Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 2 RJ 01523/98
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 RJ 577/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 15. September 1998 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die vom Kläger in Rumänien zurückgelegten Beitragszeiten vom 01.01.1945 bis 08.03.1951 und vom 15.03.1954 bis 05.05.1973 nach dem Fremdrentengesetz (FRG) bei der Berechnung seiner Altersrente für langjährig Versicherte nach § 36 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) als nachgewiesen oder lediglich als glaubhaft gemacht und demgemäß mit auf fünf Sechstel gekürzten Entgeltpunkten zu berücksichtigen sind. Der 1929 in Rumänien geborene Kläger siedelte am 23.06.1973 in die Bundesrepublik Deutschland aus. Er erhielt den Vertriebenenausweis A. Mit Bescheid vom 21.03.1989 stellte die Beklagte den Versicherungsverlauf gemäß § 1325 Abs. 3 Reichsversicherungsordnung - RVO - für die Zeit bis zum 31.12.1982 fest. Hierbei wurde die Zeit vom 01.01.1945 bis 28.02.1954 als gekürzte Beitragszeit und die Zeit vom 15.03.1954 bis 05.05.1973 als ungekürzte Beitragszeit festgestellt. Mit Schreiben vom 15.10.1991 legte der Kläger eine Bescheinigung (Adeverinta) Nr. 339 vom 26.04.1991 des Ministeriums der elektrischen Energie, Unternehmen für die Förderung und Instandhaltung der Energienetze und Installationen zur Verteilung der elektrischen und thermischen Energie in Sibiu - I.R.E.S. - Abteilung Sopis, vor. In dieser bescheinigten der Direktor Ingenieur Trajan Raduion und der Abteilungsleiter Ökonom Marius Buianu, daß der Kläger vom 01.01.1945 bis 08.04.1951 sowie 15.03.1954 bis 05.05.1973 beschäftigt war. In der Bescheinigung wird weiter wörtlich ausgeführt: "Er hatte in diesen Zeiträumen keinen unbezahlten Urlaub, keine unentschuldigten Fehlzeiten oder verlängerten Krankenurlaub. Die Sozialversicherungsbeiträge wurden vollständig von unserem Betrieb entrichtet." Auf Antrag des Klägers vom 23.06.1992, mit welchem der Kläger auch eine Kopie seines Lehrvertrags vom 08.08.1944 vorlegte, bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 09.12.1992 Altersrente nach § 36 SGB VI ab dem 01.11.1992. Dabei berücksichtigte sie die für die in Rumänien zurückgelegten Beitragszeiten vom 01.01.1945 bis 05.05.1973 ermittelten Entgeltpunkte nur in Höhe von fünf Sechsteln. In Anlage 20 zum Rentenbescheid führte sie weiter aus, das FRG bzw. die Versicherungsunterlagenverordnung (VuVO) vom 03.03.1960 sei durch das Rentenreformgesetz (RRG) 1992 ge¬ändert worden. Diese Änderung wirke sich auch auf die Zeit vom 15.03.1954 bis 05.05.1973 aus. Die genannte Zeit sei nur noch auf fünf Sechstel gekürzt anrechenbar. Die früher ergangenen Bescheide über die Feststellung dieser Zeiten würden aufgehoben, soweit sie nicht dem ab 01.01.1992 geltenden Recht entsprächen. Gegen den am 15.12.1992 zur Post gegebenen Rentenbescheid legte der Kläger am 07.01.1993 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.04.1993 zurückwies. Gegen den am 07.05.1993 zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid erhob der Kläger am 01.06.1993 Klage zum Sozialgericht (SG) Heilbronn.
Zur Begründung trug er vor, die vorgelegte Bescheinigung sei von der Elektrizitätsverwaltung als Untergliederung des rumänischen Ministeriums der elektrischen Energie im Rahmen ihrer Zuständigkeit ausgestellt worden. Es handle sich somit um eine öffentliche Urkunde, die gemäß §§ 202 SGG i.V.m. 418 ZPO das ununterbrochene Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses und damit einer ununterbrochenen Lohnzahlung in den angegebenen Zeiträumen beweise. Es lägen auch keine Anhaltspunkte dafür vor. daß es sich um eine "Gefälligkeitsbescheinigung" handle. Nachdem das SG die LVA Unterfranken als Verbindungsstelle gebeten hatte, über die rumänische Verbindungsstelle vom rumänischen Arbeitgeber eine entsprechende Kopie der Lohnlisten (State de plata) einzuholen, teilte die LVA Unterfranken mit Schreiben vom 11.10.1994 mit, der rumänische Versicherungsträger habe auf die diesbezügliche Anfrage lediglich mitgeteilt, daß sich der Antragsteller unter Verwendung eines beigefügten Formulars selbst an seine früheren Arbeitgeber wenden solle. Hierzu wurde eine Genehmigung des rumänischen Versicherungsträgers für den rumänischen Arbeitgeber beigefügt, eine entsprechende Bescheinigung über die in Rumänien zurückgelegten Zeiten ausstellen zu dürfen. Mit Schreiben vom 14.11.1996 legte der Kläger die Bescheinigung (Adeverinta) Nr. 10604 vom 25.10.1996 der Abteilung S.R.U. des nunmehr unter "Renel-Autonome Regie für Elektrizität - Generaldirektion für Transport und Verteilung der elektrischen Energie" firmierenden Arbeitgebers vor. In dieser sind in einer Tabelle für die Jahre 1945 bis 1973 die Arbeitstage des Klägers monatsweise aufgelistet. Weiter wird die jeweilige Anzahl von Tagen pro Jahr angegeben, an denen der Kläger Erholungsurlaub, Krankenurlaub, unbezahlten Urlaub und unentschuldigte Abwesenheiten hatte. Die Be¬scheinigung enthält den Vermerk, in der Zeit vom 01.01.1945 bis 14.09.1948 habe der Kläger die Kurse der Berufsschule "Seta" besucht, vom 15.09.1948 bis 08.03.1951 sowie 15.03.1954 bis 05.05.1973 sei er Mitarbeiter als Elektriker gewesen. Die Bescheinigung enthält weiter den Hinweis, die Daten seien aus den im Archiv des Unternehmens aufbewahrten Original-Lohnabrechnungen entnommen. Die Bescheinigung ist von denselben Personen wie die Bescheinigung Nr. 339 vom 26.04.1991 unterschrieben. Mit Urteil vom 15.09.1998 verurteilte das SG die Beklagte, die Altersrente des Klägers ohne Kürzung der Entgelte für die nachgewiesenen FRG-Beitragszeiten ab 01.11.1992 neu festzustellen. Zur Begründung führte es aus, durch die Bescheinigung Nr. 10604 vom 25.10.1996 sei nachgewiesen, daß die Beschäftigung des Klägers in der Zeit vom 01.01.1945 bis 08.04.1951 (richtig 08.03.1951) und vom 15.03.1954 bis 05.05.1973 nur durch die in der Bescheinigung im einzelnen angegebenen Tage unterbrochen wor¬den sei und daß im übrigen keine weiteren Fehlzeiten vorgelegen hätten. Im Hinblick auf die anhand archivierter Unterlagen ausgestellte Arbeitgeberbescheinigung bestehe für das Gericht kein Zweifel, daß damit die Beitragsleistung lückenlos nachgewiesen sei. Es lägen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, daß dem Kläger nach Abschluß seiner Lehre eine Arbeitsbefreiung zum Besuch einer Schule zwecks beruflicher oder politischer Fortbildung gewährt worden sei. Gegen das am 16.10.1998 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 23.10.1998 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, nach ständiger Rechtsprechung des Landessozialgerichts seien für den Nachweis ununterbrochener Beschäftigungszeiten Arbeitgeberbescheinigungen, die lediglich aufgrund von Lohnlisten erstellt worden seien, nicht ausreichend. Erforderlich sei vielmehr die Vorlage von Originallohnlisten oder von beglaubigten Auszügen hieraus. Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 15. September 1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er trägt vor, die vorgelegte Bescheinigung stelle einen beglaubigten Auszug aus den Lohnlisten dar. Er sei vom Generaldirektor und vom Leiter des Personalbüros des ausstellenden Unternehmens beglaubigt. Nach rumänischem Recht sei es verboten, Originalunterlagen ins Ausland zu bringen. Die Auszüge hätten die gleiche Beweiswirkung wie die Originallohnlisten. Der Senat hat das im Verfahren L 9 RJ 2551/98 eingeholte Rechtsgutachten des Instituts für Ostrecht München e.V. vom 15.12.1999 zu den seit 1949 in Rumänien geltenden Regelungen über Lohnlisten und ihre Aufbewahrung sowie über Tatbestände der Unterbrechung von Beschäftigungszeiten in das Verfahren eingeführt. Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemaß eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG Heilbronn hat im angefochtenen Urteil die Beklagte zurecht verurteilt, die Altersrente des Klägers ohne Kürzung der ru¬mänischen Beitragszeiten vom 01.01.1945 bis 08.03.1951 und vom 15.03.1954 bis zum 05.05.1973 um ein Sechstel gemäß § 22 Abs. 3 FRG neu festzustellen. Der Kläger kann zwar nicht schon aufgrund des Bescheides vom 21.03.1989, mit dem die Beklagte die Zeit vom 15.03.1954 bis zum 05.05.1973 ungekürzt anerkannt hatte, die Anerkennung dieser Zeit zu 6/6 beanspruchen. Denn die Beklagte hat mit Bescheid vom 09.12.1992 die ungekürzte Anerkennung dieses streitigen Zeitraumes konkludent gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X - aufgehoben, indem sie in diesem Bescheid darauf hingewiesen hat, daß sich die Gesetzesänderung, wonach die 10- oder mehr als 10-jährige Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber nicht mehr zu einer vollen Anrechnung von Beitragszeiten führe, auch auf die Zeit vom 15.03.1954 bis 05.05.1973 auswirke. Der Kläger hat jedoch Anspruch auf ungekürzte Berücksichtigung der streitigen Beitragszeiten, weil sie auch nach der Überzeugung des Senats nachgewiesen sind. Nach § 22 Abs. 3 Fremdrentengesetz (FRG) in der Fassung des Rentenüberleitungsgesetzes (RÜG) vom 25.07.1991 (BGBl. I, 1606) werden für Beitrags- oder Beschäftigungszeiten, die nicht nachgewiesen sind, die - gemäß § 22 Abs. 1 FRG - ermittelten. Entgeltpunkte um 1/6 gekürzt. Die in § 22 Abs. 3 FRG vorgegebene Kürzung auf 5/6 war in ähnlicher Form im FRG seit jeher enthalten (vgl. die vor dem 01.01.1992 geltende Fassung des § 19 Abs. 2 FRG). Sie berücksichtigt, daß bei fehlendem Nachweis von Beitragszeiten in diese Zeiten auch Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit oder einer sonstigen Arbeitsunterbrechung fallen können, für die der Arbeitgeber keine Beiträge zur Rentenversicherung entrichten mußte. Die Regelung geht von der Erfahrung aus, daß Beschäftigungszeiten im allgemeinen nur zu 5/6 mit Beiträgen belegt sind. Nachgewiesen können Beschäftigungs- und Beitragszeiten dann sein, wenn das Gericht zur Überzeugung gelangt, daß im Einzelfall eine höhere Beitrags- oder Beschäftigungsdichte erreicht worden ist. Diese Feststellung läßt sich dann treffen, wenn konkrete und glaubwürdige Angaben über den Umfang der Beschäftigungszeiten und die dazwischen liegenden Arbeitsunterbrechungen vorliegen und letztere nicht ein Sechstel der Zeit er¬reichen (BSG SozR 5050 § 19 Nr. 1; § 15 Nr. 23). Für aus Rumänien vorgelegte Unterlagen gilt, daß die Angaben im Arbeitsbuch (Carnet de Munca) allein für eine derartige Feststellung nicht ausreichen, da sie zwar Beginn und Ende von Beschäftigungszeiten verzeichnen, nicht jedoch deren Unterbrechungen insbesondere durch Krankheit oder Schwangerschaft. Letztere führen in Rumänien nicht zur Unterbrechung des Beschäftigungsverhältnisses und mußten daher im Arbeitsbuch nicht vermerkt werden, obwohl im Krankheitsfalle die Pflicht zur Lohnzahlung entfiel und der Versicherte Anspruch auf Krankengeld aus der Sozialversicherung hatte (vgl. hierzu Badau: Das Rentensystem in Rumänien, Zeitschrift für Sozialreform, 1970, 599, 806; Florescu: Das Sozialversicherungsrecht der Sozialistischen Republik Rumänien, Jahrbuch für Ostrecht, 1982, 245, 261, 273). Hinsichtlich der Arbeitsbescheinigungen (Adeverintas) ist durch das vom Senat einge¬holte Rechtsgutachten des Instituts für Ostrecht vom 15.12.1999 geklärt, daß in Rumänien seit 1949 Lohnlisten geführt wurden und daß sie - im Unterschied zu den Arbeitsbüchern - Arbeitszeit, Arbeitsunterbrechungen sowie entschuldigte und unentschuldigte Fehlzeiten erfassen mußten (vgl. Rechtsgutachten Bl. 13). Im einzelnen wurde in den Reglements über die Kassenführung von 1950, 1957 und 1976 (Beschluss des Finanzministeriums Nr. 740 vom 19.06.1950, Ministerratsbeschluß Nr. 858 vom 12.06.1957 und Dekret Nr. 209 vom 05.07.1976) bestimmt, daß die Auszahlung von Löhnen auf der Grundlage von Lohnlisten zu erfolgen habe. Diese Kassenreglements re¬gelten weiter den Umgang mit den Lohnlisten, enthielten jedoch keine Angaben über die inhaltliche Gestaltung dieser Listen. Rumänischen Finanzministeriums Nr. 602 vom 21.09.1957) waren der pünktliche Arbeitsbeginn, die Anwesenheit am Arbeitsplatz, die tatsächlich geleistete Arbeit, die Unterbrechungen und Verspätungen sowie die entschuldigten und unentschuldigten Fehlzeiten ("Abwesenheit") exakt zu erfassen. Es war für den jeweils vorausgegangenen Tag ein täglicher Lagebericht über die Arbeits- und Fehlzeiten zu verfassen. Diese täglichen Lageberichte bildeten die Grundlage für die monatliche Erstellung der "kollektiven Anwesenheitsbögen", in denen für jeden namentlich aufzuführenden Beschäftigten die täglich geleisteten Arbeitsstunden und die Arbeitstage sowie die Stunden und Tage der Abwesenheit unter Angabe ihrer Art enthalten sein mußten. Schließlich waren Lohnlisten auf der Grundlage der individuellen Lohnkarten und kollektiven Anwesenheitsbögen an¬zufertigen. Sie wurden monatlich erstellt und stellten die Gesamtabrechnung für den betreffenden Monat dar (vgl. Rechtsgutachten S. 10ff.). Die Führung der Lohnlisten diente zwar demzufolge vorrangig dem Rechnungswesen und der Buchführung, geschah aber auch vor dem Hintergrund der Tatsache, daß die Mittel der Sozialversicherung - ohne Abzug vom Lohn der Beschäftigten - aus den Sozialversicherungsbeiträgen der Betriebe gebildet wurden, welche aufgrund bestimmter Prozentsätze nach dem Lohnan¬spruch der Beschäftigten zu berechnen waren (vgl. Florescu a.a.O. S. 250). Nach den Ausführungen im Rechtsgutachten sind Zweifel an den auf Lohnlisten beruhenden Arbeitsbescheinigungen auch nicht dadurch zu begründen, daß infolge von kurzen Aufbewahrungsfristen die Lohnlisten in den Betrieben nicht mehr vorhanden wären. Bereits Dr. Tontsch von der Seminarabteilung für Ostrechtsforschung der Universität Hamburg hatte in einer dem Gutachtensauftrag vom 08.02.1999 beigefügten Stellungnahme vom 04.06.1996 betont, daß er eine rumänische Rechtsvorschrift, die für Lohnlisten eine Aufbewahrungsfrist von lediglich fünf Jahren vorsehe, nicht habe auffinden können. (Die fünfjährige Aufbewahrungsfrist für Lohnlisten war bei einer deutsch-rumänischen Verbindungsstellenbesprechung in Würzburg im November 1981 von der rumänischen Delegation genannt worden, vgl. u.a. Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15.01.1996 - L 11 J 2390/94 -). Nach den Darlegungen im Rechtsgutachten hatten nach dem Dekret Nr. 353/1957 über die Gründung des staatlichen Archivfonds und dem zu seiner Ausführung ergangenen Ministerratsbeschluß Nr. 1119/1957, beide in Kraft bis 1971, alle Unternehmen eigene Archive ein¬zurichten, Verzeichnisse über ihr dokumentarisches Material anzufertigen und darin die jeweiligen Aufbewahrungsfristen anzugeben. Nach Ablauf dieser Fristen waren die Verzeichnisse betriebsinternen Sachverständigenausschüssen vorzulegen, die über eine weitere Archivierung zu entscheiden hatten. Durch das Dekret Nr. 472/1971 über den Landesarchivfonds, in Geltung bis 1996, war eine periodische Selektion aller Dokumente vorgesehen zur Prüfung, welche Dokumente ständig aufzubewahren und welche auszusondern waren. Danach waren die archivwürdigen Dokumente 20 bis 30 Jahre seit ihrer Anfertigung zu verwahren und danach der Generaldirektion der Staatsarchive zu übergeben. Die einzelnen Unternehmen und Organisationen durften jedoch mit Erlaubnis zentraler Behörden bestimmte ständig zu archivierende Urkunden auch über die genann¬ten Fristen hinaus in den eigenen Archiven aufbewahren, wenn diese Urkunden für den jeweiligen Betrieb benötigt wurden oder die Staatsarchive über keine ausreichenden Stellflächen verfügten; eine zeitliche Begrenzung sah das Dekret hierfür nicht vor (vgl. Rechtsgutachten S. 90 bis 94). Unter diesen Umständen können nach Auffassung des Senats die Arbeitsbescheinigungen auf der Grundlage von Lohnlisten als Nachweis dienen, wenn die Angaben des Versicherten und die vorgelegten Unterlagen in sich schlüssig sind, wenn kein Verdacht besteht, daß es sich um Gefälligkeitsbescheinigungen oder gefälschte Bescheinigungen han¬delt, und wenn aus den Bescheinigungen die tatsächlichen Arbeitstage und die Fehlzeiten vollständig hervorgehen (so auch: Verbandskommentar zur gesetzlichen Rentenversicherung SGB Anhang 2.1 § 22 FRG S. 82). Hiervon ausgehend ist durch die Bescheinigung Nr. 10604 vom 25.10.1996 der Generaldirektion für Transport und Verteilung der Elektrischen Energie, Filiale Hermannstadt, eine Beitragszeit des Klägers als Elektriker in der Zeit vom 01.01.1945 bis 08.03.1951 und vom 15.03.1954 bis zum 05.05.1973 nachgewiesen. In dieser Bescheinigung des Arbeitgebers, die aufgrund der in den Archiven befindlichen Lohnlisten erstellt wurde, werden für jeden Monat der Beschäftigungszeit die Anzahl der Tage, an denen der Kläger gearbeitet hat, angegeben. Sie enthält weiter eine jahresweise Auflistung der Anzahl von Tagen, an denen der Kläger Urlaub, "Krankenurlaub", unbezahlten Urlaub oder unentschuldigte Fehlzeiten hatte. Der Bescheinigung ist zu entnehmen, daß der Kläger in diesem Zeitraum keine unentschuldigten Fehlzeiten hatte. Im Jahr 1970 hatte der Kläger einen Tag unbezahlten Urlaub. Krankheitsbedingte Fehlzeiten lagen im Jahr 1954 an 7 Arbeitstagen, im Jahr 1955 an 6 Arbeitstagen, im Jahr 1958 an 2 Arbeitstagen und im Jahr 1963 an 20 Arbeitstagen vor. Während des gesamten Monats Mai 1972 hatte der Kläger bezahlten Urlaub während 24 Arbeitstagen. Im übrigen gab es im streitigen Zeitraum keinen Monat, in dem der Kläger nicht min¬destens an 2 Arbeitstagen gearbeitet hat. Somit sind beim Kläger keine Unterbrechungen durch krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit, unbezahlten Urlaub oder unentschuldigte Abwesenheiten entstanden, die mindestens einen Kalendermonat gedauert hätten; m.a.W. ist jeder Monat mit Beiträgen belegt.
Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, daß es sich hierbei um eine unrichtige, nicht auf denLohnlisten beruhende Bescheinigung des früheren Arbeitgebers handelt, sind nicht erkennbar. Insbesondere ergeben sich auch aus der Bescheinigung Nr. 339 vom 26.04.1991 keine diesbezüglichen Bedenken. Der geringfügigen Abweichung der bescheinigten Zeiträume (der erste Zeitraum beginnend mit dem 01.01.1945 endet in der Bescheinigung Nr. 339 am 08.04.1951, während er in der Bescheinigung Nr. 10604 bereits am 08.03.1951 endet) mißt der Senat keine wesentliche Bedeutung bei, da es sich insoweit in der Bescheinigung Nr. 339 um ein Versehen bei der Monatszahl (4 statt 3) handeln dürfte. Auch die Angabe in der Bescheinigung Nr. 339, der Kläger habe "keinen verlängerten Krankenurlaub" gehabt, steht nicht in unauflösbarem Wider¬spruch zu der Bescheinigung Nr. 10604 vom 25.10.1996, in welcher für 4 Jahre Krankheitszeiten aufgeführt sind. Nach den Ausführungen im Rechtsgutachten vom 15.12.1999 (S. 54 ff) hängt der Begriff des "verlängerten Krankenurlaubs" mit den Zuständigkeiten und dem Verfahren bei der Erteilung ärztlicher Zeugnisse für die Bewilligung eines Krankenurlaubs wegen vorübergehender Arbeitsfähigkeit zusammen. Seit dem 01.09.1965 gibt es in Rumänien heute noch fortgeltende "Weisungen für die Erteilung von Zeugnissen für Krankenurlaub wegen vorübergehender Arbeitsunfähigkeit", in welchen abhängig von der Dauer der Arbeitsunfähigkeit die Zuständigkeiten für die Er¬teilung dieser Zeugnisse im Einzelnen festgelegt werden. Für die Zeit vor dem 01.09.1965 sind aber entsprechende Verfahrensregeln nicht bekannt (Rechtsgutachten S 56).
Im Rechtsgutachten wird weiter ausgeführt, der Grund, weshalb in Arbeitsbescheinigungen vielfach nur festgestellt werde, dass Unterbrechungen durch "verlängerten Krankenurlaub" nicht stattgefunden hätten, ohne jede Art eines Krankenurlaubs in diese Feststellung einzubeziehen, sei nicht eindeutig ersichtlich. Eine strenge Auslegung derartiger Formulierungen könne nur zu dem Schluß führen, daß Unterbrechungen wegen kurzfristiger Erkrankung (etwa Erkältungen) damit nicht ausgeschlossen seien. Es sei jedoch aufgrund eigener Erfahrungen bekannt, daß bei geringfügigen und kurzfristigen Erkrankungen auf das ordnungsgemäße Verfahren der Gewährung von Krankengeld durch die Sozialversicherung und der Berechnung des entsprechend zu kürzenden Lohnes verzichtet und der Erkrankte kurzfristig freigestellt worden sei, was im Ergebnis zu einer - ge¬setzlich nicht vorgesehenen - Lohnfortzahlung geführt habe (Rechtsgutachten S. 56).
Im Falle des Klägers liegen sämtliche in der Bescheinigung Nr. 10604 aufgeführten Arbeitsunfähigkeitszeiten vor dem 01.09.1965. Für diesen Zeitraum sind keine Regelungen zur Feststellung von Zeiten der Arbeitsunfähigkeit bekannt. Mithin liegt die Vermutung nahe, daß die in der Bescheinigung Nr. 10604 aufgeführten Arbeitsunfähigkeitszeiten nicht förmlich festgestellt und daher in der Bescheinigung Nr. 339 nicht als "verlängerte Krankenurlaube" erfaßt wurden. Ein Zweifel an der Richtigkeit der Bescheinigung Nr. 10604 läßt sich dadurch nicht begründen.
Nach alledem war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen angesichts der der Beweiswürdigung unterliegenden besonderen Umstände des Einzelfalles nicht vor.
Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die vom Kläger in Rumänien zurückgelegten Beitragszeiten vom 01.01.1945 bis 08.03.1951 und vom 15.03.1954 bis 05.05.1973 nach dem Fremdrentengesetz (FRG) bei der Berechnung seiner Altersrente für langjährig Versicherte nach § 36 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) als nachgewiesen oder lediglich als glaubhaft gemacht und demgemäß mit auf fünf Sechstel gekürzten Entgeltpunkten zu berücksichtigen sind. Der 1929 in Rumänien geborene Kläger siedelte am 23.06.1973 in die Bundesrepublik Deutschland aus. Er erhielt den Vertriebenenausweis A. Mit Bescheid vom 21.03.1989 stellte die Beklagte den Versicherungsverlauf gemäß § 1325 Abs. 3 Reichsversicherungsordnung - RVO - für die Zeit bis zum 31.12.1982 fest. Hierbei wurde die Zeit vom 01.01.1945 bis 28.02.1954 als gekürzte Beitragszeit und die Zeit vom 15.03.1954 bis 05.05.1973 als ungekürzte Beitragszeit festgestellt. Mit Schreiben vom 15.10.1991 legte der Kläger eine Bescheinigung (Adeverinta) Nr. 339 vom 26.04.1991 des Ministeriums der elektrischen Energie, Unternehmen für die Förderung und Instandhaltung der Energienetze und Installationen zur Verteilung der elektrischen und thermischen Energie in Sibiu - I.R.E.S. - Abteilung Sopis, vor. In dieser bescheinigten der Direktor Ingenieur Trajan Raduion und der Abteilungsleiter Ökonom Marius Buianu, daß der Kläger vom 01.01.1945 bis 08.04.1951 sowie 15.03.1954 bis 05.05.1973 beschäftigt war. In der Bescheinigung wird weiter wörtlich ausgeführt: "Er hatte in diesen Zeiträumen keinen unbezahlten Urlaub, keine unentschuldigten Fehlzeiten oder verlängerten Krankenurlaub. Die Sozialversicherungsbeiträge wurden vollständig von unserem Betrieb entrichtet." Auf Antrag des Klägers vom 23.06.1992, mit welchem der Kläger auch eine Kopie seines Lehrvertrags vom 08.08.1944 vorlegte, bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 09.12.1992 Altersrente nach § 36 SGB VI ab dem 01.11.1992. Dabei berücksichtigte sie die für die in Rumänien zurückgelegten Beitragszeiten vom 01.01.1945 bis 05.05.1973 ermittelten Entgeltpunkte nur in Höhe von fünf Sechsteln. In Anlage 20 zum Rentenbescheid führte sie weiter aus, das FRG bzw. die Versicherungsunterlagenverordnung (VuVO) vom 03.03.1960 sei durch das Rentenreformgesetz (RRG) 1992 ge¬ändert worden. Diese Änderung wirke sich auch auf die Zeit vom 15.03.1954 bis 05.05.1973 aus. Die genannte Zeit sei nur noch auf fünf Sechstel gekürzt anrechenbar. Die früher ergangenen Bescheide über die Feststellung dieser Zeiten würden aufgehoben, soweit sie nicht dem ab 01.01.1992 geltenden Recht entsprächen. Gegen den am 15.12.1992 zur Post gegebenen Rentenbescheid legte der Kläger am 07.01.1993 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.04.1993 zurückwies. Gegen den am 07.05.1993 zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid erhob der Kläger am 01.06.1993 Klage zum Sozialgericht (SG) Heilbronn.
Zur Begründung trug er vor, die vorgelegte Bescheinigung sei von der Elektrizitätsverwaltung als Untergliederung des rumänischen Ministeriums der elektrischen Energie im Rahmen ihrer Zuständigkeit ausgestellt worden. Es handle sich somit um eine öffentliche Urkunde, die gemäß §§ 202 SGG i.V.m. 418 ZPO das ununterbrochene Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses und damit einer ununterbrochenen Lohnzahlung in den angegebenen Zeiträumen beweise. Es lägen auch keine Anhaltspunkte dafür vor. daß es sich um eine "Gefälligkeitsbescheinigung" handle. Nachdem das SG die LVA Unterfranken als Verbindungsstelle gebeten hatte, über die rumänische Verbindungsstelle vom rumänischen Arbeitgeber eine entsprechende Kopie der Lohnlisten (State de plata) einzuholen, teilte die LVA Unterfranken mit Schreiben vom 11.10.1994 mit, der rumänische Versicherungsträger habe auf die diesbezügliche Anfrage lediglich mitgeteilt, daß sich der Antragsteller unter Verwendung eines beigefügten Formulars selbst an seine früheren Arbeitgeber wenden solle. Hierzu wurde eine Genehmigung des rumänischen Versicherungsträgers für den rumänischen Arbeitgeber beigefügt, eine entsprechende Bescheinigung über die in Rumänien zurückgelegten Zeiten ausstellen zu dürfen. Mit Schreiben vom 14.11.1996 legte der Kläger die Bescheinigung (Adeverinta) Nr. 10604 vom 25.10.1996 der Abteilung S.R.U. des nunmehr unter "Renel-Autonome Regie für Elektrizität - Generaldirektion für Transport und Verteilung der elektrischen Energie" firmierenden Arbeitgebers vor. In dieser sind in einer Tabelle für die Jahre 1945 bis 1973 die Arbeitstage des Klägers monatsweise aufgelistet. Weiter wird die jeweilige Anzahl von Tagen pro Jahr angegeben, an denen der Kläger Erholungsurlaub, Krankenurlaub, unbezahlten Urlaub und unentschuldigte Abwesenheiten hatte. Die Be¬scheinigung enthält den Vermerk, in der Zeit vom 01.01.1945 bis 14.09.1948 habe der Kläger die Kurse der Berufsschule "Seta" besucht, vom 15.09.1948 bis 08.03.1951 sowie 15.03.1954 bis 05.05.1973 sei er Mitarbeiter als Elektriker gewesen. Die Bescheinigung enthält weiter den Hinweis, die Daten seien aus den im Archiv des Unternehmens aufbewahrten Original-Lohnabrechnungen entnommen. Die Bescheinigung ist von denselben Personen wie die Bescheinigung Nr. 339 vom 26.04.1991 unterschrieben. Mit Urteil vom 15.09.1998 verurteilte das SG die Beklagte, die Altersrente des Klägers ohne Kürzung der Entgelte für die nachgewiesenen FRG-Beitragszeiten ab 01.11.1992 neu festzustellen. Zur Begründung führte es aus, durch die Bescheinigung Nr. 10604 vom 25.10.1996 sei nachgewiesen, daß die Beschäftigung des Klägers in der Zeit vom 01.01.1945 bis 08.04.1951 (richtig 08.03.1951) und vom 15.03.1954 bis 05.05.1973 nur durch die in der Bescheinigung im einzelnen angegebenen Tage unterbrochen wor¬den sei und daß im übrigen keine weiteren Fehlzeiten vorgelegen hätten. Im Hinblick auf die anhand archivierter Unterlagen ausgestellte Arbeitgeberbescheinigung bestehe für das Gericht kein Zweifel, daß damit die Beitragsleistung lückenlos nachgewiesen sei. Es lägen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, daß dem Kläger nach Abschluß seiner Lehre eine Arbeitsbefreiung zum Besuch einer Schule zwecks beruflicher oder politischer Fortbildung gewährt worden sei. Gegen das am 16.10.1998 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 23.10.1998 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, nach ständiger Rechtsprechung des Landessozialgerichts seien für den Nachweis ununterbrochener Beschäftigungszeiten Arbeitgeberbescheinigungen, die lediglich aufgrund von Lohnlisten erstellt worden seien, nicht ausreichend. Erforderlich sei vielmehr die Vorlage von Originallohnlisten oder von beglaubigten Auszügen hieraus. Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 15. September 1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er trägt vor, die vorgelegte Bescheinigung stelle einen beglaubigten Auszug aus den Lohnlisten dar. Er sei vom Generaldirektor und vom Leiter des Personalbüros des ausstellenden Unternehmens beglaubigt. Nach rumänischem Recht sei es verboten, Originalunterlagen ins Ausland zu bringen. Die Auszüge hätten die gleiche Beweiswirkung wie die Originallohnlisten. Der Senat hat das im Verfahren L 9 RJ 2551/98 eingeholte Rechtsgutachten des Instituts für Ostrecht München e.V. vom 15.12.1999 zu den seit 1949 in Rumänien geltenden Regelungen über Lohnlisten und ihre Aufbewahrung sowie über Tatbestände der Unterbrechung von Beschäftigungszeiten in das Verfahren eingeführt. Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemaß eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG Heilbronn hat im angefochtenen Urteil die Beklagte zurecht verurteilt, die Altersrente des Klägers ohne Kürzung der ru¬mänischen Beitragszeiten vom 01.01.1945 bis 08.03.1951 und vom 15.03.1954 bis zum 05.05.1973 um ein Sechstel gemäß § 22 Abs. 3 FRG neu festzustellen. Der Kläger kann zwar nicht schon aufgrund des Bescheides vom 21.03.1989, mit dem die Beklagte die Zeit vom 15.03.1954 bis zum 05.05.1973 ungekürzt anerkannt hatte, die Anerkennung dieser Zeit zu 6/6 beanspruchen. Denn die Beklagte hat mit Bescheid vom 09.12.1992 die ungekürzte Anerkennung dieses streitigen Zeitraumes konkludent gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X - aufgehoben, indem sie in diesem Bescheid darauf hingewiesen hat, daß sich die Gesetzesänderung, wonach die 10- oder mehr als 10-jährige Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber nicht mehr zu einer vollen Anrechnung von Beitragszeiten führe, auch auf die Zeit vom 15.03.1954 bis 05.05.1973 auswirke. Der Kläger hat jedoch Anspruch auf ungekürzte Berücksichtigung der streitigen Beitragszeiten, weil sie auch nach der Überzeugung des Senats nachgewiesen sind. Nach § 22 Abs. 3 Fremdrentengesetz (FRG) in der Fassung des Rentenüberleitungsgesetzes (RÜG) vom 25.07.1991 (BGBl. I, 1606) werden für Beitrags- oder Beschäftigungszeiten, die nicht nachgewiesen sind, die - gemäß § 22 Abs. 1 FRG - ermittelten. Entgeltpunkte um 1/6 gekürzt. Die in § 22 Abs. 3 FRG vorgegebene Kürzung auf 5/6 war in ähnlicher Form im FRG seit jeher enthalten (vgl. die vor dem 01.01.1992 geltende Fassung des § 19 Abs. 2 FRG). Sie berücksichtigt, daß bei fehlendem Nachweis von Beitragszeiten in diese Zeiten auch Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit oder einer sonstigen Arbeitsunterbrechung fallen können, für die der Arbeitgeber keine Beiträge zur Rentenversicherung entrichten mußte. Die Regelung geht von der Erfahrung aus, daß Beschäftigungszeiten im allgemeinen nur zu 5/6 mit Beiträgen belegt sind. Nachgewiesen können Beschäftigungs- und Beitragszeiten dann sein, wenn das Gericht zur Überzeugung gelangt, daß im Einzelfall eine höhere Beitrags- oder Beschäftigungsdichte erreicht worden ist. Diese Feststellung läßt sich dann treffen, wenn konkrete und glaubwürdige Angaben über den Umfang der Beschäftigungszeiten und die dazwischen liegenden Arbeitsunterbrechungen vorliegen und letztere nicht ein Sechstel der Zeit er¬reichen (BSG SozR 5050 § 19 Nr. 1; § 15 Nr. 23). Für aus Rumänien vorgelegte Unterlagen gilt, daß die Angaben im Arbeitsbuch (Carnet de Munca) allein für eine derartige Feststellung nicht ausreichen, da sie zwar Beginn und Ende von Beschäftigungszeiten verzeichnen, nicht jedoch deren Unterbrechungen insbesondere durch Krankheit oder Schwangerschaft. Letztere führen in Rumänien nicht zur Unterbrechung des Beschäftigungsverhältnisses und mußten daher im Arbeitsbuch nicht vermerkt werden, obwohl im Krankheitsfalle die Pflicht zur Lohnzahlung entfiel und der Versicherte Anspruch auf Krankengeld aus der Sozialversicherung hatte (vgl. hierzu Badau: Das Rentensystem in Rumänien, Zeitschrift für Sozialreform, 1970, 599, 806; Florescu: Das Sozialversicherungsrecht der Sozialistischen Republik Rumänien, Jahrbuch für Ostrecht, 1982, 245, 261, 273). Hinsichtlich der Arbeitsbescheinigungen (Adeverintas) ist durch das vom Senat einge¬holte Rechtsgutachten des Instituts für Ostrecht vom 15.12.1999 geklärt, daß in Rumänien seit 1949 Lohnlisten geführt wurden und daß sie - im Unterschied zu den Arbeitsbüchern - Arbeitszeit, Arbeitsunterbrechungen sowie entschuldigte und unentschuldigte Fehlzeiten erfassen mußten (vgl. Rechtsgutachten Bl. 13). Im einzelnen wurde in den Reglements über die Kassenführung von 1950, 1957 und 1976 (Beschluss des Finanzministeriums Nr. 740 vom 19.06.1950, Ministerratsbeschluß Nr. 858 vom 12.06.1957 und Dekret Nr. 209 vom 05.07.1976) bestimmt, daß die Auszahlung von Löhnen auf der Grundlage von Lohnlisten zu erfolgen habe. Diese Kassenreglements re¬gelten weiter den Umgang mit den Lohnlisten, enthielten jedoch keine Angaben über die inhaltliche Gestaltung dieser Listen. Rumänischen Finanzministeriums Nr. 602 vom 21.09.1957) waren der pünktliche Arbeitsbeginn, die Anwesenheit am Arbeitsplatz, die tatsächlich geleistete Arbeit, die Unterbrechungen und Verspätungen sowie die entschuldigten und unentschuldigten Fehlzeiten ("Abwesenheit") exakt zu erfassen. Es war für den jeweils vorausgegangenen Tag ein täglicher Lagebericht über die Arbeits- und Fehlzeiten zu verfassen. Diese täglichen Lageberichte bildeten die Grundlage für die monatliche Erstellung der "kollektiven Anwesenheitsbögen", in denen für jeden namentlich aufzuführenden Beschäftigten die täglich geleisteten Arbeitsstunden und die Arbeitstage sowie die Stunden und Tage der Abwesenheit unter Angabe ihrer Art enthalten sein mußten. Schließlich waren Lohnlisten auf der Grundlage der individuellen Lohnkarten und kollektiven Anwesenheitsbögen an¬zufertigen. Sie wurden monatlich erstellt und stellten die Gesamtabrechnung für den betreffenden Monat dar (vgl. Rechtsgutachten S. 10ff.). Die Führung der Lohnlisten diente zwar demzufolge vorrangig dem Rechnungswesen und der Buchführung, geschah aber auch vor dem Hintergrund der Tatsache, daß die Mittel der Sozialversicherung - ohne Abzug vom Lohn der Beschäftigten - aus den Sozialversicherungsbeiträgen der Betriebe gebildet wurden, welche aufgrund bestimmter Prozentsätze nach dem Lohnan¬spruch der Beschäftigten zu berechnen waren (vgl. Florescu a.a.O. S. 250). Nach den Ausführungen im Rechtsgutachten sind Zweifel an den auf Lohnlisten beruhenden Arbeitsbescheinigungen auch nicht dadurch zu begründen, daß infolge von kurzen Aufbewahrungsfristen die Lohnlisten in den Betrieben nicht mehr vorhanden wären. Bereits Dr. Tontsch von der Seminarabteilung für Ostrechtsforschung der Universität Hamburg hatte in einer dem Gutachtensauftrag vom 08.02.1999 beigefügten Stellungnahme vom 04.06.1996 betont, daß er eine rumänische Rechtsvorschrift, die für Lohnlisten eine Aufbewahrungsfrist von lediglich fünf Jahren vorsehe, nicht habe auffinden können. (Die fünfjährige Aufbewahrungsfrist für Lohnlisten war bei einer deutsch-rumänischen Verbindungsstellenbesprechung in Würzburg im November 1981 von der rumänischen Delegation genannt worden, vgl. u.a. Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15.01.1996 - L 11 J 2390/94 -). Nach den Darlegungen im Rechtsgutachten hatten nach dem Dekret Nr. 353/1957 über die Gründung des staatlichen Archivfonds und dem zu seiner Ausführung ergangenen Ministerratsbeschluß Nr. 1119/1957, beide in Kraft bis 1971, alle Unternehmen eigene Archive ein¬zurichten, Verzeichnisse über ihr dokumentarisches Material anzufertigen und darin die jeweiligen Aufbewahrungsfristen anzugeben. Nach Ablauf dieser Fristen waren die Verzeichnisse betriebsinternen Sachverständigenausschüssen vorzulegen, die über eine weitere Archivierung zu entscheiden hatten. Durch das Dekret Nr. 472/1971 über den Landesarchivfonds, in Geltung bis 1996, war eine periodische Selektion aller Dokumente vorgesehen zur Prüfung, welche Dokumente ständig aufzubewahren und welche auszusondern waren. Danach waren die archivwürdigen Dokumente 20 bis 30 Jahre seit ihrer Anfertigung zu verwahren und danach der Generaldirektion der Staatsarchive zu übergeben. Die einzelnen Unternehmen und Organisationen durften jedoch mit Erlaubnis zentraler Behörden bestimmte ständig zu archivierende Urkunden auch über die genann¬ten Fristen hinaus in den eigenen Archiven aufbewahren, wenn diese Urkunden für den jeweiligen Betrieb benötigt wurden oder die Staatsarchive über keine ausreichenden Stellflächen verfügten; eine zeitliche Begrenzung sah das Dekret hierfür nicht vor (vgl. Rechtsgutachten S. 90 bis 94). Unter diesen Umständen können nach Auffassung des Senats die Arbeitsbescheinigungen auf der Grundlage von Lohnlisten als Nachweis dienen, wenn die Angaben des Versicherten und die vorgelegten Unterlagen in sich schlüssig sind, wenn kein Verdacht besteht, daß es sich um Gefälligkeitsbescheinigungen oder gefälschte Bescheinigungen han¬delt, und wenn aus den Bescheinigungen die tatsächlichen Arbeitstage und die Fehlzeiten vollständig hervorgehen (so auch: Verbandskommentar zur gesetzlichen Rentenversicherung SGB Anhang 2.1 § 22 FRG S. 82). Hiervon ausgehend ist durch die Bescheinigung Nr. 10604 vom 25.10.1996 der Generaldirektion für Transport und Verteilung der Elektrischen Energie, Filiale Hermannstadt, eine Beitragszeit des Klägers als Elektriker in der Zeit vom 01.01.1945 bis 08.03.1951 und vom 15.03.1954 bis zum 05.05.1973 nachgewiesen. In dieser Bescheinigung des Arbeitgebers, die aufgrund der in den Archiven befindlichen Lohnlisten erstellt wurde, werden für jeden Monat der Beschäftigungszeit die Anzahl der Tage, an denen der Kläger gearbeitet hat, angegeben. Sie enthält weiter eine jahresweise Auflistung der Anzahl von Tagen, an denen der Kläger Urlaub, "Krankenurlaub", unbezahlten Urlaub oder unentschuldigte Fehlzeiten hatte. Der Bescheinigung ist zu entnehmen, daß der Kläger in diesem Zeitraum keine unentschuldigten Fehlzeiten hatte. Im Jahr 1970 hatte der Kläger einen Tag unbezahlten Urlaub. Krankheitsbedingte Fehlzeiten lagen im Jahr 1954 an 7 Arbeitstagen, im Jahr 1955 an 6 Arbeitstagen, im Jahr 1958 an 2 Arbeitstagen und im Jahr 1963 an 20 Arbeitstagen vor. Während des gesamten Monats Mai 1972 hatte der Kläger bezahlten Urlaub während 24 Arbeitstagen. Im übrigen gab es im streitigen Zeitraum keinen Monat, in dem der Kläger nicht min¬destens an 2 Arbeitstagen gearbeitet hat. Somit sind beim Kläger keine Unterbrechungen durch krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit, unbezahlten Urlaub oder unentschuldigte Abwesenheiten entstanden, die mindestens einen Kalendermonat gedauert hätten; m.a.W. ist jeder Monat mit Beiträgen belegt.
Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, daß es sich hierbei um eine unrichtige, nicht auf denLohnlisten beruhende Bescheinigung des früheren Arbeitgebers handelt, sind nicht erkennbar. Insbesondere ergeben sich auch aus der Bescheinigung Nr. 339 vom 26.04.1991 keine diesbezüglichen Bedenken. Der geringfügigen Abweichung der bescheinigten Zeiträume (der erste Zeitraum beginnend mit dem 01.01.1945 endet in der Bescheinigung Nr. 339 am 08.04.1951, während er in der Bescheinigung Nr. 10604 bereits am 08.03.1951 endet) mißt der Senat keine wesentliche Bedeutung bei, da es sich insoweit in der Bescheinigung Nr. 339 um ein Versehen bei der Monatszahl (4 statt 3) handeln dürfte. Auch die Angabe in der Bescheinigung Nr. 339, der Kläger habe "keinen verlängerten Krankenurlaub" gehabt, steht nicht in unauflösbarem Wider¬spruch zu der Bescheinigung Nr. 10604 vom 25.10.1996, in welcher für 4 Jahre Krankheitszeiten aufgeführt sind. Nach den Ausführungen im Rechtsgutachten vom 15.12.1999 (S. 54 ff) hängt der Begriff des "verlängerten Krankenurlaubs" mit den Zuständigkeiten und dem Verfahren bei der Erteilung ärztlicher Zeugnisse für die Bewilligung eines Krankenurlaubs wegen vorübergehender Arbeitsfähigkeit zusammen. Seit dem 01.09.1965 gibt es in Rumänien heute noch fortgeltende "Weisungen für die Erteilung von Zeugnissen für Krankenurlaub wegen vorübergehender Arbeitsunfähigkeit", in welchen abhängig von der Dauer der Arbeitsunfähigkeit die Zuständigkeiten für die Er¬teilung dieser Zeugnisse im Einzelnen festgelegt werden. Für die Zeit vor dem 01.09.1965 sind aber entsprechende Verfahrensregeln nicht bekannt (Rechtsgutachten S 56).
Im Rechtsgutachten wird weiter ausgeführt, der Grund, weshalb in Arbeitsbescheinigungen vielfach nur festgestellt werde, dass Unterbrechungen durch "verlängerten Krankenurlaub" nicht stattgefunden hätten, ohne jede Art eines Krankenurlaubs in diese Feststellung einzubeziehen, sei nicht eindeutig ersichtlich. Eine strenge Auslegung derartiger Formulierungen könne nur zu dem Schluß führen, daß Unterbrechungen wegen kurzfristiger Erkrankung (etwa Erkältungen) damit nicht ausgeschlossen seien. Es sei jedoch aufgrund eigener Erfahrungen bekannt, daß bei geringfügigen und kurzfristigen Erkrankungen auf das ordnungsgemäße Verfahren der Gewährung von Krankengeld durch die Sozialversicherung und der Berechnung des entsprechend zu kürzenden Lohnes verzichtet und der Erkrankte kurzfristig freigestellt worden sei, was im Ergebnis zu einer - ge¬setzlich nicht vorgesehenen - Lohnfortzahlung geführt habe (Rechtsgutachten S. 56).
Im Falle des Klägers liegen sämtliche in der Bescheinigung Nr. 10604 aufgeführten Arbeitsunfähigkeitszeiten vor dem 01.09.1965. Für diesen Zeitraum sind keine Regelungen zur Feststellung von Zeiten der Arbeitsunfähigkeit bekannt. Mithin liegt die Vermutung nahe, daß die in der Bescheinigung Nr. 10604 aufgeführten Arbeitsunfähigkeitszeiten nicht förmlich festgestellt und daher in der Bescheinigung Nr. 339 nicht als "verlängerte Krankenurlaube" erfaßt wurden. Ein Zweifel an der Richtigkeit der Bescheinigung Nr. 10604 läßt sich dadurch nicht begründen.
Nach alledem war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen angesichts der der Beweiswürdigung unterliegenden besonderen Umstände des Einzelfalles nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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