L 8 AL 513/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AL 1259/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 513/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 19. Dezember 2008 und der Bescheid der Beklagten vom 18. Juli 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2008 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger dem Grunde nach Insolvenzgeld für die Zeit vom 1. März 2007 bis 31. Mai 2007 zu gewähren.

Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf Insolvenzgeld (InsG) hat.

Der Kläger war vom 01.04. 2002 bis zu seiner zum 31.05.2007 erfolgten Kündigung bei der Fa. B. U. GmbH (GmbH) in S. als Dreher versicherungspflichtig beschäftigt. Am 23.02.2007 beantragte der geschäftsführende Gesellschafter seiner Arbeitgeberin R. T. (T) beim Amtsgericht Heidelberg die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH (S 1 IN 39/07). Zur Begründung wurde angegeben, er sei vom Wirtschaftsprüfer und Steuerberater der Gesellschaft am 06.02.2007 darauf aufmerksam gemacht worden, dass die Gesellschaft überschuldet und der Tatbestand der Zahlungsunfähigkeit gegeben sei. Daher sei die Stellung eines Insolvenzantrages geboten gewesen, die zunächst allein in Erfüllung der für den Geschäftsführer bestehenden gesetzlichen Verpflichtung, bei Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit die Insolvenz zu beantragen, erfolgt sei. Die jetzige Situation gehe hauptsächlich darauf zurück, dass die Hausbank der Gesellschaft ihr die Liquidität entzogen habe. Allerdings seien Sondierungsgespräche mit der Bank vorgesehen, die dem Ziel dienten, diese Situation zu überwinden. Mit Schriftsatz vom 19.03.2007 nahm der Geschäftsführer den Insolvenzantrag zurück. Nach einem Bankgespräch und der Zusage von dritter Seite, die Gesellschaft von bestehenden Lieferantenverbindlichkeiten freizustellen, könne derzeit eine günstige Fortführungsprognose gestellt werden.

Am 11.05.2007 veräußerte der bisherige Gesellschafter und Geschäftsführer T seine Gesellschaftsanteile an K. N. (N), der am selben Tag zum Geschäftsführer bestellt wurde. Am 15.05.2007 kündigte dieser namens der GmbH das Beschäftigungsverhältnis des Klägers zum 31.05.2007 aus betriebsbedingten Gründen. Anschließend wurde der Sitz der GmbH nach Rhodos, Griechenland, verlegt. Am 13.06.2007 meldete der Geschäftsführer N die GmbH beim Gewerberegister ab und gab an, der Betrieb sei zum 31.05.2007 wegen Umstrukturierungsmaßnahmen aufgegeben worden.

Ebenfalls unter dem 13.06.2007 beantragte der Kläger am 27.06.2007 bei der Beklagten InsG für die Zeit vom 01.03.2007 bis 31.05.2007 und gab an, die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit sei am 31.05.2007 erfolgt. Neben der bereits genannten Gewerbeabmeldung vom 13.06.2007 legte er die Lohn- und Gehaltsabrechnungen für die Monate März bis Mai 2007 vor. Mit Bescheid vom 18.07.2007 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, nach Mitteilung des Amtsgerichts liege bezüglich der GmbH kein Insolvenzantrag vor. Eine vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit sei zu verneinen, da nach den Gesamtumständen des Falles nicht ausgeschlossen werden könne, dass eine die Kosten deckende Masse vorhanden sei. Der Arbeitgeber habe die Nichtzahlung des Lohnes mit vorübergehenden Zahlungsschwierigkeiten begründet.

