L 11 KR 1610/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 1 KR 4361/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 1610/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 10. März 2009 sowie der Bescheid der Beklagten vom 31. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. November 2007 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger über den 3. September 2007 hinaus Krankengeld bis 24. Oktober 2007 sowie vom 16. November 2007 bis zum 15. Juni 2008 zu gewähren.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Krankengeld (Krg) über den 03. September 2007 hinaus streitig.

Der 1961 geborene Kläger ist gelernter Bäcker. Diesen Beruf gab er eigenen Angaben zufolge aus gesundheitlichen Gründen auf; anschließend war er in verschiedenen Berufen tätig. von 1998 bis 2000 wurde er zum Industriekaufmann umgeschult, fand aber auch in diesem Beruf keine Anstellung und war arbeitslos. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) B. bewilligte ihm mit Bescheid vom 01. August 2006 ab 02. Oktober 2006 als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben eine berufliche Integrationsmaßnahme bei der D. in U. (Fachlehrgang zum Lageristen). Bestandteil dieser Maßnahme war auch eine Phase, in der betriebliche Praktika absolviert werden mussten. Im Fall des Klägers bestand diese Tätigkeit im Wesentlichen im Kommissionieren von Waren und war ua mit dem Heben von Lasten bis zu 10 kg verbunden. Während der Dauer der Integrationsmaßnahme erhielt er von der DRV B. Übergangsgeld und war aus diesem Grund bei der Beklagten als Pflichtmitglied krankenversichert.

Am 20. März 2007 wurde dem Kläger mit der Diagnose Radikulopathie-Lumbosakralbereich Arbeitsunfähigkeit (AU) bescheinigt. In späteren AU-Bescheinigungen war als Diagnose angegeben: M51.2 (nach ICD 10: sonstige näher bezeichnete Bandscheibenverlagerung) und am 24. April 2007 gab der Facharzt für Orthopädie D. auf Nachfrage der Beklagten als Grund für die fortdauernde AU an: Bandscheibenvorfall L4/5 und L5/S1 mit Wurzelkompression. Der Integrationskurs musste deshalb abgebrochen werden. Mit Bescheid vom 30. April 2007 widerrief die DRV B. die Leistungsbewilligung und gewährte dem Kläger Übergangsgeld nur noch bis zum 03. Mai 2007. Im Anschluss daran bezog der Kläger Krg ab dem 04. Mai 2007 von der Beklagten.

Am 30. April 2007 stellte sich der Kläger wegen seiner Beschwerden in der Privatklinik Dr. C. zur Durchführung einer minimal-invasiven-Operation des Bandscheibenvorfalls vor. Dieser beschrieb eine 2-Etagen-Degeneration mit Osteochondrose, eine degenerative Instabilität, eine konsekutive Neuroforamenstenose und einen älteren verkalkten, nach cranial dislozierten Bandscheibenvorfall L5/S1 rechts und einen frischen medio links lateral sequestrierten Bandscheibenvorfall L4/5. Aufgrund des ausgeprägten neurologischen Befundes und der Beschwerden sei dringend eine Operation angeraten. Die Operation wurde jedoch zunächst wegen einer Phlegmone (Infektionserkrankung der Weichteile) am rechten Fuß zurückgestellt, die vom 07. Juni bis 12. Juni 2007 im O.-Klinikum A. stationär behandelt wurde. Im Anschluss daran trat eine Vorfußphlegmone links bei Erysipel (Wundrose) auf, die vom 18. Juni bis 25. Juli 2007 ebenfalls im O.-Klinikum behandelt werden musste. Ausweislich des Entlassungsberichts vom 26. Juni 2007 konnte der Kläger in gutem Allgemeinzustand entlassen werden.

Aufgrund einer Vorstellung des Klägers am 27. Juli 2007 stellte der Praktische Arzt Dr. M. einen Auszahlschein für Krg aus, in dem er das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit bestätigte, als nächsten Praxisbesuch den 28. August 2007 notierte, im Übrigen aber keine Angaben zur voraussichtlichen Beendigung der Arbeitsunfähigkeit machte. Gleichzeitig verordnete er ihm Schmerzmittel (Bl 6 Senatsakte). In einer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 6. August 2007 vertrat Dr. K. vom MDK die Auffassung, dass sich aus den vorliegenden Informationen eine erhebliche Belastbarkeitseinschränkung ableiten lasse und daher aus medizinischer Sicht Arbeitsunfähigkeit auf Zeit bestehe.

