L 9 R 562/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 3304/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 562/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 18. April 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1946 geborene Kläger hat keinen Beruf erlernt. Er war von 1961 bis Juni 2002 als Lagerist und Speditionsarbeiter beschäftigt. Von September 2002 bis Dezember 2004 bezog er - mit Ausnahme der Zeit einer Rehamaßnahme - Leistungen der Agentur für Arbeit. Seit 1. Januar 2005 erhielt er Arbeitslosengeld II.

Vom 2. Juni bis 23. Juni 2004 absolvierte er eine ambulante Rehamaßnahme. Im Entlassungsbericht vom 25. Juni 2004 hierüber nannten die Ärzte der Regio-Reha Freiburg GmbH als Diagnosen: Muskulär bedingtes Lendenwirbelsäulensyndrom (LWS-Syndrom) mit pseudoradikulärer Schmerzausstrahlung beidseits bei degenerativen Veränderungen der LWS sowie ein rezidivierendes Halswirbelsäulensyndrom (HWS-Syndrom) muskulärer Ursache. Seine bisherige Tätigkeit könne der Kläger nur unter 3 Stunden täglich ausüben. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten könne der Kläger 6 Stunden und mehr verrichten. Zu vermeiden seien häufige Arbeiten mit Verwindungen und Zwangshaltungen des Rumpfes sowie häufiges Heben mittelschwerer Lasten.

Am 6. Dezember 2005 beantragte der Kläger formlos die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte ließ den Kläger von dem Orthopäden Dr. R. gutachterlich untersuchen. Dieser stellte beim Kläger im Gutachten vom 7. März 2006 folgende Diagnosen: • Wiederkehrendes LWS-Syndrom bei Bandscheibenvorfall L4/5 mit insgesamt mittelschwerer Funktionseinbuße • Wiederkehrendes HWS-Syndrom bei beginnendem Verschleiß mit dezenter Funktionseinbuße • Bluthochdruck. Er gelangte zum Ergebnis, als Lagerist und Speditionsarbeiter sei der Kläger nur unter 3 Stunden täglich einsetzbar. Leichte Tätigkeiten könne der Kläger noch 6 Stunden und mehr verrichten. Zu vermeiden seien Tätigkeiten mit überwiegend einseitiger Körperhaltung, mit häufigem Bücken, Tragen von Lasten über 12 kg sowie mit langandauernden beidseitigen Überkopfarbeiten.

Mit Bescheid vom 14. März 2006 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, weil weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vorliege. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2006 zurück. Hiergegen erhob der Kläger am 7. Juli 2006 Klage zum Sozialgericht (SG) Freiburg, mit der die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung weiterverfolgte.

Das SG hörte den Arzt für Allgemeinmedizin E. schriftlich als sachverständigen Zeugen, der unter dem 14. März 2007 über Behandlungen des Klägers vom 14. Oktober 2004 bis 27. November 2006 berichtete und die Ansicht vertrat, wegen der LWS-Problematik und der Nebenwirkung von Medikamenten sei dem Kläger auch eine körperlich leichte Tätigkeit 6 Stunden täglich nicht möglich. Danach holte das SG Gutachten auf orthopädischem und neurologischem Gebiet ein.

Prof. Dr. St., Arzt für Orthopädie und Chirurgie, stellte beim Kläger im Gutachten 27. Juli 2007 folgende Gesundheitsstörungen fest: • Wiederkehrendes LWS-Syndrom ohne Zeichen einer Nervenwurzelkompression bei degenerativen Veränderungen der unteren LWS mit 2003 nachgewiesenem Bandscheibenvorfall L4/5 und Bandscheibenprotrusionen L2-S1 • Wiederkehrendes, gering funktionsbeeinträchtigendes HWS-Syndrom mit degenerativen Veränderungen der unteren HWS i.S. einer Spondylose und Osteochondrose • Nicht das orthopädische Fachgebiet betreffend, andernorts festgestellt und behandelt: Bluthochdruck. Der beim Kläger nunmehr erhobene Befund zeige gegenüber der Voruntersuchung von März 2006 einen eher besseren Bewegungsumfang im Bereich der HWS und LWS. An den Armen und Beinen sei der neurologische Befund unauffällig. Die grobe Kraft in den Armen und Beinen sei nicht vermindert. Seine frühere Tätigkeit als Lagerist und Speditionsarbeiter könne der Kläger nicht länger als 3 Stunden täglich verrichten. Leichte körperliche Arbeiten mit Heben und Tragen bis 10 kg könne der Kläger täglich mindestens 6 Stunden verrichten. Nicht mehr möglich seien langzeitiges Stehen, Sitzen, Gehen, häufiges Bücken, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, an laufenden Maschinen, Akkord- und Fließbandarbeiten, Arbeiten in Kälte oder nass-feucht-zugiger Umgebung. Für schwierigere mittelschwere Tätigkeiten geistiger Art, Tätigkeiten mit Publikumsverkehr und besonderer nervlicher Beanspruchung sei der Kläger nicht geeignet. Beim Auftreten vorübergehender Beschwerden seien betriebsunübliche Arbeitsunterbrechungen von 5 bis 10 Minuten zum Einnehmen einer anderen Körperhaltung oder zum Umhergehen erforderlich.

Der Neurologe Dr. C. diagnostizierte beim Kläger im Gutachten vom 26. Januar 2008 degenerative Veränderungen der LWS mit Bandscheibenvorfall L4/5 sowie degenerative Veränderungen der HWS ohne radikuläres Defizit. Als einziges residuales Defizit bestehe auf neurologischem Fachgebiet ein abgeschwächter Patellarsehnenreflex rechts. Eine Wurzelkompression, ein Wurzelreizzustand, eine frische Symptomatik seien nicht vorhanden. Es fänden sich auch keine Auffälligkeiten im HWS-Bereich. Leichte bis mittelschwere Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung ohne häufiges Bücken und ohne Zeitdruck könne der Kläger mindestens 6 Stunden täglich verrichten.

Mit Bescheid vom 7. Februar 2008 gewährte die Beklagte dem Kläger auf seinen Antrag vom 2. November 2007 ab 1. November 2007 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit (monatlicher Zahlbetrag 740,86 EUR).

Mit Gerichtsbescheid vom 18. April 2008 hat das SG die Klage, gestützt auf die beiden Sachverständigengutachten, abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen den am 22. April 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 6. Mai 2008 Berufung (L 9 R 2153/08) eingelegt, mit der er die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung weiterverfolgt hat. Gleichzeitig hat er beantragt, das Verfahren ruhen zu lassen, da er Widerspruch eingelegt habe, um die Altersrente ab einem früheren Zeitpunkt bzw. Krankengeld zu bekommen.

Mit Bescheid vom 30. Mai 2008 hat der Senat das Ruhen des Verfahrens angeordnet.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2008 hat die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 7. Februar 2008 zurückgewiesen. Hiergegen hat der Kläger beim SG Freiburg Klage erhoben (S 8 R 3292/08).

Das Berufungsverfahren ist unter dem Az. L 9 R 562/09 fortgeführt worden. Mit Verfügung vom 4. Februar 2009 ist der Kläger aufgefordert worden, mitzuteilen, ob sich sein Gesundheitszustand seit April 2008 (Erlass des Gerichtsbescheides) dauerhaft wesentlich verschlechtert habe. Wenn ja, worin die dauerhafte Verschlechterung bestehe und welcher Arzt diese bestätigen können. Der Kläger hat mit Schreiben vom 5. März 2009 mitgeteilt, die Stellungnahme erfolge bis 31. März 2009. Eine Stellungnahme ist jedoch nicht erfolgt. Die Anfrage vom 3. Juni 2009, ob er mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden sei, hat der Kläger trotz Erinnerungen vom 15. Juli und 1. September 2009 nicht beantwortet.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 18. April 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. März 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2006 aufzuheben und ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da er keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier vom Kläger beanspruchte Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung - § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) - dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung oder teilweiser Erwerbsminderung nicht besteht, weil der Kläger noch wenigstens sechs Stunden täglich leistungsfähig ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung uneingeschränkt an, sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zurück.

Ergänzend ist auszuführen, dass es sich bei dem Erfordernis bei vorübergehend verstärkten Beschwerden die Körperhaltung zu wechseln bzw. kurzfristig umherzugehen, um keine betriebsunübliche Arbeitsunterbrechung handelt, zumal zu den eigentlichen Pausen in der Arbeitswirklichkeit auch so genannte persönliche Verteilzeiten existieren, die Arbeitnehmern für den Gang zur Toilette, Einnahme von Getränken, zum Rauchen und ähnlichem zur Verfügung stehen. Neue medizinische Gesichtspunkte haben sich im Berufungsverfahren nicht ergeben. Die Anfrage des Senats vom 4. Februar 2009, ob sich sein Gesundheitszustand seit April 2008 dauerhaft verschlechtert habe, hat der Kläger nicht beantwortet und auch sonst nichts zur Begründung seiner Berufung vorgetragen.

Nach alledem war der angefochtenen Gerichtsbescheid nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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