Dagegen legte der Kläger am 10.08.2007 Widerspruch ein und machte geltend, die Beklagte habe zu Unrecht den Insolvenztatbestand der Betriebseinstellung verneint. Durch die Kopie der Gewerbeabmeldung sei die Betriebseinstellung zum 31.05.2007 nachgewiesen. Zuvor sei unter dem 15.05.2007 allen Mitarbeitern wegen Betriebseinstellung zum 31.05.2007 gekündigt worden. Dem sei die Feststellung der neuen Geschäftsleitung vorausgegangen, dass keine ausreichenden finanziellen Mittel vorhanden seien, um die offenen Löhne und Gehälter neben den laufenden Verbindlichkeiten unter Fortführung des Unternehmens zu bezahlen. Die Verbindlichkeiten der Gesellschaft hätten zum Zeitpunkt der Veräußerung der Geschäftsanteile durch den früheren Gesellschafter 144.391,95 EUR betragen. Die Betriebstätigkeit sei nach der Gewerbeabmeldung auch nicht an einem anderen Standort aufgenommen worden. Nur der Sitz der Gesellschaft sei nach Rhodos verlegt worden. Auf Anfrage der Beklagten teilte das Finanzamt Sinsheim am 07.03.2008 mit, für das Finanzamt bestehe bei der GmbH keine offensichtliche Zahlungsunfähigkeit und es beabsichtige nicht, Antrag auf Insolvenzeröffnung zu stellen. Die AOK R.-N.-O. gab am 22.10.2007 an, dass das Beitragskonto der GmbH am 31.05.2007 geschlossen worden sei. Der Kläger sei vom 01.04.2002 bis 31.05.2007 gemeldet gewesen. Beitragsrückstände bestünden nicht. Während die Gmünder Ersatzkasse mit Schreiben vom 15.10.2007 keine Beitragsrückstände meldete, gab die DAK S. am 15.10.2007 an, für eine andere ebenfalls bis 31.05.2007 beschäftigte Arbeitnehmerin der GmbH bestünden noch Beitragsrückstände. Für die seit 01.06.2007 bei der F. B. G. GmbH beschäftigte Arbeitnehmerin würden die Beiträge laufend abgeführt. Die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See, Minijob-Zentrale übersandte im Schreiben vom 28.01.2008 eine Aufstellung der bei der Fa. B. U. GmbH bis 31.05.2007 und bei der Fa. B. G. GmbH ab 01.06.2007 geringfügig Beschäftigen. Mit Widerspruchsbescheid vom 13.03.2008, dem Bevollmächtigten des Klägers zugestellt am 18.03.2008, wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger habe keinen Anspruch auf InsG, da kein Insolvenztatbestand vorliege. Eine offensichtliche Masselosigkeit, die immer gleichzeitig mit der Beendigung der Betriebstätigkeit vorliegen müsse, habe zum Zeitpunkt der Betriebseinstellung am 31.05.2007 nicht bestanden. Die befragten gesetzlichen Krankenkassen und die Minijob-Zentrale in Essen sowie das Finanzamt Sinsheim hätten - mit Ausnahme der DAK, die einen Beitragsrückstand für eine ehemalige Arbeitnehmerin von einem Monat angegeben habe - über Beitragsrückstände nichts berichtet.

Am 18.04.2008 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG), mit der er einen Anspruch auf InsG für die Zeit vom 01.03.2007 bis 31.05.2007 geltend machte. Der Kläger brachte vor, die GmbH habe zum 31.05.2007 den Betrieb eingestellt und alle Mitarbeiter entlassen. Die Gesellschaft habe wegen Überschuldung ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen können. Der vom früheren Geschäftsführer am 22.02.2007 gestellte Insolvenzantrag, der zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens geführt hätte, wenn er nicht wieder zurückgenommen worden wäre, sei nur deshalb zurückgenommen worden, weil sich aus einem damals vorliegenden Gutachten Anhaltspunkte für eine günstige Fortführungsprognose ergeben hätten. Danach sei die Bank jedoch nicht bereit gewesen, die Kündigung der Geschäftsbeziehung mit der Gesellschaft zurückzunehmen. Es sei auch nicht richtig, dass keine Sozialabgaben rückständig seien. Die Berufsgenossenschaft Elektro/Textil/Feinmechanik (BG) habe am 09.01.2008 Zahlungsrückstände in Höhe von insgesamt 2.427,23 EUR (Beitrag 2006) geltend gemacht. Der Kläger legte - neben der schriftlichen Kündigung vom 15.05.2007 - das an die GmbH gerichtete Kündigungsschreiben der Sparkasse Pf.-C. vom 01.02.2007 und das Schreiben der BG vom 09.01.2008 vor.

Die Beklagte trat der Klage entgegen und machte geltend, ein Insolvenzereignis im Sinne des § 183 Abs.1 Satz 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch - Drittes Buch - (SGB III) sei zu verneinen, da zum Zeitpunkt der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit am 31.05.2007 angesichts der Angaben der befragten Krankenkassen und des Finanzamts nicht von einer offensichtlichen Masselosigkeit ausgegangen werden könne. Daran ändere auch der Zahlungsrückstand in Höhe von knapp 2.500,00 EUR für das Jahr 2006 gegenüber der BG nichts.

Mit Gerichtsbescheid vom 19.12.2008, zugestellt am 29.12.2008, wies das SG die Klage ab. Es verneinte ein Insolvenzereignis im Sinne des § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III, weil am 23.02.2007 ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim Amtsgericht Heidelberg gestellt worden sei. Dass dieser später wieder zurückgenommen wurde, sei unerheblich. Der Insolvenzantrag sei angesichts der unter Hinweis auf eine mögliche Fortführung der Geschäfte erfolgten Rücknahme des Antrags und den Angaben der vom Beklagten im Widerspruchsverfahren befragten Stellen nicht wegen Masselosigkeit offensichtlich aussichtslos gewesen. Die am 01.02.2007 erfolgte Kündigung des Kontokorrentkontos durch die Sparkasse ändere an dieser Einschätzung nichts, da sie vor der Stellung des Insolvenzantrages erfolgt sei und bei Rücknahme dieses Antrags ebenfalls noch bestanden habe. Zudem habe das Amtsgericht Heidelberg am 01.08.2008 mitgeteilt, dass der Insolvenzantrag - bei summarischer Prüfung - zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens geführt hätte.

Dagegen hat der Kläger am 29.01.2009 Berufung eingelegt, mit der er an seinem Ziel festhält. Er habe Anspruch auf InsG, da die Voraussetzungen des § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III erfüllt seien. Entgegen der Auffassung des SG stehe dem nicht entgegen, dass der Insolvenzantrag wieder zurückgenommen wurde. § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III sei gerade auch in einem solchen Fall nach Sinn und Zweck der Vorschrift anwendbar. Ferner habe auch Masselosigkeit bestanden. Dies sei der Fall, wenn unter Hinweis auf die Zahlungsunfähigkeit kein Arbeitsentgelt mehr gezahlt, die Betriebstätigkeit eingestellt und kein Insolvenzantrag gestellt werde. Gerade auch die ausgebliebene Lohnzahlung sei Indiz für die Masselosigkeit. Hier käme hinzu, dass zum Zeitpunkt der Betriebseinstellung bei der Gesellschaft keinerlei Anlage- und Umlaufvermögen mehr vorhanden gewesen sei.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 19. Dezember 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 18. Juli 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Insolvenzgeld für die Zeit vom 1. März 2007 bis 31. Mai 2007 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend und macht geltend, das Insolvenzereignis der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit, das eine offensichtliche Masselosigkeit im Zeitpunkt der Betriebseinstellung erfordere, liege nicht vor.

Der Senat hat die Akte des Insolvenzgerichts und die Akten des SG zu den Parallelverfahren um InsG anderer Arbeitnehmer der GmbH beigezogen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die genannten Unterlagen und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Akten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist statthaft und insgesamt zulässig.

Die Berufung ist auch begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Kläger hat einen Anspruch auf InsG.

Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch ist § 183 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Drittes Buch - (SGB III) idF des Art 1 Nr. 54a des Gesetzes zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 10.12.2001 (BGBl I S. 3443). Danach haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei 1. Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers, 2. Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder 3. vollständiger Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt, (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. InsG ist gemäß § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis zu beantragen. Der am 13.06.2007 gestellte Insolvenzantrag des Klägers wahrt daher die am 31.05.2007 durch Eintritt eines Insolvenzereignisses in Gang gesetzte Frist. Nach § 185 Absatz 1 SGB III (in der mit Wirkung vom 01.01.2004 geänderten Fassung des Gesetzes vom 23.12.2003 - BGBl. I S. 2848 -) wird InsG in Höhe des Nettoarbeitsentgeltes geleistet, das sich ergibt, wenn das auf die monatliche Beitragsbemessungsgrenze begrenzte Bruttoarbeitseinkommen um die gesetzlichen Abzüge gemindert wird.

Die sich aus § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III ergebenden Voraussetzungen für einen Anspruch auf InsG sind im vorliegenden Fall erfüllt. Entgegen der Auffassung des SG und der Beklagten bejaht der Senat ein Insolvenzereignis. Ein Insolvenzereignis nach § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB III scheidet zwar von vornherein aus, da weder ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers des Klägers eröffnet noch ein Antrag auf Eröffnung eines solchen Verfahrens mangels Masse abgewiesen worden ist. Etwas anderes macht auch der Kläger nicht geltend.

Dagegen liegt das Insolvenzereignis nach § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III vor. Hierfür ist eine vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland erforderlich, wie auch, dass ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt. Dem steht nicht entgegen, dass die Gesellschaft am 23.02.2007 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt hat. Zwar setzt § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III voraus, dass ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist. Hier hat die Gesellschaft den Insolvenzantrag bereits am 13.03.2007 wieder zurückgenommen. Die Rücknahme eines Insolvenzantrags wirkt ex tunc (vgl. Urteil des BSG vom 30.10.1991 - 10 RAr 3/91), so dass der Insolvenzantrag als nicht gestellt gilt.

Auch die übrigen Voraussetzungen des § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III sind erfüllt. Hierfür ist die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland erforderlich. Mit dem SG bejaht der Senat diese Voraussetzung. Die aktenkundige Gewerbeabmeldung der GmbH zum 31.05.2007 belegt, dass die Gesellschaft ihre bisherige Betriebstätigkeit im Inland vollständig beendet hat. Auch die Beklagte macht inzwischen nicht mehr geltend, dass diese Voraussetzung nicht gegeben ist. Dass nach der Beendigung der Betriebstätigkeit der Fa. B. U. GmbH ab 01.06.2007 die Fa. B. G. GmbH - wie sich aus der Mitteilung der Minijobzentrale vom 28.01.2008 ergibt - existent geworden ist, ändert hieran nichts. Entscheidend ist, dass die konkrete Arbeitgeberin, hier die Fa. B. U. GmbH, ihre Betriebstätigkeit vollständig eingestellt hat.

Ferner liegt auch das Tatbestandsmerkmal des Insolvenzereignisse nach § 183 Abs.1 Satz 1 Nr. 3 SGB III vor, dass ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt. Die Masselosigkeit muss vor oder gleichzeitig mit der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit eintreten, so dass spätere Masselosigkeit nicht genügt (vgl. BSG, Urteil vom 04.03.1999 -B 11/10 AL 3/98 R - veröffentlicht in Juris zur Vorgängervorschrift des § 141 b Abs. 3 Nr. 2 AFG, Niesel, SGB III, 4. Aufl., § 183 Rdnr. 47). Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse ist abzulehnen, wenn das Vermögen des Schuldners voraussichtlich nicht ausreicht, um die (Gerichts-)Kosten des Verfahrens, die Vergütung und Auslagen für den vorläufigen Insolvenzverwalter, den Insolvenzverwalter und die Mitglieder des Gläubigerausschusses (§ 54 InsO) zu decken. Mit Offensichtlichkeit der Masseunzulänglichkeit ist im Tatbestand des §§ 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III nicht gemeint, dass völlig zweifelsfrei mangels Masse ein Insolvenzverfahren nicht durchgeführt worden wäre. Vielmehr ist damit zum Ausdruck gebracht, dass der sich aus den äußeren Tatsachen ergebende Eindruck eines unvoreingenommenen Betrachters und damit der äußere Anschein die Masseunzulänglichkeit ergibt (BSG, Urteil vom 04.03.1999 a.a.O.). Insoweit ist vom Gesetzgeber eine Erleichterung für den Anspruchsberechtigten geschaffen, so dass weder er noch die Agentur für Arbeit die fehlende Masse exakt zu ermitteln hätte. Ein Fall der offensichtlichen Masseunzulänglichkeit ist daher auch noch gegeben, wenn noch Restzweifel an der Masseunzulänglichkeit bestehen, jedoch Tatsachen festgestellt werden, die regelmäßig den Schluss zulassen, dass der Arbeitgeber vermögenslos in diesem Sinne geworden ist (vgl. Urteil des Senats vom 26.07.2002 - L 8 AL 1583/01 - veröffentlicht in Juris; vgl. auch Schmidt in Mutschler/Bartz/Schmidt-de Caluwe, SGB III Großkommentar, § 183 Rn. 59).

Ergibt sich aus den äußeren Umständen, dass der Arbeitgeber seinen wirtschaftlichen Verpflichtungen nicht mehr nachkommt, ist grundsätzlich auf Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers zu schließen, was der Vermutungsregel in § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO entspricht. Zwar könnte außer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung (der Insolvenzeröffnungsgrund nach § 19 InsO) auch Zahlungsunwilligkeit des Arbeitgebers Grund für die ausbleibende Erfüllung von Zahlungsverpflichtungen sein, wofür aber besondere Umstände vorliegen müssten, um die gesetzliche Vermutung des § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO zu widerlegen (vgl. Schmidt a.a.O.). Offensichtliche Masselosigkeit ist aus der Sicht eines unbefangenen Beobachters in der Regel anzunehmen, wenn unter Hinweis auf die Zahlungsunfähigkeit kein Arbeitsentgelt mehr gezahlt, die Betriebstätigkeit eingestellt und kein Insolvenzantrag gestellt wird (vgl. BSG SozR 4100 § 141b Nr. 21). Setzt sich der Arbeitgeber ins Ausland ab, spricht dieser Umstand für das Vorliegen von Zahlungsunwilligkeit (vgl. BSG SozR 3-4100 § 141b Nr. 7; a. A. Schmidt a.a.O., der eine differenzierte Betrachtungsweise fordert).

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist zur Überzeugung des Senats vom Kläger hinreichend das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals einer offensichtlichen Masseunzulänglichkeit im Sinne von § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III nachgewiesen. Ab dem Zeitpunkt der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit der GmbH am 31.05.2007 lag dem äußeren Anschein nach Masselosigkeit vor. Dies ergibt sich für den Senat aus dem Umstand, dass nach Erkenntnissen der Beklagten nicht nur Lohnzahlungen an den Kläger, sondern auch bei anderen Beschäftigten des Unternehmens ausgeblieben sind, die auch mehrere Lohnabrechnungszeiträume umfassen. Nach Kenntnisstand der Beklagten vom Februar 2008 hatten sämtliche 23 Arbeitnehmer der GmbH Lohnrückstände zum Zeitpunkt der Beendigung der Betriebstätigkeit am 31.05.2007 zu verzeichnen (vgl. Schreiben der Beklagten an das Finanzamt Sinsheim vom 01.02.2008). Beim SG sind jedenfalls weitere Klagen auf InsG früherer Beschäftigter des gleichen Unternehmens anhängig (S 2 AL 1260/08 sowie die unter dem Aktenzeichen S 12 AL 1258/08 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Verfahren S 11 AL 1261/08 und S 12 AL 1258/08), die im Hinblick auf das vorliegende Verfahren für ruhend erklärt wurden. Der Arbeitgeber des Klägers ist daher Zahlungsverpflichtungen über einen längeren Zeitraum und in größerem Umfang nicht nachgekommen. Darüber hinaus haben bei offenen Verbindlichkeiten in Höhe von 984.200 EUR (Stand Februar 2007) antragsberechtigte Gläubiger (§ 14 InsO) keinen Insolvenzantrag gestellt, was in der Gesamtwürdigung ein zusätzliches Indiz (s.o.) für die Aussichtslosigkeit eines Insolvenzverfahrens ist, weil Lieferanten und Banken des Unternehmens aufgrund ihrer Geschäftsbeziehungen zu dieser Einschätzung gekommen sind. Vorliegend spricht auch die Abwicklung der GmbH mit schließlich endgültiger Stilllegung des Betriebes für die Masseunzulänglichkeit. Den Arbeitnehmern, also auch dem Kläger, wurde nach Vorbringen in allen gerichtlichen Verfahren unter Vorlage der Kündigungsschreiben ausdrücklich mit Hinweis auf die fehlenden ausreichenden finanziellen Mittel zum 31.05.2007 gekündigt. Zuvor war ein am 23.02.2007 gestellter Insolvenzantrag, der auf die Eröffnungsgründe Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung (§§ 16, 17, 19 InsO) gestützt war, beim Insolvenzgericht am 19.03.2007 wieder zurückgenommen worden mit der Erklärung, es könne eine günstige Fortführungsprognose gestellt werden. Die Betriebsfortführung mündete aber in der Betriebsstilllegung zum 31.05.2007. Nach Erkenntnissen der Beklagten war die GmbH zum Wert von 1 EUR an den Alleingesellschafter und Geschäftsführer N verkauft worden (vgl. Schreiben der Beklagten an das Finanzamt Sinsheim vom 01.02.2008), der am 01.05.2007 als Geschäftsführer und Gesellschafter eingetreten ist (vgl. Schreiben der Beklagten an das Finanzamt Sinsheim vom 29.11.2007) und den Betriebssitz nach Griechenland verlegte, ohne dort die Geschäftstätigkeit fortzusetzen. Dass zum Zeitpunkt der Betriebsverlegung noch wirtschaftlich verwertbares Vermögen der GmbH vorhanden war, ist hieraus nicht zu folgern. Vielmehr deutet nach den äußeren Umständen einiges darauf hin, dass mit dem symbolischen Kaufpreis der Firmenübernahme von 1 EUR keine wirtschaftlich belangvolle Gegenleistung abgedeckt wurde, und das Geschäft möglicherweise nur darauf abzielte, die Firmenneugründung durch T zu ermöglichen. Dass bei der Firmengründung durch T am 01.05.2007 (F. B. G. GmbH) die Geschäfte der stillgelegten GmbH fortgeführt wurden bzw. noch vorhandenes Vermögen der F. B. U. GmbH eingesetzt wurde, ist nicht ersichtlich. Über strafrechtliche Ermittlungen wegen des Verdachts von Insolvenzstraftaten oder eine Gläubigeranfechtung von Handlungen im Zusammenhang mit der Firmenübertragung nach dem Anfechtungsgesetz (BGBl I 1994, 2911) ist nichts bekannt geworden. Der Arbeitgeber T hat dagegen keinen Aufenthalt im Ausland genommen, was unter Berücksichtigung der weiteren Umstände keinen Anlass für die Annahme bloßer Zahlungsunwilligkeit gibt.

Die gegenteilige Einschätzung zum Vorliegen ausreichender Vermögensmasse, die die Durchführung eines Insolvenzverfahrens erlaubt hätte, durch das Insolvenzgericht (Mitteilung des Insolvenzgerichts vom 01.08.2008 an das SG) beruht auf den im Insolvenzverfahren bis März 2007 vorgelegten Unterlagen. Entscheidend ist aber die weitere Entwicklung der GmbH mit der Fortführung der Geschäftstätigkeit bis Mai 2007 und die Beurteilung der Vermögenssituation zum 31.05.2007. Die auch nur als summarisch bezeichnete Prüfung des Insolvenzgerichts beruht zudem auf den vorgelegten Bilanzunterlagen der GmbH, die mit Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 02.04.2007, der auch die GmbH im Insolvenzverfahren vertreten hatte, insoweit korrigiert wurden, als dem darin ausgewiesenen Verkehrswert der vorhandenen Maschinen fälschlicherweise der Neuanschaffungspreis zugrunde gelegt worden sei. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die angegebenen Forderungen der GmbH gegenüber ihren Kunden im Rahmen einer Globalzession an die S. Pf.-C. mit Vertrag vom 19.02.2002 abgetreten waren (Schreiben der Sparkasse vom 01.02.2007).

Gegen die Beurteilung des Senats spricht auch nicht das Ergebnis der Ermittlungen der Beklagten im Widerspruchsverfahren. Die befragten Sozialversicherungsträger und das Finanzamt Sinsheim haben über keinerlei Zahlungsrückstände der GmbH berichtet - mit Ausnahme der DAK, die lediglich einen Beitragsrückstand für einen Monat für eine ehemalige Arbeitnehmerin meldete. Das Finanzamt Sinsheim teilte der Beklagten mit Schreiben vom 07.03.2008 zwar mit, dass für das Finanzamt keine offensichtliche Zahlungsunfähigkeit bestehe. Diesen Angaben kommt aber deshalb keine besondere Bedeutung zu, weil sie allein aufgrund der nicht erkennbaren Steuerrückstände gemacht worden sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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