Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 16 R 5735/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 2444/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. April 2009 abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01. März 2009 bis zum 28. Februar 2011 streitig.
Die 1956 geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt, war bei verschiedenen Arbeitgebern als Arbeiterin, zuletzt seit 01. Januar 2006 als Graviererin bei einer Schilderfabrik versicherungspflichtig beschäftigt. Seit Februar 2007 ist sie arbeitsunfähig erkrankt. In der Zeit vom 24. April 2002 bis zum 23. April 2007 sind mehr als drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder aufgrund des Bezugs von Lohnersatzleistungen im Sinne des § 3 Satz 1 Nr 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) entrichtet, insgesamt sind Beitragszeiten von mehr als fünf Jahren vorhanden (Versicherungsverlauf vom 09. Mai 2007).
Die Klägerin wurde am 22. Februar 2007 mit akut aufgetretenen linksthorakalen Schmerzen in die Medizinische Klinik des Krankenhauses M. aufgenommen und dort bis 2. März 2007 behandelt. Ein Herzinfarkt als Ursache der Beschwerden konnte ausgeschlossen werden. Da das Krankenhaus aufgrund der klinischen Beschwerden auch eine psychosomatische Erkrankung in Betracht zog, wurde in Absprache mit der Klägerin eine stationäre Aufnahme in der Psychiatrischen Klinik i. d. Z. vereinbart. In dieser Klinik befand sich die Klägerin vom 16. März bis 20. April 2007 in stationärer Behandlung. Die Entlassung erfolgte in nur leicht gebessertem Zustand und der dringenden Empfehlung, eine weitere ambulante psychotherapeutische Maßnahme durchzuführen (Bl 73 V-Akte).
Am 24. April 2007 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung führte sie aus, sie leide an einer Schuppenflechte mit Gelenksbeteiligung, Depressionen, Rheuma, chronischer Nasennebenhöhlenentzündung, Bandscheibenschaden, Blasenschwäche, Schilddrüsen (Basedow), unklaren Schmerzzuständen sowie Übergewicht.
Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung nach ambulanter Untersuchung. Die Internistin Dr. R. diagnostizierte: 1. wiederkehrende Lumbalbeschwerden ohne Ausstrahlung, ohne radikuläre Symptomatik und ohne Funktionseinschränkung, 2. Raucherbronchitis, 3. Psoriasis, Psoriasisarthropathie, 4. Metabolisches Syndrom mit Übergewicht, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörung und 5. Somatoforme Schmerzstörung, depressive Störung. Die Klägerin könne noch sechs Stunden und mehr in ihrer letzten beruflichen Tätigkeit sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte bis mittelschwere Arbeiten unter Vermeidung insbesondere von hautreizenden Stoffen verrichten.
Gestützt hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15. Juni 2007 den Rentenantrag mit der Begründung ab, die Klägerin sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert.
Mit ihrem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, unter ihren körperlichen Gebrechen habe sich ihre Psyche sehr verändert. Sie leide unter starken Depressionen, Angstzuständen und sehr starken Konzentrationsschwierigkeiten. Sie hat hierzu den Entlassungsbericht über die stationäre Behandlung vom 16. März 2007 bis 20. April 2007 in der Klinik i. d. Z. GmbH (Diagnosen: Angststörung mit Panikattacken, akute depressive Episode als rezidiv einer chronischen Störung, chronisch somatoformes Schmerzsyndrom, Essstörung) vorgelegt.
Die Beklagte veranlasste daraufhin eine nervenfachärztliche Untersuchung. Der Neurologe und Psychiater Dr. H. hat eine Agoraphobie mit Panikstörung, ein chronisches Schmerzsyndrom bei Psoriasis/Arthritis sowie eine Adipositas permagna beschrieben. Die Untersuchte sei bewusstseinsklar, orientiert, im Verhalten situationsgerecht, freundlich zugewandt, lebhaft, schwingungsfähig und ausgeglichen gewesen. Anhaltspunkte für Störungen von Aufmerksamkeit und Gedächtnis oder Wahrnehmung hätten nicht bestanden. Die Belastungsfähigkeit sei erhalten. Neben einer im Normbereich liegenden Minderbegabung fänden sich keine wesentlichen psychopathologischen Auffälligkeiten. Die Klägerin sei sicherlich durch ihr extremes Übergewicht beeinträchtigt, sowohl in der körperlichen Leistungsfähigkeit als auch im Selbstwertgefühl. Dies habe zu einem ausgeprägten Vermeidungsverhalten geführt, das durch die lange Krankschreibung noch verstärkt worden sei. Dieses Vermeidungsverhalten lasse sich am besten abbauen, wenn die Klägerin gezwungen sei, sich auf soziale Kontakte einzulassen, wie es an einem Arbeitsplatz gegeben sei. Die Klägerin könne daher noch sechs Stunden und mehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Vermeidung von Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an das Umstellungs- und Anpassungsvermögen, an den Bewegungs- und Haltungsapparat verrichten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 09. November 2007 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend aus, die zuletzt ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung als Graviererin sei dem Leitberuf des ungelernten Arbeiters zuzuordnen, so dass sich die Klägerin auf sämtliche ungelernten Tätigkeiten verweisen lassen müsse.
Mit ihrer dagegen am 29. November 2007 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, sie leide an einer schweren psychischen Störung, so dass eine dauerhafte psychotherapeutische Unterstützung unbedingt notwendig sei. Zusätzliche berufliche oder private Belastungen würden ihren Zustand weiter verschlechtern. Eine zwangsweise Wiedereingliederung ins Arbeitsleben lasse eine Verschlimmerung der psychischen Erkrankung befürchten. Weiterhin lägen ein schweres Wirbelsäulenleiden und eine Psoriasis-Arthritis mit Beteiligung aller Gelenke vor. Sie hat hierzu ergänzend den Entlassungsbericht des Rheumazentrums B.-B. vorgelegt, in dem sie sich vom 24. Oktober 2007 bis 13. November 2007 in stationärer Behandlung befunden hat.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen gehört, die Klägerin anschließend orthopädisch und nervenärztlich begutachten lassen sowie die Schwerbehindertenakten beigezogen.
Die Internistin und Rheumatologin Dr. R. hat über ihre Behandlungen seit August 2005 wegen einer Psoriasis vulgaris berichtet und sich zu einer aktuellen Bewertung außer Stande gesehen, da sie die Klägerin seit Mai 2007 nicht mehr behandelt habe. Das Gleiche führte der behandelnde Orthopäde Dr. Dr. D. aus, bei dem die Klägerin ebenfalls im Mai 2007 zuletzt in Behandlung war. Der Hautarzt Dr. S. hat sich der Leistungsbeurteilung der Beklagten angeschlossen und über seine Behandlungen wegen Zunahme der Hautstellen, die teils plattenartig erschienen und juckten, berichtet. Der Neurologe und Psychiater Dr. S. hat über eine rezidivierende depressive Störung mit sekundärer Angstsymptomatik berichtet. Daraus sei eine dauerhafte Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht abzuleiten, vielmehr solle eine aktivierende Verhaltenstherapie mit Rückführung in ein normales Alltags-, Sozial- und Berufsleben ermöglicht werden. Der Internist Dr. G., bei dem sich die Klägerin seit August 2007 in regelmäßigen Abständen zirka alle sechs bis acht Wochen in Behandlung befindet, hat über eine ausgeprägte Psoriasis zum Teil in großen Plaque am ganzen Körper mit deutlicher Endgelenks- und Nagelbeteiligung, ausgeprägter Einschränkung der Beweglichkeit der Schulter-, Hüft- und Kniegelenke berichtet. Sie sei vom rheumatologischen Standpunkt aus weiterhin nicht arbeitsfähig. Der Allgemeinmediziner Dr. G. hat die Klägerin ebenfalls für nicht erwerbsfähig erachtet. Er habe sie seit Januar 2007 allein 58 mal behandelt.
Der Orthopäde B. hat in seinem Gutachten, das auf einer ambulanten Untersuchung der Klägerin am 16. Mai 2008 beruht, 1. ein degeneratives Lumbalsyndrom mit pseudoradikulären Ischialgien links ohne segmentalen Bezug, anamnestisch bekannter LWK 3-Spontanfraktur ohne Nachweis einer Osteoporose, 2. eine Gonarthrose beidseits, retropatellarbetont mit Linksbetonung und mäßigem Funktionsdefizit, 3. eine cervikale Myotendopathie mit muskulärer Dysbalance ohne relevante funktionelle Einschränkung, 4. ein mäßiges Impingement beider Schultern mit eher mäßigem Funktionsdefizit, 5. eine Psoriasis, Psoriasis arthropathie, 6. eine Polyarthralgie beider Hände ohne vorauseilende degenerative oder rheumatologische Veränderungen, 7. ein metabolisches Syndrom mit Übergewicht, Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörung und 8. eine somatoforme Schmerzstörung bei depressiver Entwicklung diagnostiziert. Veränderungen an der LWS mit entsprechendem Schmerzsyndrom bedingten eine Minderung der Belastbarkeit für das Achsenorgan. Radikuläre Ausfallerscheinungen hätten aber nur in Form einer Hypästhesie am rechten Oberschenkel bestanden. Die Beweglichkeit der Kniegelenke sei allenfalls mittelgradig und hier nur in der Beugung eingeschränkt. Deswegen sei eine verminderte Belastbarkeit für kniende oder hockende Tätigkeiten gegeben. Aufgrund der Veränderungen der Schultergelenke könne die Klägerin keine Überkopfarbeiten mehr verrichten. Die funktionellen Einschränkungen der Hände, hier insbesondere der Zeigefinger, beeinflussten die Feinmotorik insbesondere beim Fassen bzw im Spitzgriff. Die Klägerin könne seiner Auffassung nach noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Wechselrythmus ohne häufiges Heben und Tragen von schweren Lasten, häufiges Bücken, Hocken oder Treppensteigen sechs Stunden und mehr verrichten. Von Seiten der Psoriasis/Arthritis hätten sich keine Aktivierungszeichen gefunden, insbesondere nicht an den Fingergelenken.
Vom 4. bis 12. August 2008 hat die Klägerin wegen einer medikamentös-toxischen Hepatitis (entzündliche Lebererkrankung) wieder im Krankenhaus M. stationär behandelt werden müssen. Die sonografische Untersuchung ergab Zeichen einer fortgeschrittenen Fettleber. Im Rahmen der von der Klinik eingeleiteten Therapie ist ua die bis dahin durchgeführte Versorgung der Klägerin mit Citalopram 40 mg, einem Medikament, das zur Behandlung depressiver Erkrankungen angewendet wird, ausgesetzt worden. Am 11. September 2008 hat die Klägerin die von Prof. Dr. V. geleitete Psychiatrische Klinik B. aufgesucht, um sich von Prof. Dr. V., den das SG zum Sachverständigen ernannt hatte, untersuchen zu lassen. Die Klägerin ist allerdings am selben Tag auch unter der Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome notfallmäßig in die Klinik aufgenommen worden. Im Rahmen der Anamneseerhebung hat sie angegeben, seit 4. August 2008 seien alle Medikamente abgesetzt. Derzeit gehe es ihr aber schlecht. Vor vier Wochen habe sie alle Medikamente geschluckt, die sie noch zu Hause gehabt habe, um endlich zu schlafen und möglichst nicht mehr aufzuwachen. Aufgrund der immer noch vorhandenen toxischen Hepatitis hat die Klinik weiterhin auf eine antidepressive Medikation verzichtet und die Schmerzmedikation auf das Notwendigste reduziert. Unter psycho- und milieutherapeutischer Führung haben sich die Beschwerden so gebessert, dass die Klägerin am 1. Oktober 2008 hat entlassen werden können.
Prof. Dr. V. hat in seinem psychiatrischen Gutachten 8. September 2008, das auf dem stationären Aufenthalt der Klägerin in der von ihm geleiteten Klinik beruht, eine rezidivierende depressive Störung, derzeit schwerer Ausprägung, sowie ein somatoformes Schmerzsyndrom beschrieben. Aufgrund der Schwere der derzeitigen Erkrankung und des bisherigen Verlaufs habe man die Klägerin notfallmäßig stationär aufgenommen. Die Klägerin könne seines Erachtens nur noch leichte körperliche Arbeiten im Sitzen, ohne geistig höhere Beanspruchung weniger als zwei Stunden verrichten. Es handle sich mittlerweile um ein chronifiziertes Krankheitsstadium. Weitere Therapiemöglichkeiten bestünden nicht.
Die Beklagte hat hierzu eine beratungsärztliche Stellungnahme von Med. Dir. L. vorgelegt.
Mit Urteil vom 27. April 2009 hat das SG die Beklagte verurteilt, der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01. März 2009 bis zum 28. Februar 2011 zu gewähren und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, die Klägerin sei seit 04. August 2008 nicht mehr in der Lage, auch nur leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr als zwei Stunden täglich zu verrichten. Dies folge aus dem psychiatrischen Hauptgutachten von Prof. Dr. V ... Dieser habe einen psychisch instabilen Gesundheitszustand seit ca. 1980 beschrieben. Die depressiven Episoden hätten sich in der Vergangenheit unter entsprechender Medikation phasenhaft bessern lassen. Behandlungsversuche seien allerdings nur symptomlindernd und nicht kurativ gewesen. Diese Aussage werde auch durch Dr. B. bestätigt. Dieser habe ebenfalls über eine ausgeprägte depressive Herabgestimmtheit berichtet. Die Situation der Klägerin habe sich dadurch verschlimmert, dass sie aufgrund der am 04. August 2008 diagnostizierten toxischen Hepatitis gezwungen gewesen sei, ihre Psychopharmaka abzusetzen. Für die Richtigkeit der Diagnose und Leistungsbeurteilung spreche auch der Entlassbericht des Psychiatrischen Zentrums N ... Zwar habe man ihr damals bescheinigt, dass sie in deutlich gebessertem Zustand ohne erkennbare Eigen- und Fremdgefährdung hätte entlassen werden können. Diese Einschätzung berücksichtige aber nicht die Suizidgefährdung der Klägerin zum Aufnahmezeitpunkt. Die Rente sei befristet zu gewähren, da sich das aktuell verminderte Leistungsvermögen allein aus der Tatsache ergebe, dass die Klägerin aufgrund der toxischen Hepatitis nicht in der Lage sei, die entsprechenden Medikamente zur Therapie des psychiatrischen Krankheitsbildes der Depression einzunehmen. Man müsse abwarten, ob sich das Leberleiden der Klägerin verbessere, so dass eine Fortsetzung der medikamentösen Therapie und dadurch Besserung der Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Gebiet möglich sei. Deswegen werde die Rente auf zwei Jahre befristet.
Gegen das am 08. Mai 2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 28. Mai 2009 Berufung mit der Begründung eingelegt, der Gutachter habe die anschließende stationäre Behandlung nicht berücksichtigt. Aus dem vorgelegten Entlassungsbericht vom 01. Oktober 2008 ergebe sich aber, dass die Klägerin in deutlich gebessertem Zustand hätte entlassen werden können. Die Beklagte hat hierzu eine weitere beratungsärztliche Stellungnahme von MU Dr. H. vorgelegt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. April 2009 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Vom 6. bis 18. August 2009 ist die Klägerin im Zentrum für Psychiatrie C. stationär behandelt worden. Sie wurde ausweislich des Entlassungsberichts vom 25. August 2009 mit einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, Suizidversuch vor ca. 4 Wochen, Rheumatoide Arthritis entlassen. Die Klägerin habe mitgeteilt, in suizidaler Absicht Betarezptorenbloker eingenommen zu haben. Sie sei wach, bewusstseinsklar, zeitlich, örtlich situativ und zur Person und orientiert gewesen mit etwas reduziertem Antrieb. Gedanklich wäre sie darauf eingeschränkt gewesen, wie es weitergehen solle. Aktuell bestünden keine Hinweise auf Suizidalität oder Fremdgefährdung. Die psychische Situation habe sich ausreichend stabilisiert, es sei zu einer deutlichen Besserung der Symptomatik gekommen.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat der Senat die Klägerin erneut nervenärztlich begutachten lassen.
Die Neurologin und Psychiaterin Dr. R. (Untersuchung am 7. Oktober 2009) hat eine abhängige Persönlichkeitsstörung sowie eine rezidivierende depressive Störung beschrieben. Bei der serologischen Untersuchung habe kein therapeutischer Wirkspiegel der nervenärztlichen Medikamente Solian und Lyrica nachgewiesen werden können. Therapeutisch führe sie derzeit keine Behandlung auf psychiatrisch/psychotherapeutischem Gebiet durch. Die Klägerin habe sich auf eine Rente festgelegt, so dass sie eine Behandlung bei einer Psychiaterin, die sie in ihrem Rentenwunsch nicht bestätigte, abgelehnt habe. Sie habe sich gesundheitlich als robust eingeschätzt und offenbar keinen Leidensdruck verspürt. Die serologische Untersuchung habe ergeben, dass der Wirkspiegel des Medikaments Solian unterhalb des therapeutischen Bereiches liegt. Das Medikament Lyrica nehme die Klägerin entsprechend dem fehlenden Wirkspiegel nicht ein. Die Klägerin sei ihrer Auffassung nach in der Lage, eine leichte bis mittelschwere Tätigkeit entsprechend ihrer einfachen Strukturierung sechs Stunden und mehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt durchzuführen. Hierfür spreche auch, dass sie die Stresssituation der Begutachtung mit einer Dauer von dreieinhalb Stunden ohne Pause problemlos ohne Einschränkungen der Konzentrations- und Aufmerksamkeitsleistungen hätte bewältigen können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG, da es um laufende Leistungen für mehr als ein Jahr geht. Die damit insgesamt zulässige Berufung der Beklagten ist auch begründet. Das SG hat der zulässigen Klage zu Unrecht teilweise stattgegeben, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung auf Zeit.
Der geltend gemachte Anspruch richtet sich § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl I Seite 554). Nach § 43 Abs 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Nach § 43 Abs 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).