Auf Nachfrage teilte der praktische Arzt Dr. M., der dem Kläger in regelmäßigen Abständen Auszahlscheine für Krg ausgestellt hatte, mit, der Kläger sei ab dem 17. August 2007 wieder in der Lage, sich der Arbeitsvermittlung zur Verfügung zu stellen. Dr. K. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung B.-W. (MDK) kam daraufhin in seiner nach Aktenlage erstellten Stellungnahme vom 29. August 2007 zu dem Ergebnis, dass der Kläger wieder in der Lage sei, vollschichtig überwiegend körperlich leichte oder zeitweise mittelschwere körperliche Tätigkeiten im Wechsel zwischen Stehen, Sitzen und Gehen ohne Zwangshaltungen, ohne schweres Heben und Tragen oder Bewegen von Lasten über 15 kg durchzuführen. Das Erysipel sei inzwischen abgeheilt. Wegen einer leichtgradigen lumbalen Radikulopathie erfolge keine Einnahme von Schmerzmitteln mehr, eine dringliche neurochirurgische operative Behandlung sei nicht erkennbar oder geplant.

Am 28. August 2007 stellte sich der Kläger erneut bei Dr. M. vor, der wiederum einen Auszahlschein für Krg ausstellte. Daran bejahte dieser, dass beim Kläger weiterhin AU vorliege und trug als nächsten Praxisbesuch den 14. September 2007 ein. Mit Bescheid vom 31. August 2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sein Krg-Anspruch ende mit dem 03. September 2007.

Am 03. September (letzter Tag der AU der 03. September) und 06. September 2007 stellte Dr. M. dem Kläger weiterhin Auszahlscheine aus. Der Kläger legte am 15. September 2007 Widerspruch gegen den Bescheid mit der Begründung ein, sein Gesundheitszustand habe sich nicht gebessert, er müsse wegen des Bandscheibenvorfalls weiterhin starke Schmerzmittel einnehmen. Er hat hierzu die Berichte von Neurochirurg Dr. K. (MRT-LWS vom 28. September 2009: großer crainaler sequestierter Bandscheibenvorfall L5/S1 rechts, L4/5 Protrusion mit HIZ und Foramenstenose bds; keine sichere Parese, Zehen- und Fersengang aber beidseits erschwert, keine Sensibiltätsstörungen; aufgrund der anhaltenden Beschwerden und dem ausgeprägten MRT-Befund besteht eine OP-Indikation) und des Radiologen Dr. S. zur geplanten Operation am 09. Oktober 2007 vorgelegt. Die Beklagte schaltete erneut den MDK ein. Dr. F. führte am 9. Oktober 2007 aus, dass der Kläger vollschichtig leichte Tätigkeiten über sechs Stunden mit freiem Haltungswechsel ohne schweres Heben und Tragen oder Bewegen von Lasten ohne Hilfsmittel über fünf kg verrichten könne. Aufgrund der Einnahme von Schmerzmedikamenten seien Tätigkeiten mit Fremd- und Eigengefährdung nicht durchführbar. Ebenfalls seien Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, die eine vermehrte Stand- und Trittsicherheit erforderten, nicht für das Leistungsbild abgedeckt. Ansonsten stimme er der Vorbegutachtung zu. Dieses Leistungsbild gelte bereits ab Erstellung des sozialmedizinischen Gutachtens vom 30. August 2007.

Der Bandscheibenvorfall wurde am 09. Oktober 2007 in L. operiert. Im Anschluss daran wurde dem Kläger zunächst bis 15. Oktober 2007, daran anschließend wieder vom Praktischen Arzt Dr. M. weiterhin bis 26. Oktober 2007 eine AU-Bescheinigung ausgestellt.

