Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 1207/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 R 2222/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1950 geborene Klägerin zog 1970 aus Spanien in die Bundesrepublik Deutschland zu. Hier war sie zuletzt von Februar 1977 bis Juni 2003 als Maschinenbedienerin versicherungspflichtig beschäftigt und anschließend (von September 2002 an) arbeitsunfähig erkrankt. Arbeitslos ist sie seit Juli 2003, wobei sie als solche mit Leistungsbezug zuletzt am 07.01.2006 bei der Agentur für Arbeit Stuttgart gemeldet war.
Leistungen der Beklagten zur Teilhabe am Arbeitsleben nahm die Klägerin zuletzt in Form einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der Schloßklinik Bad B. vom 14.01. bis 11.02.2003 in Anspruch. Ausweislich des Entlassberichtes vom 17.02.2003 wurde sie als arbeitsfähig entlassen (Diagnosen: 1. Schmerzfehlverarbeitung mit Somatisierungsneigung, 2. Epi¬condylopathia radialis humeri re. ) li., 3. Chronisch rezidivierende Cervicodorsolumbalgie bei mäßigen degenerativen Veränderungen ohne neurologische Symptomatik, 4. Zustand nach Thyreoidektomie bei follikulärem SD-Cavernom mit Substitutionstherapie).
Am 15.04.2005 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Die Beklagte ließ die Klägerin durch den Chirurgen Dr. G. sozialmedizinisch begutachten. Dieser kam in seinem Gutachten vom 16.06.2005 unter Berücksichtigung zahlreicher ärztlicher Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte zum Ergebnis, die Klägerin leide an 1. chronisch rezidivierendem Wirbelsäulensyndrom mit beidseitigen Cervikobrachialgien und -cephalgien, Lumboischialgien und endgradiger Funktionseinschränkung bei Fehlhaltung, 2. So¬matisierungsstörung sowie 3. beginnenden degenerativen Veränderungen an den Schulter-, Hüft- u. Kniegelenken ohne wesentliche Funktionseinschränkung bei Zustand nach osteosynthetisch versorgter Patellafraktur links 3/97. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne langes Stehen, ohne häufiges Bücken, ohne N. anhaltende Überkopfarbeiten, ohne erhöhten Zeitdruck, ohne Nachtschicht könne die Klägerin sechs Stunden und mehr täglich verrichten.
Mit Bescheid vom 20.06.2005 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 07.02.2006, auf den Bezug genommen wird, zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 22.02.2006 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und unter Vorlage diverser ärztlicher Befundberichte der sie behandelnden Ärzte geltend gemacht, ihr Leistungsvermögen sei aufgrund multipler Erkrankungen auf unter drei Stunden täglich gesunken.
Das SG hat den Internisten/Gastroenterologen Dr. U., die Schmerztherapeutin Steinbrück, den Orthopäden Dr. A., den Urologen Dr. D., die Internistin und Rheumatologin Dr. Richter, den Neurologen und Psychiater Dr. P. sowie die Allgemeinärztin Dr. L. als sachverständige Zeugen gehört.
Dr. U. hat am 03.08.2006 auf eine vorangegangene Aussage vom 27.06.2006 vor dem SG Bezug genommen, in welcher er u.a. von einer Gluten-Unverträglichkeit und einer Laktose-intoleranz berichtet hat.
Dr. Steinbrück hat auf einer undatierten Notiz lediglich mitgeteilt, die Klägerin seit 2003 nicht mehr behandelt zu haben.
Dr. A. hat am 19.09.2006 berichtet, die Klägerin leide an 1. Gonarthrose beidseits, 2. initialer Coxarthrose beidseits, 3. schwerer Osteochondrose L5/S1, 4. NPP L5/S1 linksbetont, 5. Osteoporose, 6. chronischem HWS-/BWS-/LWS-Syndrom, 7. Epicondylitis radialis beidseits, 8. Fibromyalgie mit Herzrasen und Durchschlafstörungen und 9. Impingementsyndrom beider Schultergelenke. Die Klägerin könne lediglich noch leichte körperliche Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis maximal 5 kg ausüben.
Dr. D. hat am 19.09.2006 ausgeführt, die Klägerin müsse im Hinblick auf die von ihm gestellten Diagnosen (Interstitielle Cystitis, kleinkapazitäre Blase) oft mehrmals pro Stunde eine Toilette aufsuchen. Eine Erwerbstätigkeit sei ihr nur bedingt zumutbar.
Dr. Richter hat am 05.10.2006 erklärt, die Klägerin lediglich einmal behandelt zu haben und daher nicht zu deren Erwerbsfähigkeit Stellung nehmen zu können.
Dr. P. hat mit einem beim SG am 26.10.2006 eingegangenen, auf den 26.06.2006 datierten Schreiben berichtet, bei der Klägerin bestünden ein depressives Syndrom mit Somatisierung, rezidivierender Schwindel, Spannungskopfschmerz, S 1 Syndrom links, Ausschluss einer peripheren Nervenschädigung der Beine, HWS-Syndrom mit Betonung C6 links, V.a. Carpal¬tunnelsyndrom, vertebragener Kopfschmerz und chronisches Schmerzsyndrom. Er stufe die psychische Problematik als mittelschwer und die Wirbelsäulensymptomatik als leicht ein. Es bestehe eher eine ausgeprägte Somatisierungsstörung als ein Fibromyalgiesyndrom. Unabhängig hiervon seien die hieraus resultierenden Einschränkungen als gleich schwer, mithin als mittelgradig bis schwer einzustufen.
Dr. L. hat sich am 14.11.2006 dahingehend eingelassen, aufgrund Schmerzen in der gesamten Wirbelsäule, beidseitigen Knieschmerzen, Depression bei chronischem Schmerzsyndrom und weiteren Leiden sei die Klägerin auch für leichte Tätigkeiten nicht geeignet.
Im Anschluss daran hat das SG Dr. R., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, mit der Erstattung eines nervenärztlichen Gutachtens von Amts wegen sowie auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Dr. H., Arzt für Orthopädie, mit der Erstattung eines orthopädischen Gutachtens beauftragt.
Dr. R. hat in seinem Gutachten vom 13.02.2007 auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet eine somatoforme Schmerzstörung mit dissoziativen Momenten festgestellt. Leichte Tätigkeiten, vorwiegend im Sitzen, unter Beachtung der funktionell eingeschränkten Gebrauchsfähigkeit der rechten oberen Extremität, bei Vermeidung von Witterungseinflüssen, ohne Nachtschicht und Akkordarbeit, seien der Klägerin noch vollschichtig möglich. Zusätzliche Arbeitspausen seien nicht erforderlich. Eine wesentliche depressive Symptomatik bestehe nicht. Die affektive Schwingungsfähigkeit sei nicht eingeschränkt, die Klägerin habe sich situationsadäquat verhalten, ebenso seien Aufmerksamkeit, Konzentration, Einstellung und Umstellung nicht erschwert. Allerdings sei die Klägerin fixiert auf ihre körperliche Beeinträchtigungen, vor allem im Bereich der rechten oberen Extremität. Zudem zeige sie teils recht bewusstseinsnahe Verdeutlichungstendenzen. Er habe sich "recht gut" mit der Klägerin verständigt, so dass er darauf verzichtet habe, einen Dolmetscher hinzuzuziehen.
