Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 5180/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 811/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin erhebt Anspruch auf Weiterzahlung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab 01. Mai 2006 im Anschluss an eine bis dahin geleistete Zeitrente.
Die am 1953 geborene Klägerin ist kroatische Staatsangehörige. Sie lebt seit Februar 1971 im Inland und war seither als Büglerin, Küchenhilfe, Maschinenarbeiterin, Bedienung und zuletzt von 1991 bis 31. Dezember 1998 - ohne förmliche Anlernzeit - als Angestellte der Poststelle eines Metallunternehmens beschäftigt. Anschließend blieb sie arbeitslos; vom 06. April 2000 bis 22. August 2001 bezog sie Krankengeld.
Nachdem die Klägerin vom 20. Juni bis 18. Juli 2001 eine Heilmaßnahme im Teilstationären Rehabilitationszentrum S. durchlaufen hatte, wo wegen mittelgradiger depressiver Episode, Morbus Basedow und endokriner Ophtalmopathie ein Leistungsvermögen von unter drei Stunden für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts genannt worden war (Entlassungsbericht des Dr. H. vom 19. Juli 2001), beantragte sie am 19. Juli 2001 erstmals Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte bewilligte ohne weitere Begutachtung mit Bescheid vom 15. Oktober 2001 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 01. April 2001 bis 30. November 2003. Auf den Weiterzahlungsantrag vom Juli 2003 erstattete Neurologe und Psychiater Dr. P. das Gutachten vom 22. September 2003, bei Dysthymie und Spannungskopfschmerz seien nunmehr leichte bis mittelschwere Arbeiten im überwiegenden Sitzen oder zeitweisem Stehen und Gehen wieder sechs Stunden und mehr möglich. Durch Bescheid vom 03. November 2003 lehnte die Beklagte eine Weiterzahlung ab. Im Widerspruchsverfahren erstattete Nervenärztin/Psychotherapie Dr. O. das Gutachten vom 27. Mai 2004, in welchem sie u.a. eine Dysthymie wegen unerfülltem Kinderwunsch mit Somatisierung diagnostizierte, eine derzeit als mittelschwere einzustufende depressive Stimmungslage als im Vordergrund stehend annahm und im Wesentlichen der Auffassung des Vorgutachters Dr. P. folgte. Die Beklagte bewilligte dennoch durch Bescheid vom 07. Juli 2004 weiterhin Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 01. Dezember 2003 bis 30. April 2006.
Ausgangspunkt dieses Verfahrens ist der Weiterzahlungsantrag vom Januar 2006. Die Beklagte holte das Gutachten der Fachärztin für Neurologie Dr. v. F.-P. vom 24. April 2006 ein. Es bestehe weiterhin eine Dysthymie wegen unerfülltem Kinderwunsch und Trennung sowie eine Somatisierungsstörung. Die im Vordergrund stehende depressive Symptomatik sei derzeit als leicht einzustufen. Leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts im Wechsel von Stehen, Gehen und Sitzen seien vollschichtig möglich. Durch Bescheid vom 19. Juli 2006 lehnte die Beklagte die Weiterzahlung der Rente ab 01. Mai 2006 ab. Mit dem Widerspruch machte die Klägerin geltend, die depressive Symptomatik habe sich seit 2001 wesentlich verschlechtert. Neurologe und Psychiater Dr. G. nannte im Befundbericht vom 30. Januar 2007 Niedergeschlagensein, Antriebsverlust, Anhedonie, psychosozialen Rückzug und affektinkontinenten Zustand. Praktische Ärztin Dr. L.-P. beschrieb unter dem 02. Februar 2007 Depressionen mit Somatisierung, psychoorganisches Syndrom und konversive Hysterie. Der psychische Zustand sei erheblich verschlechtert. Es bestünden schwere Einschränkungen im psychischen Bereich und im Wirbelsäulen- und Gelenkbereich. Arztbriefe waren beigefügt. Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. G.-P. nannte im Gutachten vom 13. März 2007 als Diagnose lediglich Dysthymia, wobei sie eine demonstrative Testhaltung nicht sicher ausschließen wollte. Aus nervenfachärztlicher Sicht sei die Klägerin in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts vollschichtig auszuüben. Auf dieser Grundlage erließ die Widerspruchsstelle der Beklagten den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 01. Juni 2007.