Vom 25. Oktober bis 15. November 2007 führte der Kläger ein von der DRV B. bewilligtes stationäres Heilverfahren in den Fachkliniken H. durch, aus dem er als arbeitsunfähig mit den Diagnosen 1.) persistierende Lumboischialgien links ( rechts bei NPP L5/S1 re, Zn Sequestrektomie L5/S1 re und OLD S1 10.10.2007, 2.) Nikotinabusus, 3.) Alkoholabusus entlassen wurde. Der Kläger könne leichte und gelegentlich mittelschwere körperliche Tätigkeiten vollschichtig verrichten. Ein regelmäßiger Wechsel der Körperpositionen Sitzen, Gehen und Stehen wäre ratsam. Das schwere Heben und Tragen von Lasten über 10 bis 15 kg müsse ebenso vermieden werden wie Wirbelsäulenzwangshaltungen, häufiges Bücken und ruckartige Bewegungen. Bei aktuell noch vorliegendem Konsolidierungs- und Behandlungsbedarf sei bei weiterer positiver Entwicklung mit einem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit in ca zehn bis zwölf Wochen postoperativ zu rechnen (Bl 7 SG-Akte). Dem Kläger wurde danach bis einschließlich 15. Juni 2008 durch Vertragsärzte AU bescheinigt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20. November 2007 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 31. August 2007 mit der Begründung zurück, der Kläger sei zwar noch behandlungsbedürftig gewesen, jedoch nicht mehr arbeitsunfähig.

Mit seiner dagegen am 03. Dezember 2007 beim Sozialgericht Ulm (SG) erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, er sei auch über den 03. September 2007 hinaus AU gewesen. Er habe sich erneut am 10. Februar 2008 einer stationären Operation wegen eines Rezidiv-Bandscheibenvorfalls L5/S1 unterziehen müssen. Der Kläger hat die weiteren Berichte von Dr. K., die AU-Bescheinigung der O.klinik vom 10. Februar 2002 und den Reha-Entlassungsbericht B. W. über die vom 28. Februar bis 20. März 2008 durchgeführte Reha ohne Übergangsgeldbezug (weiterhin AU, nach weiterer Regeneration ist eine vollschichtige Tätigkeit wieder möglich, Bl 58 SG-Akte) vorgelegt.

Die Beklagte ist der Klage mit der Begründung entgegengetreten, der behandelnde Arzt Dr. M. habe die AU in Übereinstimmung mit dem MDK zum 03. September 2007 beendet. Ab dem 04. September 2007 habe aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld II lediglich Versicherungspflicht ohne Krg-Anspruch bestanden. Die erneute AU sei erst am 06. September 2007 attestiert worden. Selbst wenn diese gerechtfertigt sei, habe keine Mitgliedschaft des Klägers mehr mit Krg-Anspruch bestanden.

Mit Bescheid vom 5. Dezember 2007 bewilligte die Arbeitsgemeinschaft zur Beschäftigungsförderung dem Kläger Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 4. September bis 31. Oktober 2007.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG Dr. M. als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser hat mitgeteilt, dass er am 03. September 2007 den Kläger nicht untersucht, sondern ihm lediglich einen Auszahlschein für Krg ausgestellt habe. Am 06. September 2007 sei der Kläger erneut in der Praxis erschienen und habe erklärt, die Schmerzen würden trotz Einnahme der verordneten Schmerzmittel schlimmer. Er sehe sich durch die starken Schmerzen und durch eine ständige Benommenheit infolge der Einnahme der starken Schmerzmittel (Tramadolor 300) außerstande, selbst eine leichte Tätigkeit auszuüben. Er habe ihm deswegen am 06. September 2007 erneut einen Auszahlschein für Krg ausgeschrieben. Bei der Untersuchung am 06. September 2007 sei die Lendenwirbelsäule druckschmerzhaft gewesen, an den Zehen des linken Fußes seien Sensibilitätsstörungen nachweisbar gewesen.

Mit Urteil vom 10. März 2009, dem klägerischen Bevollmächtigten zugestellt am 20. März 2009, hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, die AU sei im Einverständnis zwischen dem behandelnden Arzt und der Beklagten bzw. dem MDK beendet worden. Lediglich der Kläger behaupte, ununterbrochen arbeitsunfähig gewesen zu sein und zwar durchgängig auch über den 03. September 2007 hinaus. Der Kläger sei hingegen bereits ab dem 17. August 2007 nicht mehr AU gewesen, er habe Krg bis 03. September 2007 lediglich aus Rechtsgründen bzw aus Gründen des Vertrauensschutzes weiterhin bezogen. Der behandelnde Arzt habe bereits am 22. August 2007 mitgeteilt, dass der Kläger ab 17. August 2007 wieder in der Lage gewesen wäre, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung zu stehen. Hierbei sei der allgemeine Arbeitsmarkt maßgebend. Auf diesem bestehe noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen. Der Grund hierfür sei gewesen, dass das Erysipel inzwischen abgeheilt sei. Wegen der parallel dazu verlaufenden leichtgradigen lumbalen Radikulopathie hätten keine Schmerzmittel mehr eingenommen werden müssen. Zu der Zeit sei auch eine dringliche neurochirurgische operative Behandlung nicht erkennbar oder geplant gewesen. Dass sich daran im Oktober 2007 etwas geändert habe, sei zum Zeitpunkt der Beendigung der AU mit dem 17. August 2007 noch nicht erkennbar, auch nicht prognostizierbar gewesen. Allein die Behauptung, der Kläger habe ununterbrochen Medikamente einnehmen müssen, reiche nicht aus, die Voraussetzungen für die Annahme von AU und damit eine ununterbrochene Krg-Berechtigung nachzuweisen. Es fehle an der ärztlichen Feststellung von AU zwischen dem 17. August 2007 und dem 06. September 2007 und darüber hinaus. Dr. M. habe sich im Klageverfahren eindeutig geäußert. Er habe am 03. September 2007 den Kläger gar nicht untersucht, sondern ihm lediglich einen Auszahlschein ausgestellt. AU habe nach der medizinischen Einschätzung des Dr. M. nach dem 03. September 2007 nicht vorgelegen. Am 06. September 2007 habe zwar eine erneute Untersuchung stattgefunden, diese habe jedoch keine so weitgehenden Befunde erkennen lassen, dass daraus rückwirkend auf das Vorliegen von ununterbrochener AU seit 17. August 2007 geschlossen werden könne. Er habe lediglich festgestellt, dass die LWS druckschmerzhaft gewesen wäre. Die zeitlich deutlich nach dem 06. September 2007 mitgeteilten weiteren Informationen über den Gesundheitszustand des Klägers ließen keinen Rückschluss auf eine seit dem 17. August 2007 bzw über den 03. September 2007 hinaus ununterbrochen bestehende AU zu, so dass die Beklagte mit dem 03. September 2007 die Krg-Gewährung zu Recht beendet habe.

Mit seiner dagegen am 07. April 2009 eingelegten Berufung macht der Kläger geltend, er habe sich nach dem 10. Juli 2007 erst am 14. September 2007 bei Dr. K. erneut in Behandlung begeben, da dieser erklärt habe, die Operation an den Bandscheiben könne erst dann erfolgen, wenn die Entzündungen an beiden Beinen abgeklungen seien. Er habe sich dann am 14. September und erneut am 05. Oktober 2007 von Dr. K. behandeln lassen. Eine Operation sei am 10. Oktober 2007 durchgeführt worden. Am 13. Juni 2007 sei er zwar mit gebessertem Gesundheitszustand nach der akuten Entzündung im rechten Fuß zum O.-Klinikum A. entlassen worden. Er habe sich dann aber aufgrund vermehrter Beschwerden wieder am 18. Juni 2007 bis zum 25. Juni 2007 in weitere stationäre Behandlung begeben müssen. Danach hätten sich aufgrund der Antibiotika-Therapie die Entzündungen an zuletzt beiden Beinen gebessert, nicht allerdings die weiterhin bestehenden Bandscheibenbeschwerden. Darauf habe auch das O.-Klinikum verwiesen ("bekannter Bandscheibenprolaps"). Nicht zuletzt diese Entzündungsbeschwerden an den Füßen seien der Hintergrund dafür gewesen, dass die bereits im Juli 2007 von Dr. K. empfohlene Operation an den Bandscheiben nicht hätte durchgeführt werden können. Diese hätte erst im Oktober 2007 durchgeführt werden können. Er hat dem Senat noch einen weiteren Auszahlschein, ausgestellt am 28. August 2007 (AU bis 14. September 2007) sowie alle weiteren Auszahlscheine und AU-Bescheinigungen bis zum 15. Juni 2008, dem Beginn einer neuen, von der DRV B. gewährten beruflichen Reha-Maßnahme vorgelegt sowie die Mitteilung der DRV B. vom 6. Mai 2008, wonach die Voraussetzungen für die Gewährung von Übergangsgeld für die vom 28. Februar bis 20. März 2008 durchgeführte Maßnahme nicht vorlägen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 10. März 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. November 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm über den 03. September 2007 hinaus Krankengeld bis zum 15. Juni 2008 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass der Kläger bereits seit dem 17. August 2007 nicht mehr AU gewesen sei. Deswegen habe der behandelnde Arzt auch die AU mit Auszahlschein vom 03. September 2007 beendet. Die Höchstanspruchsdauer des Krg sei am 16. September 2008 erreicht.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat der Senat die Akten der DRV B. beigezogen und Neurochirurg Dr. K. als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser hat mitgeteilt, er habe den Kläger am 10. Juli, 14. September, 05. Oktober, 09. bis 13. Oktober 2007, 01. Februar 2008 dann schließlich vom 10. bis 14. Februar 2008 behandelt. Bei der Vorstellung am 14. September 2007 habe der Kläger über zunehmende Beschwerden geklagt, die schließlich zur OP geführt hätten, so dass in dieser Zeit keine Arbeitsfähigkeit bestanden habe. Die Beschwerden seien eher zunehmend gewesen bei zwischenzeitlichem Abklingen der Beinentzündung. Tramal und Novalgin hätten keine ausreichende Wirkung gezeigt. Es sei am 14. September 2007 ein selektiver, transforaminaler, röntgengeführter Wurzelblock L5 und S1 erfolgt. Die MRT am 09. Mai 2007 habe einen cranial sequestrierten Bandscheibenvorfall L5/S1 und eine Discopathie mit lnks betonter Protrusion bei L4/5 ergeben. Am 28. September 2007 habe er im MRT einen großen, nach cranial sequestrierten Bandscheibenvorfall L5/S1 rechts, und eine L4/5 Protrusion mit HIZ und Foramenstenose beidseits festgestellt. Aufgrund des anamnestischen, klinisch-neurologischen und kernspintomographischen Befundes sei bei entsprechendem Leidensdruck eine OP-Indikation gegeben gewesen. Er habe keine sichere Parese festgestellt, der Fersen- und Sehnenspann sei aber beidseits erschwert gewesen. Sensibilitätsstörungen hätten nicht vorgelegen. Das Zeichen nach Lasègue sei rechts bei 40 Grad und links bei 20 Grad positiv gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, denn der Kläger hat Anspruch auf Krg über den 03. September 2007 hinaus.

Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 44 Abs 1 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Nach dieser Vorschrift haben Versicherte Anspruch auf Krg, wenn die sie der Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 6 SGB V unterliegen und Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Das Krg wird ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit jedoch für längstens 78 Wochen innerhalb von drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an, gezahlt (§ 48 Abs 1 Satz 1 SGB V). Da der Kläger bei Eintritt der AU im März 2007 aufgrund des Übergangsgeldbezugs bei der Beklagten nach § 5 Abs 1 Nr 6 SGB V mit Anspruch auf Krg versichert war, ist Maßstab für die AU die Fähigkeit zur Teilnahme an der laufenden Rehabilitationsmaßnahme (BSG, Urteil vom 19.09.2002, B 1 KR 11/02 R, SozR 3-2500 § 44 Nr 10), denn es ist grundsätzlich der Versicherungsschutz maßgebend, der zum Zeitpunkt der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit besteht. Es muss also auf das Tätigkeitsbild der Maßnahme abgestellt werden. Ein Versicherter hat seine AU wegen Krankheit durch eine ärztliche Bescheinigung gegenüber der Krankenkasse nachzuweisen. Der Begriff der AU ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Voraussetzungen im Zweifelsfall anhand ärztlich erhobener Befunde allein von der Krankenkasse und im Rechtsstreit von den Gerichten festzustellen sind, nicht jedoch letztverbindlich vom behandelnden Arzt. Dem Attest mit der ärztlichen Feststellung der AU kommt nur die Bedeutung einer ärztlich-gutachterlichen Stellungnahme zu, der die Grundlage für den über den Krg-Bezug zu erteilenden Verwaltungsakt der Krankenkasse bildet (vgl. BSG, Urteil vom 8. 11.2005, B 1 KR 18/04 R, SozR 4 - 2500 § 44 Nr 7).

Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger auch über den 03. September 2007 hinaus AU war. Dies folgt bereits aus dem Gutachten des MDK vom 09. Oktober 2007. Danach war der Kläger ab dem 30. August 2007 nur noch in der Lage, leichte Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis zu fünf kg zu verrichten. Er musste aber bei seinen betrieblichen Praktika, die notwendiger Bestandteil der beruflichen Integrationsmaßnahme waren, teilweise Lasten bis zu 10 kg heben. Der Senat hält die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gemachten und auch von der Beklagten nicht bestrittenen Angaben zu den Anforderungen an seine Tätigkeit während der betrieblichen Praktika für glaubhaft. Der Kläger hat erkennbar nicht versucht, die Tätigkeit als besonders schwer zu beschreiben, er hat im Übrigen auf den Senat glaubwürdig gewirkt. Der Senat ist deshalb davon überzeugt, dass seine Angaben zutreffen.

Darüber hinaus ist der Senat davon überzeugt, dass die berufliche Leistungsfähigkeit des Klägers auch über den 03. September 2007 hinaus noch stärker eingeschränkt war als dies vom MDK angenommen wird, er war auch für leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr vollschichtig einsatzfähig. Dies folgt insbesondere aus den Befunden, die Dr. K. selbst erhoben und über die er berichtet hat. Danach war zwar zum 17. August 2007 das Vorfußphlegmon, das vom 07. Juni bis 12. Juni 2007 und vom 18. Juni bis 25. Juli 2007 im O.-Klinikum A. stationär behandelt wurde, gebessert und abgeheilt. Bestätigt wird dies auch durch den Entlassungsbericht vom 26. Juni 2007, wonach der Kläger in gutem Allgemeinzustand entlassen werden konnte. Die von der Beklagten behauptete Besserung des Bandscheibenvorfalls zum 3. September 2007 ist hingegen in keiner Weise belegt. Im Gegenteil. Dr. K. berichtet in seiner sachverständigen Zeugenaussage, aber auch in einem Arztbrief vom 14. September an Dr. M., über eine am 9. Mai 2007 durchgeführte MRT der LWS, die in etwa den gleichen Befund ergab, wie die MRT am 28. September 2007 kurz vor der OP. Schon die Untersuchung am 9. Mai 2007 zeigte einen nach cranial sequestrierten Bandscheibenvorfall L5/S1 und eine Protrusion L4/5. Im Arztbrief vom 14. September 2007 berichtet Dr. K. über zunehmende Beschwerden des Klägers sowie darüber, dass unter Tramal und Novalgin keine ausreichende Wirkung mehr zu erreichen sei. Dies belegt nach Auffassung des Senats, dass der Bandscheibenvorfall dem Kläger kein vollschichtiges Arbeiten mehr erlaubte.

Dr. M. hat ebenfalls berichtet, dass der Kläger bei der Untersuchung am 06. September 2007 über starke Schmerzen trotz Einnahme der verordneten Schmerzmittel geklagt habe. Seine Lendenwirbelsäule war druckschmerzhaft, an den Zehen des linken Fußes waren Sensibilitätsstörungen nachweisbar. Das Hauptleiden des Klägers, nämlich der Bandscheibenvorfall L5/S1 rechts, der bereits im April 2007 nach Einschätzung von Dr. C. die Erforderlichkeit einer minimal-invasiven-Operation des Bandscheibenvorfalls begründete, war somit verschlimmert. Sowohl Dr. K. wie Dr. M. haben festgestellt, dass der Zehen- und Fersengang beidseits erschwert war. Der Kläger hat deswegen auch starke Schmerzmittel verordnet bekommen, was sich aus den dem SG vorgelegten Rezepten ergibt. Es wird über einen starken Leidensdruck berichtet, obwohl von dem Kläger insbesondere aus dem Gutachten von Dr. K. bekannt ist, dass er nicht zu Aggravation tendiert und seine Beschwerden sehr nüchtern schildern kann, die in Übereinstimmung mit den klinisch-radiologischen Befunden stehen. Dr. K. vom MDK ist insoweit von falschen Voraussetzungen ausgegangen, nämlich dass der Kläger keine Schmerzmitteln mehr einnimmt und auch eine neurochirurgische operative Behandlung nicht erforderlich ist. Ferner lag den Begutachtungen des MDK das falsche Leistungsprofil des allgemeinen Arbeitsmarktes zugrunde. Aber auch Dr. F. hat die Belastungsfähigkeit auf fünf kg reduziert. Dieser Zustand hat sich auch nach der ersten Operation nicht gebessert. Der Kläger musste sich bereits am 10. Februar 2008 einer Rezidivoperation unterziehen.

Dass in der Behandlung durch Dr. K. eine längere Behandlungslücke vorliegt, nämlich vom 11. Juli bis zum 13. September 2007, sagt insoweit entgegen den Darlegungen der Beklagten nichts aus, denn der Kläger stand in Behandlung bei Dr. M., der ihm auch die Schmerzmittel rezeptierte und ihm am 28. August einen Auszahlschein auf Krg bis zum 14. September 2007 ausgestellt hatte. Die AU wurde auch mit den Auszahlscheinen von Dr. M. vom 28. August 2007 und 6. September 2007 einen Arzt über den 3. September 2007 festgestellt. Dem steht weder die Bescheinigung vom 22. August 2007 noch vom 3. September 2007 entgegen, mit der jeweils die AU beendet werden sollte. Das erste AU-Ende zum 17. August 2007 war schon für die Beklagte selbst nicht maßgebend, die aufgrund des Gutachtens des MDK vom 30. August 2007 die AU erst zum 3. September beendete. Die zweite Bescheinigung von Dr. M. ist allein wegen der Beendigung der Leistung der Beklagten zu diesem Zeitpunkt erfolgt, wie sich aus der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. M. gegenüber dem SG ergibt. Insofern hat der Kläger alles Zumutbare zur Anspruchserhaltung unternommen (BSG, Urteil vom 8. November 2005, B 1 KR 30/04 R, SozR 4-2500 S 46 Nr 1). Er hat die mit Dr. M. vereinbarten Behandlungstermine wahrgenommen, gegen die Leistungseinstellung Widerspruch eingelegt und diesen mit ärztlichen Unterlagen begründet. Die fehlerhafte Beendigung der AU zum 3. September 2007 ist daher nicht dem Kläger anzulasten.

AU ist bis zum 15. Juni 2008 ärztlich festgestellt, wie sich aus den in der Gerichtsakte befindlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und Auszahlscheinen ergibt. Der Senat schließt sich der Beurteilung der behandelnden Ärzte an. Nach der Anschlussheilbehandlung, die der Kläger in der Zeit vom 25. Oktober bis 15. November 2007 durchlaufen hat, wurde er im Ärztlichen Entlassungsbericht vom 21. November 2007 zwar grundsätzlich als für leichte und gelegentlich mittelschwere Arbeiten vollschichtig einsatzfähig erachtet, es wurde aber zunächst noch ein Konsolidierungs- und Behandlungsbedarf gesehen und deshalb mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit erst bei weiterer positiver Entwicklung nach etwa zehn bis zwölf Wochen gerechnet. Die im Entlassungsbericht vorausgesetzte positive Entwicklung ist jedoch ausgeblieben. Denn der Kläger musste sich nach der ersten Bandscheibenoperation am 10. Oktober 2007 am 10. Februar 2008 einer Rezidivoperation unterziehen, die wieder zu einer Anschlussheilbehandlung (28. Februar bis 20. März 2008) geführt hat. Aus dieser Anschlussheilbehandlung wurde der wiederum als arbeitsunfähig entlassen (Entlassungsbericht vom 28. März 2008). Die Klinik ging davon aus, das er in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Lagerfachkraft nicht mehr einsetzbar sei. Dabei wurde dem Kläger ausdrücklich eine sehr gute Motivation und Kooperation bescheinigt. Da der mit Ausnahme des Übergangsgeldbezugs für die Zeit vom 25. Oktober bis 15. November 2007 keine Leistungen bezogen hat, die zum Ruhen des Krg-Anspruchs nach § 49 SGB V führen, war die Beklagte in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zu verurteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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