Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 4055/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 4229/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 24.07.2008 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der am 1970 geborene Kläger absolvierte nach Abschluss der Hauptschule am Sprachheilzentrum R. und Durchführung eines Berufsvorbereitungsjahres in der P. W. , Berufsbildungswerk für Gehörlose, Schwerhörige und Sprachbehinderte beim Internationalen Bund für Sozialarbeit - Jugendsozialwerk e. V. eine Ausbildung zum Bau- und Metallmaler, die er am 04.08.1992 als Fachwerker abschloss. Im Anschluss daran war er - mit Unterbrechungen durch Arbeitslosigkeit - bis zuletzt im September 2001 im Betrieb seines Vaters als Maler beschäftigt. Seitdem ist er arbeitslos, seit 01.01.2005 übt er eine geringfügige Beschäftigung in einem Umfang von zwei Stunden täglich in einer Getränkehandlung aus. Wegen der Einzelheiten wird auf die im Versicherungsverlauf vom 18.03.2005 festgestellten Zeiten Bezug genommen.
Am 27.01.2005 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. In dem im Auftrag der Beklagten erstatteten Gutachten beschrieb der Orthopäde Dr. Kn. eine statische Wirbelsäulenfehlhaltung und ein leichtes Wirbelgleiten im Lendenwirbelsäulensegment L5/S1 bei leptosomem Habitus und Rumpfmuskeldysbalance ohne Anhalt für das Vorliegen von wesentlichen Nervenwurzelreizzeichen, eine leichtgradige angeborene Intelligenzminderung und beginnende degenerative Veränderungen beider Hüftgelenke mit freier Beweglichkeit sowie nebenbefundlich einen langjährigen Nikotinkonsum, anamnestisch funktionelle Darmbeschwerden ohne organische Ursache, eine wiederkehrende Reizung eines oberflächlichen Hautnerven der rechten Leistenregion und eine stattgehabte Befreiungsoperation des Ellennerven links sowie des Mittelhandnerven links ohne Funktionsminderung. Der Kläger könne leichte Tätigkeiten unter Beachtung qualitativer Funktionseinschränkungen (keine besonderen Anforderungen an die Konzentrations- und Anpassungsfähigkeit, nur geistig nicht erheblich anspruchsvolle Arbeitsgänge, Tätigkeiten im Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen ohne häufiges Bücken und ohne häufige Zwangshaltungen sowie ohne häufiges Klettern oder Steigen sowie Knien oder Hocken) noch vollschichtig ausüben. Mit Bescheid vom 18.03.2005 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit der Begründung ab, er könne noch mindestens sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig sein. Nach Beiziehung weiterer ärztlicher Unterlagen, u. a. eines Entlassungsberichts des Dr. W. , Kreiskrankenhaus H. vom November 1996 (V.a. Colon irritabile, frühkindlicher Hirnschaden mit Intelligenzminderung, Lumbalskoliose) und eines Gutachtens des Psychologen B. für die Agentur für Arbeit R. (der Kläger habe im Betrieb seines Vaters "weichere Arbeitsbedingungen" vorgefunden, als dies sonst der Fall gewesen wäre, diese Überlegung werde wohl jeder potenzielle Arbeitgeber anstellen und dann entsprechende Eignungsbedenken entwickeln, hinzu kämen als weiteres Handicap die gesundheitlichen Einschränkungen von Seiten der Wirbelsäule; rein von der intellektuellen Leistungsfähigkeit her gesehen bringe der Kläger für einen Lagerverwaltungskurs der D. sicherlich ausreichende Eignungsvoraussetzungen mit, ansonsten wäre er auf einfache Helfertätigkeiten, z. B. als Pförtner, Hausmeister oder ähnliches zu verweisen) wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 03.11.2005 zurück.
Der Kläger hat am 28.11.2005 Klage zum Sozialgericht Reutlingen erhoben und geltend gemacht, die Beklagte habe die Intelligenzminderung nicht ausreichend berücksichtigt. Er sei auf Grund seiner intellektuellen und psychopathologischen Fähigkeiten nicht in der Lage, mit Schmerzzuständen richtig umzugehen.
Das Sozialgericht hat die behandelnden Ärzte, u. a. den Internisten Dr. S. (Minderbegabung und Beschwerden des Bewegungsapparats von Seiten der Wirbelsäule, der Schultern, Arme und des Nackens; das chronische Schmerzzustandsbild mit wechselnden Ausprägungen überfordere die intellektuellen Fähigkeiten des Klägers, er sei lediglich in der Lage, maximal drei Stunden täglich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten) schriftlich als sachverständige Zeugen gehört und ein Gutachten von dem Neurologen und Psychiater Dr. M. eingeholt. Dr. M. hat eine Minderbegabung mit Teilleistungsschwäche (Lese- und Rechtschreibschwäche) mit Minderung der höheren kognitiven Funktionen und einfach strukturierter Persönlichkeit sowie eine Schielstellung und Ptosis (Hängelid) links sowie eine leichteste Koordinationsstörung im Sinne einer frühkindlichen Hirnschädigung, eine Meralgia parästhetica rechts im Sinne einer Druckläsion des seitlichen Oberschenkelhautnervs im Bereich des Leistenbandes sowie einen Zustand nach mehreren Nervenengpass-Syndromen mit Verdacht auf eine Polyneuropathie mit Neigung zu Engpass-Syndromen (tomakulöse Polyneuropathie) diagnostiziert. Der zumindest partiell hilfsbedürftige Kläger sei nur längerfristig vollschichtig an einem behüteten Arbeitsplatz einsetzbar, z. B. durch eine Eingliederung in eine Werkstatt für Behinderte. Er sei auf Grund der geistigen Behinderung nicht in der Lage, wettbewerbsfähig am allgemeinen Arbeitsmarkt teilzunehmen, da seine geistigen Fähigkeiten einem Kind zwischen 10 und 14 Jahren gleichzusetzen seien. Diese Leistungseinschränkung sei seit der Jugend nachweisbar. Ohne den behüteten Arbeitsplatz im väterlichen Betrieb wäre er auch für die zurückliegende Zeit nicht als wettbewerbsfähig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt anzusehen. An qualitativen Einschränkungen sei zu berücksichtigen, dass der Kläger nur leichte Arbeiten ohne einseitige Belastungen, ohne Akkord- und Fließbandarbeiten, ohne Wechselschicht, Nachtschicht, Hitze, Kälte, Zugluft, Nässe, Lärm, Arbeiten im Freien, Einwirkungen von Staub, Gasen und Dämpfen, ohne besondere Verantwortung und ohne besondere geistige Beanspruchung durchführen könne.
Hierzu hat die Beklagte unter Vorlage von Stellungnahmen des Obermedizinalrats F. geltend gemacht, die Erwerbsminderung sei bereits ins Berufsleben eingebracht worden.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 24.07.2008 hat das Sozialgericht den Vater des Klägers, G. R. , als Zeugen vernommen. Dieser hat angegeben, der Kläger sei während der Tätigkeit in seinem Betrieb schon den ganzen Arbeitstag mit ihm unterwegs gewesen und habe die ganze Zeit mehr oder weniger gearbeitet, er habe ihn auch normal nach Tarif bezahlt. Man habe ihm aber immer genau sagen müssen, was er tun müsse, auch habe er längere Zeit gebraucht, als andere.
Mit Urteil vom 24.07.2008 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.02.2005 zu gewähren. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, der Kläger sei voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Entgegen der Auffassung der Beklagten und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 25.04.1990, 5 RJ 68/88) sei der Kläger nicht bereits bei Eintritt in das Erwerbsleben voll erwerbsgemindert gewesen, weshalb für den Rentenanspruch die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit von fünf Jahren ausreiche und damit die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt seien. Bei der Tätigkeit des Klägers im elterlichen Betrieb habe es sich nach den Ausführungen des Klägers und den glaubwürdigen Angaben des Zeugen R. um eine Tätigkeit gehandelt, die in ihrer Typizität dem allgemeinen Arbeitsmarkt bekannt sei und bei der sowohl Arbeitszeit wie auch Arbeitsentgelt über der Geringfügigkeitsgrenze gelegen hätten. Der Kläger habe im Betrieb seines Vaters alle Arbeiten verrichtet, die zur typischen Bandbreite des Malerberufs - jedenfalls in der Funktion als Hilfsarbeiter - zählten. Dass er immer wieder zunächst habe angeleitet werden müssen, führe unter Berücksichtigung der bereits zitierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu keiner anderen Bewertung. Die volle Erwerbsminderung ergebe sich im Zusammenwirken der - neu hinzu gekommenen bzw. sich verschlimmernden - körperlichen Beschwerden orthopädischer und neurologischer Art und der als eingebrachtes Leiden zu verstehenden Intelligenzminderung. Insgesamt bewirkten diese Störungen, wie Dr. S. und Dr. M. übereinstimmend bestätigt hätten, dass der Kläger einen Arbeitsalltag von mehr als drei Stunden nicht länger bewerkstelligen könne. Die Voraussetzungen für die Rente wegen voller Erwerbsminderung hätten jedenfalls zum Zeitpunkt der Antragstellung am 27.01.2005 vorgelegen, weshalb die Rente gemäß § 99 Abs. 1 SGB VI ab 01.02.2005 zu leisten sei. Sie sei auf Dauer zu gewähren, da die Behebung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nach den Ausführungen des Dr. M. als unwahrscheinlich anzusehen sei.
Gegen das am 22.08.2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 03.09.2008 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, die vom Sozialgericht herangezogene Rechtsprechung datiere aus einer Zeit, zu der die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten wirtschaftlich interpretiert worden sei, was bedeute, dass damals darauf abgehoben worden sei, ob die Arbeitsleistung wirtschaftlich im Sinne des Erzielens von "mehr als geringfügigen Einkünften" verwertbar gewesen sei. In Abkehr davon stelle § 43 SGB VI auf die Fähigkeit ab, "unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes" erwerbstätig zu sein. Dabei würden die "üblichen Bedingungen" nicht die Tätigkeit selbst, sondern die mit der Tätigkeit verbundene konkrete Ausgestaltung der Arbeit, wie sie in gesetzlichen Regelungen, Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen etc. zum Ausdruck komme, betreffen. Grundsätzlich sei zwar die tatsächliche Arbeitsleistung ein Beweismittel, das die vom Sachverständigen angenommene Erwerbsminderung widerlegen könne, dies gelte jedoch nicht, wenn die Arbeitsleistung nicht Ausdruck eines echten Leistungsvermögens sei. Dies sei vorliegend der Fall, weil ein ungewöhnliches Entgegenkommen des Arbeitgebers vorliege. Dem Kläger sei mehr Zeit für die anstehenden Arbeiten eingeräumt worden, er habe auch nicht den ganzen Tag durcharbeiten und nicht selbständig arbeiten können. Eine Stelle in einem anderen Malerbetrieb habe der Kläger nicht finden können. Bedenke man des Weiteren die im Bericht vom 22.11.1996 des Kreiskrankenhauses H. erwähnte deutliche Verlangsamung und die Einschätzung des Psychologen B. , wonach der Kläger im familiären Kontext "weichere Arbeitsbedingungen" vorgefunden habe und die Schlussfolgerung des Dr. M. , dass der Kläger ohne den behüteten Arbeitsplatz im väterlichen Betrieb auch in der zurückliegenden Zeit nicht wettbewerbsfähig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gewesen sei, sei die tatsächliche Ausübung von Arbeiten im väterlichen Betrieb nicht geeignet, die eindeutige Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Klägers durch den gerichtlichen Sachverständigen zu widerlegen. Damit habe der Kläger mangels Erfüllung der Wartezeit von 20 Jahren derzeit keinen Rentenanspruch.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 24.07.2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er macht geltend, die heute durch das Neunte Buch Sozialgesetzbuch und das Gleichbehandlungsgesetz zum Ausdruck kommende Auffassung könne nur den Schluss zulassen, dass Arbeitsplätze der Art seiner Tätigkeit im Betrieb seines Vaters "den üblichen Bedingungen" des Arbeitsmarktes durchaus entsprechen würden, nichts anderes meine ja die Integration von Behinderten. Es gebe viele Arbeitsplätze bei Fremdunternehmen - wenn auch nur als Hilfskraft -, wo so gearbeitet werde, wie er es bei seinem Vater getan habe.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass der Kläger einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung hat.
Der Kläger ist voll erwerbsgemindert.
Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung ist § 43 Abs. 2 SGB VI. Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - voll erwerbsgemindert und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist aber nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Hiervon besteht eine Ausnahme, wenn wegen einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung oder bei einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen und bei Vorliegen bestimmter, so genannter Katalogfälle die Benennung einer Verweisungstätigkeit nicht möglich ist. In diesen Fällen führen rein qualitative Einschränkungen selbst im Falle sechsstündigen Leistungsvermögens zur Annahme voller Erwerbsminderung (Großer Senat, Beschluss vom 19.12.1996, GS 2/95 in SozR 3-2600 § 44 Nr. 8).
Der Schwerpunkt der Gesundheitsbeeinträchtigungen des Klägers, welche für die Leistungseinschränkungen verantwortlich sind, liegt auf nervenärztlichem Fachgebiet. Der im erstinstanzlichen Verfahren gehörte Sachverständige Dr. M. hat insoweit eine Minderbegabung mit Teilleistungsschwäche (Lese- und Rechtschreibschwäche) mit Minderung der höheren kognitiven Funktionen und einfach strukturierter Persönlichkeit, eine Schielstellung und Ptosis links sowie eine leichteste Koordinationsstörung im Sinne einer frühkindlichen Hirnschädigung, außerdem eine Meralgia parästhetica rechts im Sinne einer Druckläsion des seitlichen Oberschenkelhautnervs im Bereich des Leistenbandes sowie einen Zustand nach mehreren Nervenengpass-Syndromen mit Verdacht auf eine Polyneuropathie mit Neigung zu Engpass-Syndromen diagnostiziert. Auf Grund der frühkindlichen Hirnschädigung sind - so überzeugend Dr. M. - die geistigen Fähigkeiten des Klägers einem Kind zwischen 10 und 14 Jahren gleich zu setzen. Wie Dr. M. dargelegt hat, haben sich funktionelle Einschränkungen bei der Untersuchung in Form einer sehr einfachen Sprache, wobei das Sprechen zähflüssig und deutlich verlangsamt gewesen ist, gezeigt. Das Denken ist sprunghaft und umständlich gewesen, selten etwas weitschweifig und es hat sich eine leichte Verlangsamung bei komplexen Fragen gezeigt, auch haben sich Verständnisprobleme und Konzentrationsstörungen während der Untersuchungssituation angedeutet. Der Kläger hat sich schnell ablenkbar und klinisch ein mäßiges Auffassungs- und wechselndes Durchhaltevermögen gezeigt. Für eine Beeinträchtigung der Intelligenz haben sich - so Dr. M. - bei der klinischen Prüfung von Überschau, Kritik und Realitätssicherheit immer wieder Hinweise ergeben. Komplexe Sachverhalte in Fragebogentests haben dem Kläger mehrmals erläutert werden müssen, auch haben sich Probleme beim Lesen der Wörter des Mehrfachwortwahltests gezeigt. Dabei hat sich - so Dr. M. - eine massive Verlangsamung gezeigt, wobei - so Dr. M. - eine Rechtschreibschwäche eindeutig dokumentiert ist und eine Teilleistungsschwäche im Sinne einer Legasthenie klinisch vermutet werden kann. Das Verhalten des Klägers im Rahmen der Untersuchung ist sehr einfach strukturiert und kindlich gewesen. Hinzu kommt, dass der Kläger wegen der Folgen der frühkindlichen Hirnschädigung, wie der behandelnde Internist Dr. S. beschrieben und Dr. M. in seinem Gutachten wiederholt hat, mit Beschwerden durch organisch bedingte Störungen (Nervenengpass-Syndrome, Wirbelsäulenbeschwerden) nicht sinnvoll umgehen kann und auf diese Beschwerden entsprechend einem 10 bis 14-jährigen Kind fixiert ist. Die frühkindliche Hirnschädigung und die hieraus folgenden Leistungseinschränkungen hat der Kläger bereits in das Erwerbsleben eingebracht, wobei - wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat - auf Grund der hinzugetretenen organischen Störungen in Zusammenwirken mit den fehlenden Kompensationsmöglichkeiten des Klägers eine weitere Verschlechterung der Leistungsfähigkeit des Klägers eingetreten ist.
Selbst wenn allerdings - so die überzeugenden Ausführungen des Dr. M. und ihm folgend auch die Beklagte - davon ausgegangen wird, dass der Kläger auf Grund der frühkindlichen Hirnschädigung bereits seit der Jugend vollschichtig nur an einem behüteten Arbeitsplatz, wie dies im Betrieb des Vaters gegeben war, leistungsfähig war, rechtfertigt dies nicht den von der Beklagten gezogenen Schluss, dass zur Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Rentenanspruch des Klägers nicht die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren, sondern nach § 43 Abs. 6 SGB VI in Verbindung mit § 50 Abs. 2 SGB VI die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt sein muss. Vielmehr geht der Senat davon aus, dass trotz der unveränderten funktionellen Einschränkungen auf Grund der frühkindlichen Hirnschädigung anfänglich Erwerbsfähigkeit bestand, die aber mit Wegfall des Arbeitsplatzes bei dem Vater des Klägers entfallen ist.
Berücksichtigung finden muss, dass der Kläger seine Tätigkeit bei seinem Vater, wie auch der Sachverständige Dr. M. dargelegt hat, nur in einer für ihn geschaffenen besonderen "behüteten Arbeitsumgebung" verrichten konnte. Insoweit ist, wie das Sozialgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 25.04.1990, 5 RJ 68/88 in SozR 3-2200 § 1247 Nr. 3) bei Versicherten, die - wie der Kläger - über Jahre hinweg eine tatsächliche Arbeitsleistung in einer Tätigkeit erbracht haben, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt anzutreffen ist und zu erwerbswirtschaftlichen Zwecken benutzt wird, sowie entsprechend entlohnt worden sind, regelmäßig von Erwerbsfähigkeit auszugehen, wenn nicht besondere Umstände vorliegen. Letztere sind hier zu verneinen. Dass der Kläger den Arbeitsplatz auf Grund der persönlichen Verbindung zu seinem Vater erhielt, begründet keinen besonderen Umstand, denn dies teilt der Kläger mit vielen Versicherten, die heutzutage Arbeitsplätze inne haben. Ebenfalls unerheblich ist, wenn - worauf im Fall des Klägers vieles deutet - die Arbeitsleistung hinter dem Normalmaß qualitativ und quantitativ zurückbleibt (BSG, a. a. O.). Schließlich ist gleichfalls unerheblich (BSG, a. a. O.), dass die Tätigkeit des Klägers als behindertem Menschen unter Zuhilfenahme einer spezifischen, auf seine individuelle Behinderung zugeschnittenen Unterstützung in Form von Anleitung, Zuspruch, freundlicher Umgebung und fehlendem Zeitdruck verrichtet wurde und - nach Einschätzung des Sachverständigen Dr. M. - auch nur mittels einer solchen verrichtet werden konnte und kann. Denn wenn diese Unterstützung geeignet ist, das beim behinderten Menschen durch seine Behinderung hervorgerufene, gegenüber einem gleichartig tätigen nicht behinderten Menschen bestehende Leistungsdefizit auszugleichen, so ist der behinderte Mensch in dieser unterstützten Tätigkeit grundsätzlich nicht anders einzustufen als ein nicht behinderter Mensch bei derselben Art der Tätigkeit. Es macht hierbei keinen Unterschied, ob die verwendeten Mittel sachlicher, insbesondere technischer Art sind oder ob sie - wie im Fall des Klägers - personalen Charakter haben (BSG, a. a. O.). Der Kläger verrichtete im Rahmen dieser "beschützenden Arbeitsumgebung" Arbeiten von wirtschaftlichem Wert. Der Kläger war nach den Angaben seines Vaters, die die Beklagte auch nicht angezweifelt hat, in Vollzeit mit Helfertätigkeiten in dem Malerbetrieb des Vaters beschäftigt, wobei er - wenn auch unter enger Anleitung und langsamer als andere - Tapeten anbrachte, Fenster strich und Helfertätigkeiten für den Vater ausübte. Hierbei handelte es sich um Tätigkeiten, die der Kläger in seiner Ausbildung zum Bau- und Metallmaler erlernt hatte und die in der Arbeitswelt tatsächlich vorkommen. Für diese Tätigkeit wurde der Kläger - so die glaubhaften Angaben seines Vaters - auch tariflich entlohnt.
Seit dem Wegfall der "beschützenden Arbeitsumgebung" mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.09.2001 und dem Fehlen eines konkreten Arbeitsplatzangebots, das eine vergleichbare Unterstützung bietet, ist der Kläger voll erwerbsgemindert. Denn nunmehr ist der Kläger nicht mehr in der Lage, seine frühere oder eine vergleichbare leichte Tätigkeit vollschichtig zu verrichten. Ein Arbeitsplatz mit einer ähnlichen personalen Unterstützung kann, wie auch in den Entscheidungen des BSG vom 25.04.1990 (a. a. O.), vom 21.02.1989 (4 RJ 121/79 in SozR 2200 § 1247 Nr. 30) und vom 29.09.1980 (4 RJ 121/79 in SozR 2200 § 1247 Nr. 30) zu Grunde liegenden Fällen, entgegen der Auffassung des Klägers nicht als selbstverständlich angesehen werden. Eine konkrete Tätigkeit, auf die der Kläger verwiesen werden könnte, ist weder von der Beklagten benannt worden noch sonst ersichtlich.
Entgegen der Auffassung der Beklagten haben, soweit § 43 Abs. 3 SGB VI für die Frage einer Erwerbsminderung auf die üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes abstellt, die hierzu (noch zu § 1247 Abs. 2 RVO) von der Rechtsprechung des BSG herausgearbeiteten Grundsätze weiterhin Gültigkeit (BSG, Beschluss vom 27.02.2003, B 13 RJ 215/02 B). Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht erst seit der Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit maßgebend. Schon nach altem Recht war die Arbeitsmarktsituation von ausschlaggebender Bedeutung. Denn hierauf gründete die Rechtsprechung zur konkreten Betrachtungsweise mit den Benennungspflichten, insbesondere der sogenannte Katalogfall Nr. 1, bei dem gerade maßgebend war und ist, dass eine Vollzeittätigkeit zwar noch ausgeübt werden kann, aber nicht unter den in Betrieben üblichen Bedingungen (vgl. beispielsweise die Entscheidung des BSG, Großer Senat vom 19.12.1996, GS 2/95 in SozR 3-2600 § 44 Nr. 8). Maßgebend waren und sind die das Anforderungsprofil bestimmenden Merkmale einer beruflichen Tätigkeit (BSG, a. a. O.). Eine Änderung der Rechtslage ist insoweit nicht eingetreten, hiervon ging auch der Gesetzgeber aus, der gerade im Hinblick auf diesen Passus auf die bisherige Rechtsprechung verwiesen hat (Bundestagsdrucksache 14/4230 S. 25 zu Nr. 10). Dies bedeutet, dass wenn ein Versicherter nicht unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein kann, die Benennungspflicht greift. Kann eine Tätigkeit benannt werden oder hat der Versicherte einen entsprechenden Arbeitsplatz inne, liegt keine rentenberechtigende Erwerbsminderung vor, andernfalls schon. Fällt der inne gehaltene Arbeitsplatz - wie vorliegend - weg, tritt dementsprechend eine Erwerbsminderung ein.
Soweit die Beklagte außerdem geltend macht, der Kläger sei nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen im erstinstanzlichen Verfahren schon bei Eintritt in die Versicherung nicht in der Lage gewesen, mindestens drei Stunden täglich zu arbeiten, weshalb kein Fall einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung oder Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliege, bei dem der Versicherte an sich noch sechs Stunden täglich arbeiten könne, ist diese Auffassung nicht nachvollziehbar. Denn aus den medizinischen Ermittlungen im erstinstanzlichen Verfahren lässt sich eine solche quantitative Leistungsminderung nicht ableiten. Der im erstinstanzlichen Verfahren gehörte Sachverständige Dr. M. hat vielmehr dargelegt, dass der Kläger an einem behüteten Arbeitsplatz, z. B. in einer Werkstatt für Behinderte, auch weiterhin vollschichtig einsetzbar ist. Im Übrigen ist diese Auffassung der Beklagten bereits dadurch widerlegt, dass der Kläger sowohl die Ausbildung zum Fachwerker erfolgreich abgeschlossen als auch tatsächlich in Vollzeit im Betrieb seines Vaters gearbeitet hat. Die Hirnschädigung des Klägers bedingt damit keine quantitative Einschränkung der Leistungsfähigkeit, sondern erfordert vielmehr besondere, behütete Arbeitsplatzbedingungen. Damit liegt gerade ein Fall einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung vor, die mangels Vorhandensein bzw. Benennung eines konkreten Arbeitsplatzes - wie bereits oben dargelegt - zum Vorliegen von Erwerbsminderung führt.
Zum Zeitpunkt des Arbeitsplatzverlustes waren auch, wie sich aus dem Versicherungsverlauf vom 18.03.2005 ergibt, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 SGB VI (drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren; Erfüllung der allgemeinen Wartezeit) erfüllt.
Die Rente ist nach § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI als Dauerrente zu gewähren. Die Unfähigkeit des Klägers, erwerbstätig zu sein, beruht nicht auf der Schwankungen unterworfenen jeweiligen Lage des Arbeitsmarktes, sondern auf dem Fehlen von Verweisungstätigkeiten, die der Kläger mit seinem körperlichen Leistungsvermögen unter Berücksichtigung der Notwendigkeit einer "beschützenden Arbeitsumgebung" noch verrichten könnte (vgl. BSG, Urteil vom 10.12.2003, B 5 RJ 64/02 R in SozR 4-2600 § 44 Nr. 1). Die Rente beginnt, auch unter Berücksichtigung der Rentenantragstellung (§ 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI) zu keinem späteren Zeitpunkt als dem 01.02.2005, wie vom Sozialgericht ausgesprochen.
Da der Rentenanspruch im ausgesprochenen Umfang besteht, ist die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der am 1970 geborene Kläger absolvierte nach Abschluss der Hauptschule am Sprachheilzentrum R. und Durchführung eines Berufsvorbereitungsjahres in der P. W. , Berufsbildungswerk für Gehörlose, Schwerhörige und Sprachbehinderte beim Internationalen Bund für Sozialarbeit - Jugendsozialwerk e. V. eine Ausbildung zum Bau- und Metallmaler, die er am 04.08.1992 als Fachwerker abschloss. Im Anschluss daran war er - mit Unterbrechungen durch Arbeitslosigkeit - bis zuletzt im September 2001 im Betrieb seines Vaters als Maler beschäftigt. Seitdem ist er arbeitslos, seit 01.01.2005 übt er eine geringfügige Beschäftigung in einem Umfang von zwei Stunden täglich in einer Getränkehandlung aus. Wegen der Einzelheiten wird auf die im Versicherungsverlauf vom 18.03.2005 festgestellten Zeiten Bezug genommen.
Am 27.01.2005 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. In dem im Auftrag der Beklagten erstatteten Gutachten beschrieb der Orthopäde Dr. Kn. eine statische Wirbelsäulenfehlhaltung und ein leichtes Wirbelgleiten im Lendenwirbelsäulensegment L5/S1 bei leptosomem Habitus und Rumpfmuskeldysbalance ohne Anhalt für das Vorliegen von wesentlichen Nervenwurzelreizzeichen, eine leichtgradige angeborene Intelligenzminderung und beginnende degenerative Veränderungen beider Hüftgelenke mit freier Beweglichkeit sowie nebenbefundlich einen langjährigen Nikotinkonsum, anamnestisch funktionelle Darmbeschwerden ohne organische Ursache, eine wiederkehrende Reizung eines oberflächlichen Hautnerven der rechten Leistenregion und eine stattgehabte Befreiungsoperation des Ellennerven links sowie des Mittelhandnerven links ohne Funktionsminderung. Der Kläger könne leichte Tätigkeiten unter Beachtung qualitativer Funktionseinschränkungen (keine besonderen Anforderungen an die Konzentrations- und Anpassungsfähigkeit, nur geistig nicht erheblich anspruchsvolle Arbeitsgänge, Tätigkeiten im Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen ohne häufiges Bücken und ohne häufige Zwangshaltungen sowie ohne häufiges Klettern oder Steigen sowie Knien oder Hocken) noch vollschichtig ausüben. Mit Bescheid vom 18.03.2005 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit der Begründung ab, er könne noch mindestens sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig sein. Nach Beiziehung weiterer ärztlicher Unterlagen, u. a. eines Entlassungsberichts des Dr. W. , Kreiskrankenhaus H. vom November 1996 (V.a. Colon irritabile, frühkindlicher Hirnschaden mit Intelligenzminderung, Lumbalskoliose) und eines Gutachtens des Psychologen B. für die Agentur für Arbeit R. (der Kläger habe im Betrieb seines Vaters "weichere Arbeitsbedingungen" vorgefunden, als dies sonst der Fall gewesen wäre, diese Überlegung werde wohl jeder potenzielle Arbeitgeber anstellen und dann entsprechende Eignungsbedenken entwickeln, hinzu kämen als weiteres Handicap die gesundheitlichen Einschränkungen von Seiten der Wirbelsäule; rein von der intellektuellen Leistungsfähigkeit her gesehen bringe der Kläger für einen Lagerverwaltungskurs der D. sicherlich ausreichende Eignungsvoraussetzungen mit, ansonsten wäre er auf einfache Helfertätigkeiten, z. B. als Pförtner, Hausmeister oder ähnliches zu verweisen) wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 03.11.2005 zurück.
Der Kläger hat am 28.11.2005 Klage zum Sozialgericht Reutlingen erhoben und geltend gemacht, die Beklagte habe die Intelligenzminderung nicht ausreichend berücksichtigt. Er sei auf Grund seiner intellektuellen und psychopathologischen Fähigkeiten nicht in der Lage, mit Schmerzzuständen richtig umzugehen.
Das Sozialgericht hat die behandelnden Ärzte, u. a. den Internisten Dr. S. (Minderbegabung und Beschwerden des Bewegungsapparats von Seiten der Wirbelsäule, der Schultern, Arme und des Nackens; das chronische Schmerzzustandsbild mit wechselnden Ausprägungen überfordere die intellektuellen Fähigkeiten des Klägers, er sei lediglich in der Lage, maximal drei Stunden täglich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten) schriftlich als sachverständige Zeugen gehört und ein Gutachten von dem Neurologen und Psychiater Dr. M. eingeholt. Dr. M. hat eine Minderbegabung mit Teilleistungsschwäche (Lese- und Rechtschreibschwäche) mit Minderung der höheren kognitiven Funktionen und einfach strukturierter Persönlichkeit sowie eine Schielstellung und Ptosis (Hängelid) links sowie eine leichteste Koordinationsstörung im Sinne einer frühkindlichen Hirnschädigung, eine Meralgia parästhetica rechts im Sinne einer Druckläsion des seitlichen Oberschenkelhautnervs im Bereich des Leistenbandes sowie einen Zustand nach mehreren Nervenengpass-Syndromen mit Verdacht auf eine Polyneuropathie mit Neigung zu Engpass-Syndromen (tomakulöse Polyneuropathie) diagnostiziert. Der zumindest partiell hilfsbedürftige Kläger sei nur längerfristig vollschichtig an einem behüteten Arbeitsplatz einsetzbar, z. B. durch eine Eingliederung in eine Werkstatt für Behinderte. Er sei auf Grund der geistigen Behinderung nicht in der Lage, wettbewerbsfähig am allgemeinen Arbeitsmarkt teilzunehmen, da seine geistigen Fähigkeiten einem Kind zwischen 10 und 14 Jahren gleichzusetzen seien. Diese Leistungseinschränkung sei seit der Jugend nachweisbar. Ohne den behüteten Arbeitsplatz im väterlichen Betrieb wäre er auch für die zurückliegende Zeit nicht als wettbewerbsfähig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt anzusehen. An qualitativen Einschränkungen sei zu berücksichtigen, dass der Kläger nur leichte Arbeiten ohne einseitige Belastungen, ohne Akkord- und Fließbandarbeiten, ohne Wechselschicht, Nachtschicht, Hitze, Kälte, Zugluft, Nässe, Lärm, Arbeiten im Freien, Einwirkungen von Staub, Gasen und Dämpfen, ohne besondere Verantwortung und ohne besondere geistige Beanspruchung durchführen könne.
Hierzu hat die Beklagte unter Vorlage von Stellungnahmen des Obermedizinalrats F. geltend gemacht, die Erwerbsminderung sei bereits ins Berufsleben eingebracht worden.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 24.07.2008 hat das Sozialgericht den Vater des Klägers, G. R. , als Zeugen vernommen. Dieser hat angegeben, der Kläger sei während der Tätigkeit in seinem Betrieb schon den ganzen Arbeitstag mit ihm unterwegs gewesen und habe die ganze Zeit mehr oder weniger gearbeitet, er habe ihn auch normal nach Tarif bezahlt. Man habe ihm aber immer genau sagen müssen, was er tun müsse, auch habe er längere Zeit gebraucht, als andere.
Mit Urteil vom 24.07.2008 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.02.2005 zu gewähren. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, der Kläger sei voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Entgegen der Auffassung der Beklagten und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 25.04.1990, 5 RJ 68/88) sei der Kläger nicht bereits bei Eintritt in das Erwerbsleben voll erwerbsgemindert gewesen, weshalb für den Rentenanspruch die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit von fünf Jahren ausreiche und damit die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt seien. Bei der Tätigkeit des Klägers im elterlichen Betrieb habe es sich nach den Ausführungen des Klägers und den glaubwürdigen Angaben des Zeugen R. um eine Tätigkeit gehandelt, die in ihrer Typizität dem allgemeinen Arbeitsmarkt bekannt sei und bei der sowohl Arbeitszeit wie auch Arbeitsentgelt über der Geringfügigkeitsgrenze gelegen hätten. Der Kläger habe im Betrieb seines Vaters alle Arbeiten verrichtet, die zur typischen Bandbreite des Malerberufs - jedenfalls in der Funktion als Hilfsarbeiter - zählten. Dass er immer wieder zunächst habe angeleitet werden müssen, führe unter Berücksichtigung der bereits zitierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu keiner anderen Bewertung. Die volle Erwerbsminderung ergebe sich im Zusammenwirken der - neu hinzu gekommenen bzw. sich verschlimmernden - körperlichen Beschwerden orthopädischer und neurologischer Art und der als eingebrachtes Leiden zu verstehenden Intelligenzminderung. Insgesamt bewirkten diese Störungen, wie Dr. S. und Dr. M. übereinstimmend bestätigt hätten, dass der Kläger einen Arbeitsalltag von mehr als drei Stunden nicht länger bewerkstelligen könne. Die Voraussetzungen für die Rente wegen voller Erwerbsminderung hätten jedenfalls zum Zeitpunkt der Antragstellung am 27.01.2005 vorgelegen, weshalb die Rente gemäß § 99 Abs. 1 SGB VI ab 01.02.2005 zu leisten sei. Sie sei auf Dauer zu gewähren, da die Behebung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nach den Ausführungen des Dr. M. als unwahrscheinlich anzusehen sei.
Gegen das am 22.08.2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 03.09.2008 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, die vom Sozialgericht herangezogene Rechtsprechung datiere aus einer Zeit, zu der die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten wirtschaftlich interpretiert worden sei, was bedeute, dass damals darauf abgehoben worden sei, ob die Arbeitsleistung wirtschaftlich im Sinne des Erzielens von "mehr als geringfügigen Einkünften" verwertbar gewesen sei. In Abkehr davon stelle § 43 SGB VI auf die Fähigkeit ab, "unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes" erwerbstätig zu sein. Dabei würden die "üblichen Bedingungen" nicht die Tätigkeit selbst, sondern die mit der Tätigkeit verbundene konkrete Ausgestaltung der Arbeit, wie sie in gesetzlichen Regelungen, Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen etc. zum Ausdruck komme, betreffen. Grundsätzlich sei zwar die tatsächliche Arbeitsleistung ein Beweismittel, das die vom Sachverständigen angenommene Erwerbsminderung widerlegen könne, dies gelte jedoch nicht, wenn die Arbeitsleistung nicht Ausdruck eines echten Leistungsvermögens sei. Dies sei vorliegend der Fall, weil ein ungewöhnliches Entgegenkommen des Arbeitgebers vorliege. Dem Kläger sei mehr Zeit für die anstehenden Arbeiten eingeräumt worden, er habe auch nicht den ganzen Tag durcharbeiten und nicht selbständig arbeiten können. Eine Stelle in einem anderen Malerbetrieb habe der Kläger nicht finden können. Bedenke man des Weiteren die im Bericht vom 22.11.1996 des Kreiskrankenhauses H. erwähnte deutliche Verlangsamung und die Einschätzung des Psychologen B. , wonach der Kläger im familiären Kontext "weichere Arbeitsbedingungen" vorgefunden habe und die Schlussfolgerung des Dr. M. , dass der Kläger ohne den behüteten Arbeitsplatz im väterlichen Betrieb auch in der zurückliegenden Zeit nicht wettbewerbsfähig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gewesen sei, sei die tatsächliche Ausübung von Arbeiten im väterlichen Betrieb nicht geeignet, die eindeutige Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Klägers durch den gerichtlichen Sachverständigen zu widerlegen. Damit habe der Kläger mangels Erfüllung der Wartezeit von 20 Jahren derzeit keinen Rentenanspruch.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 24.07.2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er macht geltend, die heute durch das Neunte Buch Sozialgesetzbuch und das Gleichbehandlungsgesetz zum Ausdruck kommende Auffassung könne nur den Schluss zulassen, dass Arbeitsplätze der Art seiner Tätigkeit im Betrieb seines Vaters "den üblichen Bedingungen" des Arbeitsmarktes durchaus entsprechen würden, nichts anderes meine ja die Integration von Behinderten. Es gebe viele Arbeitsplätze bei Fremdunternehmen - wenn auch nur als Hilfskraft -, wo so gearbeitet werde, wie er es bei seinem Vater getan habe.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass der Kläger einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung hat.
Der Kläger ist voll erwerbsgemindert.
Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung ist § 43 Abs. 2 SGB VI. Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - voll erwerbsgemindert und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist aber nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Hiervon besteht eine Ausnahme, wenn wegen einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung oder bei einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen und bei Vorliegen bestimmter, so genannter Katalogfälle die Benennung einer Verweisungstätigkeit nicht möglich ist. In diesen Fällen führen rein qualitative Einschränkungen selbst im Falle sechsstündigen Leistungsvermögens zur Annahme voller Erwerbsminderung (Großer Senat, Beschluss vom 19.12.1996, GS 2/95 in SozR 3-2600 § 44 Nr. 8).
Der Schwerpunkt der Gesundheitsbeeinträchtigungen des Klägers, welche für die Leistungseinschränkungen verantwortlich sind, liegt auf nervenärztlichem Fachgebiet. Der im erstinstanzlichen Verfahren gehörte Sachverständige Dr. M. hat insoweit eine Minderbegabung mit Teilleistungsschwäche (Lese- und Rechtschreibschwäche) mit Minderung der höheren kognitiven Funktionen und einfach strukturierter Persönlichkeit, eine Schielstellung und Ptosis links sowie eine leichteste Koordinationsstörung im Sinne einer frühkindlichen Hirnschädigung, außerdem eine Meralgia parästhetica rechts im Sinne einer Druckläsion des seitlichen Oberschenkelhautnervs im Bereich des Leistenbandes sowie einen Zustand nach mehreren Nervenengpass-Syndromen mit Verdacht auf eine Polyneuropathie mit Neigung zu Engpass-Syndromen diagnostiziert. Auf Grund der frühkindlichen Hirnschädigung sind - so überzeugend Dr. M. - die geistigen Fähigkeiten des Klägers einem Kind zwischen 10 und 14 Jahren gleich zu setzen. Wie Dr. M. dargelegt hat, haben sich funktionelle Einschränkungen bei der Untersuchung in Form einer sehr einfachen Sprache, wobei das Sprechen zähflüssig und deutlich verlangsamt gewesen ist, gezeigt. Das Denken ist sprunghaft und umständlich gewesen, selten etwas weitschweifig und es hat sich eine leichte Verlangsamung bei komplexen Fragen gezeigt, auch haben sich Verständnisprobleme und Konzentrationsstörungen während der Untersuchungssituation angedeutet. Der Kläger hat sich schnell ablenkbar und klinisch ein mäßiges Auffassungs- und wechselndes Durchhaltevermögen gezeigt. Für eine Beeinträchtigung der Intelligenz haben sich - so Dr. M. - bei der klinischen Prüfung von Überschau, Kritik und Realitätssicherheit immer wieder Hinweise ergeben. Komplexe Sachverhalte in Fragebogentests haben dem Kläger mehrmals erläutert werden müssen, auch haben sich Probleme beim Lesen der Wörter des Mehrfachwortwahltests gezeigt. Dabei hat sich - so Dr. M. - eine massive Verlangsamung gezeigt, wobei - so Dr. M. - eine Rechtschreibschwäche eindeutig dokumentiert ist und eine Teilleistungsschwäche im Sinne einer Legasthenie klinisch vermutet werden kann. Das Verhalten des Klägers im Rahmen der Untersuchung ist sehr einfach strukturiert und kindlich gewesen. Hinzu kommt, dass der Kläger wegen der Folgen der frühkindlichen Hirnschädigung, wie der behandelnde Internist Dr. S. beschrieben und Dr. M. in seinem Gutachten wiederholt hat, mit Beschwerden durch organisch bedingte Störungen (Nervenengpass-Syndrome, Wirbelsäulenbeschwerden) nicht sinnvoll umgehen kann und auf diese Beschwerden entsprechend einem 10 bis 14-jährigen Kind fixiert ist. Die frühkindliche Hirnschädigung und die hieraus folgenden Leistungseinschränkungen hat der Kläger bereits in das Erwerbsleben eingebracht, wobei - wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat - auf Grund der hinzugetretenen organischen Störungen in Zusammenwirken mit den fehlenden Kompensationsmöglichkeiten des Klägers eine weitere Verschlechterung der Leistungsfähigkeit des Klägers eingetreten ist.
Selbst wenn allerdings - so die überzeugenden Ausführungen des Dr. M. und ihm folgend auch die Beklagte - davon ausgegangen wird, dass der Kläger auf Grund der frühkindlichen Hirnschädigung bereits seit der Jugend vollschichtig nur an einem behüteten Arbeitsplatz, wie dies im Betrieb des Vaters gegeben war, leistungsfähig war, rechtfertigt dies nicht den von der Beklagten gezogenen Schluss, dass zur Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Rentenanspruch des Klägers nicht die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren, sondern nach § 43 Abs. 6 SGB VI in Verbindung mit § 50 Abs. 2 SGB VI die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt sein muss. Vielmehr geht der Senat davon aus, dass trotz der unveränderten funktionellen Einschränkungen auf Grund der frühkindlichen Hirnschädigung anfänglich Erwerbsfähigkeit bestand, die aber mit Wegfall des Arbeitsplatzes bei dem Vater des Klägers entfallen ist.
Berücksichtigung finden muss, dass der Kläger seine Tätigkeit bei seinem Vater, wie auch der Sachverständige Dr. M. dargelegt hat, nur in einer für ihn geschaffenen besonderen "behüteten Arbeitsumgebung" verrichten konnte. Insoweit ist, wie das Sozialgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 25.04.1990, 5 RJ 68/88 in SozR 3-2200 § 1247 Nr. 3) bei Versicherten, die - wie der Kläger - über Jahre hinweg eine tatsächliche Arbeitsleistung in einer Tätigkeit erbracht haben, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt anzutreffen ist und zu erwerbswirtschaftlichen Zwecken benutzt wird, sowie entsprechend entlohnt worden sind, regelmäßig von Erwerbsfähigkeit auszugehen, wenn nicht besondere Umstände vorliegen. Letztere sind hier zu verneinen. Dass der Kläger den Arbeitsplatz auf Grund der persönlichen Verbindung zu seinem Vater erhielt, begründet keinen besonderen Umstand, denn dies teilt der Kläger mit vielen Versicherten, die heutzutage Arbeitsplätze inne haben. Ebenfalls unerheblich ist, wenn - worauf im Fall des Klägers vieles deutet - die Arbeitsleistung hinter dem Normalmaß qualitativ und quantitativ zurückbleibt (BSG, a. a. O.). Schließlich ist gleichfalls unerheblich (BSG, a. a. O.), dass die Tätigkeit des Klägers als behindertem Menschen unter Zuhilfenahme einer spezifischen, auf seine individuelle Behinderung zugeschnittenen Unterstützung in Form von Anleitung, Zuspruch, freundlicher Umgebung und fehlendem Zeitdruck verrichtet wurde und - nach Einschätzung des Sachverständigen Dr. M. - auch nur mittels einer solchen verrichtet werden konnte und kann. Denn wenn diese Unterstützung geeignet ist, das beim behinderten Menschen durch seine Behinderung hervorgerufene, gegenüber einem gleichartig tätigen nicht behinderten Menschen bestehende Leistungsdefizit auszugleichen, so ist der behinderte Mensch in dieser unterstützten Tätigkeit grundsätzlich nicht anders einzustufen als ein nicht behinderter Mensch bei derselben Art der Tätigkeit. Es macht hierbei keinen Unterschied, ob die verwendeten Mittel sachlicher, insbesondere technischer Art sind oder ob sie - wie im Fall des Klägers - personalen Charakter haben (BSG, a. a. O.). Der Kläger verrichtete im Rahmen dieser "beschützenden Arbeitsumgebung" Arbeiten von wirtschaftlichem Wert. Der Kläger war nach den Angaben seines Vaters, die die Beklagte auch nicht angezweifelt hat, in Vollzeit mit Helfertätigkeiten in dem Malerbetrieb des Vaters beschäftigt, wobei er - wenn auch unter enger Anleitung und langsamer als andere - Tapeten anbrachte, Fenster strich und Helfertätigkeiten für den Vater ausübte. Hierbei handelte es sich um Tätigkeiten, die der Kläger in seiner Ausbildung zum Bau- und Metallmaler erlernt hatte und die in der Arbeitswelt tatsächlich vorkommen. Für diese Tätigkeit wurde der Kläger - so die glaubhaften Angaben seines Vaters - auch tariflich entlohnt.
Seit dem Wegfall der "beschützenden Arbeitsumgebung" mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.09.2001 und dem Fehlen eines konkreten Arbeitsplatzangebots, das eine vergleichbare Unterstützung bietet, ist der Kläger voll erwerbsgemindert. Denn nunmehr ist der Kläger nicht mehr in der Lage, seine frühere oder eine vergleichbare leichte Tätigkeit vollschichtig zu verrichten. Ein Arbeitsplatz mit einer ähnlichen personalen Unterstützung kann, wie auch in den Entscheidungen des BSG vom 25.04.1990 (a. a. O.), vom 21.02.1989 (4 RJ 121/79 in SozR 2200 § 1247 Nr. 30) und vom 29.09.1980 (4 RJ 121/79 in SozR 2200 § 1247 Nr. 30) zu Grunde liegenden Fällen, entgegen der Auffassung des Klägers nicht als selbstverständlich angesehen werden. Eine konkrete Tätigkeit, auf die der Kläger verwiesen werden könnte, ist weder von der Beklagten benannt worden noch sonst ersichtlich.
Entgegen der Auffassung der Beklagten haben, soweit § 43 Abs. 3 SGB VI für die Frage einer Erwerbsminderung auf die üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes abstellt, die hierzu (noch zu § 1247 Abs. 2 RVO) von der Rechtsprechung des BSG herausgearbeiteten Grundsätze weiterhin Gültigkeit (BSG, Beschluss vom 27.02.2003, B 13 RJ 215/02 B). Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht erst seit der Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit maßgebend. Schon nach altem Recht war die Arbeitsmarktsituation von ausschlaggebender Bedeutung. Denn hierauf gründete die Rechtsprechung zur konkreten Betrachtungsweise mit den Benennungspflichten, insbesondere der sogenannte Katalogfall Nr. 1, bei dem gerade maßgebend war und ist, dass eine Vollzeittätigkeit zwar noch ausgeübt werden kann, aber nicht unter den in Betrieben üblichen Bedingungen (vgl. beispielsweise die Entscheidung des BSG, Großer Senat vom 19.12.1996, GS 2/95 in SozR 3-2600 § 44 Nr. 8). Maßgebend waren und sind die das Anforderungsprofil bestimmenden Merkmale einer beruflichen Tätigkeit (BSG, a. a. O.). Eine Änderung der Rechtslage ist insoweit nicht eingetreten, hiervon ging auch der Gesetzgeber aus, der gerade im Hinblick auf diesen Passus auf die bisherige Rechtsprechung verwiesen hat (Bundestagsdrucksache 14/4230 S. 25 zu Nr. 10). Dies bedeutet, dass wenn ein Versicherter nicht unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein kann, die Benennungspflicht greift. Kann eine Tätigkeit benannt werden oder hat der Versicherte einen entsprechenden Arbeitsplatz inne, liegt keine rentenberechtigende Erwerbsminderung vor, andernfalls schon. Fällt der inne gehaltene Arbeitsplatz - wie vorliegend - weg, tritt dementsprechend eine Erwerbsminderung ein.
Soweit die Beklagte außerdem geltend macht, der Kläger sei nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen im erstinstanzlichen Verfahren schon bei Eintritt in die Versicherung nicht in der Lage gewesen, mindestens drei Stunden täglich zu arbeiten, weshalb kein Fall einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung oder Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliege, bei dem der Versicherte an sich noch sechs Stunden täglich arbeiten könne, ist diese Auffassung nicht nachvollziehbar. Denn aus den medizinischen Ermittlungen im erstinstanzlichen Verfahren lässt sich eine solche quantitative Leistungsminderung nicht ableiten. Der im erstinstanzlichen Verfahren gehörte Sachverständige Dr. M. hat vielmehr dargelegt, dass der Kläger an einem behüteten Arbeitsplatz, z. B. in einer Werkstatt für Behinderte, auch weiterhin vollschichtig einsetzbar ist. Im Übrigen ist diese Auffassung der Beklagten bereits dadurch widerlegt, dass der Kläger sowohl die Ausbildung zum Fachwerker erfolgreich abgeschlossen als auch tatsächlich in Vollzeit im Betrieb seines Vaters gearbeitet hat. Die Hirnschädigung des Klägers bedingt damit keine quantitative Einschränkung der Leistungsfähigkeit, sondern erfordert vielmehr besondere, behütete Arbeitsplatzbedingungen. Damit liegt gerade ein Fall einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung vor, die mangels Vorhandensein bzw. Benennung eines konkreten Arbeitsplatzes - wie bereits oben dargelegt - zum Vorliegen von Erwerbsminderung führt.
Zum Zeitpunkt des Arbeitsplatzverlustes waren auch, wie sich aus dem Versicherungsverlauf vom 18.03.2005 ergibt, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 SGB VI (drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren; Erfüllung der allgemeinen Wartezeit) erfüllt.
Die Rente ist nach § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI als Dauerrente zu gewähren. Die Unfähigkeit des Klägers, erwerbstätig zu sein, beruht nicht auf der Schwankungen unterworfenen jeweiligen Lage des Arbeitsmarktes, sondern auf dem Fehlen von Verweisungstätigkeiten, die der Kläger mit seinem körperlichen Leistungsvermögen unter Berücksichtigung der Notwendigkeit einer "beschützenden Arbeitsumgebung" noch verrichten könnte (vgl. BSG, Urteil vom 10.12.2003, B 5 RJ 64/02 R in SozR 4-2600 § 44 Nr. 1). Die Rente beginnt, auch unter Berücksichtigung der Rentenantragstellung (§ 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI) zu keinem späteren Zeitpunkt als dem 01.02.2005, wie vom Sozialgericht ausgesprochen.
Da der Rentenanspruch im ausgesprochenen Umfang besteht, ist die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
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