 13 AL 1950/09 unter dem Aktenzeichen L 13 AL 4955/06 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Der Kläger beantragt,

die Urteile des Sozialgerichts Ulm vom 26. Juli 2006 und vom 18. Februar 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 11. März 2005, vom 14. März 2005 und vom 26. April 2005, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Mai 2005 sowie unter Abänderung des Bescheids vom 27. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Juli 2007 und unter Aufhebung des Bescheids vom 27. Juli 2007 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. September 2004 bis 31. Dezember 2004 Unterhaltsgeld und für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 10. September 2007 Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung eines Bemessungszeitraums vom 1. September 2003 bis 31. August 2004 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 27. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Juli 2007 und gegen den Bescheid vom 27. Juli 2007 abzuweisen.

Sie hält ihre Bescheide für rechtmäßig und die angefochtenen Urteile des SG für zutreffend.

Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten (684D000095), die Klageakten des SG (S 10 AL 1645/05 und S 3 AL 2807/07) und die Berufungsakten des Senats (L 13 AL 4955/06 und L 13 AL 1950/09) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 26. Juli 2006 hat teilweise Erfolg; die Berufung gegen das Urteil vom 18. Februar 2009 bleibt hingegen erfolglos.

Die Berufungen sind statthaft, da Berufungsbeschränkungen nicht vorliegen (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG) und auch im übrigen zulässig, denn sie sind unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden.

1. Die Berufung gegen das Urteil des SG vom 26. Juli 2006 ist auch teilweise begründet. Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage sind insoweit zunächst die Bescheide vom 11. März 2005, 14. März 2005 und 26. April 2005, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Mai 2005. Gemäß § 96 SGG in der hier noch anwendbaren bis 31. März 2008 geltenden Fassung sind darüber hinaus auch der Bescheid vom 27. Juni 2007 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Juli 2007) und der Bescheid vom 27. Juli 2007 Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Dabei erweist sich (nur) der die zuvor mit Bescheid vom 14. März 2004 erfolgte Bewilligung von Alg mit Wirkung ab 1. April 2005 teilweise zurücknehmende Bescheid vom 26. April 2005 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Mai 2005) als rechtswidrig und den Kläger in subjektiven Rechten verletzend; insoweit hat das SG die Klage zu Unrecht abgewiesen. Im übrigen sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in subjektiven Rechten.

Die Bemessung des dem Kläger für die Zeit vom 1. September 2004 bis 31. Dezember 2004 bewilligten Uhg richtet sich nach §§ 153, 157 Nr. 2 in Verbindung mit §§ 129 ff. Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der bis 31. Dezember 2004 geltenden Fassung. Gemäß § 153 SGB III können Arbeitnehmer bei Teilnahme an einer für die Weiterbildungsförderung anerkannten Vollzeitmaßnahme ein Uhg erhalten, wenn sie die allgemeinen Fördervoraussetzungen für die Förderung der beruflichen Weiterbildung einschließlich der Vorbeschäftigungszeit erfüllen. Diese Voraussetzungen lagen beim Kläger in der streitgegenständlichen Zeit vor. Hinsichtlich der Höhe des Uhg verweist § 157 Nr. 2 SGB III auf die Vorschriften über das Alg. Gemäß § 129 Nr. 1 SGB III beträgt das Alg für Arbeitslose, die mindestens ein Kind im Sinne des § 32 Abs. 1, 3 bis 5 des Einkommensteuergesetzes haben, sowie für Arbeitslose, deren Ehegatte oder Lebenspartner mindestens ein Kind in diesem Sinne hat, wenn beide Ehegatten oder Lebenspartner unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben, 67 Prozent (erhöhter Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Für alle übrigen Arbeitslosen (mit Kindermerkmal 0) gilt gemäß § 129 Nr. 2 SGB III der allgemeine Leistungssatz in Höhe von 60 Prozent. Der Bemessungszeitraum umfasst nach § 130 Abs. 1 SGB III die Entgeltabrechnungszeiträume, die in den letzten 52 Wochen vor der Entstehung des Anspruchs, in denen Versicherungspflicht bestand, enthalten sind und beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem Versicherungspflichtverhältnis vor der Entstehung des Anspruchs abgerechnet waren. Die Beklagte ist zutreffend von einem Bemessungszeitraum vom 1. September 2003 bis 31. Juli 2004 ausgegangen. In diesem Zeitraum waren nach der Arbeitsbescheinigung die Monate September bis einschließlich Juli 2004 abgerechnet. Der Monat August 2004 war erst am 1. September 2004 und damit nach dem Ausscheiden des Klägers aus dem Versicherungspflichtverhältnis abgerechnet; dies hat die Firma S. GmbH ausdrücklich bestätigt. Dementsprechend kann das in diesem Monat erzielte Entgelt nicht bei der Berechnung des Alg berücksichtigt werden. Auf die Gründe für den Zeitpunkt der Abrechnung - nach Auskunft der Firma S. GmbH wurde die Abrechnung regelmäßig erst im Folgemonat vorgenommen - kommt es nicht an. Ebenso wenig ist von Relevanz, ob eine die Abrechnung zu einem früheren Zeitpunkt möglich gewesen wäre. Die Nichtberücksichtigung nicht abgerechneter Monate verstößt zur vollen Überzeugung des Senats letztlich auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes, denn die zugrunde liegende Regelung ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt; sie soll insbesondere eine rasche und einfache Feststellung der Leistungshöhe schon bei Ausscheiden des Anspruchstellers aus seinem Beschäftigungsverhältnis ermöglichen (so bereits Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 21. Juli 1977 - 7 RAr 102/76 - SozR 4100 § 112 Nr. 5 m.w.N.). Auch der Höhe nach hat die Beklagte das Bemessungsentgelt (wöchentlich 572,10 EUR) der Klägerin zutreffend berechnet. Insoweit wird auf die - zwischen den Beteiligten auch nicht (mehr) umstrittene - Berechnung der Beklagten auf Seite 3 f. des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2005 (Bl. 77 f. der Verwaltungsakte) Bezug genommen. Unter Zugrundelegung der SGB III-Leistungsentgeltverordnung 2004 ergibt sich bei diesem Bemessungsentgelt des mit Änderungsbescheid vom 11. März 2005 bewilligte wöchentlichen Leistungssatzes von 206,85 EUR.

Eine Abänderung des ihm für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 12. August 2007 Alg in Höhe von täglich 30,26 EUR bewilligenden Bescheids vom 14. März 2005 kann der Kläger ebenfalls nicht verlangen. Materiell-rechtlich beträgt die Höhe des Alg zwar nur 29,84 EUR täglich, die insoweit seitens der Beklagten fehlerhaft vorgenommene Berechnung wirkt sich jedoch ausschließlich zu seinen Gunsten aus und beschwert ihn deshalb nicht. Wegen des zugrunde zu legenden Bemessungszeitraums wird auf die obigen Ausführungen und wegen der Höhe des Alg im Übrigen wiederum auf die Berechnung der Beklagten auf Seite 3 f. des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2005 (Bl. 77 f. der Verwaltungsakte; Berechnungsgrundlagen: Bl. 72 der Verwaltungsakte) Bezug genommen.

Die von der Beklagten mit Bescheid vom 26. April 2005 verfügte Änderung des Bescheids vom 14. März 2005 erweist sich als rein belastender Verwaltungsakt, denn der Verfügungssatz dieses Bescheids beschränkt sich auf die teilweise Zurücknahme der Bewilligung von Alg (soweit sie über einen täglichen Leistungssatz von 29,84 EUR hinausgeht) für die Zeit vom 1. April 2005 bis 2. September 2007. Anders als das SG meint ist (im Höhenstreit) auch dieser Bescheid vollumfänglich zu überprüfen und, da er in rechtswidriger Weise in subjektive Rechte des Klägers eingreift, auf Anfechtungsklage aufzuheben. Ausgangspunkt der Prüfung ist insoweit § 330 Abs. 2 SGB III in Verbindung mit § 45 SGB X. Danach darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 1 SGB X). Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X ist eine Rücknahme ausgeschlossen, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte jedoch in den Fällen des § 45 Abs. 2 Satz 3 nicht berufen. Diese Ausnahmevorschrift greift ein, wenn der Begünstigte den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB X) sowie in Fällen, in denen der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Das Gleiche gilt, wenn der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). § 330 Abs. 2 SGB III bestimmt für diese Fälle, dass der Verwaltungsakt auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist. Für den Bereich des Arbeitsförderungsrechts tritt damit an die Stelle der gemäß § 45 SGB X eigentlich vorgesehenen Ermessensentscheidung eine gebundene Entscheidung.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Ermächtigungsgrundlage liegen nicht vor. Anders als die Beklagte meint, handelt es sich bei der mit Bescheid vom 26. April 2005 verfügten Zurücknahme um eine solche mit Wirkung für die Vergangenheit. Die insoweit für die Rechtmäßigkeit der Zurücknahme erforderlichen Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB III liegen nicht vor; der Kläger kann sich mit Erfolg darauf berufen, er habe auf den Bestand des Bewilligungsbescheids vom 14. März 2005 vertraut. Die ersten beiden Varianten des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB III liegen ersichtlich nicht vor. Zudem hätte der Kläger auch nicht erkennen müssen, dass die Bewilligungsentscheidung vom 14. März 2005 zu seinen Gunsten rechtswidrig gewesen ist; der Vorwurf grober Fahrlässigkeit kann dem Kläger insoweit jedenfalls nicht gemacht werden. Selbst wenn man in dem Bescheid vom 26. April 2005 (auch) eine mit Wirkung für die Zukunft verfügte Zurücknahme erkennen wollte, wäre auch diese wegen Fehlens der dann notwendigen Ausübung pflichtgemäßen Ermessens rechtswidrig. Weder der Bescheid vom 26. April 2005 noch der diesen bestätigende Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 2005 lässt eine Ermessensausübung erkennen; mithin würde sich die Entscheidung wegen eines vollständigen Ermessensausfalls als rechtswidrig erweisen.

Demgegenüber erweisen sich der Bescheid vom 27. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Juli 2007 und der Bescheid vom 27. Juli 2007 als rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in subjektiven Rechten. Mit diesen Bescheiden hat die Beklagte, nachdem hinsichtlich der Höhe der Leistung keine Änderungen verfügt worden sind, letztlich (nur) die Bewilligung von Alg mit Wirkung ab 13. August 2007 aufgehoben hat. Diese Verfügung findet ihre Rechtsgrundlage in § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Diese Voraussetzungen liegen vor; eine wesentliche Änderung ist insoweit eingetreten, als der (mit Bescheid vom 14. März 2005 bis 2. September 2007 bewilligte) Anspruch des Klägers auf Alg mit Ablauf des 12. August 2007 entfallen ist. Nachdem der Kläger seine Ausbildung am 12. Juli 2007 abgeschlossen und sich anschließend arbeitslos gemeldet hat, stand ihm ein Anspruch auf Alg nur noch für die Dauer eines Monats zu. Dies folgt aus § 128 Abs. 1 Nr. 8 SGB III, wonach sich die Dauer des Anspruchs auf Alg jeweils um einen Tag für zwei Tage, für die ein Anspruch auf Alg bei beruflicher Weiterbildung erfüllt worden ist, mindert. Die Minderung unterbleibt, soweit sich dadurch eine Anspruchsdauer von weniger als einem Monat ergibt (§ 128 Abs. 2 Satz 3 SGB III). In Anwendung des § 127 Abs. 2 SGB III ergibt sich im Fall des Klägers zunächst eine Anspruchsdauer von zwölf Monaten. Bei insgesamt 912 Tagen, für die Uhg bzw. Alg bei beruflicher Weiterbildung gewährt worden ist, ergibt sich eine Minderung der Anspruchsdauer um 456 Tage; damit verbleibt in Anwendung des § 128 Abs. 2 Satz 3 SGB III nur eine Anspruchsdauer von einem Monat, die am 12. August 2007 abgelaufen ist.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 18. Februar 2009 ist insgesamt unbegründet; insoweit hat das SG die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Allerdings erweist sich die Klage nicht, wie das SG angenommen hat, als unbegründet sondern bereits als unzulässig. Gegenstand dieser kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage war der dem Kläger Alg für die Zeit vom 13. Juli 2007 bis 12. August 2007 bewilligende Bescheid vom 27. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Juli 2007 sowie der Bescheid vom 27. Juli 2007, mit dem die Beklagte die Aufhebung der Alg Bewilligung mit Wirkung ab 13. August 2007 verfügt hat. Diese Bescheide waren jedoch, da sie die mit Bescheiden vom 14. März 2005 und 26. April 2005 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Mai 2005) für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 2. September 2007 verfügte Bewilligung von Alg teilweise aufgehoben und damit die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung abgeändert haben, gemäß § 96 SGG bereits Gegenstand des beim LSG anhängigen Berufungsverfahrens gegen das Urteil des SG vom 26. Juli 2006 geworden. Wegen dieser anderweitigen Rechtshängigkeit war die am 20. Juli 2007 beim SG erhobene Klage von Anfang an unzulässig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Hierbei war zu berücksichtigen, dass die Berufung des Klägers gegen das Urteil vom 26. Juli 2006 teilweise erfolgreich war, hingegen die Berufung gegen das Urteil vom 18. Februar 2009 ohne Erfolg geblieben ist, weshalb für dieses Verfahren außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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