Nach § 240 Abs 1 SGB VI haben darüber hinaus Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind, bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie die sonstigen Voraussetzungen erfüllen. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist (§ 240 Abs 2 Satz 1 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs 2 Sätze 2 und 4 SGB VI).
Nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweiserhebung sowie unter Berücksichtigung der vom SG und der Beklagten vorgenommenen Ermittlungen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin unter Beachtung bestimmter qualitativer Einschränkungen noch in der Lage ist, mindestens leichte körperliche Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt täglich mehr als sechs Stunden zu verrichten.
Der Senat stützt sich insoweit auf das eingeholte Gutachten von Dr. R., welches sich in Übereinstimmung mit dem im Wege des Urkundsbeweises verwertbaren Gutachten von Dr. H. befindet. Der abweichenden Leistungseinschätzung des erstinstanzlich gehörten Sachverständigen Prof. Dr. V. hat sich der Senat indessen ebenso wenig wie der Beurteilung des behandelnden Hausarztes Dr. G. anschließen können.
Im Vordergrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen steht eine abhängige Persönlichkeitsstörung sowie eine rezidivierende depressive Störung. Dies ergibt sich aus dem Gutachten von Dr. R. und dem letzten Entlassungsbericht des Zentrums für Psychiatrie C ... Die Klägerin zeigt keinerlei körperliches Schmerzverhalten, ist weder teilnahmslos noch affektiv nicht schwingungsfähig. Ihre kognitiven Fähigkeiten sind nicht beeinträchtigt, sie ist vielmehr vollumfänglich orientiert, auch nicht verlangsamt. Es besteht lediglich ein Hang zur Niedergeschlagenheit. Eine gewisse Suizidalität war lebenslang vorhanden, wobei sie mit diesem Verhalten die Verbindung mit anderen suchte, um nicht allein zu sein. Diese nervenärztlichen Gesundheitsstörungen stehen, auch wenn dadurch immer wieder Phasen auftreten, in denen die Klägerin einer intensiven Behandlung auch stationärer Natur bedürfen, aber einer leichten bis mittelschweren Tätigkeit sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche nicht entgegen. Sie bedarf vielmehr der von Dr. R. aufgezeigten Langzeittherapie unter medikamentöser Behandlung, für die es bisher an der erforderlichen Motivation gefehlt hat. Auch der behandelnde Arzt Dr. S. hat deswegen auch eine aktivierende Verhaltenstherapie mit Rückführung in ein normales Alltags-, Sozial- und Berufsleben befürwortet und die Klägerin nicht als erwerbsgemindert angesehen. Diese Einschätzung von Dr. R. wird auch zur Überzeugung des Senats dadurch bestätigt, dass die Klägerin die Stresssituation der Begutachtung mit einer Dauer von dreieinhalb Stunden ohne Pause problemlos ohne Einschränkungen der Konzentrations- und Aufmerksamkeitsleistungen bewältigen konnte. Auch in der letzten stationären Behandlung konnte deswegen relativ rasch ein befriedigendes Behandlungsergebnis allein durch Gabe von Medikamenten, die die Klägerin danach nicht stringent einnimmt, wie dies Dr. R. festgestellt hat, sowie durch Tagesstrukturierung und Gespräche erzielt werden. Dies ist aber dem rezidivierenden Verlauf einer Erkrankung geradezu immanent und tritt bei der Klägerin, wie Dr. R. ausgeführt und auch durch den Entlassungsbericht bestätigt wird, in Verlust- und Trennungssituationen auf. Die akute Episode, die zu der Behandlung in C. geführt hat, war daher auch bei der Untersuchung durch Dr. R. bereits abgeklungen. Das wird auch durch den persönlichen Eindruck des Senats von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Die abweichende Beurteilung von Prof. Dr. V. basierte auf einer solchen akuten Krisenintervention, die eine zusätzliche stationäre Aufnahme der Klägerin erforderlich machte, so dass der Sachverständige zugleich in dem Näheverhältnis als behandelnder Arzt stand. Er hat auch nicht überzeugend dargelegt, warum die Klägerin bei rezidivierenden Störungen dauerhaft keiner leichten Arbeit nachgehen kann, zumal es an der Erhebung der Tagesstruktur, der Ressourcen und Kompetenzen fehlt.
Die auf orthopädischem und rheumatologischen Fachgebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen, wie sie eingangs geschildert wurden, bedingen nur weitere qualitative Einschränkungen, aber nicht eine zeitliche Limitierung des Leistungsvermögens, wie sich aus den Gutachten von Herrn. B. und Dr. R. sowie dem Entlassungsbericht des Rheumazentrums B.-B. vom 22. November 2007 ergibt. Deswegen konnte auch die abweichende Einschätzung des Hausarztes Dr. G. nicht überzeugen.
Im Hinblick auf die qualitativen Leistungseinschränkungen braucht der Klägerin keine konkrete Berufstätigkeit benannt zu werden, weil sie ihrer Anzahl, Art und Schwere nach keine besondere Begründung zur Verneinung einer "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" oder einer "schweren spezifischen Leistungsminderung" erfordern (vgl hierzu BSG SozR 2200 § 1246 Nr 136). Sie erscheinen nämlich nicht geeignet, das Feld körperlich leichter Arbeiten zusätzlich wesentlich einzuengen. Das Restleistungsvermögen der Klägerin erlaubt ihr weiterhin noch körperliche Verrichtungen, die in leichten einfachen Tätigkeiten gefordert werden wie zB Zureichen, Abnehmen, Bedienen von Maschinen, Montieren, Kleben, Sortieren, Verpacken oder Zusammensetzen von kleinen Teilen.
Die Klägerin ist auch nicht teilweise erwerbsgemindert bei Berufsunfähigkeit. Eine Berufsausbildung hat sie nicht absolviert und während seines Versicherungslebens allenfalls angelernte Tätigkeiten verrichtet. Sie ist deswegen auch zur Überzeugung des Senats auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar, auf dem noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen besteht.