Dr. H. hat in seinem Gutachten vom 12.12.2007 "zwei relevante Gesundheitsstörungen" auf orthopädischem Fachgebiet festgestellt: Zum einen bestünden Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule ohne Hinweis auf ein akutes Wurzelkompressionssyndrom, zum anderen seien chronische Rückenschmerzen ohne radikuläre Schmerzausstrahlung festzustellen. Allerdings dürfte die Klägerin in ihrer Leistungsfähigkeit durch entzündliche Veränderungen im Bereich ihrer Muskelsehnenansätze auch quantitativ deutlich gemindert sein. Leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung mit selbst bestimmtem Haltungswechsel, nicht überwiegend im Knien und Hocken, ohne erhöhte Anforderungen an das Tragen und Heben von Lasten seien der Klägerin allein unter Berücksichtigung der Erkrankungen auf orthopädischem Fachgebiet allerdings vollschichtig zumutbar.
Mit Urteil vom 31.03.2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die von Dr. H. angenommene quantitative Einschränkung der Leistungsfähigkeit sei nicht nachvollziehbar. Denn schwerwiegende objektive Befunde aufgrund eines Fibromyalgie-syndroms (wie Einschränkungen im Bereich der Beweglichkeit der Gelenke oder der Wirbelsäule) habe er nicht beschrieben. Insoweit sei dem überzeugenden Gutachten von Dr. R. zu folgen, welcher auch unter Berücksichtigung der bei der Klägerin bestehenden somatoformen Schmerzstörung (bzw. eines Fibromyalgiesyndroms) zumindest leichte Tätigkeiten vollschichtig für möglich erachtet habe. Eine eingeschränkte Gebrauchsfähigkeit der rechten oberen Extremität lasse sich hingegen nicht belegen: Weder Dr. G. noch Dr. H. hätten eine eingeschränkte Beweglichkeit im Bereich des rechten Armes der Klägerin festgestellt, vielmehr sei die Bemuskelung seitengleich unauffällig gewesen. Betriebsunübliche Pausen begründende Toilettengänge seien bei keinem der eingeholten Gutachten zutage getreten.
Gegen das ihr am 23.04.2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 09.05.2008 Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt. Sie führt im Wesentlichen aus, das SG habe gegen seine Pflicht zur Amtsermittlung verstoßen, indem es weder ein Obergutachten eingeholt noch die gehörten Gerichtsgutachter zur mündlichen Verhandlung geladen habe. Darüber hinaus habe es das SG "willkürlich" unterlassen, ein ergänzendes Gutachten auf internistisch-rheuma¬tologischem Fachgebiet einzuholen. Schließlich sei sie in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, da sie sich während der Untersuchung durch Dr. R. nicht hinreichend in deutscher Sprache habe verständigen können und ein entsprechender Dolmetscher nicht hinzugezogen worden sei. Die von ihr zusätzlich noch vorgelegten medizinischen Unterlagen (Arztberichte Dr. O. vom 12.06.2008 und von Dr. D. vom 24.06.2008 sowie diverse Röntgenbilder) würden ihre fehlende Leistungsfähigkeit selbst für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestätigen.
In der prüfärztlichen Stellungnahme vom 22.10.2008 hat der Facharzt für Chirurgie/Unfallchirurgie/Notfallmedizin Dr. Stark hierzu ausgeführt, Dr. O. habe ausweislich des aktuellen Befundberichtes lediglich eine Rötung der Magenschleimhaut bei der Klägerin festgestellt; weder bestünde ein erneuter Zwerchfellbruch noch ein Rückfluss von Speisebrei aus dem Magen in die Speiseröhre. Dem Arztbericht von Dr. D. sei kein Anhalt für ein Nierensteinleiden zu entnehmen, weshalb in der Gesamtschau weiterhin von einem Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr für leichte Tätigkeiten, im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen, bei Vermeidung von Zwangshaltungen, ohne Überkopfarbeiten und ohne Nachtschicht auszugehen sei.
Der Senat hat zwei nervenärztliche Gutachten eingeholt, eines auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG beim Arzt für Neurologie, Psychiatrie, Umwelt- und Verkehrsmedizin Dr. N. sowie eines von Amts wegen beim Arzt für Neurologie, Psychiatrie, psychotherapeutische Medizin und Psychoanalyse M ...
Dr. N. hat in seinem Gutachten vom 22.08.2009 bei der Klägerin diagnostiziert: Depression (schädlicher Gebrauch von Benzodiazepinen), schmerzhaftes Wirbelsäulensyndrom mit ausstrahlenden Beschwerden mit vertrebrobasilären Schwindelbeschwerden, Cervicobrachialgien und Lumboischialgien bei nachgewiesener lumbaler Spinalstenose (Einengung des Spinalkanals auf 8 mm (Norm 14 bis 21)) und dysfunktionelle Myoarthropathie beidseits. Die Klägerin habe vor dem Hintergrund ihrer einfachen Strukturierung und ihrer reduzierten Fähigkeit zur verbalen Konfliktlösung teils körperlich im Ansatz vorhandene Beschwerden überbetont. Ihr Leistungsvermögen sei seit 2008 auf unter drei Stunden gesunken. In den Jahren 2006 und 2007 hingegen habe wohl noch ein erhaltenes Leistungsvermögen zumindest für leichte Tätigkeiten vorgelegen. Eine nachhaltige Besserung des Leistungsvermögens der Klägerin sei allenfalls in einem langwierigen und sicherlich mehrjährigen Prozess möglich. Abweichungen von Vorgutachten führe er in erster Linie auf eine zusätzliche Traumatisierung der Klägerin durch mehrfache Todesfälle in der Familie Mitte 2008 und auf die nunmehr von ihm gewürdigte lumbale Spinalkanalstenose zurück.
Die Beklagte hat sodann unter Bezugnahme auf eine prüfärztliche Stellungnahme des Obermedizinalrats Fischer vom 17.09.2009 anerkannt, dass die Klägerin seit Juli 2008 voll erwerbsgemindert sei; die der Klägerin deshalb zustehende Rente wegen voller Erwerbsminderung würde am 01.02.2009 beginnen und am 30.06.2011 enden. Da die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V. mit Abs. 4 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) unter Berücksichtigung des festgestellten Leistungsfalles im Juli 2008 nicht vorlägen, könne die entsprechende Rente jedoch nicht gezahlt werden.
Die Klägerin hat dem entgegnet, bereits von 2005 an sei sie als voll erwerbsgemindert anzusehen. Im Übrigen erfülle sie die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen.
Der Sachverständige M. hat anschließend in seinem Gutachten vom 23.01.2010 eine somatoforme Schmerzstörung mit dissoziativen Momenten diagnostiziert. Die Wirbelsäulenbeweglichkeit der Klägerin sei nicht wesentlich eingeschränkt gewesen. Bei fehlenden Lähmungen, bei fehlendem eindeutigen radikulären sensiblen Defizit, bei Fehlen eines eindeutigen auf eine Wurzelkompression hinweisenden Reflexbefundes und bei fehlenden eindeutigen Einschränkungen der Wirbelsäulenbeweglichkeit sei nicht von einer Wurzelkompressionssymptomatik auszugehen. Eine klinisch relevante Spinalkanalstenose bestehe bei der Klägerin ebenso wenig. Auch eine anhaltende depressive Symptomatik lasse sich nicht feststellen. In der Untersuchungssituation habe die Klägerin zwar zu Beginn einen jammernd depressiven Eindruck bei der Beschreibung ihrer Beschwerden gemacht. Bei Abfragen der Biographie allerdings habe die Klägerin eine ausgeglichene und gut modulierte Stimmung gezeigt. Die Klägerin interessiere sich sehr für ihre Familie und pflege die diesbezüglichen Bindungen intensiv. So habe sie berichtet, zusammen mit ihrem Ehemann das in der gemeinsamen Wohnung lebende Enkelkind zu versorgen und für sich und die mit ihr zusammen lebenden Verwandten zu kochen; des weiteren würden ihre beiden älteren Enkeltöchter sie regelmäßig nach der Schule besuchen und am Wochenende bei ihr übernachten. Darüber hinaus habe sie angegeben, sich regelmäßig mit ihren "vielen spanischen Freunden" zu treffen und hierfür nach Spanien zu fliegen. Insgesamt bestehe ein gut strukturierter Tag mit reichlich Bezug zu ihrer Umwelt. Dies alles spreche gegen einen sozialen Rückzug der Klägerin. Aus der Auswertung eines SFS-Fragebogentests ergäben sich erhebliche Hinweise für eine Aggravation, wenn nicht gar für eine teilweise Simulation von Beschwerden. Die von der Klägerin ihm gegenüber geschilderte plötzliche Kraftlosigkeit der Hände oder die halbseitige Sensibilitätsstörung werde seiner Einschätzung nach ausschließlich bei ärztlichen Untersuchungen berichtet und von der Klägerin so im Alltag nicht empfunden. Das Gangbild der Klägerin sei sowohl in unbeobachteten Situationen als auch während der Untersuchung unauffällig gewesen. Die Klägerin habe eine normale Spontanmotorik gezeigt und eingeräumt, sich seit Jahren nicht mehr in nervenärztlicher Behandlung zu befinden. Insgesamt relativiere sich ihr subjektives Leiden unter Berücksichtigung ihres Lebensalltages erheblich. Zusammenfassend sei die Klägerin fähig, vollschichtig körperlich leichte Tätigkeiten mit einigen qualitativen Einschränkungen (Vermeidung von Nässe, Kälte, sehr hohem Zeitdruck, möglichst in wohltemperierten geschlossenen Räumen, ohne Nachtschicht, Heben und Tragen von Lasten bis zu 10 kg) zu verrichten. Besondere Pausen seien nicht erforderlich. Die Leistungsfähigkeit habe sich im Laufe des Rentenverfahrens nicht wesentlich geändert. Ohne eine Übersetzung der Fragen durch die Dolmetscherin abzuwarten, habe die Klägerin einen Großteil der ihr gestellten Fragen spontan beantwortet.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 31. März 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. Februar 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 01. Mai 2005 in gesetzlicher Höhe zu gewähren, hilfsweise, Dr. N. ergänzend hinsichtlich des Vorliegens von Erwerbsminderung für den Zeitraum von der Antragstellung bis Juli 2008 zu hören.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Versichertenrente wegen Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung gemäß § 43 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung und die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI sind im angefochtenen Urteil zutreffend dargestellt. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug.
Nach Auffassung des Senats hat die Beweiserhebung im Berufungsverfahren die Einschätzung des SG bestätigt, wonach die Klägerin zumindest für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt täglich sechs Stunden und mehr mit einigen qualitativen Einschränkungen leistungsfähig ist.
Auch wenn sich bei der Klägerin auf der Grundlage ihrer körperlichen Erkrankungen eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung entwickelt hat, lässt sich hieraus eine Einschränkung der zeitlichen Leistungsfähigkeit nicht ableiten. Der Senat stützt sich dabei vor allem auf die aktuelle Einschätzung des Sachverständigen M., bei dessen Untersuchung die Klägerin zwar ihre Beschwerden jammernd und depressiv geschildert, sich im Übrigen aber ausgeglichen und in gut modulierter Stimmung gezeigt hat. Ausweislich des von ihm erhobenen ausführlichen Tagesablaufs lebt die Klägerin in stabilen familiären Beziehungen und ist sozial vollständig integriert. So versorgt sie zusammen mit ihrem Ehemann das in der gemeinsamen Wohnung lebende Enkelkind und kocht für sich und die mit ihr zusammen lebenden Verwandten. Gegen einen sozialen Rückzug und für eine im Wesentlichen noch erhaltene Leistungsfähigkeit spricht zusätzlich der Umstand, dass sich die Klägerin den Feststellungen des Sachverständigen M. zufolge regelmäßig mit ihren "vielen spanischen Freunden" trifft und nach Spanien reist. Eine zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit ergibt sich auch nicht aus den weiteren, von der Klägerin geltend gemachten körperlichen Leiden. Ihre Wirbelsäule ist bei der Untersuchung durch den Sachverständigen M. im Wesentlichen frei beweglich gewesen, Anhaltspunkte für eine Wurzelkompressionssymptomatik oder eine Spinalkanalstenose haben sich gerade nicht ergeben. Darüber hinaus spricht der Umstand, dass sich die Klägerin seit Jahren schon nicht mehr in nervenärztlicher Behandlung befindet, gegen einen erheblichen Leidensdruck. Schließlich hat der Sachverständige M. auf der Grundlage eines SFS-Fragebogentests zutreffend herausgearbeitet, dass bei der Klägerin erhebliche Hinweise für zumindest eine Aggravation, wenn nicht sogar für eine teilweise Simulation von Beschwerden bestehen. Der Senat schließt sich insoweit auch der mit dem Arzt M. im Wesentlichen übereinstimmenden Einschätzung von Dr. R. an.
Hingegen überzeugt das Gutachten von Dr. N. den Senat nicht. Dieses lässt schon, anders als das Gutachten des Sachverständigen M., die Darstellung eines detaillierten Tagesprofils vermissen. Aus seinen insoweit knappen, allenfalls kursorisch gehaltenen Ausführungen auf Bl. 7 seines Gutachtens ist schon nicht erkennbar, ob und ggf. inwiefern die Klägerin aufgrund der von ihr geltend gemachten Leiden tatsächlich in ihrer täglichen Lebensgestaltung eingeschränkt ist. Aufgrund dessen vermögen die auf dieser Grundlage gezogenen Schlussfolgerungen von Dr. N. im Vergleich zum Gutachten des zuletzt gehörten Sachverständigen nicht zu überzeugen. Darüber hinaus haben sich ausweislich der durch den Gerichtsgutachter M. detailliert erhobenen Anamnese keine Anhaltspunkte für eine von Dr. N. angenommene lumbale Spinalkanalstenose ergeben. Vor diesem Hintergrund erscheinen auch die - noch vor Einholung des jüngsten Gutachtens erfolgte - prüfärztliche Stellungnahme von Dr. Fischer vom 17.09.2009 ebenso wenig wie die Leistungseinschätzung der die Klägerin behandelnden Hausärztin Dr. L. stichhaltig.
Den bei der Klägerin auf orthopädischem Fachgebiet bestehenden Beschwerden wird durch qualitative Leistungseinschränkungen Rechnung getragen. Insoweit nimmt der Senat auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, die sich ausführlich und zutreffend mit den Gutachten von Dr. G. und Dr. H. auseinandersetzen, Bezug und verzichtet gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf deren erneute Darstellung.
Desgleichen lässt sich aus den auf internistischem bzw. urologischem Fachgebiet bestehenden Beschwerden der Klägerin eine zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit selbst für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht herleiten. Insofern macht sich der Senat die prüfärztliche Stellungnahme von Dr. Stark vom 22.10.2008 zu eigen.
Der Senat ist nicht gehindert, das Gutachten von Dr. R. zu verwerten, weil dieser die Klägerin ohne Hinzuziehung eines Dolmetschers untersucht hat. Denn das SG hätte nur dann einen Dolmetscher hinzuziehen müssen, wenn die Klägerin bei der Untersuchung durch Dr. R. der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig gewesen wäre (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Aufl. 2008, § 118 Rn. 11m m.w.N.). Dies trifft hier vor dem Hintergrund, dass Dr. R. die Verständigung als "recht gut" bezeichnet und aufgrund dessen darauf verzichtet hat, einen Dolmetscher hinzuzuziehen, nicht zu. Zudem hat die Klägerin im Zuge der Begutachtung beim Sachverständigen M. einen Großteil der ihr gestellten Fragen spontan beantwortet, ohne eine Übersetzung der Fragen durch die Dolmetscherin abzuwarten.
Die Klägerin hat ferner keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, wobei der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen gleichfalls auf die zutreffenden Ausführungen des SG in seinem Urteil Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG).
Anders als die Klägerin meint, besteht bei dieser Ausgangslage kein Anlass, von Amts wegen weiter zu ermitteln. Die vorliegenden Gutachten begründen keine Anhaltspunkte, an der Sachkunde oder Unparteilichkeit der gehörten Sachverständigen zu zweifeln, und haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt. Weiterer Beweiserhebungen, insbesondere der Einholung eines von der Klägerin beantragten "Obergutachtens", hat es daher nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 412 Abs. 1 Zivilprozessordnung nicht bedurft. Dabei weist der Senat darauf hin, dass das Gericht Sachverständigengutachten grundsätzlich frei würdigt und auch ohne Einholung eines weiteren Gutachtens von ihnen abweichen kann; einen allgemeinen Anspruch auf Überprüfung eines Sachverständigengutachtens durch ein "Obergutachten", durch das - wie hier - keine neuen Tatsachen festgestellt, sondern nur die Schlüssigkeit abweichender Beurteilungen durch einen dritten Sachverständigen überprüft werden soll, sehen die Prozessordnungen - auch das SGG - nicht vor (BSG, Beschluss vom 23.05.2006 - Az.: B 13 RJ 272/05 B - m.w.N., zit. nach juris). Bei widersprechenden Gutachten ist das Gericht allerdings gehalten, sich mit dem Gutachten, dem es nicht folgt, auseinander zu setzen (BSG a.a.O. m.w.N.). Dies ist vorliegend geschehen.
Die Notwendigkeit zu weiterer Beweiserhebung erschließt sich auch nicht daraus, dass bei der Klägerin ggfs. ein Fibromyalgiesyndrom besteht. Denn insoweit ist nicht die zutreffende Diagnose maßgeblich. Vielmehr kommt es darauf an, wie sich die bei der Klägerin bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf deren Fähigkeit auswirken, Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Insoweit hat aber der Sachverständige M. bereits umfassend auf der Grundlage seiner detaillierten Anamneseerhebung die bestehenden Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit der Klägerin beschrieben.
Ebenso wenig war dem hilfsweise gestellten Antrag, Dr. N. ergänzend hinsichtlich des Vorliegens von Erwerbsminderung für den Zeitraum von der Antragstellung bis Juli 2008 zu hören, stattzugeben. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BSG, dass jedem Beteiligten gemäß § 116 Satz 2 SGG, § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs. 4 ZPO das Recht zusteht, dem Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die er zur Aufklärung der Sache für dienlich erachtet. Dies gilt auch dann, wenn dieser Sachverständige - wie hier - ein Gutachten auf Antrag eines Beteiligten gemäß § 109 SGG erstellt hat (BSG, Beschluss vom 27.08.2009 - B 13 R 185/09 B -, Rn. 15 m.w.N., zit. nach juris). Allerdings müssen die von dem Sachverständigen zu erläuternden Punkte auch objektiv sachdienlich sein (BSG, Beschluss vom 18.11.2008 - Az.: B 2 U 75/07 B, Rn. 12 m.w.N., zit. nach juris). Die angekündigte Frage, Dr. N. ergänzend hinsichtlich des Vorliegens von Erwerbsminderung für den Zeitraum von der Antragstellung bis Juli 2008 zu hören, ist zur Aufklärung der Sache nicht sachdienlich. Sachdienlichkeit ist insbesondere dann zu bejahen, wenn sich die Fragen im Rahmen des Beweisthemas halten und nicht abwegig oder bereits eindeutig beantwortet sind; weitergehende Anforderungen an die Sachdienlichkeit der Fragen sind hingegen nicht zu stellen (BSG, Beschluss vom 27.08.2009 - B 13 R 185/09 B -, Rn. 18, zit. nach juris). Die angekündigte Frage hält sich zwar im Rahmen des Beweisthemas. Sie ist von Dr. N. aber bereits eindeutig beantwortet. Denn zur Frage des Bestehens von Erwerbsminderung der Klägerin im Zeitraum von der Antragstellung bis Juli 2008 hat sich Dr. N. bereits unter Auswertung der Aktenlage unmissverständlich geäußert (vgl. seine Antworten auf die Fragen Nr. 7 und Nr. 9, Seite 17 seines Gutachtens, Bl. 72 der LSG-Akten). Insbesondere hat er sich hinsichtlich des Eintritts der geminderten quantitativen Leistungsfähigkeit unzweideutig festgelegt, indem er ausführt, "seit 2008" sei das Leistungsvermögen "sicher" auf unter drei Stunden gesunken, während "in den Jahren 2006 und 2007 ( ) noch ein erhaltenes Leistungsvermögen zumindest für leichte Tätigkeiten" vorgelegen habe.
Die Klägerin dringt auch nicht mit ihrer Rüge durch, das SG habe gegen seine Pflicht zur Amtsermittlung verstoßen, indem es die im Klageverfahren gehörten Gerichtsgutachter nicht zur mündlichen Verhandlung geladen habe. Das SG hat ein ggfs. bestehendes Recht der Klägerin, die gehörten Gerichtsgutachter mündlich zu befragen, schon deshalb nicht verletzt, weil die in der mündlichen Verhandlung vor dem SG rechtskundig vertretene Klägerin ausweislich der Niederschrift vom 31.03.2008 dort keinen entsprechenden Antrag gestellt hat.
Die Beklagte war auch nicht gemäß ihrem Schreiben vom 22.09.2009 nach dem gemäß § 202 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend anwendbaren § 307 ZPO zur Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 01.02.2009 bis 30.06.2011 zu verurteilen, ohne dass es der Prüfung der Berechtigung des Klageanspruchs bedurfte (vgl. BSG, Urteil vom 17.10.1986 - Az: 12 RK 38/85, zit. nach juris). Denn die Beklagte hat mit Schreiben vom 22.09.2009 lediglich anerkannt, dass die Klägerin seit Juli 2008 voll erwerbsgemindert sei, die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung jedoch aufgrund des Nichtvorliegens der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 4 SGB VI abgelehnt. Obgleich keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass der von der Beklagten vorgelegte Versicherungsverlauf vom 15.10.2009 unzutreffend sein könnte (nach Aktenlage war die Klägerin zuletzt am 07.01.2006 mit Leistungsbezug bei der Agentur für Arbeit Stuttgart arbeitslos gemeldet, weitere Zeiten der Arbeitslosigkeit wurden genauso wenig wie Arbeitsunfähigkeitszeiten gemeldet), braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob bei einem von der Beklagten angenommenen Leistungsfall im Juli 2008 die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 4 SGB VI, insbesondere wegen des Fehlens von Zeiten i.S.d. § 241 Abs. 2 SGB VI im Monat August 2003, erfüllt wären. Denn eine im Verlauf des sozialgerichtlichen Verfahrens abgegebene Erklärung des beklagten Versicherungsträgers - wie hier hinsichtlich der Annahme eines Leistungsfalls im Juli 2008 - ist nicht wirksam, wenn die rechtlichen Voraussetzungen des Anspruchs fehlen, weil die Verwaltung dem Gesetz unterworfen ist und niemandem einen Anspruch zubilligen darf, dessen Voraussetzungen nicht gegeben sind (BSG, Urteil vom 19.12.1961 - Az.: 7 Rar 35/61 - SozR Nr. 5 zu § 101 SGG). So ist es hier: Die rechtlichen Voraussetzungen des Anspruchs für die Annahme eines Leistungsfalles im Juli 2008 liegen nicht vor, denn erwerbsgemindert ist nicht, wer - wie hinsichtlich der Klägerin für den streitigen Zeitraum bereits aufgezeigt - unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1950 geborene Klägerin zog 1970 aus Spanien in die Bundesrepublik Deutschland zu. Hier war sie zuletzt von Februar 1977 bis Juni 2003 als Maschinenbedienerin versicherungspflichtig beschäftigt und anschließend (von September 2002 an) arbeitsunfähig erkrankt. Arbeitslos ist sie seit Juli 2003, wobei sie als solche mit Leistungsbezug zuletzt am 07.01.2006 bei der Agentur für Arbeit Stuttgart gemeldet war.
Leistungen der Beklagten zur Teilhabe am Arbeitsleben nahm die Klägerin zuletzt in Form einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der Schloßklinik Bad B. vom 14.01. bis 11.02.2003 in Anspruch. Ausweislich des Entlassberichtes vom 17.02.2003 wurde sie als arbeitsfähig entlassen (Diagnosen: 1. Schmerzfehlverarbeitung mit Somatisierungsneigung, 2. Epi¬condylopathia radialis humeri re. ) li., 3. Chronisch rezidivierende Cervicodorsolumbalgie bei mäßigen degenerativen Veränderungen ohne neurologische Symptomatik, 4. Zustand nach Thyreoidektomie bei follikulärem SD-Cavernom mit Substitutionstherapie).
Am 15.04.2005 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Die Beklagte ließ die Klägerin durch den Chirurgen Dr. G. sozialmedizinisch begutachten. Dieser kam in seinem Gutachten vom 16.06.2005 unter Berücksichtigung zahlreicher ärztlicher Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte zum Ergebnis, die Klägerin leide an 1. chronisch rezidivierendem Wirbelsäulensyndrom mit beidseitigen Cervikobrachialgien und -cephalgien, Lumboischialgien und endgradiger Funktionseinschränkung bei Fehlhaltung, 2. So¬matisierungsstörung sowie 3. beginnenden degenerativen Veränderungen an den Schulter-, Hüft- u. Kniegelenken ohne wesentliche Funktionseinschränkung bei Zustand nach osteosynthetisch versorgter Patellafraktur links 3/97. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne langes Stehen, ohne häufiges Bücken, ohne N. anhaltende Überkopfarbeiten, ohne erhöhten Zeitdruck, ohne Nachtschicht könne die Klägerin sechs Stunden und mehr täglich verrichten.
Mit Bescheid vom 20.06.2005 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 07.02.2006, auf den Bezug genommen wird, zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 22.02.2006 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und unter Vorlage diverser ärztlicher Befundberichte der sie behandelnden Ärzte geltend gemacht, ihr Leistungsvermögen sei aufgrund multipler Erkrankungen auf unter drei Stunden täglich gesunken.
Das SG hat den Internisten/Gastroenterologen Dr. U., die Schmerztherapeutin Steinbrück, den Orthopäden Dr. A., den Urologen Dr. D., die Internistin und Rheumatologin Dr. Richter, den Neurologen und Psychiater Dr. P. sowie die Allgemeinärztin Dr. L. als sachverständige Zeugen gehört.
Dr. U. hat am 03.08.2006 auf eine vorangegangene Aussage vom 27.06.2006 vor dem SG Bezug genommen, in welcher er u.a. von einer Gluten-Unverträglichkeit und einer Laktose-intoleranz berichtet hat.
Dr. Steinbrück hat auf einer undatierten Notiz lediglich mitgeteilt, die Klägerin seit 2003 nicht mehr behandelt zu haben.
Dr. A. hat am 19.09.2006 berichtet, die Klägerin leide an 1. Gonarthrose beidseits, 2. initialer Coxarthrose beidseits, 3. schwerer Osteochondrose L5/S1, 4. NPP L5/S1 linksbetont, 5. Osteoporose, 6. chronischem HWS-/BWS-/LWS-Syndrom, 7. Epicondylitis radialis beidseits, 8. Fibromyalgie mit Herzrasen und Durchschlafstörungen und 9. Impingementsyndrom beider Schultergelenke. Die Klägerin könne lediglich noch leichte körperliche Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis maximal 5 kg ausüben.
Dr. D. hat am 19.09.2006 ausgeführt, die Klägerin müsse im Hinblick auf die von ihm gestellten Diagnosen (Interstitielle Cystitis, kleinkapazitäre Blase) oft mehrmals pro Stunde eine Toilette aufsuchen. Eine Erwerbstätigkeit sei ihr nur bedingt zumutbar.
Dr. Richter hat am 05.10.2006 erklärt, die Klägerin lediglich einmal behandelt zu haben und daher nicht zu deren Erwerbsfähigkeit Stellung nehmen zu können.
Dr. P. hat mit einem beim SG am 26.10.2006 eingegangenen, auf den 26.06.2006 datierten Schreiben berichtet, bei der Klägerin bestünden ein depressives Syndrom mit Somatisierung, rezidivierender Schwindel, Spannungskopfschmerz, S 1 Syndrom links, Ausschluss einer peripheren Nervenschädigung der Beine, HWS-Syndrom mit Betonung C6 links, V.a. Carpal¬tunnelsyndrom, vertebragener Kopfschmerz und chronisches Schmerzsyndrom. Er stufe die psychische Problematik als mittelschwer und die Wirbelsäulensymptomatik als leicht ein. Es bestehe eher eine ausgeprägte Somatisierungsstörung als ein Fibromyalgiesyndrom. Unabhängig hiervon seien die hieraus resultierenden Einschränkungen als gleich schwer, mithin als mittelgradig bis schwer einzustufen.
Dr. L. hat sich am 14.11.2006 dahingehend eingelassen, aufgrund Schmerzen in der gesamten Wirbelsäule, beidseitigen Knieschmerzen, Depression bei chronischem Schmerzsyndrom und weiteren Leiden sei die Klägerin auch für leichte Tätigkeiten nicht geeignet.
Im Anschluss daran hat das SG Dr. R., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, mit der Erstattung eines nervenärztlichen Gutachtens von Amts wegen sowie auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Dr. H., Arzt für Orthopädie, mit der Erstattung eines orthopädischen Gutachtens beauftragt.
Dr. R. hat in seinem Gutachten vom 13.02.2007 auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet eine somatoforme Schmerzstörung mit dissoziativen Momenten festgestellt. Leichte Tätigkeiten, vorwiegend im Sitzen, unter Beachtung der funktionell eingeschränkten Gebrauchsfähigkeit der rechten oberen Extremität, bei Vermeidung von Witterungseinflüssen, ohne Nachtschicht und Akkordarbeit, seien der Klägerin noch vollschichtig möglich. Zusätzliche Arbeitspausen seien nicht erforderlich. Eine wesentliche depressive Symptomatik bestehe nicht. Die affektive Schwingungsfähigkeit sei nicht eingeschränkt, die Klägerin habe sich situationsadäquat verhalten, ebenso seien Aufmerksamkeit, Konzentration, Einstellung und Umstellung nicht erschwert. Allerdings sei die Klägerin fixiert auf ihre körperliche Beeinträchtigungen, vor allem im Bereich der rechten oberen Extremität. Zudem zeige sie teils recht bewusstseinsnahe Verdeutlichungstendenzen. Er habe sich "recht gut" mit der Klägerin verständigt, so dass er darauf verzichtet habe, einen Dolmetscher hinzuzuziehen.
Dr. H. hat in seinem Gutachten vom 12.12.2007 "zwei relevante Gesundheitsstörungen" auf orthopädischem Fachgebiet festgestellt: Zum einen bestünden Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule ohne Hinweis auf ein akutes Wurzelkompressionssyndrom, zum anderen seien chronische Rückenschmerzen ohne radikuläre Schmerzausstrahlung festzustellen. Allerdings dürfte die Klägerin in ihrer Leistungsfähigkeit durch entzündliche Veränderungen im Bereich ihrer Muskelsehnenansätze auch quantitativ deutlich gemindert sein. Leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung mit selbst bestimmtem Haltungswechsel, nicht überwiegend im Knien und Hocken, ohne erhöhte Anforderungen an das Tragen und Heben von Lasten seien der Klägerin allein unter Berücksichtigung der Erkrankungen auf orthopädischem Fachgebiet allerdings vollschichtig zumutbar.
Mit Urteil vom 31.03.2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die von Dr. H. angenommene quantitative Einschränkung der Leistungsfähigkeit sei nicht nachvollziehbar. Denn schwerwiegende objektive Befunde aufgrund eines Fibromyalgie-syndroms (wie Einschränkungen im Bereich der Beweglichkeit der Gelenke oder der Wirbelsäule) habe er nicht beschrieben. Insoweit sei dem überzeugenden Gutachten von Dr. R. zu folgen, welcher auch unter Berücksichtigung der bei der Klägerin bestehenden somatoformen Schmerzstörung (bzw. eines Fibromyalgiesyndroms) zumindest leichte Tätigkeiten vollschichtig für möglich erachtet habe. Eine eingeschränkte Gebrauchsfähigkeit der rechten oberen Extremität lasse sich hingegen nicht belegen: Weder Dr. G. noch Dr. H. hätten eine eingeschränkte Beweglichkeit im Bereich des rechten Armes der Klägerin festgestellt, vielmehr sei die Bemuskelung seitengleich unauffällig gewesen. Betriebsunübliche Pausen begründende Toilettengänge seien bei keinem der eingeholten Gutachten zutage getreten.
Gegen das ihr am 23.04.2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 09.05.2008 Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt. Sie führt im Wesentlichen aus, das SG habe gegen seine Pflicht zur Amtsermittlung verstoßen, indem es weder ein Obergutachten eingeholt noch die gehörten Gerichtsgutachter zur mündlichen Verhandlung geladen habe. Darüber hinaus habe es das SG "willkürlich" unterlassen, ein ergänzendes Gutachten auf internistisch-rheuma¬tologischem Fachgebiet einzuholen. Schließlich sei sie in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, da sie sich während der Untersuchung durch Dr. R. nicht hinreichend in deutscher Sprache habe verständigen können und ein entsprechender Dolmetscher nicht hinzugezogen worden sei. Die von ihr zusätzlich noch vorgelegten medizinischen Unterlagen (Arztberichte Dr. O. vom 12.06.2008 und von Dr. D. vom 24.06.2008 sowie diverse Röntgenbilder) würden ihre fehlende Leistungsfähigkeit selbst für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestätigen.
In der prüfärztlichen Stellungnahme vom 22.10.2008 hat der Facharzt für Chirurgie/Unfallchirurgie/Notfallmedizin Dr. Stark hierzu ausgeführt, Dr. O. habe ausweislich des aktuellen Befundberichtes lediglich eine Rötung der Magenschleimhaut bei der Klägerin festgestellt; weder bestünde ein erneuter Zwerchfellbruch noch ein Rückfluss von Speisebrei aus dem Magen in die Speiseröhre. Dem Arztbericht von Dr. D. sei kein Anhalt für ein Nierensteinleiden zu entnehmen, weshalb in der Gesamtschau weiterhin von einem Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr für leichte Tätigkeiten, im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen, bei Vermeidung von Zwangshaltungen, ohne Überkopfarbeiten und ohne Nachtschicht auszugehen sei.
Der Senat hat zwei nervenärztliche Gutachten eingeholt, eines auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG beim Arzt für Neurologie, Psychiatrie, Umwelt- und Verkehrsmedizin Dr. N. sowie eines von Amts wegen beim Arzt für Neurologie, Psychiatrie, psychotherapeutische Medizin und Psychoanalyse M ...
Dr. N. hat in seinem Gutachten vom 22.08.2009 bei der Klägerin diagnostiziert: Depression (schädlicher Gebrauch von Benzodiazepinen), schmerzhaftes Wirbelsäulensyndrom mit ausstrahlenden Beschwerden mit vertrebrobasilären Schwindelbeschwerden, Cervicobrachialgien und Lumboischialgien bei nachgewiesener lumbaler Spinalstenose (Einengung des Spinalkanals auf 8 mm (Norm 14 bis 21)) und dysfunktionelle Myoarthropathie beidseits. Die Klägerin habe vor dem Hintergrund ihrer einfachen Strukturierung und ihrer reduzierten Fähigkeit zur verbalen Konfliktlösung teils körperlich im Ansatz vorhandene Beschwerden überbetont. Ihr Leistungsvermögen sei seit 2008 auf unter drei Stunden gesunken. In den Jahren 2006 und 2007 hingegen habe wohl noch ein erhaltenes Leistungsvermögen zumindest für leichte Tätigkeiten vorgelegen. Eine nachhaltige Besserung des Leistungsvermögens der Klägerin sei allenfalls in einem langwierigen und sicherlich mehrjährigen Prozess möglich. Abweichungen von Vorgutachten führe er in erster Linie auf eine zusätzliche Traumatisierung der Klägerin durch mehrfache Todesfälle in der Familie Mitte 2008 und auf die nunmehr von ihm gewürdigte lumbale Spinalkanalstenose zurück.
Die Beklagte hat sodann unter Bezugnahme auf eine prüfärztliche Stellungnahme des Obermedizinalrats Fischer vom 17.09.2009 anerkannt, dass die Klägerin seit Juli 2008 voll erwerbsgemindert sei; die der Klägerin deshalb zustehende Rente wegen voller Erwerbsminderung würde am 01.02.2009 beginnen und am 30.06.2011 enden. Da die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V. mit Abs. 4 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) unter Berücksichtigung des festgestellten Leistungsfalles im Juli 2008 nicht vorlägen, könne die entsprechende Rente jedoch nicht gezahlt werden.
Die Klägerin hat dem entgegnet, bereits von 2005 an sei sie als voll erwerbsgemindert anzusehen. Im Übrigen erfülle sie die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen.
Der Sachverständige M. hat anschließend in seinem Gutachten vom 23.01.2010 eine somatoforme Schmerzstörung mit dissoziativen Momenten diagnostiziert. Die Wirbelsäulenbeweglichkeit der Klägerin sei nicht wesentlich eingeschränkt gewesen. Bei fehlenden Lähmungen, bei fehlendem eindeutigen radikulären sensiblen Defizit, bei Fehlen eines eindeutigen auf eine Wurzelkompression hinweisenden Reflexbefundes und bei fehlenden eindeutigen Einschränkungen der Wirbelsäulenbeweglichkeit sei nicht von einer Wurzelkompressionssymptomatik auszugehen. Eine klinisch relevante Spinalkanalstenose bestehe bei der Klägerin ebenso wenig. Auch eine anhaltende depressive Symptomatik lasse sich nicht feststellen. In der Untersuchungssituation habe die Klägerin zwar zu Beginn einen jammernd depressiven Eindruck bei der Beschreibung ihrer Beschwerden gemacht. Bei Abfragen der Biographie allerdings habe die Klägerin eine ausgeglichene und gut modulierte Stimmung gezeigt. Die Klägerin interessiere sich sehr für ihre Familie und pflege die diesbezüglichen Bindungen intensiv. So habe sie berichtet, zusammen mit ihrem Ehemann das in der gemeinsamen Wohnung lebende Enkelkind zu versorgen und für sich und die mit ihr zusammen lebenden Verwandten zu kochen; des weiteren würden ihre beiden älteren Enkeltöchter sie regelmäßig nach der Schule besuchen und am Wochenende bei ihr übernachten. Darüber hinaus habe sie angegeben, sich regelmäßig mit ihren "vielen spanischen Freunden" zu treffen und hierfür nach Spanien zu fliegen. Insgesamt bestehe ein gut strukturierter Tag mit reichlich Bezug zu ihrer Umwelt. Dies alles spreche gegen einen sozialen Rückzug der Klägerin. Aus der Auswertung eines SFS-Fragebogentests ergäben sich erhebliche Hinweise für eine Aggravation, wenn nicht gar für eine teilweise Simulation von Beschwerden. Die von der Klägerin ihm gegenüber geschilderte plötzliche Kraftlosigkeit der Hände oder die halbseitige Sensibilitätsstörung werde seiner Einschätzung nach ausschließlich bei ärztlichen Untersuchungen berichtet und von der Klägerin so im Alltag nicht empfunden. Das Gangbild der Klägerin sei sowohl in unbeobachteten Situationen als auch während der Untersuchung unauffällig gewesen. Die Klägerin habe eine normale Spontanmotorik gezeigt und eingeräumt, sich seit Jahren nicht mehr in nervenärztlicher Behandlung zu befinden. Insgesamt relativiere sich ihr subjektives Leiden unter Berücksichtigung ihres Lebensalltages erheblich. Zusammenfassend sei die Klägerin fähig, vollschichtig körperlich leichte Tätigkeiten mit einigen qualitativen Einschränkungen (Vermeidung von Nässe, Kälte, sehr hohem Zeitdruck, möglichst in wohltemperierten geschlossenen Räumen, ohne Nachtschicht, Heben und Tragen von Lasten bis zu 10 kg) zu verrichten. Besondere Pausen seien nicht erforderlich. Die Leistungsfähigkeit habe sich im Laufe des Rentenverfahrens nicht wesentlich geändert. Ohne eine Übersetzung der Fragen durch die Dolmetscherin abzuwarten, habe die Klägerin einen Großteil der ihr gestellten Fragen spontan beantwortet.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 31. März 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. Februar 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 01. Mai 2005 in gesetzlicher Höhe zu gewähren, hilfsweise, Dr. N. ergänzend hinsichtlich des Vorliegens von Erwerbsminderung für den Zeitraum von der Antragstellung bis Juli 2008 zu hören.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Versichertenrente wegen Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung gemäß § 43 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung und die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI sind im angefochtenen Urteil zutreffend dargestellt. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug.
Nach Auffassung des Senats hat die Beweiserhebung im Berufungsverfahren die Einschätzung des SG bestätigt, wonach die Klägerin zumindest für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt täglich sechs Stunden und mehr mit einigen qualitativen Einschränkungen leistungsfähig ist.
Auch wenn sich bei der Klägerin auf der Grundlage ihrer körperlichen Erkrankungen eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung entwickelt hat, lässt sich hieraus eine Einschränkung der zeitlichen Leistungsfähigkeit nicht ableiten. Der Senat stützt sich dabei vor allem auf die aktuelle Einschätzung des Sachverständigen M., bei dessen Untersuchung die Klägerin zwar ihre Beschwerden jammernd und depressiv geschildert, sich im Übrigen aber ausgeglichen und in gut modulierter Stimmung gezeigt hat. Ausweislich des von ihm erhobenen ausführlichen Tagesablaufs lebt die Klägerin in stabilen familiären Beziehungen und ist sozial vollständig integriert. So versorgt sie zusammen mit ihrem Ehemann das in der gemeinsamen Wohnung lebende Enkelkind und kocht für sich und die mit ihr zusammen lebenden Verwandten. Gegen einen sozialen Rückzug und für eine im Wesentlichen noch erhaltene Leistungsfähigkeit spricht zusätzlich der Umstand, dass sich die Klägerin den Feststellungen des Sachverständigen M. zufolge regelmäßig mit ihren "vielen spanischen Freunden" trifft und nach Spanien reist. Eine zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit ergibt sich auch nicht aus den weiteren, von der Klägerin geltend gemachten körperlichen Leiden. Ihre Wirbelsäule ist bei der Untersuchung durch den Sachverständigen M. im Wesentlichen frei beweglich gewesen, Anhaltspunkte für eine Wurzelkompressionssymptomatik oder eine Spinalkanalstenose haben sich gerade nicht ergeben. Darüber hinaus spricht der Umstand, dass sich die Klägerin seit Jahren schon nicht mehr in nervenärztlicher Behandlung befindet, gegen einen erheblichen Leidensdruck. Schließlich hat der Sachverständige M. auf der Grundlage eines SFS-Fragebogentests zutreffend herausgearbeitet, dass bei der Klägerin erhebliche Hinweise für zumindest eine Aggravation, wenn nicht sogar für eine teilweise Simulation von Beschwerden bestehen. Der Senat schließt sich insoweit auch der mit dem Arzt M. im Wesentlichen übereinstimmenden Einschätzung von Dr. R. an.
Hingegen überzeugt das Gutachten von Dr. N. den Senat nicht. Dieses lässt schon, anders als das Gutachten des Sachverständigen M., die Darstellung eines detaillierten Tagesprofils vermissen. Aus seinen insoweit knappen, allenfalls kursorisch gehaltenen Ausführungen auf Bl. 7 seines Gutachtens ist schon nicht erkennbar, ob und ggf. inwiefern die Klägerin aufgrund der von ihr geltend gemachten Leiden tatsächlich in ihrer täglichen Lebensgestaltung eingeschränkt ist. Aufgrund dessen vermögen die auf dieser Grundlage gezogenen Schlussfolgerungen von Dr. N. im Vergleich zum Gutachten des zuletzt gehörten Sachverständigen nicht zu überzeugen. Darüber hinaus haben sich ausweislich der durch den Gerichtsgutachter M. detailliert erhobenen Anamnese keine Anhaltspunkte für eine von Dr. N. angenommene lumbale Spinalkanalstenose ergeben. Vor diesem Hintergrund erscheinen auch die - noch vor Einholung des jüngsten Gutachtens erfolgte - prüfärztliche Stellungnahme von Dr. Fischer vom 17.09.2009 ebenso wenig wie die Leistungseinschätzung der die Klägerin behandelnden Hausärztin Dr. L. stichhaltig.
Den bei der Klägerin auf orthopädischem Fachgebiet bestehenden Beschwerden wird durch qualitative Leistungseinschränkungen Rechnung getragen. Insoweit nimmt der Senat auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, die sich ausführlich und zutreffend mit den Gutachten von Dr. G. und Dr. H. auseinandersetzen, Bezug und verzichtet gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf deren erneute Darstellung.
Desgleichen lässt sich aus den auf internistischem bzw. urologischem Fachgebiet bestehenden Beschwerden der Klägerin eine zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit selbst für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht herleiten. Insofern macht sich der Senat die prüfärztliche Stellungnahme von Dr. Stark vom 22.10.2008 zu eigen.
Der Senat ist nicht gehindert, das Gutachten von Dr. R. zu verwerten, weil dieser die Klägerin ohne Hinzuziehung eines Dolmetschers untersucht hat. Denn das SG hätte nur dann einen Dolmetscher hinzuziehen müssen, wenn die Klägerin bei der Untersuchung durch Dr. R. der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig gewesen wäre (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Aufl. 2008, § 118 Rn. 11m m.w.N.). Dies trifft hier vor dem Hintergrund, dass Dr. R. die Verständigung als "recht gut" bezeichnet und aufgrund dessen darauf verzichtet hat, einen Dolmetscher hinzuzuziehen, nicht zu. Zudem hat die Klägerin im Zuge der Begutachtung beim Sachverständigen M. einen Großteil der ihr gestellten Fragen spontan beantwortet, ohne eine Übersetzung der Fragen durch die Dolmetscherin abzuwarten.
Die Klägerin hat ferner keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, wobei der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen gleichfalls auf die zutreffenden Ausführungen des SG in seinem Urteil Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG).
Anders als die Klägerin meint, besteht bei dieser Ausgangslage kein Anlass, von Amts wegen weiter zu ermitteln. Die vorliegenden Gutachten begründen keine Anhaltspunkte, an der Sachkunde oder Unparteilichkeit der gehörten Sachverständigen zu zweifeln, und haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt. Weiterer Beweiserhebungen, insbesondere der Einholung eines von der Klägerin beantragten "Obergutachtens", hat es daher nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 412 Abs. 1 Zivilprozessordnung nicht bedurft. Dabei weist der Senat darauf hin, dass das Gericht Sachverständigengutachten grundsätzlich frei würdigt und auch ohne Einholung eines weiteren Gutachtens von ihnen abweichen kann; einen allgemeinen Anspruch auf Überprüfung eines Sachverständigengutachtens durch ein "Obergutachten", durch das - wie hier - keine neuen Tatsachen festgestellt, sondern nur die Schlüssigkeit abweichender Beurteilungen durch einen dritten Sachverständigen überprüft werden soll, sehen die Prozessordnungen - auch das SGG - nicht vor (BSG, Beschluss vom 23.05.2006 - Az.: B 13 RJ 272/05 B - m.w.N., zit. nach juris). Bei widersprechenden Gutachten ist das Gericht allerdings gehalten, sich mit dem Gutachten, dem es nicht folgt, auseinander zu setzen (BSG a.a.O. m.w.N.). Dies ist vorliegend geschehen.
Die Notwendigkeit zu weiterer Beweiserhebung erschließt sich auch nicht daraus, dass bei der Klägerin ggfs. ein Fibromyalgiesyndrom besteht. Denn insoweit ist nicht die zutreffende Diagnose maßgeblich. Vielmehr kommt es darauf an, wie sich die bei der Klägerin bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf deren Fähigkeit auswirken, Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Insoweit hat aber der Sachverständige M. bereits umfassend auf der Grundlage seiner detaillierten Anamneseerhebung die bestehenden Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit der Klägerin beschrieben.
Ebenso wenig war dem hilfsweise gestellten Antrag, Dr. N. ergänzend hinsichtlich des Vorliegens von Erwerbsminderung für den Zeitraum von der Antragstellung bis Juli 2008 zu hören, stattzugeben. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BSG, dass jedem Beteiligten gemäß § 116 Satz 2 SGG, § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs. 4 ZPO das Recht zusteht, dem Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die er zur Aufklärung der Sache für dienlich erachtet. Dies gilt auch dann, wenn dieser Sachverständige - wie hier - ein Gutachten auf Antrag eines Beteiligten gemäß § 109 SGG erstellt hat (BSG, Beschluss vom 27.08.2009 - B 13 R 185/09 B -, Rn. 15 m.w.N., zit. nach juris). Allerdings müssen die von dem Sachverständigen zu erläuternden Punkte auch objektiv sachdienlich sein (BSG, Beschluss vom 18.11.2008 - Az.: B 2 U 75/07 B, Rn. 12 m.w.N., zit. nach juris). Die angekündigte Frage, Dr. N. ergänzend hinsichtlich des Vorliegens von Erwerbsminderung für den Zeitraum von der Antragstellung bis Juli 2008 zu hören, ist zur Aufklärung der Sache nicht sachdienlich. Sachdienlichkeit ist insbesondere dann zu bejahen, wenn sich die Fragen im Rahmen des Beweisthemas halten und nicht abwegig oder bereits eindeutig beantwortet sind; weitergehende Anforderungen an die Sachdienlichkeit der Fragen sind hingegen nicht zu stellen (BSG, Beschluss vom 27.08.2009 - B 13 R 185/09 B -, Rn. 18, zit. nach juris). Die angekündigte Frage hält sich zwar im Rahmen des Beweisthemas. Sie ist von Dr. N. aber bereits eindeutig beantwortet. Denn zur Frage des Bestehens von Erwerbsminderung der Klägerin im Zeitraum von der Antragstellung bis Juli 2008 hat sich Dr. N. bereits unter Auswertung der Aktenlage unmissverständlich geäußert (vgl. seine Antworten auf die Fragen Nr. 7 und Nr. 9, Seite 17 seines Gutachtens, Bl. 72 der LSG-Akten). Insbesondere hat er sich hinsichtlich des Eintritts der geminderten quantitativen Leistungsfähigkeit unzweideutig festgelegt, indem er ausführt, "seit 2008" sei das Leistungsvermögen "sicher" auf unter drei Stunden gesunken, während "in den Jahren 2006 und 2007 ( ) noch ein erhaltenes Leistungsvermögen zumindest für leichte Tätigkeiten" vorgelegen habe.
Die Klägerin dringt auch nicht mit ihrer Rüge durch, das SG habe gegen seine Pflicht zur Amtsermittlung verstoßen, indem es die im Klageverfahren gehörten Gerichtsgutachter nicht zur mündlichen Verhandlung geladen habe. Das SG hat ein ggfs. bestehendes Recht der Klägerin, die gehörten Gerichtsgutachter mündlich zu befragen, schon deshalb nicht verletzt, weil die in der mündlichen Verhandlung vor dem SG rechtskundig vertretene Klägerin ausweislich der Niederschrift vom 31.03.2008 dort keinen entsprechenden Antrag gestellt hat.
Die Beklagte war auch nicht gemäß ihrem Schreiben vom 22.09.2009 nach dem gemäß § 202 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend anwendbaren § 307 ZPO zur Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 01.02.2009 bis 30.06.2011 zu verurteilen, ohne dass es der Prüfung der Berechtigung des Klageanspruchs bedurfte (vgl. BSG, Urteil vom 17.10.1986 - Az: 12 RK 38/85, zit. nach juris). Denn die Beklagte hat mit Schreiben vom 22.09.2009 lediglich anerkannt, dass die Klägerin seit Juli 2008 voll erwerbsgemindert sei, die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung jedoch aufgrund des Nichtvorliegens der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 4 SGB VI abgelehnt. Obgleich keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass der von der Beklagten vorgelegte Versicherungsverlauf vom 15.10.2009 unzutreffend sein könnte (nach Aktenlage war die Klägerin zuletzt am 07.01.2006 mit Leistungsbezug bei der Agentur für Arbeit Stuttgart arbeitslos gemeldet, weitere Zeiten der Arbeitslosigkeit wurden genauso wenig wie Arbeitsunfähigkeitszeiten gemeldet), braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob bei einem von der Beklagten angenommenen Leistungsfall im Juli 2008 die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 4 SGB VI, insbesondere wegen des Fehlens von Zeiten i.S.d. § 241 Abs. 2 SGB VI im Monat August 2003, erfüllt wären. Denn eine im Verlauf des sozialgerichtlichen Verfahrens abgegebene Erklärung des beklagten Versicherungsträgers - wie hier hinsichtlich der Annahme eines Leistungsfalls im Juli 2008 - ist nicht wirksam, wenn die rechtlichen Voraussetzungen des Anspruchs fehlen, weil die Verwaltung dem Gesetz unterworfen ist und niemandem einen Anspruch zubilligen darf, dessen Voraussetzungen nicht gegeben sind (BSG, Urteil vom 19.12.1961 - Az.: 7 Rar 35/61 - SozR Nr. 5 zu § 101 SGG). So ist es hier: Die rechtlichen Voraussetzungen des Anspruchs für die Annahme eines Leistungsfalles im Juli 2008 liegen nicht vor, denn erwerbsgemindert ist nicht, wer - wie hinsichtlich der Klägerin für den streitigen Zeitraum bereits aufgezeigt - unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved