Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 3854/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 3415/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 13. Juni 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1955 geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt. Von 1970 bis März 2000 war sie als Näherin (34 Stunden wöchentlich) beschäftigt, seit 20.6.1999 war sie arbeitsunfähig.
Am 7.10.1999 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27.12.1999 und Widerspruchsbescheid vom 20.7.2000 ab. Grundlagen hierfür waren das Gutachten des Internisten Dr. M. vom 8.12.1999 und der Heilverfahrensentlassungsbericht des Kur- und Rehazentrums Bad Wimpfen vom 29.3.2000. Die anschließende Klage wies das Sozialgericht (SG) Reutlingen mit Urteil vom 14.11.2002 (S 2 RJ 2015/00) u. a. gestützt auf das neurochirurgische Gutachten von Prof. Dr. G. vom 2.1.2002 mit ergänzender Stellungnahme vom 23.2.2002 ab. Die Berufung wies das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 9.9.2003 (L 11 RJ 4998/02) zurück.
Am 17.11.2004 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung der Klägerin. Der Orthopäde Dr. K. gelangte im Gutachten vom 31.1.2005 unter Mitberücksichtigung von Arztbriefen der Klinik für Psychiatrie Rottenmünster vom 14.8.2003, 23.4. und 7.9.2004 über stationäre Aufenthalte der Klägerin vom 27.5. bis 29.7.2003, 19. bis 22.4.2004 sowie 26.5. bis 10.8.2004 zum Ergebnis, bei der Klägerin lägen degenerative Veränderungen der Hals-(HWS) und Lendenwirbelsäule (LWS) mit HWS-Segmentversteifung C 6/7 im August 1999 bei Bandscheibenvorfall, ohne Anhalt für das Vorliegen von wesentlichen Nervenwurzelreizzeichen, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie eine Funktionsminderung des rechten Daumens mit Daumenballenverschmächtigung und Kraftminderung nach operativer Sanierung des Mittelhandnerven links 1/03 und rechts 2/03 ohne Anhalt für das Vorliegen von Sensibilitätsstörungen vor. Als Näherin sei die Klägerin nur unter 3 Stunden täglich einsetzbar. Leichte Tätigkeiten ohne häufige Zwangshaltungen, ohne häufige Überkopfarbeiten, ohne besondere Anforderungen an die Grob- und Feinmotorik könne die Klägerin 6 Stunden und mehr verrichten. Wegen einer Alkoholkrankheit seien Tätigkeiten im Gastronomiegewerbe nicht sinnvoll. Die sozialmedizinisch relevanten Gehstrecken zum Erreichen eines Arbeitsplatzes seien der Klägerin zumutbar.
Mit Bescheid vom 2.2.2005 lehnte die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin ab, weil weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vorliege.
Hiergegen legte die Klägerin am 22.2.2005 Widerspruch ein und eine Bescheinigung des Neurochirurgen Dr. H. vom 23.6.2005 vor, der die somatoforme Schmerzstörung als im Vordergrund stehend ansah. Daraufhin holte die Beklagte ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten ein. Dr. Z., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, diagnostizierte bei der Klägerin im Gutachten vom 5.8.2005 eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung ohne neurologische Ausfälle sowie eine Nikotinabhängigkeit. Er gelangte zum Ergebnis, als Näherin sei die Klägerin 3 bis unter 6 Stunden täglich einsetzbar. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne größere Anforderungen an die Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit sowie ohne Bedienen von laufenden Maschinen könne die Klägerin 6 Stunden und mehr verrichten. Mit Widerspruchsbescheid vom 26.10.2005 wies die Beklagte den Widerspruch daraufhin zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 11.11.2005 Klage zum SG Reutlingen, mit der sie die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung weiter verfolgte. Das SG hörte die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen und holte Gutachten auf neurologisch-psychiatrischem und neurochirurgischem Gebiet ein.