Mit der am 02. Juli 2007 zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter. Die schwerwiegenden Befunde, insbesondere die Verschlechterung ihres psychischen Gesundheitszustands, die Ärztin Dr. L.-P. beschrieben habe, seien in ihren Auswirkungen nicht berücksichtigt worden. Es bestehe eine Summierung von Leistungseinschränkungen. Damit sei ihr der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Das SG befragte die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. G. beschrieb unter dem 28. Februar 2008 u.a. eine depressive Symptomatik, aufgrund deren er nur Arbeit unter sechs Stunden möglich halte. Internist Dr. M. nannte in der Aussage vom 02. März 2008 den Morbus Basedow, der jedoch in den letzten Monaten keine wesentliche Schilddrüsenfehlfunktion bewirkt habe. Augenarzt Dr. St. nannte unter dem 19. März 2008 Weitsichtigkeit und Stabsichtigkeit, wodurch nur noch etwa drei bis vier Stunden Arbeit möglich seien. Schließlich beschrieb Dr. L.-P. unter dem 11. April 2008 wiederum Depressionen mit Somatisierung und zahlreichen funktionalen Beschwerden. Der zeitliche Umfang der Leistungsfähigkeit der Klägerin liege wohl unter drei Stunden.
Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Pa. erstattete das Gutachten vom 09. September 2008. Es bestünden eine Dysthymia und eine Schilddrüsenstörung. Aus nervenärztlicher Sicht seien leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts in Tagesschicht und ohne besondere Verantwortung, ebenso wie leichte Hausfrauenarbeiten vollschichtig möglich. Eine stützende Psychotherapie wäre durchaus sinnvoll. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt.
Durch Urteil vom 17. Dezember 2008 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung schloss es sich den Gutachten der Dr. G.-P. und des Dr. Pa. an. Die abweichenden Auffassungen der behandelnden Ärzte Dr. St., Dr. G. und Dr. L.-P., welche die Leistungsfähigkeit auf unter sechs Stunden täglich eingeschränkt hielten, seien nicht überzeugend. Schwerwiegende Befunde auf orthopädischem Fachgebiet seien nicht beschrieben. Der Nachweis einer wesentlichen Besserung sei nach Ablauf einer Zeitrente nicht erforderlich.
Gegen das am 10. Februar 2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19. Februar 2009 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Sie trägt zur Begründung vor, aufgrund ihres angegriffenen Gesundheitszustands sei ihr die Ausübung einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit weiterhin nicht möglich. Augenarzt Dr. St. und Neurologe/Psychiater Dr. G. hätten ein zeitlich eingeschränktes Restleistungsvermögen genannt. Im Hinblick auf die Schilddrüsenerkrankung würden ausführliche Kontrollen und weitere Untersuchungsmaßnahmen für erforderlich gehalten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. Dezember 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 19. Juni 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01. Juni 2007 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 01. Mai 2006 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Bescheide weiterhin für zutreffend und hat die Stellungnahme des beratenden Arztes Dr. Schnabel vom 24. April 2009 vorgelegt.
Der Senat hat den letzten Arztbrief des Internisten Dr. M. vom 26. Mai 2008 beigezogen. Danach hat ein Rezidiv des Morbus Basedow bestanden, nachdem von Seiten der Schilddrüse über viele Jahre Ruhe bestanden habe. Die endokrine Orbitopathie habe sicherlich keine massive entzündliche Aktivität (MRT-Befund des Radiologen Dr. H. vom 06. Juni 2008).
Nach Hinweis, weitere Ermittlungen drängten sich nicht auf, haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin, über welche der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 1 i. V. mit § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist in der Sache unbegründet. Das Urteil des SG vom 17. Dezember 2008 ist auch nach dem Ergebnis des Berufungsverfahrens nicht zu beanstanden. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 19. Juni 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01. Juni 2007 erweist sich weiterhin als rechtmäßig.
Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Die Klägerin hatte zuletzt durch Bescheid vom 07. Juli 2004 Rente auf Zeit gemäß § 102 Abs. 2 Satz 2 SGB VI vom 01. Dezember 2003 bis 30. April 2006 bewilligt erhalten. Diese Befristung ist bindend geworden. Die Zeitrente fällt mit Ablauf des im Rentenbescheid bestimmten Zeitpunkts weg, weil sich der Bescheid gemäß § 39 Abs. 2 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) durch Zeitablauf erledigt. Der Rentenversicherungsträger muss auf einen Weiterzahlungsantrag nicht nachweisen, dass eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen im Sinne von § 48 SGB X eingetreten ist (unbestrittene Auffassung, vgl. etwa Niesel in Kasseler Kommentar, § 102 SGB VI RdNr. 3).
Die Klägerin ist nicht im Sinne von § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI außerstande, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Der Senat folgt wie das SG dem Ergebnis des Gutachtens des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Pa. vom 09. September 2008. Dieser nennt eine Dysthymia (depressive Verstimmung), dazu die seit längerem bestehende Schilddrüsenstörung. Der psychische Zustand anlässlich der gutachterlichen Untersuchung war gekennzeichnet von allgemeiner Lustlosigkeit, Nervosität, Schlafstörungen, Belastung wegen unerfülltem Kinderwunsch und der angespannten finanziellen Situation. Hinzu wurden Knieschmerzen, brennende Hände, Herzklopfen und Zittern geklagt. Der neurologische Befund war unauffällig. Der Sachverständige beschreibt eine melancholische Herabgestimmtheit mit etwas eingeschränkter affektiver Schwingungsfähigkeit. Eine schwere Depression konnte nicht erkannt werden. Mithin ist es nachvollziehbar, dass der Sachverständige die Einschränkungen der Leistungsfähigkeit als nicht erheblich und quantitativ leistungsmindernd bezeichnet hat. Die Annahme einer schwereren Depression mit der Folge eines herabgesetzten Leistungsvermögens auch für leichte Arbeiten, wie dies von der behandelnden Ärztin Dr. L.-P. vermutet wurde, wird vom Sachverständigen nicht geteilt. Auch die ohne eingehende Begründung geäußerte Auffassung des behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. G., er halte nur Arbeit unter sechs Stunden für möglich, ist entkräftet und widerlegt. Er hat in seiner Auskunft als sachverständige Zeuge vom 28. Februar 2008 nur eine depressive Symptomatik genannt, nicht jedoch eine schwere Depression. Dass wegen des Augenbefundes (im Wesentlichen Weitsichtigkeit und Stabsichtigkeit) eine sechsstündige Arbeit gehindert sei, wie Augenarzt Dr. St. unter dem 19. März 2008 geäußert hatte, ist für Tätigkeit ohne besonderen Einsatz der Augen nicht nachvollziehbar. Wesentliche orthopädische Beschwerden, wie dies Dr. L.-P. geäußert hatte, sind nicht belegt und werden auch nicht behandelt.
Der letzte Arztbriefs des Internisten Dr. M. vom 26. Mai 2008 bezüglich der Schilddrüsenstörung (Morbus Basedow) vermag kein abweichendes Ergebnis zu begründen, ohne dass weitere Ermittlungen für erforderlich zu halten wären. Zum genannten Zeitpunkt wurde ein Rezidiv des Leidens diagnostiziert, nachdem über viele Jahre Ruhe bestanden habe. Die endokrine Orbitopathie entfaltete keine massive entzündliche Aktivität (MRT-Befund des Dr. H. vom 06. Juni 2008). Einschränkungen im Alltag wie ständiger Augendruck und ein Fremdkörpergefühl im Bereich der Augen wurden festgestellt, jedoch letztlich für die Haushaltsarbeit und damit auch eine leichte Berufsarbeit nicht wesentlich hindernd dargestellt. Weitere Überprüfungen oder Therapien waren seit Mai 2008 nicht mehr erforderlich.
Nach alledem ist die Leistungsbeurteilung durch den Sachverständigen Dr. Pa., leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts in Tagesschicht und ohne besondere Verantwortung - auch ohne besondere Beanspruchung der Augen - seien sechs Stunden arbeitstäglich möglich, aufgrund der erhobenen Befunde schlüssig. Eine Summierung von Behinderungen oder eine schwere spezifische einzelne Behinderung findet sich nicht, so dass auf die Benennung einer konkreten Tätigkeit verzichtet werden darf. Die Klägerin ist weder voll noch teilweise erwerbsgemindert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin erhebt Anspruch auf Weiterzahlung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab 01. Mai 2006 im Anschluss an eine bis dahin geleistete Zeitrente.
Die am 1953 geborene Klägerin ist kroatische Staatsangehörige. Sie lebt seit Februar 1971 im Inland und war seither als Büglerin, Küchenhilfe, Maschinenarbeiterin, Bedienung und zuletzt von 1991 bis 31. Dezember 1998 - ohne förmliche Anlernzeit - als Angestellte der Poststelle eines Metallunternehmens beschäftigt. Anschließend blieb sie arbeitslos; vom 06. April 2000 bis 22. August 2001 bezog sie Krankengeld.
Nachdem die Klägerin vom 20. Juni bis 18. Juli 2001 eine Heilmaßnahme im Teilstationären Rehabilitationszentrum S. durchlaufen hatte, wo wegen mittelgradiger depressiver Episode, Morbus Basedow und endokriner Ophtalmopathie ein Leistungsvermögen von unter drei Stunden für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts genannt worden war (Entlassungsbericht des Dr. H. vom 19. Juli 2001), beantragte sie am 19. Juli 2001 erstmals Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte bewilligte ohne weitere Begutachtung mit Bescheid vom 15. Oktober 2001 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 01. April 2001 bis 30. November 2003. Auf den Weiterzahlungsantrag vom Juli 2003 erstattete Neurologe und Psychiater Dr. P. das Gutachten vom 22. September 2003, bei Dysthymie und Spannungskopfschmerz seien nunmehr leichte bis mittelschwere Arbeiten im überwiegenden Sitzen oder zeitweisem Stehen und Gehen wieder sechs Stunden und mehr möglich. Durch Bescheid vom 03. November 2003 lehnte die Beklagte eine Weiterzahlung ab. Im Widerspruchsverfahren erstattete Nervenärztin/Psychotherapie Dr. O. das Gutachten vom 27. Mai 2004, in welchem sie u.a. eine Dysthymie wegen unerfülltem Kinderwunsch mit Somatisierung diagnostizierte, eine derzeit als mittelschwere einzustufende depressive Stimmungslage als im Vordergrund stehend annahm und im Wesentlichen der Auffassung des Vorgutachters Dr. P. folgte. Die Beklagte bewilligte dennoch durch Bescheid vom 07. Juli 2004 weiterhin Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 01. Dezember 2003 bis 30. April 2006.
Ausgangspunkt dieses Verfahrens ist der Weiterzahlungsantrag vom Januar 2006. Die Beklagte holte das Gutachten der Fachärztin für Neurologie Dr. v. F.-P. vom 24. April 2006 ein. Es bestehe weiterhin eine Dysthymie wegen unerfülltem Kinderwunsch und Trennung sowie eine Somatisierungsstörung. Die im Vordergrund stehende depressive Symptomatik sei derzeit als leicht einzustufen. Leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts im Wechsel von Stehen, Gehen und Sitzen seien vollschichtig möglich. Durch Bescheid vom 19. Juli 2006 lehnte die Beklagte die Weiterzahlung der Rente ab 01. Mai 2006 ab. Mit dem Widerspruch machte die Klägerin geltend, die depressive Symptomatik habe sich seit 2001 wesentlich verschlechtert. Neurologe und Psychiater Dr. G. nannte im Befundbericht vom 30. Januar 2007 Niedergeschlagensein, Antriebsverlust, Anhedonie, psychosozialen Rückzug und affektinkontinenten Zustand. Praktische Ärztin Dr. L.-P. beschrieb unter dem 02. Februar 2007 Depressionen mit Somatisierung, psychoorganisches Syndrom und konversive Hysterie. Der psychische Zustand sei erheblich verschlechtert. Es bestünden schwere Einschränkungen im psychischen Bereich und im Wirbelsäulen- und Gelenkbereich. Arztbriefe waren beigefügt. Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. G.-P. nannte im Gutachten vom 13. März 2007 als Diagnose lediglich Dysthymia, wobei sie eine demonstrative Testhaltung nicht sicher ausschließen wollte. Aus nervenfachärztlicher Sicht sei die Klägerin in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts vollschichtig auszuüben. Auf dieser Grundlage erließ die Widerspruchsstelle der Beklagten den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 01. Juni 2007.
Mit der am 02. Juli 2007 zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter. Die schwerwiegenden Befunde, insbesondere die Verschlechterung ihres psychischen Gesundheitszustands, die Ärztin Dr. L.-P. beschrieben habe, seien in ihren Auswirkungen nicht berücksichtigt worden. Es bestehe eine Summierung von Leistungseinschränkungen. Damit sei ihr der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Das SG befragte die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. G. beschrieb unter dem 28. Februar 2008 u.a. eine depressive Symptomatik, aufgrund deren er nur Arbeit unter sechs Stunden möglich halte. Internist Dr. M. nannte in der Aussage vom 02. März 2008 den Morbus Basedow, der jedoch in den letzten Monaten keine wesentliche Schilddrüsenfehlfunktion bewirkt habe. Augenarzt Dr. St. nannte unter dem 19. März 2008 Weitsichtigkeit und Stabsichtigkeit, wodurch nur noch etwa drei bis vier Stunden Arbeit möglich seien. Schließlich beschrieb Dr. L.-P. unter dem 11. April 2008 wiederum Depressionen mit Somatisierung und zahlreichen funktionalen Beschwerden. Der zeitliche Umfang der Leistungsfähigkeit der Klägerin liege wohl unter drei Stunden.
Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Pa. erstattete das Gutachten vom 09. September 2008. Es bestünden eine Dysthymia und eine Schilddrüsenstörung. Aus nervenärztlicher Sicht seien leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts in Tagesschicht und ohne besondere Verantwortung, ebenso wie leichte Hausfrauenarbeiten vollschichtig möglich. Eine stützende Psychotherapie wäre durchaus sinnvoll. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt.
Durch Urteil vom 17. Dezember 2008 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung schloss es sich den Gutachten der Dr. G.-P. und des Dr. Pa. an. Die abweichenden Auffassungen der behandelnden Ärzte Dr. St., Dr. G. und Dr. L.-P., welche die Leistungsfähigkeit auf unter sechs Stunden täglich eingeschränkt hielten, seien nicht überzeugend. Schwerwiegende Befunde auf orthopädischem Fachgebiet seien nicht beschrieben. Der Nachweis einer wesentlichen Besserung sei nach Ablauf einer Zeitrente nicht erforderlich.
Gegen das am 10. Februar 2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19. Februar 2009 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Sie trägt zur Begründung vor, aufgrund ihres angegriffenen Gesundheitszustands sei ihr die Ausübung einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit weiterhin nicht möglich. Augenarzt Dr. St. und Neurologe/Psychiater Dr. G. hätten ein zeitlich eingeschränktes Restleistungsvermögen genannt. Im Hinblick auf die Schilddrüsenerkrankung würden ausführliche Kontrollen und weitere Untersuchungsmaßnahmen für erforderlich gehalten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. Dezember 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 19. Juni 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01. Juni 2007 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 01. Mai 2006 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Bescheide weiterhin für zutreffend und hat die Stellungnahme des beratenden Arztes Dr. Schnabel vom 24. April 2009 vorgelegt.
Der Senat hat den letzten Arztbrief des Internisten Dr. M. vom 26. Mai 2008 beigezogen. Danach hat ein Rezidiv des Morbus Basedow bestanden, nachdem von Seiten der Schilddrüse über viele Jahre Ruhe bestanden habe. Die endokrine Orbitopathie habe sicherlich keine massive entzündliche Aktivität (MRT-Befund des Radiologen Dr. H. vom 06. Juni 2008).
Nach Hinweis, weitere Ermittlungen drängten sich nicht auf, haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin, über welche der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 1 i. V. mit § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist in der Sache unbegründet. Das Urteil des SG vom 17. Dezember 2008 ist auch nach dem Ergebnis des Berufungsverfahrens nicht zu beanstanden. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 19. Juni 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01. Juni 2007 erweist sich weiterhin als rechtmäßig.
Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Die Klägerin hatte zuletzt durch Bescheid vom 07. Juli 2004 Rente auf Zeit gemäß § 102 Abs. 2 Satz 2 SGB VI vom 01. Dezember 2003 bis 30. April 2006 bewilligt erhalten. Diese Befristung ist bindend geworden. Die Zeitrente fällt mit Ablauf des im Rentenbescheid bestimmten Zeitpunkts weg, weil sich der Bescheid gemäß § 39 Abs. 2 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) durch Zeitablauf erledigt. Der Rentenversicherungsträger muss auf einen Weiterzahlungsantrag nicht nachweisen, dass eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen im Sinne von § 48 SGB X eingetreten ist (unbestrittene Auffassung, vgl. etwa Niesel in Kasseler Kommentar, § 102 SGB VI RdNr. 3).
Die Klägerin ist nicht im Sinne von § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI außerstande, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Der Senat folgt wie das SG dem Ergebnis des Gutachtens des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Pa. vom 09. September 2008. Dieser nennt eine Dysthymia (depressive Verstimmung), dazu die seit längerem bestehende Schilddrüsenstörung. Der psychische Zustand anlässlich der gutachterlichen Untersuchung war gekennzeichnet von allgemeiner Lustlosigkeit, Nervosität, Schlafstörungen, Belastung wegen unerfülltem Kinderwunsch und der angespannten finanziellen Situation. Hinzu wurden Knieschmerzen, brennende Hände, Herzklopfen und Zittern geklagt. Der neurologische Befund war unauffällig. Der Sachverständige beschreibt eine melancholische Herabgestimmtheit mit etwas eingeschränkter affektiver Schwingungsfähigkeit. Eine schwere Depression konnte nicht erkannt werden. Mithin ist es nachvollziehbar, dass der Sachverständige die Einschränkungen der Leistungsfähigkeit als nicht erheblich und quantitativ leistungsmindernd bezeichnet hat. Die Annahme einer schwereren Depression mit der Folge eines herabgesetzten Leistungsvermögens auch für leichte Arbeiten, wie dies von der behandelnden Ärztin Dr. L.-P. vermutet wurde, wird vom Sachverständigen nicht geteilt. Auch die ohne eingehende Begründung geäußerte Auffassung des behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. G., er halte nur Arbeit unter sechs Stunden für möglich, ist entkräftet und widerlegt. Er hat in seiner Auskunft als sachverständige Zeuge vom 28. Februar 2008 nur eine depressive Symptomatik genannt, nicht jedoch eine schwere Depression. Dass wegen des Augenbefundes (im Wesentlichen Weitsichtigkeit und Stabsichtigkeit) eine sechsstündige Arbeit gehindert sei, wie Augenarzt Dr. St. unter dem 19. März 2008 geäußert hatte, ist für Tätigkeit ohne besonderen Einsatz der Augen nicht nachvollziehbar. Wesentliche orthopädische Beschwerden, wie dies Dr. L.-P. geäußert hatte, sind nicht belegt und werden auch nicht behandelt.
Der letzte Arztbriefs des Internisten Dr. M. vom 26. Mai 2008 bezüglich der Schilddrüsenstörung (Morbus Basedow) vermag kein abweichendes Ergebnis zu begründen, ohne dass weitere Ermittlungen für erforderlich zu halten wären. Zum genannten Zeitpunkt wurde ein Rezidiv des Leidens diagnostiziert, nachdem über viele Jahre Ruhe bestanden habe. Die endokrine Orbitopathie entfaltete keine massive entzündliche Aktivität (MRT-Befund des Dr. H. vom 06. Juni 2008). Einschränkungen im Alltag wie ständiger Augendruck und ein Fremdkörpergefühl im Bereich der Augen wurden festgestellt, jedoch letztlich für die Haushaltsarbeit und damit auch eine leichte Berufsarbeit nicht wesentlich hindernd dargestellt. Weitere Überprüfungen oder Therapien waren seit Mai 2008 nicht mehr erforderlich.
Nach alledem ist die Leistungsbeurteilung durch den Sachverständigen Dr. Pa., leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts in Tagesschicht und ohne besondere Verantwortung - auch ohne besondere Beanspruchung der Augen - seien sechs Stunden arbeitstäglich möglich, aufgrund der erhobenen Befunde schlüssig. Eine Summierung von Behinderungen oder eine schwere spezifische einzelne Behinderung findet sich nicht, so dass auf die Benennung einer konkreten Tätigkeit verzichtet werden darf. Die Klägerin ist weder voll noch teilweise erwerbsgemindert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
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