L 4 KR 6117/09 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KR 3639/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 6117/09 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 12. November 2009 aufgehoben. Dem Kläger wird für das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Heilbronn S 2 KR 3639/09 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt T. B., Heilbronn, bewilligt.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt in dem Klagverfahren S 2 KR 3639/09 vor dem Sozialgericht Heilbronn (SG) die Abgabe einer Kostenzusage für eine stationäre Drogentherapie.

Der am 1963 geborene Kläger war bis zum 30. April 2005 wegen Bezugs von Arbeitslosengeld II bei der Beklagten krankenversichert gewesen. Er befindet sich seit dem 27. März 2007 in Haft, zunächst in Untersuchungshaft und dem 08. Februar 2008 in Strafhaft. Mit Urteil vom 05. September 2007 verurteilte ihn das Amtsgericht - Schöffengericht - Heilbronn zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und einer weiteren Freiheitsstrafe von einem Jahr vier Monaten ohne Bewährung. Diese Verurteilung wurde durch Urteil des Landgerichts H. - Kleine Strafkammer - vom 31. Januar 2008 (5 Ns 63 Js 7081/07), rechtskräftig seit dem 08. Februar 2008, bestätigt. Der Verurteilung lagen acht Fälle des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu Grunde. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Kläger zur Zeit der Tatbegehungen betäubungsmittelabhängig, wobei er sich von "harten Drogen" (v.a. dem bis zum 32. Lebensjahr konsumierten Kokain) "zuletzt gelöst" hatte, allerdings mit gelegentlichen Rückfällen. Eine Therapie wegen der Betäubungsmittelabhängigkeit hatte der Kläger bis zum Beginn der jetzigen Haft nicht absolviert. Bereits vor Verkündung des landgerichtlichen Urteils hatte er sieben Wochen der Haft in einem Krankenkaus verbracht. Die Vollstreckung der weiteren Freiheitsstrafe wurde nach Ablauf von zwei Dritteln am 13. Februar 2008 unterbrochen, seitdem wird gegen den Kläger die Gesamtfreiheitsstrafe vollstreckt. Diese war am 12. August 2009 zur Hälfte und am 11. Februar 2010 zu zwei Dritteln vollstreckt. Der Kläger beabsichtigt, nach § 35 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG), die Vollstreckung der restlichen Freiheitsstrafe zurückstellen zu lassen und eine stationäre Drogenentwöhnungstherapie zu absolvieren.

Einen Antrag des Klägers auf Bewilligung einer solchen Therapie als stationärer medizinischer Rehabilitation vom 12./22. Februar 2008 lehnte die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württem¬berg mit Bescheid vom 28. Februar 2008 ab. Der Kläger habe lediglich die allgemeine Wartezeit erfüllt, er sei jedoch nicht vermindert erwerbsfähig und eine solche Erwerbsminderung sei in absehbarer Zeit auch nicht zu erwarten. Der Kläger erhob Widerspruch, nahm diesen aber am 01. April 2008 wieder zurück und bat, den Antrag an die Beklagte weiterzuleiten.

Bereits mit Schreiben vom 12. März 2008 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg den Antrag abgelehnt habe. Die Beklagte sei als zweitangegangener Träger verpflichtet, "den Kostenantrag" zu prüfen. Ferner sei sie seit dem 01. April 2007 verpflichtet, frühere Mitglieder wieder aufzunehmen. Es gehe darum, die Krankenkassenmitgliedschaft ab dem Tag der Haftentlassung wieder zu aktivieren. Die Beiträge werde dann das zuständige Job-Center übernehmen. Nach Rücksprache mit der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg sei offensichtlich versäumt worden, die Antragsunterlagen an die Beklagte weiterzuleiten. Dem Antrag bei der Beklagten beigefügt waren ein Sozialbericht (psychosoziales Gutachten) eines Drogenberaters vom 12. März 2008 und verschiedene ärztliche Unterlagen. Später legte er eine Bescheinigung der für den Landkreis H. zuständigen Arbeitsgemeinschaft (im Folgenden: ARGE) nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II) vom 03. Juni 2008 vor, wonach diese bereit war, die Krankenkassenbeiträge des Klägers ab Haftentlassung dann zu übernehmen, wenn die Therapie sechs Monate nicht überschreite und der Kläger einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II habe. Mit Schreiben vom 18. Juni 2008 bestätigte die ARGE ferner, sie werde ab dem 30. Juli 2008 "die Kosten für die Therapie in der Fachklinik R. " übernehmen, sofern zu jenem Zeitpunkt alle erforderlichen Unterlagen vorlägen und der Kläger einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II habe. Die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg übersandte der Beklagten mit Schreiben vom 26. Juni 2008 die bei ihr angefallenen Antragsunterlagen.

Im Auftrag der Beklagten erstatte Dr. M. , Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK), das Gutachten vom 09. Juli 2008. Dr. M. führte aus, der Kläger sei drogenabhängig und leide an Hepatitis C. Eine Entgiftung sei im März 2007, offensichtlich nach Haftbeginn, erfolgt. Der Kläger zeige sich therapiemotiviert. "Rehaziele und Rehafähigkeit" seien im Antrag ansatzweise dargelegt. In Anbetracht des bei langjähriger Sucht doch ungünstigen Prognose und der mittlerweise recht alten Befunde könne ein positives Votum jedoch nicht abgegeben werden, solange nicht ergänzende Angaben der psychosozialen Betreuung (PSB) und eine Stellungnahme des Klägers zu bestimmten dort genannten Punkten vorlägen.

Mit Bescheid vom 11. Juli 2008 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab. Aus den eingereichten Unterlagen lasse sich die erforderliche Eigenmotivation nicht nachvollziehen. Auch werde keine ausreichend positive Prognose deutlich. Eine Rehabilitation werde unter diesen Voraussetzungen nicht den gewünschten Erfolg haben. Dem Kläger sei zu einem Neuantrag zu raten. Diesem solle er die vom MDK angeforderten Unterlagen beifügen.

Diesen Neuantrag auf "eine Kostenzusage für die Fachklinik R. " stellte der Kläger mit Schreiben vom 24. September 2008. Er legte die "ärztliche Verordnung von medizinischer Rehabilitation" der Anstaltsärztin Dr. G. vom 24. Juli 2008 (Polytoxikomanie [Alkohol, Haschisch, zeitweise Kokain täglich], chronische Hepatitis C, stabiles soziales Umfeld, Erwerbsfähigkeit stark eingeschränkt, Therapiemotivation vorhanden) und ausführliche eigene Stellungnahmen zu seiner Rehabilitationsmotivation vom 08. September 2008 vor. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 24. Oktober 2008, der keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, ab. Der Kläger sei bei ihr, der Beklagten, kein Mitglied. Er sei derzeit inhaftiert und habe Anspruch auf freie Heilfürsorge. Nach der Entlassung sei vorrangig zu prüfen, ob Ansprüche nach dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB XII) oder dem SGB II bestünden.

Der Kläger erhob am 26. Oktober 2008 Widerspruch. Er verwies darauf, dass die ARGE mit Schreiben vom 03. und 18. Juni 2008 bestätigt habe, die Beiträge für eine Versicherung bei der Beklagten ab Haftentlassung zu übernehmen. Die Beklagte habe den ersten Antrag wegen fehlender Motivation abgelehnt und ihm nahegelegt, an einem Motivationstraining teilzunehmen, damit der Neuantrag positiv beschieden werden könne. Es liege in der Natur der Dinge, dass kein Strafgefangener krankenversichert sei. Ein Ablehnungsgrund sei dies nicht, sonst gäbe es keine Therapieeinrichtungen für Drogensüchtige. Die Mitgliedschaft beginne immer erst mit der Entlassung bzw. dem Therapieantritt. Parallel wandte sich der Kläger an den Justizminister des Landes Baden-Württemberg. Diesem teilte er in einem Schreiben vom 28. Oktober 2008 u. a. mit, die Fachklinik R. könne ihm ohne Kostenzusage keinen Aufnahmetermin geben. In Stellungnahmen vom 04. Dezember 2008 und 14. Januar 2009 zu dieser Eingabe des Klägers gegenüber dem Ministerium für Arbeit und Soziales Baden-Württemberg teilte die Beklagte u. a. mit, sie habe unabhängig von den versicherungsrechtlichen Voraussetzungen auch die leistungsrechtlichen überprüft, diese Prüfung habe die Ablehnung vom 11. Juli 2008 zur Folge gehabt, da keine positive Rehabilitationsprognose gegeben gewesen sei. Im Schreiben vom 04. Dezember 2008 an den Kläger empfahl der Vorsitzende des Vorstandes der Beklagten dem Kläger, sich für die Übernahme der Suchtrehabilitation an den zuständigen Sozialhilfeträger zu wenden. Der Beklagten ging auch das Schreiben der ARGE vom 11. Dezember 2008 zu, in welchem diese dem Kläger bescheinigte, sie werde ihm ab Entlassung aus der Haft Leistungen nach dem SGB II gewähren. Er erfülle die Anspruchsvoraussetzungen. Die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung werde sie übernehmen. Hierauf erwiderte die Beklagte unter dem 30. Dezember 2008, eine Versicherungspflicht trete nur für Personen ein, die tatsächlich Arbeitslosengeld II bezögen. Die Bescheinigung der ARGE bestätige einen solchen Bezug nicht. Aus diesem Grund bestehe weiterhin keine Krankenversicherung und der Antrag könne daher nicht positiv beschieden werden. Der Kläger erhob unter dem 08. Januar 2009 erneut Widerspruch.

Am 20. Januar 2009 beantragte er beim SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung, ihm Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (stationäre Drogenentwöhnungsbehandlung) zu bewilligen (S 2 KR 182/09 ER). Diesen Antrag lehnte das SG mit Beschluss vom 26. Februar 2009 ab, da der Kläger bei der Beklagten nicht krankenversichert sei und die Beklagte ein Auswahlermessen hinsichtlich der Rehabilitationsleistungen habe, das nicht auf Null reduziert sei. Beschwerde gegen diesen Beschluss erhob der Kläger nicht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16. September 2009 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch des Klägers zurück. Der Kläger sei bei ihr nicht krankenversichert. Ob die leistungsrechtlichen Voraussetzungen der begehrten stationären Entwöhnungsbehandlung vorlägen, sei daher nicht mehr zu überprüfen.

Der Kläger erhob am 18. Oktober 2009 Klage zum SG und beantragte, die Beklagte zu verpflichten, ihm "eine Kostenübernahme für eine stationäre Maßnahme zur Rehabilitation zu bewilligen" sowie am 10. November 2009, ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zu bewilligen. Er verwies auf sein bisheriges Vorbringen und legte die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 02. November 2009 und eine Haftbescheinigung vom 23. Januar 2009 bei.

Die Beklagte ist der Klage bislang nicht entgegengetreten.

Das SG lehnte den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 12. November 2009 ab. Die "vom Kläger begehrte Rehabilitationsmaßnahme" setze ein Versicherungsverhältnis voraus, das nicht bestehe. Die Klage biete daher keine hinreichenden Erfolgsaussichten.

Der Kläger hat am 14. Dezember 2009 (Montag) bei dem SG Beschwerde zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhoben. Er trägt vor, die Rechtsansicht des SG sei unzutreffend und nehme das Hauptsacheverfahren vorweg. Die Rechtsauffassung der Beklagten hätte zur Folge, dass keine gesetzliche Krankenkasse für die stationäre Rehabilitation eines Inhaftierten eine Kostenzusage abgeben müsse. Der Übergang von Strafhaft in eine stationäre Therapie nach § 35 BtMG erfolge in der Regel nahtlos. Unmittelbar nach Entlassung bestehe Krankenversicherungsschutz, sofern die Voraussetzungen für die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II, wie vorliegend bestätigt, gegeben seien. Auf Nachfrage des Berichterstatters des Senats hat der Kläger noch mitgeteilt, er habe bislang keinen Antrag auf Zurückstellung der Vollstreckung stellen können, nachdem die Beklagte die Erteilung einer Kostenzusage verweigere.

Der Kläger beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 12. November 2009 aufzuheben und ihm für das Klagverfahren S 2 KR 3639/09 vor dem Sozialgericht Heilbronn Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zu bewilligen.

Die Beklagte hat im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt. Sie trägt vor, der Kläger könne eventuell aus § 58 des Strafvollzugsgesetzes (StVollzG) Ansprüche auf medizinische Rehabilitation und ergänzende Leistungen herleiten. Unabhängig davon komme das zuständige Sozialamt als Rehabilitationsträger in Betracht.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Auf die Beschwerde hin waren der angegriffene Beschluss des SG aufzuheben und dem Kläger für die erste Instanz Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechts¬anwalt T. B., H. , zu bewilligen.

1. Die Beschwerde des Klägers ist nach § 172 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der ab 01. April 2008 geltenden Fassung statthaft, da das SG den Prozesskostenhilfeantrag mangels Erfolgsaussicht der Klage abgelehnt und nicht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint hat (§ 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG).

2. Die auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist begründet. Das SG hätte den Antrag nicht ablehnen dürfen. Dem Kläger steht für die erste Instanz ein Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zu.

a) Nach §§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 114 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält auf Antrag eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn der Rechtsstandpunkt des klagenden Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für das Gericht zumindest als vertretbar erscheint und es von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage, 2008, § 73a, Rn. 7 a). Bei der Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussichten dürfen die Gerichte, wollen sie nicht das Grundrecht auf gleichen und effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -) verletzen, keine überspannten Anforderungen stellen. Das Verfahren über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe dient nicht dazu, schwierige oder ungeklärte Rechtsfragen zu bescheiden oder eine vorweggenommene Tatsachen- oder Beweiswürdigung vorzunehmen.

b) Nach diesen Kriterien hat die Klage nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand hinreichende Erfolgsaussichten.

aa) Das SG ist in dem angegriffenen Beschluss möglicherweise von einem falschen Antrag ausgegangen. Es hat nämlich ausgeführt, der Kläger begehre "die Gewährung" einer Rehabilitationsmaßnahme. Dies trifft nicht zu. Der Kläger hat in seiner Klagschrift vielmehr beantragt, die Beklagte zur "Bewilligung einer Kostenübernahme" zu verpflichten. Zwar ist diese Formulierung etwas mehrdeutig. Unter Berücksichtigung des bisherigen Verfahrensablaufs ergibt sich jedoch ausreichend deutlich, dass der Kläger die Abgabe einer Kostenübernahmeerklärung (Kostenzusage) mit dem Inhalt begehrt, dass die Kosten der Maßnahme dann übernommen werden, wenn die Vollstreckung seiner restlichen Strafe nach § 35 Abs. 1 BtMG zurückgestellt wird. Eine solche Kostenzusage stellt nach Ansicht des Senats einen Verwaltungsakt nach § 31 Satz 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) dar. Sie ist am ehesten eine Zusicherung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB X, die ebenfalls einen Verwaltungsakt darstellt (vgl. Engelmann, in: v. Wulffen, SGB X, 6. Aufl. 2008, § 34 Rn. 5 m.w.N.), allenfalls sogar schon ein Verwaltungsakt unter einer aufschiebenden Bedingung nach § 32 Abs. 2 Nr. 2 SGB X, der zulässig wäre, weil die Gewährung von Rehabilitationsleistungen durch gesetzliche Krankenversicherungen nach § 40 Abs. 3 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) im pflichtgemäßen Ermessen steht. In jedem Fall wird die Abgabe einer Kostenzusage mit einer (Anfechtungs- und) Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG verfolgt. In der bisherigen Rechtsprechung zu den Ansprüchen Inhaftierter auf eine Kostenzusage wurde dies zum Teil bestätigt (SG Braunschweig, Beschluss vom 06. Mai 1998, S 5 J (EA) 65/88, StV 1989, 70), zum Teil wurde aber auch angenommen, es bestehe ein Feststellungsanspruch (vgl. SG Hamburg, Beschluss vom 13. Oktober 2008, S 48 KR 1093/08 ER; SG Bremen, Beschluss vom 12. Oktober 2009, S 24 AY 17/09 ER). Jedenfalls ist eine Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG bei Inhaftierten, bei denen die weitere Vollstreckung noch nicht nach § 35 Abs. 1 BtMG zurückgestellt ist, nicht die statthafte Klageart. Die Bewilligung einer Maßnahme selbst würde dem Kläger im Augenblick nichts nützen, denn er könnte sie nicht antreten.

bb) Auf die Abgabe einer solchen Kostenzusage besteht allerdings nicht grundsätzlich ein Rechtsanspruch. Ausgehend davon, dass die Zusage eine Zusicherung nach § 34 Abs. 1 SGB X darstellt, kann der Anspruchsteller nur eine ermessensfehlerfreie Bescheidung seines Antrags verlangen (vgl. Bundessozialgericht - BSG - SozR 5750 Art. 2 § 9a Nr. 13; Engelmann, a.a.O., § 34 Rn. 10 m.w.N., ablehnend Bundesverwaltungsgericht - BVerwG - NVwZ 1987, 471). Dass zumindest ein solcher Anspruch besteht, ergibt sich aus dem Zusammenspiel des § 34 Abs. 1 SGB X und der sozialrechtlichen Anspruchsnormen über medizinische Rehabilitationen und § 35 Abs. 1 BtMG. Wenn die Zurückstellung der weiteren Strafvollstreckung die Vorlage einer Kostenzusage voraussetzt, dann muss die Rechtsordnung den Betroffenen die Möglichkeit bieten, eine solche auch gerichtlich einzuklagen (Art. 19 Abs. 4 GG).

Zumindest die Ausübung dieses Ermessens bei der Entscheidung, ob eine Kostenzusage erteilt wird, kann der Anspruchsteller aber mit einem Bescheidungsantrag gerichtlich überprüfen lassen. Dies gilt insbesondere bei der Entscheidung einer Krankenkasse über die Erteilung einer Kostenzusage für eine stationäre Entwöhnungsbehandlung an einen Inhaftierten (vgl. erneut SG Braunschweig, a.a.O.).

Außerdem besteht auch hier die Möglichkeit der Ermessensreduzierung auf Null, sodass eine Zusicherung erteilt werden muss und auch direkt mit der Verpflichtungsklage verlangt werden kann, wenn die Voraussetzungen einer Rehabilitationsmaßnahme dem Grunde nach gegeben sind und der Anspruchsteller ein besonderes Bedürfnis für die Erteilung der Kostenzusage hat. Ein solches besonderes Bedürfnis kann in Fällen wie hier darin liegen, dass ein Inhaftierter einer - vorherigen - Kostenzusage eines Rehabilitationsträgers bedarf, um eine Zurückstellung der weiteren Vollstreckung seiner Haft nach § 35 Abs. 1 Satz 1 BtMG zu erreichen. Diese Vorschrift bestimmt u. a., dass der Beginn der der Rehabilitation des Gefangenen dienenden Behandlung gewährleistet sein muss. Die strafvollstreckungsrechtliche Praxis verlangt hierzu regelmäßig eine Therapiezusage durch eine geeignete Einrichtung und die Kostenzusage eines Sozialleistungsträgers, wenn nicht die gewählte Einrichtung auf eine solche Kostenzusage verzichtet oder der Gefangene die Therapie - nachweisbar - selbst finanzieren kann (Körner, Kommentar zum BtMG, 6. Aufl. 2007, § 35 Rn. 222 ff.; Weber, Betäubungsmittelgesetz, 3. Aufl. 2009, § 35 Rn. 123). Liegt eine Kostenzusage nicht vor, scheidet eine Zurückstellung aus (Körner, a.a.O., Rn. 228 m.w.N.).

cc) Auch im konkreten Falle des Klägers ist es hinreichend wahrscheinlich, dass er mit seiner Klage zumindest eine ermessensfehlerfreie Neubescheidung seines Antrags auf Erteilung einer Kostenzusage, möglicherweise sogar die Verpflichtung zur Erteilung selbst, erreichen kann.

Seine Klage dürfte nicht unzulässig sein. Der Kläger ist auf die Erteilung einer Kostenzusage angewiesen, um eine Zurückstellung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 BtMG zu erreichen. Die weiteren Vo¬raussetzungen einer solchen Zurückstellung zu prüfen, obliegt nicht den Sozialgerichten. Das Rechtsschutzbedürfnis der Klage kann daher nicht mit der Begründung verneint werden, ein Antrag nach § 35 Abs. 1 Satz 1 BtMG sei noch nicht gestellt oder habe - unabhängig von der Kostenzusage - keine Aussicht auf Erfolg. Ebenso fehlt das Rechtsschutzbedürfnis nicht deshalb, weil bei dem Kläger - auch wegen der Ablehnung durch die Beklagte - inzwischen der 2/3-Zeitpunkt verstrichen ist. Solange die Freiheitsstrafe nicht verbüßt und der Strafrest auch nicht zur Bewährung ausgesetzt ist, sich der Kläger also in Haft befindet, ist eine Zurückstellung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 BtMG möglich.

Dass der Kläger zurzeit nicht Mitglied der Beklagten ist und daher keinen Leistungsanspruch auf eine Rehabilitationsmaßnahme direkt hat, hindert einen Anspruch auf Erteilung einer Kostenzusage bzw. auf ermessensfehlerfreie Entscheidung darüber nicht. Der Kläger begehrt lediglich eine Zusage für den Fall, dass er - nach Zurückstellung der weiteren Strafvollstreckung nach § 35 Abs. 1 BtMG - Mitglied der Beklagten wird. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies geschieht, ist ausreichend hoch. Die zuständige ARGE hat- zuletzt unter dem 11. Dezember 2008 - ausdrücklich zugesichert, dem Kläger nach einer Entlassung Leistungen nach dem SGB II zu gewähren, wenn die fragliche Therapie keine sechs Monate dauert. Eine Äußerung der ARGE, sie halte an dieser Zusicherung nicht mehr fest, liegt nicht vor. Ab diesem Zeitpunkt wäre der Kläger pflichtversichert (§ 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V). Er hat deutlich bekundet, für diesen Fall eine Mitgliedschaft bei der Beklagten zu wählen. Und auch wenn es zunächst nicht zur tatsächlichen Gewährung von Leistungen nach dem SGB II und damit nicht zu einer Pflichtmitgliedschaft aus diesem Grunde käme - etwa weil das dem Kläger von der Haftanstalt gewährte Übergangsgeld als anrechenbares Einkommen eingestuft würde -, so müsste ihn die Beklagte möglicherweise nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V als Pflichtversicherten aufnehmen, weil er - vor der Haft - zuletzt bei ihr gesetzlich krankenversichert war.

Auch wenn der Kläger nicht Mitglied der Beklagten ist und nach Auffassung der Beklagten auch nicht werden kann, durfte die Beklagte allein mit dieser Begründung den Antrag des Klägers auf Leistungen der medizinischen Rehabilitation nicht ablehnen. Für den (Neu-)Antrag des Klägers vom 24. September 2008 war die Beklagte der erstangegangene Rehabilitationsträger. Wenn die Beklagte ihrer Auffassung nach für Leistungen der medizinischen Rehabilitation wegen fehlender Mitgliedschaft nicht zuständig ist, hätte sie den Antrag an den ihrer Auffassung nach zuständigen Rehabilitationsträger weiterleiten müssen (§ 14 Abs. 1 Satz 2 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs - SGB IX -). Die Beklagte hat den bei ihr gestellten Rehabilitationsantrag nicht weitergeleitet, so dass die Beklagte den Rehabilitationsbedarf festzustellen hat (§ 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Die in § 14 Abs. 1 und 2 SGB IX geregelte Zuständigkeit erstreckt sich im Außenverhältnis (behinderter Mensch/Rehabilitationsträger) auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation für Rehabilitationsträger vorgesehen sind (vgl. BSG SozR 4-3250 § 14 Nr. 4). Die Beklagte war daher verpflichtet, den geltend gemachten Anspruch auch nach den anderen Büchern des SGB, zumindest nach dem Sechsten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB VI), zu prüfen. Eine dem § 14 Abs. 1 und 2 SGB IX entsprechende Regelung enthält für Drogenentwöhnungsbehandlungen, wie sie der Kläger hier anstrebt, § 6 Abs. 3 der Vereinbarung "Abhängigkeitserkrankungen" der Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen und des früheren Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger vom 04. Mai 2001 (so genannte Suchtvereinbarung). Diese Regelung bestimmt, dass eine Krankenkasse einen bei ihr gestellten Antrag unverzüglich an den Rentenversicherungsträger weiterleiten muss, wenn sie diesen für zuständig hält. Nach § 5 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 der Suchtvereinbarung sind primär der Rentenversicherungsträger des Süchtigen zuständig, wenn die Voraussetzungen der §§ 9 bis 11 SGB VI vorliegen, und erst im Nachgang die Krankenkasse. Des Weiteren hätte auch eine Prüfung nahegelegen, ob gegebenenfalls nach den Bestimmungen des SGB XII eine Kostenzusage für die vom Kläger begehrte Drogenentwöhnungsbehandlung in Betracht kommt. Denn die Beklagte selbst hält eine Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers für möglich (Schriftsatz vom 20. Januar 2010 im Beschwerdeverfahren, Schreiben des Vorsitzenden des Vorstands der Beklagten an den Kläger vom 04. Dezember 2008).

Ob die weiteren Voraussetzungen einer stationären Drogenentwöhnung vorliegen, kann der Senat nach den vorliegenden Unterlagen nicht entscheiden. Hierzu muss gegebenenfalls im Klagverfahren das SG ermitteln. Insbesondere kann nicht entschieden werden, ob die medizinischen Voraussetzungen vorliegen (§ 40 Abs. 2 SGB V, gegebenenfalls § 10 SGB VI, gegebenenfalls Vorschriften des SGB XII). Hierbei ist aber zu beachten, dass der MDK in seinem Gutachten vom 09. Juli 2008 auf den ersten Antrag des Klägers weitere Unterlagen zur Therapiemotivation des Klägers verlangt hat und der Kläger diese Unterlagen - nach seinem Vortrag nach Absolvierung eines Motivationstrainings in der Vollzugsanstalt - vorgelegt hat. Auch aus einer Erfolglosigkeit bisheriger Entwöhnungsbehandlungen kann nicht auf eine fehlende Erfolgsaussicht geschlossen werden, nachdem der Kläger nach den Feststellungen des Landgerichts in dem Urteil vom 31. Januar 2008 bislang keine solche Maßnahme absolviert hat.

c) Der Kläger ist auch im Sinne der § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 114 Satz 1, 115 ZPO bedürftig. Hierzu wird auf die diesem Beschluss beigefügte Berechnung, die nach 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 117 Abs. 2 Satz 2 ZPO der Beklagten nicht zugänglich gemacht wird, verwiesen.

d) Eine Mutwilligkeit des klägerischen Begehrens ist bei der dargestellten Sach- und Rechtslage nicht zu erkennen.

3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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