Auf die Berufung der Beklagten ist deshalb das angefochtene Urteil des SG aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01. März 2009 bis zum 28. Februar 2011 streitig.
Die 1956 geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt, war bei verschiedenen Arbeitgebern als Arbeiterin, zuletzt seit 01. Januar 2006 als Graviererin bei einer Schilderfabrik versicherungspflichtig beschäftigt. Seit Februar 2007 ist sie arbeitsunfähig erkrankt. In der Zeit vom 24. April 2002 bis zum 23. April 2007 sind mehr als drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder aufgrund des Bezugs von Lohnersatzleistungen im Sinne des § 3 Satz 1 Nr 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) entrichtet, insgesamt sind Beitragszeiten von mehr als fünf Jahren vorhanden (Versicherungsverlauf vom 09. Mai 2007).
Die Klägerin wurde am 22. Februar 2007 mit akut aufgetretenen linksthorakalen Schmerzen in die Medizinische Klinik des Krankenhauses M. aufgenommen und dort bis 2. März 2007 behandelt. Ein Herzinfarkt als Ursache der Beschwerden konnte ausgeschlossen werden. Da das Krankenhaus aufgrund der klinischen Beschwerden auch eine psychosomatische Erkrankung in Betracht zog, wurde in Absprache mit der Klägerin eine stationäre Aufnahme in der Psychiatrischen Klinik i. d. Z. vereinbart. In dieser Klinik befand sich die Klägerin vom 16. März bis 20. April 2007 in stationärer Behandlung. Die Entlassung erfolgte in nur leicht gebessertem Zustand und der dringenden Empfehlung, eine weitere ambulante psychotherapeutische Maßnahme durchzuführen (Bl 73 V-Akte).
Am 24. April 2007 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung führte sie aus, sie leide an einer Schuppenflechte mit Gelenksbeteiligung, Depressionen, Rheuma, chronischer Nasennebenhöhlenentzündung, Bandscheibenschaden, Blasenschwäche, Schilddrüsen (Basedow), unklaren Schmerzzuständen sowie Übergewicht.
Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung nach ambulanter Untersuchung. Die Internistin Dr. R. diagnostizierte: 1. wiederkehrende Lumbalbeschwerden ohne Ausstrahlung, ohne radikuläre Symptomatik und ohne Funktionseinschränkung, 2. Raucherbronchitis, 3. Psoriasis, Psoriasisarthropathie, 4. Metabolisches Syndrom mit Übergewicht, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörung und 5. Somatoforme Schmerzstörung, depressive Störung. Die Klägerin könne noch sechs Stunden und mehr in ihrer letzten beruflichen Tätigkeit sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte bis mittelschwere Arbeiten unter Vermeidung insbesondere von hautreizenden Stoffen verrichten.
Gestützt hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15. Juni 2007 den Rentenantrag mit der Begründung ab, die Klägerin sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert.
Mit ihrem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, unter ihren körperlichen Gebrechen habe sich ihre Psyche sehr verändert. Sie leide unter starken Depressionen, Angstzuständen und sehr starken Konzentrationsschwierigkeiten. Sie hat hierzu den Entlassungsbericht über die stationäre Behandlung vom 16. März 2007 bis 20. April 2007 in der Klinik i. d. Z. GmbH (Diagnosen: Angststörung mit Panikattacken, akute depressive Episode als rezidiv einer chronischen Störung, chronisch somatoformes Schmerzsyndrom, Essstörung) vorgelegt.
Die Beklagte veranlasste daraufhin eine nervenfachärztliche Untersuchung. Der Neurologe und Psychiater Dr. H. hat eine Agoraphobie mit Panikstörung, ein chronisches Schmerzsyndrom bei Psoriasis/Arthritis sowie eine Adipositas permagna beschrieben. Die Untersuchte sei bewusstseinsklar, orientiert, im Verhalten situationsgerecht, freundlich zugewandt, lebhaft, schwingungsfähig und ausgeglichen gewesen. Anhaltspunkte für Störungen von Aufmerksamkeit und Gedächtnis oder Wahrnehmung hätten nicht bestanden. Die Belastungsfähigkeit sei erhalten. Neben einer im Normbereich liegenden Minderbegabung fänden sich keine wesentlichen psychopathologischen Auffälligkeiten. Die Klägerin sei sicherlich durch ihr extremes Übergewicht beeinträchtigt, sowohl in der körperlichen Leistungsfähigkeit als auch im Selbstwertgefühl. Dies habe zu einem ausgeprägten Vermeidungsverhalten geführt, das durch die lange Krankschreibung noch verstärkt worden sei. Dieses Vermeidungsverhalten lasse sich am besten abbauen, wenn die Klägerin gezwungen sei, sich auf soziale Kontakte einzulassen, wie es an einem Arbeitsplatz gegeben sei. Die Klägerin könne daher noch sechs Stunden und mehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Vermeidung von Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an das Umstellungs- und Anpassungsvermögen, an den Bewegungs- und Haltungsapparat verrichten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 09. November 2007 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend aus, die zuletzt ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung als Graviererin sei dem Leitberuf des ungelernten Arbeiters zuzuordnen, so dass sich die Klägerin auf sämtliche ungelernten Tätigkeiten verweisen lassen müsse.
Mit ihrer dagegen am 29. November 2007 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, sie leide an einer schweren psychischen Störung, so dass eine dauerhafte psychotherapeutische Unterstützung unbedingt notwendig sei. Zusätzliche berufliche oder private Belastungen würden ihren Zustand weiter verschlechtern. Eine zwangsweise Wiedereingliederung ins Arbeitsleben lasse eine Verschlimmerung der psychischen Erkrankung befürchten. Weiterhin lägen ein schweres Wirbelsäulenleiden und eine Psoriasis-Arthritis mit Beteiligung aller Gelenke vor. Sie hat hierzu ergänzend den Entlassungsbericht des Rheumazentrums B.-B. vorgelegt, in dem sie sich vom 24. Oktober 2007 bis 13. November 2007 in stationärer Behandlung befunden hat.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen gehört, die Klägerin anschließend orthopädisch und nervenärztlich begutachten lassen sowie die Schwerbehindertenakten beigezogen.
Die Internistin und Rheumatologin Dr. R. hat über ihre Behandlungen seit August 2005 wegen einer Psoriasis vulgaris berichtet und sich zu einer aktuellen Bewertung außer Stande gesehen, da sie die Klägerin seit Mai 2007 nicht mehr behandelt habe. Das Gleiche führte der behandelnde Orthopäde Dr. Dr. D. aus, bei dem die Klägerin ebenfalls im Mai 2007 zuletzt in Behandlung war. Der Hautarzt Dr. S. hat sich der Leistungsbeurteilung der Beklagten angeschlossen und über seine Behandlungen wegen Zunahme der Hautstellen, die teils plattenartig erschienen und juckten, berichtet. Der Neurologe und Psychiater Dr. S. hat über eine rezidivierende depressive Störung mit sekundärer Angstsymptomatik berichtet. Daraus sei eine dauerhafte Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht abzuleiten, vielmehr solle eine aktivierende Verhaltenstherapie mit Rückführung in ein normales Alltags-, Sozial- und Berufsleben ermöglicht werden. Der Internist Dr. G., bei dem sich die Klägerin seit August 2007 in regelmäßigen Abständen zirka alle sechs bis acht Wochen in Behandlung befindet, hat über eine ausgeprägte Psoriasis zum Teil in großen Plaque am ganzen Körper mit deutlicher Endgelenks- und Nagelbeteiligung, ausgeprägter Einschränkung der Beweglichkeit der Schulter-, Hüft- und Kniegelenke berichtet. Sie sei vom rheumatologischen Standpunkt aus weiterhin nicht arbeitsfähig. Der Allgemeinmediziner Dr. G. hat die Klägerin ebenfalls für nicht erwerbsfähig erachtet. Er habe sie seit Januar 2007 allein 58 mal behandelt.
Der Orthopäde B. hat in seinem Gutachten, das auf einer ambulanten Untersuchung der Klägerin am 16. Mai 2008 beruht, 1. ein degeneratives Lumbalsyndrom mit pseudoradikulären Ischialgien links ohne segmentalen Bezug, anamnestisch bekannter LWK 3-Spontanfraktur ohne Nachweis einer Osteoporose, 2. eine Gonarthrose beidseits, retropatellarbetont mit Linksbetonung und mäßigem Funktionsdefizit, 3. eine cervikale Myotendopathie mit muskulärer Dysbalance ohne relevante funktionelle Einschränkung, 4. ein mäßiges Impingement beider Schultern mit eher mäßigem Funktionsdefizit, 5. eine Psoriasis, Psoriasis arthropathie, 6. eine Polyarthralgie beider Hände ohne vorauseilende degenerative oder rheumatologische Veränderungen, 7. ein metabolisches Syndrom mit Übergewicht, Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörung und 8. eine somatoforme Schmerzstörung bei depressiver Entwicklung diagnostiziert. Veränderungen an der LWS mit entsprechendem Schmerzsyndrom bedingten eine Minderung der Belastbarkeit für das Achsenorgan. Radikuläre Ausfallerscheinungen hätten aber nur in Form einer Hypästhesie am rechten Oberschenkel bestanden. Die Beweglichkeit der Kniegelenke sei allenfalls mittelgradig und hier nur in der Beugung eingeschränkt. Deswegen sei eine verminderte Belastbarkeit für kniende oder hockende Tätigkeiten gegeben. Aufgrund der Veränderungen der Schultergelenke könne die Klägerin keine Überkopfarbeiten mehr verrichten. Die funktionellen Einschränkungen der Hände, hier insbesondere der Zeigefinger, beeinflussten die Feinmotorik insbesondere beim Fassen bzw im Spitzgriff. Die Klägerin könne seiner Auffassung nach noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Wechselrythmus ohne häufiges Heben und Tragen von schweren Lasten, häufiges Bücken, Hocken oder Treppensteigen sechs Stunden und mehr verrichten. Von Seiten der Psoriasis/Arthritis hätten sich keine Aktivierungszeichen gefunden, insbesondere nicht an den Fingergelenken.
Vom 4. bis 12. August 2008 hat die Klägerin wegen einer medikamentös-toxischen Hepatitis (entzündliche Lebererkrankung) wieder im Krankenhaus M. stationär behandelt werden müssen. Die sonografische Untersuchung ergab Zeichen einer fortgeschrittenen Fettleber. Im Rahmen der von der Klinik eingeleiteten Therapie ist ua die bis dahin durchgeführte Versorgung der Klägerin mit Citalopram 40 mg, einem Medikament, das zur Behandlung depressiver Erkrankungen angewendet wird, ausgesetzt worden. Am 11. September 2008 hat die Klägerin die von Prof. Dr. V. geleitete Psychiatrische Klinik B. aufgesucht, um sich von Prof. Dr. V., den das SG zum Sachverständigen ernannt hatte, untersuchen zu lassen. Die Klägerin ist allerdings am selben Tag auch unter der Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome notfallmäßig in die Klinik aufgenommen worden. Im Rahmen der Anamneseerhebung hat sie angegeben, seit 4. August 2008 seien alle Medikamente abgesetzt. Derzeit gehe es ihr aber schlecht. Vor vier Wochen habe sie alle Medikamente geschluckt, die sie noch zu Hause gehabt habe, um endlich zu schlafen und möglichst nicht mehr aufzuwachen. Aufgrund der immer noch vorhandenen toxischen Hepatitis hat die Klinik weiterhin auf eine antidepressive Medikation verzichtet und die Schmerzmedikation auf das Notwendigste reduziert. Unter psycho- und milieutherapeutischer Führung haben sich die Beschwerden so gebessert, dass die Klägerin am 1. Oktober 2008 hat entlassen werden können.
Prof. Dr. V. hat in seinem psychiatrischen Gutachten 8. September 2008, das auf dem stationären Aufenthalt der Klägerin in der von ihm geleiteten Klinik beruht, eine rezidivierende depressive Störung, derzeit schwerer Ausprägung, sowie ein somatoformes Schmerzsyndrom beschrieben. Aufgrund der Schwere der derzeitigen Erkrankung und des bisherigen Verlaufs habe man die Klägerin notfallmäßig stationär aufgenommen. Die Klägerin könne seines Erachtens nur noch leichte körperliche Arbeiten im Sitzen, ohne geistig höhere Beanspruchung weniger als zwei Stunden verrichten. Es handle sich mittlerweile um ein chronifiziertes Krankheitsstadium. Weitere Therapiemöglichkeiten bestünden nicht.
Die Beklagte hat hierzu eine beratungsärztliche Stellungnahme von Med. Dir. L. vorgelegt.
Mit Urteil vom 27. April 2009 hat das SG die Beklagte verurteilt, der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01. März 2009 bis zum 28. Februar 2011 zu gewähren und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, die Klägerin sei seit 04. August 2008 nicht mehr in der Lage, auch nur leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr als zwei Stunden täglich zu verrichten. Dies folge aus dem psychiatrischen Hauptgutachten von Prof. Dr. V ... Dieser habe einen psychisch instabilen Gesundheitszustand seit ca. 1980 beschrieben. Die depressiven Episoden hätten sich in der Vergangenheit unter entsprechender Medikation phasenhaft bessern lassen. Behandlungsversuche seien allerdings nur symptomlindernd und nicht kurativ gewesen. Diese Aussage werde auch durch Dr. B. bestätigt. Dieser habe ebenfalls über eine ausgeprägte depressive Herabgestimmtheit berichtet. Die Situation der Klägerin habe sich dadurch verschlimmert, dass sie aufgrund der am 04. August 2008 diagnostizierten toxischen Hepatitis gezwungen gewesen sei, ihre Psychopharmaka abzusetzen. Für die Richtigkeit der Diagnose und Leistungsbeurteilung spreche auch der Entlassbericht des Psychiatrischen Zentrums N ... Zwar habe man ihr damals bescheinigt, dass sie in deutlich gebessertem Zustand ohne erkennbare Eigen- und Fremdgefährdung hätte entlassen werden können. Diese Einschätzung berücksichtige aber nicht die Suizidgefährdung der Klägerin zum Aufnahmezeitpunkt. Die Rente sei befristet zu gewähren, da sich das aktuell verminderte Leistungsvermögen allein aus der Tatsache ergebe, dass die Klägerin aufgrund der toxischen Hepatitis nicht in der Lage sei, die entsprechenden Medikamente zur Therapie des psychiatrischen Krankheitsbildes der Depression einzunehmen. Man müsse abwarten, ob sich das Leberleiden der Klägerin verbessere, so dass eine Fortsetzung der medikamentösen Therapie und dadurch Besserung der Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Gebiet möglich sei. Deswegen werde die Rente auf zwei Jahre befristet.
Gegen das am 08. Mai 2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 28. Mai 2009 Berufung mit der Begründung eingelegt, der Gutachter habe die anschließende stationäre Behandlung nicht berücksichtigt. Aus dem vorgelegten Entlassungsbericht vom 01. Oktober 2008 ergebe sich aber, dass die Klägerin in deutlich gebessertem Zustand hätte entlassen werden können. Die Beklagte hat hierzu eine weitere beratungsärztliche Stellungnahme von MU Dr. H. vorgelegt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. April 2009 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Vom 6. bis 18. August 2009 ist die Klägerin im Zentrum für Psychiatrie C. stationär behandelt worden. Sie wurde ausweislich des Entlassungsberichts vom 25. August 2009 mit einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, Suizidversuch vor ca. 4 Wochen, Rheumatoide Arthritis entlassen. Die Klägerin habe mitgeteilt, in suizidaler Absicht Betarezptorenbloker eingenommen zu haben. Sie sei wach, bewusstseinsklar, zeitlich, örtlich situativ und zur Person und orientiert gewesen mit etwas reduziertem Antrieb. Gedanklich wäre sie darauf eingeschränkt gewesen, wie es weitergehen solle. Aktuell bestünden keine Hinweise auf Suizidalität oder Fremdgefährdung. Die psychische Situation habe sich ausreichend stabilisiert, es sei zu einer deutlichen Besserung der Symptomatik gekommen.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat der Senat die Klägerin erneut nervenärztlich begutachten lassen.
Die Neurologin und Psychiaterin Dr. R. (Untersuchung am 7. Oktober 2009) hat eine abhängige Persönlichkeitsstörung sowie eine rezidivierende depressive Störung beschrieben. Bei der serologischen Untersuchung habe kein therapeutischer Wirkspiegel der nervenärztlichen Medikamente Solian und Lyrica nachgewiesen werden können. Therapeutisch führe sie derzeit keine Behandlung auf psychiatrisch/psychotherapeutischem Gebiet durch. Die Klägerin habe sich auf eine Rente festgelegt, so dass sie eine Behandlung bei einer Psychiaterin, die sie in ihrem Rentenwunsch nicht bestätigte, abgelehnt habe. Sie habe sich gesundheitlich als robust eingeschätzt und offenbar keinen Leidensdruck verspürt. Die serologische Untersuchung habe ergeben, dass der Wirkspiegel des Medikaments Solian unterhalb des therapeutischen Bereiches liegt. Das Medikament Lyrica nehme die Klägerin entsprechend dem fehlenden Wirkspiegel nicht ein. Die Klägerin sei ihrer Auffassung nach in der Lage, eine leichte bis mittelschwere Tätigkeit entsprechend ihrer einfachen Strukturierung sechs Stunden und mehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt durchzuführen. Hierfür spreche auch, dass sie die Stresssituation der Begutachtung mit einer Dauer von dreieinhalb Stunden ohne Pause problemlos ohne Einschränkungen der Konzentrations- und Aufmerksamkeitsleistungen hätte bewältigen können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG, da es um laufende Leistungen für mehr als ein Jahr geht. Die damit insgesamt zulässige Berufung der Beklagten ist auch begründet. Das SG hat der zulässigen Klage zu Unrecht teilweise stattgegeben, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung auf Zeit.
Der geltend gemachte Anspruch richtet sich § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl I Seite 554). Nach § 43 Abs 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Nach § 43 Abs 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).
Nach § 240 Abs 1 SGB VI haben darüber hinaus Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind, bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie die sonstigen Voraussetzungen erfüllen. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist (§ 240 Abs 2 Satz 1 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs 2 Sätze 2 und 4 SGB VI).
Nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweiserhebung sowie unter Berücksichtigung der vom SG und der Beklagten vorgenommenen Ermittlungen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin unter Beachtung bestimmter qualitativer Einschränkungen noch in der Lage ist, mindestens leichte körperliche Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt täglich mehr als sechs Stunden zu verrichten.
Der Senat stützt sich insoweit auf das eingeholte Gutachten von Dr. R., welches sich in Übereinstimmung mit dem im Wege des Urkundsbeweises verwertbaren Gutachten von Dr. H. befindet. Der abweichenden Leistungseinschätzung des erstinstanzlich gehörten Sachverständigen Prof. Dr. V. hat sich der Senat indessen ebenso wenig wie der Beurteilung des behandelnden Hausarztes Dr. G. anschließen können.
Im Vordergrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen steht eine abhängige Persönlichkeitsstörung sowie eine rezidivierende depressive Störung. Dies ergibt sich aus dem Gutachten von Dr. R. und dem letzten Entlassungsbericht des Zentrums für Psychiatrie C ... Die Klägerin zeigt keinerlei körperliches Schmerzverhalten, ist weder teilnahmslos noch affektiv nicht schwingungsfähig. Ihre kognitiven Fähigkeiten sind nicht beeinträchtigt, sie ist vielmehr vollumfänglich orientiert, auch nicht verlangsamt. Es besteht lediglich ein Hang zur Niedergeschlagenheit. Eine gewisse Suizidalität war lebenslang vorhanden, wobei sie mit diesem Verhalten die Verbindung mit anderen suchte, um nicht allein zu sein. Diese nervenärztlichen Gesundheitsstörungen stehen, auch wenn dadurch immer wieder Phasen auftreten, in denen die Klägerin einer intensiven Behandlung auch stationärer Natur bedürfen, aber einer leichten bis mittelschweren Tätigkeit sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche nicht entgegen. Sie bedarf vielmehr der von Dr. R. aufgezeigten Langzeittherapie unter medikamentöser Behandlung, für die es bisher an der erforderlichen Motivation gefehlt hat. Auch der behandelnde Arzt Dr. S. hat deswegen auch eine aktivierende Verhaltenstherapie mit Rückführung in ein normales Alltags-, Sozial- und Berufsleben befürwortet und die Klägerin nicht als erwerbsgemindert angesehen. Diese Einschätzung von Dr. R. wird auch zur Überzeugung des Senats dadurch bestätigt, dass die Klägerin die Stresssituation der Begutachtung mit einer Dauer von dreieinhalb Stunden ohne Pause problemlos ohne Einschränkungen der Konzentrations- und Aufmerksamkeitsleistungen bewältigen konnte. Auch in der letzten stationären Behandlung konnte deswegen relativ rasch ein befriedigendes Behandlungsergebnis allein durch Gabe von Medikamenten, die die Klägerin danach nicht stringent einnimmt, wie dies Dr. R. festgestellt hat, sowie durch Tagesstrukturierung und Gespräche erzielt werden. Dies ist aber dem rezidivierenden Verlauf einer Erkrankung geradezu immanent und tritt bei der Klägerin, wie Dr. R. ausgeführt und auch durch den Entlassungsbericht bestätigt wird, in Verlust- und Trennungssituationen auf. Die akute Episode, die zu der Behandlung in C. geführt hat, war daher auch bei der Untersuchung durch Dr. R. bereits abgeklungen. Das wird auch durch den persönlichen Eindruck des Senats von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Die abweichende Beurteilung von Prof. Dr. V. basierte auf einer solchen akuten Krisenintervention, die eine zusätzliche stationäre Aufnahme der Klägerin erforderlich machte, so dass der Sachverständige zugleich in dem Näheverhältnis als behandelnder Arzt stand. Er hat auch nicht überzeugend dargelegt, warum die Klägerin bei rezidivierenden Störungen dauerhaft keiner leichten Arbeit nachgehen kann, zumal es an der Erhebung der Tagesstruktur, der Ressourcen und Kompetenzen fehlt.
Die auf orthopädischem und rheumatologischen Fachgebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen, wie sie eingangs geschildert wurden, bedingen nur weitere qualitative Einschränkungen, aber nicht eine zeitliche Limitierung des Leistungsvermögens, wie sich aus den Gutachten von Herrn. B. und Dr. R. sowie dem Entlassungsbericht des Rheumazentrums B.-B. vom 22. November 2007 ergibt. Deswegen konnte auch die abweichende Einschätzung des Hausarztes Dr. G. nicht überzeugen.
Im Hinblick auf die qualitativen Leistungseinschränkungen braucht der Klägerin keine konkrete Berufstätigkeit benannt zu werden, weil sie ihrer Anzahl, Art und Schwere nach keine besondere Begründung zur Verneinung einer "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" oder einer "schweren spezifischen Leistungsminderung" erfordern (vgl hierzu BSG SozR 2200 § 1246 Nr 136). Sie erscheinen nämlich nicht geeignet, das Feld körperlich leichter Arbeiten zusätzlich wesentlich einzuengen. Das Restleistungsvermögen der Klägerin erlaubt ihr weiterhin noch körperliche Verrichtungen, die in leichten einfachen Tätigkeiten gefordert werden wie zB Zureichen, Abnehmen, Bedienen von Maschinen, Montieren, Kleben, Sortieren, Verpacken oder Zusammensetzen von kleinen Teilen.
Die Klägerin ist auch nicht teilweise erwerbsgemindert bei Berufsunfähigkeit. Eine Berufsausbildung hat sie nicht absolviert und während seines Versicherungslebens allenfalls angelernte Tätigkeiten verrichtet. Sie ist deswegen auch zur Überzeugung des Senats auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar, auf dem noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen besteht.
Auf die Berufung der Beklagten ist deshalb das angefochtene Urteil des SG aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved