L 10 U 981/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 10 U 1003/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 981/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 03.11.2005 abgeändert und der Tenor neu gefasst.

Als Unfallfolgen werden eine leichte Bewegungseinschränkung des linken Schultergelenks, reizlose Operationsnarben am linken Unterschenkel und Oberschenkel nach Hämatomausräumung und Hauttransplantation festgestellt. Insoweit wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt ein Fünftel der außergerichtliche Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Verletztenrente streitig.

Die am 1933 geborene Klägerin wurde am 30.01.2001 auf dem Weg zu einer Baustelle, auf der sie für die Firma H. P. I. GmbH, Zimmerei Reinigungsarbeiten durchführen sollte, in einen Verkehrsunfall verwickelt und hierbei nicht unerheblich verletzt.

Ausweislich seines Durchgangsarztberichts diagnostizierte Dr. St. , Kreiskrankenhaus Bad S. , bei der Klägerin eine erhebliche Prellung des linken Unterschenkels mit großem Hämatom sowie eine Prellung der linken Schulter mit Abriss des Tuberculum majus. Die Klägerin wurde noch am Unfalltag stationär aufgenommen und nachdem es am linken Unterschenkel zur Ausbildung einer großen Nekrose kam, die mehrere Nekrosektomien und plastische Deckungen erforderte, bis 17.03.2001 stationär behandelt. Nach dem Ausführlichen Krankheitsbericht des Dr. St. vom November 2001 wurde die Behandlung Anfang Juni 2001 abgeschlossen. Als Befund beschrieb Dr. St. eine eingedellte Narbe von 6 x 3 cm Ausdehnung querverlaufend lateral vorn über dem linken Unterschenkel. Die Klägerin habe gut laufen können, aber über ein leichtes Taubheitsgefühl in der Haut distal von der Narbe über den Fußrücken und zu den Zehen hin geklagt. Im Bereich des linken Schultergelenks beschrieb er eine mäßige Bewegungseinschränkung. Die Röntgenbilder hätten in beiden Schultergelenken seitengleiche Befunde mit einer beginnenden Omarthrose gezeigt; die Fraktur sei nicht mehr sichtbar gewesen. Dr. St. ging von einer Arbeitsunfähigkeit bis 31.05.2001 aus und von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von voraussichtlich unter 10 vom Hundert (v.H.).

Im Ersten Rentengutachten, das Dr. St. auf Grund Untersuchung der Klägerin am 19.02.2003 erstattete, beschrieb er eine deutliche Bewegungseinschränkung im linken Schultergelenk mit Schmerzen, die die Klägerin erheblich behinderten, da sie Linkshänderin sei sowie eine druckempfindliche und hypersensible Narben- und Dellenbildung am linken distalen Unterschenkel bei freier Beweglichkeit der Gelenke und unauffälligem Knochengerüst. Die MdE beurteilte er für den Zeitraum vom 01.06.2001 bis 31.05.2003 mit 20 v.H. und danach bis zur Beendigung des dritten Jahres nach dem Unfall mit 10 v.H. Der von der Beklagten sodann hinzugezogene Orthopäde Dr. Ma. führte in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme aus, die im Gutachten des Dr. St. beschriebenen geringfügigen Funktionsstörungen der linken Schulter (vorwärts Heben bis 160° möglich) bedingten keine messbare MdE. Da auch im Juni/Juli 2001 nur eine "mäßige" Bewegungsstörung vorgelegen habe, sei auch die Einschätzung der MdE um 20 v.H. vom 01.06.2001 bis 31.05.2003 nicht nachvollziehbar. Ab dem Zeitpunkt des Wiedereintritts der Arbeitsfähigkeit habe seines Erachtens keine MdE in rentenberechtigendem Grade mehr vorgelegen.

Mit Bescheid vom 25.04.2003 lehnte die Beklagte die Gewährung von Verletztenrente sodann ab, weil die Erwerbsfähigkeit der Klägerin durch die Unfallfolgen nicht in einem rentenberechtigenden Grade gemindert sei. Im Widerspruchsverfahren legte die Klägerin das an ihre Bevollmächtigten gerichtete Schreiben des Dr. R. , Facharzt für Chirurgie im Kreiskrankenhaus Bad S. , vom 04.06.2003 vor, der im Hinblick auf die Geltendmachung haftpflichtbedingter Ersatzansprüche ab 01.02.2002 von einer MdE um 20 v.H. auf Dauer ausging. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.03.2004 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.

Dagegen hat die Klägerin am 19.03.2004 beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben und unter Bezugnahme auf das im Widerspruchsverfahren vorgelegte Schreiben des Dr. R. die Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. ab 01.06.2001 geltend gemacht.

Das SG hat das Gutachten des Dr. H. , Kommissarischer Leiter der Klinik für Orthopädie im Universitätsklinikum F. , auf Grund Untersuchungen vom 19.08. und 22.09.2004 eingeholt. Dieser ist unfallbedingt von einer leichten Bewegungseinschränkung des linken Schultergelenks sowie von einer Schwellneigung der Weichteile am linken Unterschenkel mit reizlosen Operationsnarben am linken Unterschenkel und Oberschenkel nach Hämatomausräumung und Hauttransplantation ausgegangen und hat die Unfallfolgen mit einer MdE um 20 v. H. (jeweils 10 v. H. für das linke Bein und die linke Schulter) bewertet.

Der Einschätzung des Sachverständigen Dr. H. ist die Beklagte unter Vorlage einer Stellungnahme des Unfallchirurgen Dr. M. entgegen getreten, der die Auffassung vertreten hat, dass weder die Unfallfolge im Bereich des linken Beines noch jene im Bereich der linken Schulter die Bewertung mit einer MdE um 10 v.H. rechtfertige, im Übrigen aber auch keine Addition der MdE-Werte vorgenommen werden dürfe.

Mit Urteil vom 03.11.2005 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 25.04.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.03.2004 gestützt auf das Gutachten des Dr. H. aufgehoben und die Beklagte verurteilt, eine leichte Bewegungseinschränkung des linken Schultergelenks, eine Schwellneigung der Weichteile am linken Unterschenkel mit reizlosen Operationsnarben am linken Unterschenkel und Oberschenkel nach Hämatomausräumung und Hauttransplantation als Folge des Versicherungsfalls vom 30.01.2001 anzuerkennen und der Klägerin Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren.

Gegen das ihr am 16.02.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 27.02.2006 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und unter Bezugnahme auf die erwähnte Stellungnahme des Dr. M. geltend gemacht, weder der Funktionsdefizit im Bereich der linken Schulter rechtfertigte die Bewertung mit einer MdE um 10 v.H. noch die Beeinträchtigungen von Seiten der Beinverletzung. Ungeachtet dessen sei auch die hieraus gebildete Gesamt-MdE fehlerhaft gebildet worden, da sich eine Addition verbiete.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 03.11.2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für richtig.

Der Senat hat die ergänzende Stellungnahme des Dr. H. eingeholt, der unter Auseinandersetzung mit den Einwendungen des Dr. M. an seiner zuvor getroffenen Einschätzung festgehalten hat. Hierzu hat die Beklagte eine beratungsärztliche Stellungnahme des Arztes für Chirurgie Dr. T. vorgelegt, nach dessen Auffassung sich weder im Hinblick auf die geringe Funktionseinschränkung im linken Schultergelenk noch bezüglich der geringfügigen Schwellneigung des linken Unterschenkels eine MdE messbaren Grades plausibel begründen lasse.

Der Senat hat sodann das Gutachten des Prof. Dr. L. , Leiter der Sektion für Schulter- und Ellenbogenchirurgie in der Orthopädischen Universitätsklinik H. , auf Grund Untersuchung der Klägerin vom 15.11.2006 eingeholt. Dieser hat unfallbedingt eine Bewegungseinschränkung und Bewegungsschmerzen mit Kraftminderung der rechten Schulter nach knöchern verheiltem Bruch des großen Oberarmhöckers beschrieben und diese mit einer MdE um 10 v.H. bewertet. Die im Bereich des linken Unterschenkels beschriebenen Beeinträchtigungen (ausgedehnte Narbenbildung im Bereich des linken Ober- und Unterschenkels, Blutumlaufstörungen linker Unterschenkel) hat er nur teilweise auf das Unfallereignis zurückgeführt. Da bei der Klägerin anlagebedingt eine Achsfehlstellung beider Kniegelenke und eine Erweiterung der Hautvenen vorliegt und sie sich bereits vor dem Unfall einen operativ behandelten Unterschenkelbruch zugezogen hatte seien Teile der Operationsnarben, die Blutumlaufstörung und die Schwellneigung sowohl auf anlagebedingte und vorbestehende Veränderungen als auch auf die Folgen des Unfalls vom 30.01.2001 zurückzuführen. Die Veränderungen im Bereich des linken Beines bewertete der Sachverständige mit einer MdE um 10 v.H., weil durch die Schwellneigung und die Blutumlaufstörungen eine verminderte Belastbarkeit bestehe. Die Gesamt-MdE bewertete er mit 20 v.H.

Im Hinblick auf die Beurteilung des Sachverständigen Prof. Dr. L. hat die Beklagte die weitere beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. T. vorgelegt, der ausgeführt hat, dass - entgegen der Annahme des Prof. Dr. L. - nicht von einer unfallbedingten Beeinträchtigung des venösen und/oder lymphatischen Gefäßsystems ausgegangen werden könne, da der venöse Rückstrom zu mehr als 90 % über das unfallbedingt nicht betroffene tiefe Beinvenensystem erfolge. Entsprechendes gelte für die Lymphgefäße, weshalb es unfallbedingt auch nicht zu einer nennenswerten Behinderung des Lymphabflusses gekommen sei. Eine MdE in messbarem Grade lasse sich insoweit daher nicht begründen. Zu den Einwendungen des Dr. T. hat der Senat die ergänzende Stellungnahme des Prof. Dr. L. eingeholt, der an seiner bisher vertretenen Auffassung festgehalten und im Hinblick auf die Unfallfolgen im Bereich des linken Beines bekräftigt hat, dass die durchgeführten Operationen mit Abtragung des toten Gewebes und plastischen Deckungen mit Hauttransplantaten sehr wohl den Abfluss der Zwischengewebsflüssigkeit aus den oberflächlichen und tiefen Hautschichten und dem ehemaligen Muskelgewebe beeinträchtige, was die Bemessung mit einer MdE um 10 v.H. rechtfertige. Hiergegen hat sich wiederum die Beklagte unter Vorlage einer neuerlichen beratungsärztlichen Stellungnahme des Dr. T. gewandt, der gleichermaßen an seiner bisher vertretenen Auffassung festgehalten hat.

Der Senat hat sodann das Gutachten des Prof. Dr. S. , Direktor der Klinik für Gefäß- und Thoraxchirurgie im Städtischen Klinikum K. , auf Grund Untersuchung der Klägerin vom 19.09.2007 eingeholt. Dieser hat die Auffassung vertreten, dass eine relevante Abflussstörung durch die eher kleine Narbe am linken Bein der Klägerin nicht zu erklären sei, es könne jedoch eine vorbestehende venöse Insuffizienz durch die Weichteilverletzung mit nachfolgender Hauttransplantation verschlimmert worden sein. Die im Wesentlichen aus der Schwellneigung resultierende Bewertung mit einer MdE um 10 v.H. sei überhöht.

Die Beteiligten haben sich über einstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig; die Berufung ist auch überwiegend begründet.

Das SG hätte die Beklagte nicht verurteilen dürfen, der Klägerin Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren. Denn der Bescheid der Beklagten vom 25.04.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.03.2004 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die gesundheitlichen Folgen des von der Klägerin am 30.01.2001 erlittenen Wegeunfalls rechtfertigen nämlich nicht die Bewertung mit einer MdE um 20 v.H. und erreichen damit kein rentenberechtigendes Ausmaß.

Darüber hinaus hätte das SG die Beklagte auch nicht verurteilen dürfen, die näher bezeichneten Unfallfolgen festzustellen. Zwar hat die Klägerin vor dem SG die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung von Unfallfolgen beantragt. Eine Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG hat sie damit aber nicht erheben wollen, weil es ihr gerade um die gerichtliche Feststellung der Unfallfolgen geht (vgl. zu der insoweit gleichgelagerten Konstellation der Verneinung einer Berufskrankheit Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 30/07 R). Entsprechend ist der Tenor des Urteils des SG neu zu fassen, wobei die Schwellneigung der Weichteile am linken Unterschenkel der Klägerin allerdings nicht als Unfallfolge festzustellen ist.

Rechtliche Grundlage für die von der Klägerin begehrte Feststellung der Unfallfolgen ist § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG, wonach mit der Klage die Feststellung begehrt werden kann, ob eine Gesundheitsstörung die Folge eines Arbeitsunfalles ist.

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3, 6 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII (zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt) ist danach in der Regel erforder¬lich (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17), dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung einer Verletztenrente (hierzu später).

Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Andernfalls ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Gab es neben der versicherten Ursache noch andere, konkurrierende Ursachen (im naturwissenschaftlichen Sinn), z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, sofern die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine überwiegende oder auch nur gleichwertige Bedeutung der versicherten gegenüber der konkurrierenden Ursache ist damit für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht Voraussetzung.

Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).

Zutreffend ist das Sozialgericht davon ausgegangen, dass die leichte Bewegungseinschränkung des linken Schultergelenks sowie die Operationsnarben im Bereich des linken Unterschenkels Folgen des Arbeitsunfalles vom 30.01.2001 sind. Dies bestreitet die Beklagte im Grunde auch nicht. Diese Unfallfolgen sind im Tenor des Urteils festzustellen. Demgegenüber ist die Schwellneigung der Weichteile am linken Unterschenkel der Klägerin nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ursächlich auf den angeschuldigten Unfall zurückzuführen, weshalb diese Gesundheitsstörung auch im Tenor des Urteils nicht als Unfallfolge festzustellen ist.

Auf der Grundlage der insoweit übereinstimmenden Gutachten des Dr. H. , des Prof. Dr. L. und des Prof. Dr. S. geht der Senat davon aus, dass bei der Klägerin im Bereich des linken Unterschenkels eine Schwellneigung besteht. So hat die Klägerin anlässlich ihrer gutachtlichen Untersuchungen jeweils über eine Schwellung im Bereich des linken Unterschenkels geklagt, die von den Sachverständigen inspektorisch und durch entsprechende Umfangmessungen objektiviert worden ist. Dabei hat Dr. H. Umfangmaße im Bereich des Unterschenkels von 41 cm linksseitig gegenüber 37 cm rechtsseitig (größter Umfang), Prof. Dr. L. ebenfalls von 41 cm linksseitig gegenüber 37 cm rechtsseitig (15 cm unterhalb der Kniescheibenmitte) und Prof Dr. S. von linksseitig 41,5 cm gegenüber 36 cm rechtsseitig (Wade) dokumentiert, wobei sich die linksseitige Umfangvermehrung allerdings nicht auf den Bereich des Unterschenkels beschränkt hat und sich vielmehr auch im Kniegelenk (Dr. H.: links 44 cm, rechts 41 cm; Prof. Dr. L.: links 43,5 cm, rechts 41,5 cm; Prof Dr. S.: links 46 cm, rechts 44 cm) gezeigt hat. Die insoweit bestehende Schwellneigung vermag der Senat nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die anlässlich des in Rede stehenden Unfalls erlittene Unterschenkelprellung, einschließlich der sich entwickelnden Nekrose mit nachfolgenden plastischen Deckungen zurückzuführen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin bereits vor dem Unfall vom 30.01.2001 an Beinschwellungen litt, derentwegen sie seinerzeit auch behandelt wurde. Diesbezüglich hat die Klägerin gegenüber dem Sachverständigen Dr. H. angegeben, wegen doppelseitigen Beinschwellungen wiederholt in der Hochrheinklinik Bad S. behandelt und im Hinblick auf einen Thromboseverdacht untersucht worden zu sein, Akkupunktur erhalten zu haben und mit Zinkleimverbänden versorgt worden zu sein. Vor diesem Hintergrund sind die Sachverständigen Dr. H. und Prof. Dr. L. zwar nicht davon ausgegangen, dass die Schwellneigung im Bereich des linken Unterschenkels im Sinne einer Entstehung auf die unfallbedingte Unterschenkelverletzung zurückzuführen ist, aufgrund der Angaben der Klägerin anlässlich ihrer Untersuchungen, wonach das linke Bein seit dem Unfall dicker sei als das rechte, haben sie jedoch übereinstimmend die Auffassung vertreten, dass durch die Unfallfolgen eine Verschlimmerung der vorbestehenden Schwellneigung eingetreten sei.

Diese Auffassung, die erstinstanzlich der Sachverständige Dr. H. vertreten hat, dem das SG sowie im Berufungsverfahren auch der Sachverständige Prof. Dr. L. gefolgt ist, teilt der Senat nicht. Dr. H. hat seine Auffassung ersichtlich im Wesentlichen auf die anamnestischen Angaben der Klägerin gestützt, nach denen es nach dem Unfall linksseitig zu einer Verstärkung der Schwellneigung gekommen sei. Nachdem er einen Zusammenhang mit der im Februar 1996 erlittenen Außenknöchelfraktur, die bis auf eine Operationsnarbe folgenlos ausgeheilt sei, ausgeschlossen hat, hat er in seinem Gutachten ohne weitere Begründung nämlich lediglich ausgeführt, die linksseitige Weichteilschwellung sei als weitere Unfallfolge zu werten, sofern sie stärker ausgeprägt sei als die am rechten Unterschenkel. Das bloße Fehlen einer anderen Ursache reicht für die Begründung eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Unfall und der Erkrankung jedoch nicht aus. Auch kann der ursächliche Zusammenhang im naturwissenschaftlichen Sinn nicht rein zeitlich mit den anamnestischen Angaben der Klägerin begründet werden. Es gibt keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache und einem rein zeitlichen Zusammenhang die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Denn bei komplexem Krankheitsgeschehen würde dies zu einer Beweislastumkehr führen. Der ursächliche Zusammenhang muss vielmehr sachlich-inhaltlich nachvollziehbar positiv festgestellt werden.

Mit hinreichender Wahrscheinlichkeit lässt sich ein derartiger Zusammenhang jedoch nicht feststellen. Soweit Prof. Dr. L. in seinem durch den Senat veranlassten Gutachten die Verschlimmerung der Schwellneigung im Bereich des linken Unterschenkels mit der ausgedehnten Weichteilverletzung begründet hat, durch die als typische Komplikation Blutumlaufstörungen aufgetreten seien, weil durch die Vernarbungen der venöse Rückstrom und der Lymphabfluss behindert werde, überzeugt diese Begründung nicht. Denn in seinem durch den Senat veranlassten gefäßchirurgisch-angiologischen Gutachten hat Prof. Dr. S. für den Senat schlüssig und überzeugend dargelegt, dass sich entgegen der von Prof. Dr. L. vertretenen Ansicht eine unfallbedingte Schwellneigung weder durch ein Phlebödem noch durch ein etwaiges Lymphödem erklären lässt. Dies hat er nachvollziehbar damit begründet, dass die Unfallverletzung lediglich zu einer eher oberflächlichen Nekrose geführt hat, die sich zudem an der Außenseite des Unterschenkels befand und damit weder das Abflussgebiet der Vena saphena magna beeinträchtigt haben kann, das an der medialen Innenseite des Unterschenkels lokalisiert ist, noch den lymphatischen Abfluss, der eher an der Innenseite des Unterschenkels lokalisiert ist. Vor dem Hintergrund einer vorbestehenden Umfangvermehrung beidseits hat es Prof Dr. S. zwar durchaus für möglich erachtet, dass sich eine vorbestehende venöse Insuffizienz durch die Weichteilverletzung mit nachfolgender Hauttransplantation verschlimmert hat, allerdings hat er auch die Möglichkeit gesehen, dass in der Zeit nach dem Unfall eine unbemerkte Unterschenkelvenenthrombose aufgetreten ist, was sich ex post jedoch nicht mehr beweisen lasse. Besondere Bedeutung ist von phlebologischer Seite jedoch dem weiteren Gesichtspunkt beigemessen, dass bei der Klägerin nur die fibulare Venengruppe, d.h. eine von drei gepaarten Unterschenkelvenen eindeutig durchlässig ist, während die beiden anderen nur teilweise funktionsfähig sind und sich nach den Ausführungen des Sachverständigen hiermit eine Schwellneigung auch unfallunabhängig erklären lässt. Damit stellt sich die von den am Verfahren beteiligten Gutachtern bzw. Sachverständigen angenommene unfallbedingte Verschlimmerung einer vorbestehenden Schwellneigung jedoch nur noch als Möglichkeit dar, ohne dass ein entsprechender Kausalzusammenhang hinreichend wahrscheinlich gemacht werden könnte. Entsprechend ist die Schwellneigung der Weichteile am linken Unterschenkel der Klägerin nicht als Unfallfolge festzustellen.

Rechtsgrundlage des Begehrens der Klägerin auf Verletztenrente ist § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Bei Verlust der Erwerbsfähigkeit wird Vollrente geleistet, bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit wird Teilrente in Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente geleistet, der dem Grad der MdE entspricht (§ 56 Abs. 3 SGB VII).

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Hat ein Arbeitsunfall Schäden an mehreren Körperteilen gebracht, so ist die MdE im Ganzen zu würdigen. Dabei ist entscheidend eine "Gesamtschau" der "Gesamteinwirkung" aller einzelnen Schäden auf die Erwerbsfähigkeit (BSG, Beschluss vom 24.11.1988, 2 BU 139/88 unter Hinweis auf Rechtsprechung zum Schwerbehindertenrecht). Dementsprechend sind mathematische Formeln kein rechtlich zulässiges oder gar gebotenes Beurteilungsmittel zur Feststellung der Gesamt-MdE (BSG, Urteil vom 15.03.1979, 9 RVs 6/77 in SozR 3870 § 3 Nr. 4), vielmehr muss bei der Gesamtbeurteilung bemessen werden, wie im Einzelfall die durch alle Störungen bedingten Funktionsausfälle, teilweise einander verstärkend, gemeinsam die Erwerbsfähigkeit beeinträchtigen (BSG, a. a. O.).

Unter Anwendung dieser Grundsätze rechtfertigen die bei der Klägerin als Folge des Ereignisses vom 30.01.2001 verbliebenen - im Tenor näher bezeichneten - Gesundheitsschäden im Bereich der linken Schulter und des linken Beines nicht die Bemessung mit einer MdE um wenigstens 20 v.H.

Im Hinblick auf die Ermittlung der MdE kann der Senat dahingestellt sein lassen, in welchem Ausmaß bei der Klägerin unfallbedingt Funktionseinschränkungen im linken Schultergelenk verblieben und mit welcher MdE diese zu bewerten sind, insbesondere ob diese entsprechend der übereinstimmenden Auffassung des Dr. St. , des Dr. H. und des Prof. Dr. L. eine MdE um 10 v.H. rechtfertigen oder angesichts ihrer verhältnismäßigen Geringfügigkeit im Sinne der Ansicht der von der Beklagten hinzugezogenen Beratungsärzte Dr. Ma. , Dr. M. und Dr. T. lediglich eine MdE um weniger als 10 v.H. bedingen. Denn vor dem Hintergrund des Umstandes, dass jedenfalls die Unfallfolgen im Bereich des linken Beines nicht die Bemessung mit einer MdE um wenigstens 10 v.H. rechtfertigen, kann im Rahmen einer Gesamtbeurteilung, die sowohl die Unfallfolgen im Bereich der linken Schulter als auch jene am linken Bein berücksichtigen, keine Gesamt-MdE in einem rentenberechtigendem Grade von wenigstens 20 v.H. erreicht werden. Die Unfallfolgen im Bereich der linken Schulter rechtfertigen nämlich allenfalls eine MdE um 10 v.H., jedoch keine darüber hinausgehende höhere Bewertung. Keiner der am Verfahren beteiligten Ärzte oder Sachverständigen hat dies in Betracht gezogen. Auch die Klägerin selbst hat insoweit keine höhere Einzelbewertung geltend gemacht.

Die Folgen der Unterschenkelverletzung der Klägerin rechtfertigen nach Überzeugung des Senats keine MdE um wenigstens 10 v.H. Von den insoweit festzustellenden reizlosen Operationsnarben am linken Unterschenkel und Oberschenkel nach Hämatomausräumung und Hauttransplantation im Bereich des linken Unterschenkels gehen keine Funktionsbeeinträchtigungen aus, die mit einer entsprechenden MdE bemessen werden könnten; diese Narben sind reizlos und verursachen keine Beschwerden. Hiervon sind sämtliche am Verfahren beteiligten Gutachter bzw. Sachverständigen ausgegangen. Soweit diese ihm Hinblick auf die Unfallfolgen im Bereich der linken unteren Extremität die Bemessung mit einer MdE um wenigstens 10 v.H. diskutiert haben, war dies allein Folge des Umstands, dass sie die insoweit bestehende Schwellneigung als (zumindest zum Teil) unfallbedingt angesehen haben, was nach den obigen Darlegungen jedoch nicht gerechtfertigt ist. Im Übrigen hat Prof. Dr. S. für die Schwellneigung links ohnehin keine MdE um 10 v.H., sondern lediglich eine MdE um 5 v.H. angesetzt. Damit wäre auch unabhängig von der Kausalitätsbeurteilung ein Rentenanspruch nicht zu begründen.

Da bei dieser Sachlage mit den Gesamtunfallfolgen keine MdE in einem rentenberechtigenden Grad erreicht wird, ist das Urteil des SG auch insoweit abzuändern, als die Beklagte zur Zahlung von Verletztenrente verpflichtet wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Da die Klägerin mit ihrem Begehren auf Feststellung von Unfallfolgen zum Teil erfolgreich war, entspricht es nach Auffassung des Senats der Billigkeit, die Beklagte mit einem Teil der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu belasten.

Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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