Der Neurologe und Psychiater Dr. P. berichtete unter dem 6.4.2006 über eine einmalige Untersuchung der Klägerin vom 20.7.2005 und hatte aufgrund dessen keine Bedenken gegen eine mindestens sechsstündige Tätigkeit. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. K. gab am 30.4.2006 an, er behandele die Klägerin seit 1990. In den letzten Jahren sei keine Veränderung eingetreten. Bei Aufnahme einer Arbeit sei mit einer dauerhaften Arbeitsunfähigkeit zu rechnen. Eine körperlich leichte Tätigkeiten von 2 Stunden mit Pausen sei denkbar. Der Neurochirurg Dr. H. berichtete am 6.10.2006 über Behandlungen seit 22.10.2003, zuletzt am 27.7., 12.8. und 26.9.2006. Das maßgebliche Leiden liege auf neurologischem Gebiet. Aufgrund der aktuellen Beschwerdesymptomatik sei die Klägerin nicht in der Lage, leichte Tätigkeiten mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten.
Dr. St., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, diagnostizierte im Gutachten vom 14.2.2007 eine Somatisierungsstörung sowie einen Zustand nach Operation eines Bandscheibenvorfalls an der HWS 1999 mit noch bestehenden Restbeschwerden bezogen auf die Nervenwurzel C7 links mit Gefühlsstörungen am Zeigefinger der linken Hand. Eine Aggravation sei nicht zu verkennen gewesen. Die Klägerin sei in der Lage, mindestens 6 Stunden täglich einer regelmäßigen leichten Tätigkeit nachzugehen. Über die Einschränkungen aus orthopädischer Sicht hinaus sollten Akkord- und Fließbandarbeiten sowie Tätigkeiten in Wechselschicht unterbleiben. Am besten sollte es sich um eine überwiegend sitzende Tätigkeit im Wechsel mit kurzen Gehstrecken und Stehen handeln. Zusätzliche Arbeitspausen seien nicht notwendig.
Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG Gutachten auf neurochirurgischem und neurologisch-psychiatrischem Gebiet eingeholt.
Der Arzt für Neurochirurgie Dr. K. nannte im Gutachten vom 9.10.2007 folgende Diagnosen: Zustand nach Operation eines Halsbandscheibenvorfalls mit noch verbliebenem subjektivem C7-Syndrom sowie einem Facettensyndrom, lumbales Facettensyndrom bei Bandscheibenprotrusion, Zustand nach Operation eines Karpaltunnelsyndroms. Leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung könne die Klägerin 6 Stunden täglich verrichten. Monotones Sitzen und Stehen sowie schweres Heben, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, in Kältekammern sowie andauerndes Gehen sollten vermieden werden.
Der Neurologe und Psychiater Dr. M. gelangte im Gutachten vom 12.3.2008 zum Ergebnis, bei der Klägerin lägen ein chronisches Schmerzsyndrom Stadium III nach Gerbershagen mit somatoformer Komponente bei Zustand nach cervikaler Bandscheibenoperation C 6/7 1999 sowie bei cervikalen und lumbalen Bandscheibenvorwölbungen mit pseudoradikulärer Symptomatik C 6/7 beidseits, schädlicher Gebrauch von Alkohol, Nikotin und anamnestisch auch Medikamenten sowie eine Anpassungsstörung mit Angst und Dysthymie vor. Die Klägerin sei noch in der Lage, körperlich leichte Tätigkeiten, z. B. eine Tätigkeit am PC mit der Möglichkeit eines gelegentlichen Haltungswechsels, mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten. Nicht mehr zumutbar seien Tätigkeiten, die eine St.ere Kraftanforderung der Hände erforderten, mit häufigem Bücken, unter Zeitdruck, Akkord- und Fließbandtätigkeiten sowie Tätigkeiten mit Wechsel- und Nachtschicht.
Mit Gerichtsbescheid vom 13.6.2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin sei nicht teilweise und erst recht nicht voll erwerbsgemindert, da sie - unter Beachtung gewisser qualitativer Einschränkungen - in der Lage sei, leichte Tätigkeiten unter den üblichen Bedingung des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden arbeitstäglich zu verrichten. Zu dieser Überzeugung gelange das SG insbesondere aufgrund des im Gerichtsverfahren erstellten Gutachtens von Dr. St. sowie der im Verwaltungsverfahren erstellten Gutachten von Dr. K. und Dr. Z ... Bestätigt werde diese Leistungseinschätzung durch den behandelnden Nervenarzt Dr. P. sowie die auf Antrag der Klägerin eingeholten Gutachten von Dr. K. und Dr. M ... Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen den am 19.6.2008 zugestellen Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 18.7.2008 Berufung eingelegt und vorgetragen, aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen allein auf schmerztherapeutischem Gebiet sei ihre Leistungsfähigkeit dermaßen eingeschränkt, dass zumindest die Voraussetzungen für eine volle Erwerbsminderungsrente auf Zeit gegeben seien. Sie hat ein Attest der Ärztin für Anästhesiologie Dr. M. vom 5.12.2008 vorgelegt, die unter Auflistung von Diagnosen ausführt, die berufliche Leistungsfähigkeit der Klägerin sei eingeschränkt. Tätigkeiten, die in einseitiger Körperhaltung bzw. in Zwangshaltung erfolgten, die mit häufigem Bücken und Heben schwerer Lasten (über 10 kg) verbunden seien, seien der Klägerin nicht zumutbar.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 13. Juni 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 2. Februar 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 1. November 2004 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidert, aus dem vorliegenden Attest von Dr. M. ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte, die eine Änderung ihres bisherigen Standpunktes zuließen.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Der angefochtenen Gerichtsbescheid des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheides zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von der Klägerin beanspruchte Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung - § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) - dargelegt und zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung oder teilweiser Erwerbsminderung nicht besteht, weil der Klägerin noch wenigstens sechs Stunden täglich leistungsfähig ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren uneingeschränkt an, sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zurück.
Ergänzend ist auszuführen, dass bei der Klägerin auf orthopädischem Gebiet degenerative Veränderungen der HWS und LWS mit HWS-Segmentversteifung C 6/7 bei Bandscheibenvorfall und eine Bandscheibenprotrusion L 3/4 sowie L 4/5 vorliegen. Ferner leidet die Klägerin unter chronischen Schmerzen, die Dr. St. als Somatisierungsstörung und Dr. Z. als anhaltende somatoforme Schmerzstörung klassifiziert. Letztlich entscheidend ist jedoch nicht die Diagnose, sondern die durch die Schmerzen bedingten Funktionseinschränkungen. Eine Depression bzw. eine Dysthymie vermochten Dr. Z. und Dr. St. nicht festzustellen. Soweit Dr. M. bei der Klägerin eine Anpassungsstörung mit Angst und Dysthymie diagnostiziert, wird dies durch den von ihm bei der Klägerin erhobenen psychopathologischen Befund nicht gestützt. So war die emotionale Schwingungsfähigkeit der Klägerin nicht erkennbar beeinträchtigt, die Stimmungslage nicht erkennbar gedrückt und es ergaben sich auch keine Hinweise auf Antriebsstörungen.
Die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen führen zwar dazu, dass sie nicht mehr als Näherin tätig sein kann. Sie ist jedoch nicht gehindert, körperlich leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen bzw. in wechselnder Körperhaltung mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten. Vermeiden muss sie lediglich Tätigkeiten mit häufigen Zwangshaltungen, häufigen Überkopfarbeiten, auf Leitern und Gerüsten, in Kälte, mit Wechsel- und Nachtschicht sowie Akkord- und Fließbandarbeiten. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat aufgrund der im Wesentlichen übereinstimmenden Beurteilungen des Orthopäden Dr. K. vom 31.1.2005 sowie der Neurologen und Psychiater Dr. Z. vom 5.8.2005 und Dr. St. vom 14.2.2007, die mit den Beurteilungen des Neurologen und Psychiaters Dr. P. in der sachverständigen Zeugenaussage vom 6.4.2006 sowie des Neurochirurgen Dr. K. und des Neurologen und Psychiaters Dr. M. in den auf Antrag der Klägerin eingeholten Gutachten vom 9.10.2007 und 19.6.2008 übereinstimmen. Hiervon abweichende Befunde oder Beurteilungen ergeben sich auch nicht aus dem Attest von Dr. M. vom 5.12.2008.
Gegen eine quantitative Leistungseinschränkung der Klägerin sprechen auch der strukturierte Tagesablauf (nach dem Aufstehen Frühstück, Versorgung des Haushalts eines großen Hauses mit Kochen, Waschen und Bügeln auch für die erwachsenen Kinder, Versorgung von Hühnern, Hund und 3 Katzen, Fernsehen, Nachtruhe zwischen 22:00 und 22:30 Uhr), ihre Aktivitäten (Stricken, Sticken, Spazierengehen mit dem Hund, Lesen, Musik, Beschäftigung am PC) sowie Kontakte zur Freundin und zu den Geschwistern.
Nach alledem war der angefochtene Gerichtsbescheid des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung der Klägerin musste deswegen zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1955 geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt. Von 1970 bis März 2000 war sie als Näherin (34 Stunden wöchentlich) beschäftigt, seit 20.6.1999 war sie arbeitsunfähig.
Am 7.10.1999 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27.12.1999 und Widerspruchsbescheid vom 20.7.2000 ab. Grundlagen hierfür waren das Gutachten des Internisten Dr. M. vom 8.12.1999 und der Heilverfahrensentlassungsbericht des Kur- und Rehazentrums Bad Wimpfen vom 29.3.2000. Die anschließende Klage wies das Sozialgericht (SG) Reutlingen mit Urteil vom 14.11.2002 (S 2 RJ 2015/00) u. a. gestützt auf das neurochirurgische Gutachten von Prof. Dr. G. vom 2.1.2002 mit ergänzender Stellungnahme vom 23.2.2002 ab. Die Berufung wies das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 9.9.2003 (L 11 RJ 4998/02) zurück.
Am 17.11.2004 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung der Klägerin. Der Orthopäde Dr. K. gelangte im Gutachten vom 31.1.2005 unter Mitberücksichtigung von Arztbriefen der Klinik für Psychiatrie Rottenmünster vom 14.8.2003, 23.4. und 7.9.2004 über stationäre Aufenthalte der Klägerin vom 27.5. bis 29.7.2003, 19. bis 22.4.2004 sowie 26.5. bis 10.8.2004 zum Ergebnis, bei der Klägerin lägen degenerative Veränderungen der Hals-(HWS) und Lendenwirbelsäule (LWS) mit HWS-Segmentversteifung C 6/7 im August 1999 bei Bandscheibenvorfall, ohne Anhalt für das Vorliegen von wesentlichen Nervenwurzelreizzeichen, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie eine Funktionsminderung des rechten Daumens mit Daumenballenverschmächtigung und Kraftminderung nach operativer Sanierung des Mittelhandnerven links 1/03 und rechts 2/03 ohne Anhalt für das Vorliegen von Sensibilitätsstörungen vor. Als Näherin sei die Klägerin nur unter 3 Stunden täglich einsetzbar. Leichte Tätigkeiten ohne häufige Zwangshaltungen, ohne häufige Überkopfarbeiten, ohne besondere Anforderungen an die Grob- und Feinmotorik könne die Klägerin 6 Stunden und mehr verrichten. Wegen einer Alkoholkrankheit seien Tätigkeiten im Gastronomiegewerbe nicht sinnvoll. Die sozialmedizinisch relevanten Gehstrecken zum Erreichen eines Arbeitsplatzes seien der Klägerin zumutbar.
Mit Bescheid vom 2.2.2005 lehnte die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin ab, weil weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vorliege.
Hiergegen legte die Klägerin am 22.2.2005 Widerspruch ein und eine Bescheinigung des Neurochirurgen Dr. H. vom 23.6.2005 vor, der die somatoforme Schmerzstörung als im Vordergrund stehend ansah. Daraufhin holte die Beklagte ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten ein. Dr. Z., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, diagnostizierte bei der Klägerin im Gutachten vom 5.8.2005 eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung ohne neurologische Ausfälle sowie eine Nikotinabhängigkeit. Er gelangte zum Ergebnis, als Näherin sei die Klägerin 3 bis unter 6 Stunden täglich einsetzbar. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne größere Anforderungen an die Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit sowie ohne Bedienen von laufenden Maschinen könne die Klägerin 6 Stunden und mehr verrichten. Mit Widerspruchsbescheid vom 26.10.2005 wies die Beklagte den Widerspruch daraufhin zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 11.11.2005 Klage zum SG Reutlingen, mit der sie die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung weiter verfolgte. Das SG hörte die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen und holte Gutachten auf neurologisch-psychiatrischem und neurochirurgischem Gebiet ein.
Der Neurologe und Psychiater Dr. P. berichtete unter dem 6.4.2006 über eine einmalige Untersuchung der Klägerin vom 20.7.2005 und hatte aufgrund dessen keine Bedenken gegen eine mindestens sechsstündige Tätigkeit. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. K. gab am 30.4.2006 an, er behandele die Klägerin seit 1990. In den letzten Jahren sei keine Veränderung eingetreten. Bei Aufnahme einer Arbeit sei mit einer dauerhaften Arbeitsunfähigkeit zu rechnen. Eine körperlich leichte Tätigkeiten von 2 Stunden mit Pausen sei denkbar. Der Neurochirurg Dr. H. berichtete am 6.10.2006 über Behandlungen seit 22.10.2003, zuletzt am 27.7., 12.8. und 26.9.2006. Das maßgebliche Leiden liege auf neurologischem Gebiet. Aufgrund der aktuellen Beschwerdesymptomatik sei die Klägerin nicht in der Lage, leichte Tätigkeiten mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten.
Dr. St., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, diagnostizierte im Gutachten vom 14.2.2007 eine Somatisierungsstörung sowie einen Zustand nach Operation eines Bandscheibenvorfalls an der HWS 1999 mit noch bestehenden Restbeschwerden bezogen auf die Nervenwurzel C7 links mit Gefühlsstörungen am Zeigefinger der linken Hand. Eine Aggravation sei nicht zu verkennen gewesen. Die Klägerin sei in der Lage, mindestens 6 Stunden täglich einer regelmäßigen leichten Tätigkeit nachzugehen. Über die Einschränkungen aus orthopädischer Sicht hinaus sollten Akkord- und Fließbandarbeiten sowie Tätigkeiten in Wechselschicht unterbleiben. Am besten sollte es sich um eine überwiegend sitzende Tätigkeit im Wechsel mit kurzen Gehstrecken und Stehen handeln. Zusätzliche Arbeitspausen seien nicht notwendig.
Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG Gutachten auf neurochirurgischem und neurologisch-psychiatrischem Gebiet eingeholt.
Der Arzt für Neurochirurgie Dr. K. nannte im Gutachten vom 9.10.2007 folgende Diagnosen: Zustand nach Operation eines Halsbandscheibenvorfalls mit noch verbliebenem subjektivem C7-Syndrom sowie einem Facettensyndrom, lumbales Facettensyndrom bei Bandscheibenprotrusion, Zustand nach Operation eines Karpaltunnelsyndroms. Leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung könne die Klägerin 6 Stunden täglich verrichten. Monotones Sitzen und Stehen sowie schweres Heben, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, in Kältekammern sowie andauerndes Gehen sollten vermieden werden.
Der Neurologe und Psychiater Dr. M. gelangte im Gutachten vom 12.3.2008 zum Ergebnis, bei der Klägerin lägen ein chronisches Schmerzsyndrom Stadium III nach Gerbershagen mit somatoformer Komponente bei Zustand nach cervikaler Bandscheibenoperation C 6/7 1999 sowie bei cervikalen und lumbalen Bandscheibenvorwölbungen mit pseudoradikulärer Symptomatik C 6/7 beidseits, schädlicher Gebrauch von Alkohol, Nikotin und anamnestisch auch Medikamenten sowie eine Anpassungsstörung mit Angst und Dysthymie vor. Die Klägerin sei noch in der Lage, körperlich leichte Tätigkeiten, z. B. eine Tätigkeit am PC mit der Möglichkeit eines gelegentlichen Haltungswechsels, mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten. Nicht mehr zumutbar seien Tätigkeiten, die eine St.ere Kraftanforderung der Hände erforderten, mit häufigem Bücken, unter Zeitdruck, Akkord- und Fließbandtätigkeiten sowie Tätigkeiten mit Wechsel- und Nachtschicht.
Mit Gerichtsbescheid vom 13.6.2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin sei nicht teilweise und erst recht nicht voll erwerbsgemindert, da sie - unter Beachtung gewisser qualitativer Einschränkungen - in der Lage sei, leichte Tätigkeiten unter den üblichen Bedingung des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden arbeitstäglich zu verrichten. Zu dieser Überzeugung gelange das SG insbesondere aufgrund des im Gerichtsverfahren erstellten Gutachtens von Dr. St. sowie der im Verwaltungsverfahren erstellten Gutachten von Dr. K. und Dr. Z ... Bestätigt werde diese Leistungseinschätzung durch den behandelnden Nervenarzt Dr. P. sowie die auf Antrag der Klägerin eingeholten Gutachten von Dr. K. und Dr. M ... Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen den am 19.6.2008 zugestellen Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 18.7.2008 Berufung eingelegt und vorgetragen, aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen allein auf schmerztherapeutischem Gebiet sei ihre Leistungsfähigkeit dermaßen eingeschränkt, dass zumindest die Voraussetzungen für eine volle Erwerbsminderungsrente auf Zeit gegeben seien. Sie hat ein Attest der Ärztin für Anästhesiologie Dr. M. vom 5.12.2008 vorgelegt, die unter Auflistung von Diagnosen ausführt, die berufliche Leistungsfähigkeit der Klägerin sei eingeschränkt. Tätigkeiten, die in einseitiger Körperhaltung bzw. in Zwangshaltung erfolgten, die mit häufigem Bücken und Heben schwerer Lasten (über 10 kg) verbunden seien, seien der Klägerin nicht zumutbar.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 13. Juni 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 2. Februar 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 1. November 2004 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidert, aus dem vorliegenden Attest von Dr. M. ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte, die eine Änderung ihres bisherigen Standpunktes zuließen.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Der angefochtenen Gerichtsbescheid des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheides zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von der Klägerin beanspruchte Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung - § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) - dargelegt und zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung oder teilweiser Erwerbsminderung nicht besteht, weil der Klägerin noch wenigstens sechs Stunden täglich leistungsfähig ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren uneingeschränkt an, sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zurück.
Ergänzend ist auszuführen, dass bei der Klägerin auf orthopädischem Gebiet degenerative Veränderungen der HWS und LWS mit HWS-Segmentversteifung C 6/7 bei Bandscheibenvorfall und eine Bandscheibenprotrusion L 3/4 sowie L 4/5 vorliegen. Ferner leidet die Klägerin unter chronischen Schmerzen, die Dr. St. als Somatisierungsstörung und Dr. Z. als anhaltende somatoforme Schmerzstörung klassifiziert. Letztlich entscheidend ist jedoch nicht die Diagnose, sondern die durch die Schmerzen bedingten Funktionseinschränkungen. Eine Depression bzw. eine Dysthymie vermochten Dr. Z. und Dr. St. nicht festzustellen. Soweit Dr. M. bei der Klägerin eine Anpassungsstörung mit Angst und Dysthymie diagnostiziert, wird dies durch den von ihm bei der Klägerin erhobenen psychopathologischen Befund nicht gestützt. So war die emotionale Schwingungsfähigkeit der Klägerin nicht erkennbar beeinträchtigt, die Stimmungslage nicht erkennbar gedrückt und es ergaben sich auch keine Hinweise auf Antriebsstörungen.
Die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen führen zwar dazu, dass sie nicht mehr als Näherin tätig sein kann. Sie ist jedoch nicht gehindert, körperlich leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen bzw. in wechselnder Körperhaltung mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten. Vermeiden muss sie lediglich Tätigkeiten mit häufigen Zwangshaltungen, häufigen Überkopfarbeiten, auf Leitern und Gerüsten, in Kälte, mit Wechsel- und Nachtschicht sowie Akkord- und Fließbandarbeiten. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat aufgrund der im Wesentlichen übereinstimmenden Beurteilungen des Orthopäden Dr. K. vom 31.1.2005 sowie der Neurologen und Psychiater Dr. Z. vom 5.8.2005 und Dr. St. vom 14.2.2007, die mit den Beurteilungen des Neurologen und Psychiaters Dr. P. in der sachverständigen Zeugenaussage vom 6.4.2006 sowie des Neurochirurgen Dr. K. und des Neurologen und Psychiaters Dr. M. in den auf Antrag der Klägerin eingeholten Gutachten vom 9.10.2007 und 19.6.2008 übereinstimmen. Hiervon abweichende Befunde oder Beurteilungen ergeben sich auch nicht aus dem Attest von Dr. M. vom 5.12.2008.
Gegen eine quantitative Leistungseinschränkung der Klägerin sprechen auch der strukturierte Tagesablauf (nach dem Aufstehen Frühstück, Versorgung des Haushalts eines großen Hauses mit Kochen, Waschen und Bügeln auch für die erwachsenen Kinder, Versorgung von Hühnern, Hund und 3 Katzen, Fernsehen, Nachtruhe zwischen 22:00 und 22:30 Uhr), ihre Aktivitäten (Stricken, Sticken, Spazierengehen mit dem Hund, Lesen, Musik, Beschäftigung am PC) sowie Kontakte zur Freundin und zu den Geschwistern.
Nach alledem war der angefochtene Gerichtsbescheid des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung der Klägerin musste deswegen zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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