Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 1730/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 3887/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 05. August 2009 aufgehoben. Die Klage wird, auch hinsichtlich des Bescheids vom 21. Oktober 2008, abgewiesen. Die Beklagte erstattet der Klägerin ein Fünftel der außergerichtlichen Kosten der ersten Instanz.
Im Berufungsverfahren werden außergerichtliche Kosten nicht erstattet.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung überzahlter Witwenrente.
Die am 1932 geborene Klägerin bezieht von der Beklagten, zuvor deren Rechtsvorgängerin, der Landesversicherungsanstalt (LVA) Hessen (im Folgenden einheitlich Beklagte), Versichertenrente aus einer eigenen Versicherung mit einem Zahlbetrag im September 2000 in Höhe von DM 1.412,85. Sie bezog seit 01. Februar 1993 von der Verwaltungs-Berufsgenossen¬schaft (VBG) eine Verletztenrente der gesetzlichen Unfallversicherung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 v.H., die mit Ablauf des Monats Oktober 1998 mit einem Betrag von DM 77.910,84 (Jahresbetrag DM 9.059,40, Kapitalwert 8,6) abgefunden wurde (Bescheid der VBG vom 28. Oktober 1998).
Die Klägerin beantragte am 21. August 2000 die Gewährung von Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihres am 1930 geborenen Ehemannes, der am 2000 verstorben war. Dieser hatte von der Beklagten zuletzt (Bescheid vom 22. November 1994) Regelaltersrente bezogen. Die Klägerin stellte den Antrag in der Sozial- und Rentenstelle ihrer Heimatgemeinde W ... Aufnehmende Mitarbeiterin der Stadt war die Zeugin H ... Verwendet wurden zwei Vordrucke der LVA Baden, nämlich der "Antrag auf Hinterbliebenenrente aus der Rentenversicherung der Arbeiter" (VR I 009 12/99) und die "Anlage zum Antrag auf Hinterbliebenenrente/Erziehungsrente" (VR I 011 10/99). In Abschnitt 13 des Antrags ("Andere Leistungen") gab die Klägerin unter Nr. 13.1 als eigenes Einkommen eine Rente aus eigener Versicherung von der Beklagten an. Die beiden unter Nr. 13.2 enthaltenen Fragen "Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ?" und "Wurde eine Unfallrente abgefunden?" wurden verneint. In der Anlage zum Antrag war in Abschnitt 7 ("Dauerhaftes Erwerbsersatzeinkommen") unter der Frage "Beziehen oder bezogen Sie ab Beginn der Rente wegen Todes eine der nachstehenden Leistungen oder haben Sie eine dieser Leistungen beantragt?" u.a. in dem Feld "Versichertenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung" Nein angegeben (Frage 7.4), ebenso war unter Nr. 7.9 "Wurde eine der unter Ziffer 7.1 - 7.8 genannten Leistungen kapitalisiert oder anstelle einer wiederkehrenden Leistung eine Abfindung gezahlt?" Nein angegeben. Die Klägerin unterschrieb sowohl Antrag als auch Anlage mit der "ausdrücklichen Versicherung der Richtigkeit" der Angaben. Mit Bescheid vom 11. Oktober 2000 bewilligte die Beklagte der Klägerin ab dem 01. September 2000 große Witwenrente mit einem monatlichen Zahlbetrag von anfangs DM 908,20. In dem Bescheid war auf S. 4 unter "Mitteilungspflichten" u. a. angegeben, es bestehe die gesetzliche Verpflichtung, den Bezug, das Hinzutreten oder die Veränderung von Erwerbseinkommen ( ) und Erwerbsersatzeinkommen unverzüglich mitzuteilen. Erwerbsersatzeinkommen seien, auch als Kapitalleistung oder Abfindung ( ), Verletztengeld ( ), Rente an Versicherte aus der gesetzlichen Unfallversicherung ( ). Die Beklagte rechnete wegen der von der Klägerin bezogenen Versichertenrente aus eigener Versicherung Einkommen in Höhe von DM 52,14 monatlich an.
Im Rahmen eines automatischen Datenabgleichs der Rentenversicherungsträger am 03. August 2007 erfuhr die Beklagte von dem Bezug der Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung mit einem ohne die Abfindung zu zahlenden Betrag im September 2000 in Höhe von EUR 393,36 und seit 01. Juli 2007 in Höhe von EUR 416,02. Ohne vorherige Anhörung der Klägerin erließ die Beklagte unter dem 06. August 2007 einen Bescheid, mit dem sie die große Witwenrente ab dem 01. September 2000 neu berechnete (monatlicher Zahlbetrag ab 01. September 2007 EUR 386,82) und die Klägerin aufforderte, die für die Zeit vom 01. September 2000 bis 31. August 2007 eingetretene Überzahlung von EUR 8.655,49 zu erstatten. In dem Bescheid war ausgeführt, die Klägerin habe bei der Antragstellung den Bezug einer eigenen Unfallrente verneint, beziehe aber bereits seit dem 01. Februar 1993 eine solche Rente. Diese sei nicht als Einkommen berücksichtigt worden. Damit habe die Klägerin von Rentenbeginn an einen zu hohen Rentenbetrag ausbezahlt erhalten. Die Rente sei neu berechnet worden. Der Bescheid vom 11. Oktober 2000 werde insoweit mit Wirkung vom 01. September 2000 hinsichtlich der Rentenhöhe aufgehoben. Falls bis 31. August 2007 eine Zahlung des Erstattungsbetrags nicht festzustellen sei oder sie (die Beklagte) keine Nachricht erhalten habe, gehe sie (die Beklagte) davon aus, dass die Klägerin mit der Einbehaltung des Betrages in monatlichen Raten von EUR 190,00 von der laufenden Rentenzahlung einverstanden sei. Bei der Berechnung der Überzahlung ging die Beklagte davon aus, dass in den Monaten September bis November 2000 die Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht anzurechnen gewesen sei.
Die Klägerin erhob Widerspruch. Die von der Beklagten beanstandete Rentenauszahlung habe nur die Rentenversicherungsnummer der Klägerin selbst, nicht die ihres Ehemannes, betroffen. Sie beziehe eine eigene Rente und die Witwenrente, jedoch keine Unfallrente. Nach der Berechnung der Beklagten habe die Abfindung mehr als EUR 34.000,00 umfassen müssen. Dies sei nicht der Fall gewesen. Mit Schreiben vom 06. September 2007 hörte die Beklagte die Klägerin - nachträglich - zur beabsichtigten Rücknahme des Rentenbescheids vom 11. Oktober 2000 "gemäß § 45 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) mit Wirkung vom 01. Dezember 2000" und zur Rückforderung einer Überzahlung für die Zeit vom 01. Dezember 2000 bis 31. August 2007 in Höhe von EUR 8.655,49 an. Auf Ermittlungen der Beklagten hin teilte die VBG zunächst telefonisch und sodann unter dem 09. Oktober 2007 die ohne die Abfindung zu zahlenden Beträge der Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung seit 01. September 2000 mit.
Die Beklagte erließ den Bescheid vom 11. Oktober 2007. Mit diesem Bescheid nahm sie den Bescheid vom 11. Oktober 2000 ab mit Wirkung ab 01. Dezember 2000 hinsichtlich der Rentenhöhe zurück, stellte für die Zeit vom 01. Dezember 2000 bis 31. August 2007 die Entstehung einer Überzahlung von EUR 8.655,49 fest, forderte die Klägerin auf, diesen Betrag zu erstatten und stellte den monatlichen Zahlbetrag am 01. September 2007 mit EUR 386,82 fest. In der Begründung ist ausgeführt, sie (die Beklagte) habe zwischenzeitlich erfahren, dass die Klägerin an Stelle einer Verletztenrente eine Abfindung erhalten habe. In solchen Fällen sei als Einkommen der Betrag zu berücksichtigen, der ohne die Abfindung zu zahlen wäre. Diese Anrechnung sei unterblieben. Rechtsgrundlage für die Rücknahme sei § 45 SGB X. Die Klägerin könne sich nicht auf Vertrauen berufen, da sie bei Antragstellung verschwiegen habe, dass sie eine Abfindung erhalten habe. Sie habe daher gewusst, dass die Abfindung als Einkommen zu berücksichtigen sei bzw. habe es nur deshalb nicht gewusst, weil sie die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt habe. Gleichwohl sei pflichtgemäßes Ermessen auszuüben. Dies erfordere eine Abwägung der Umstände des Einzelfalls. Eine solche Abwägung ergebe, dass der Bescheid vom 11. Oktober 2000 teilweise für die Vergangenheit zurückzunehmen sei. Das Interesse der Allgemeinheit überwiege das Interesse der Klägerin. Es sei nicht ersichtlich, dass ihr durch die Rücknahme und die Rückforderung erhebliche wirtschaftliche Nachteile entstünden. Dies habe die Klägerin noch nicht einmal behauptet. Dieser Bescheid werde Gegenstand des Widerspruchsverfahrens.
Auf Nachfrage der Beklagten übersandte die VBG den Bescheid vom 28. Oktober 1998 sowie ihr Schreiben an die Klägerin vom 23. Juni 1998 mit Informationen über die (unfallversicherungsrechtlichen) Folgen einer Abfindung. Hierzu trug die Klägerin vor, der Bescheid der VBG vom 23. Juni 1998 enthalte keine Rechtsbehelfsbelehrung oder Mitteilung, dass die ausbezahlte Abfindung bei späteren Rentenbezügen anzugeben sei. Es fehle daher an ganz wesentlichen Voraussetzungen für ihre Inanspruchnahme durch die Beklagte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23. April 2008 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch der Klägerin zurück. Er führte ergänzend aus, die nicht unerhebliche Abfindung von der VBG habe bei Beantragung der Witwenrente noch keine zwei Jahre zurückgelegen. Wenn die Klägerin den Erhalt einer solchen Leistung verneint habe, habe sie jedenfalls grob fahrlässig unrichtige Angaben gemacht. Auch sei sie in dem Bescheid vom 11. Oktober 2000 ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass sie den Bezug von Erwerbsersatzeinkommen, darunter auch Verletztenrenten, auch als Kapitalleistung oder Abfindung, mitteilen müsse. Die Klägerin habe daher wissen müssen, dass der Bescheid vom 11. Oktober 2000 fehlerhaft gewesen sei. Eine Ermessensabwägung ergebe, dass der Bescheid teilweise für die Vergangenheit zurückzunehmen sei. Die Klägerin beziehe eine monatliche Altersrente in Höhe von EUR 745,41, eine Hinterbliebenenrente in Höhe von EUR 386,82 und eine Betriebsrente, die sich bereits im Jahre 1998 auf DM 228,50 belaufen habe, so dass nicht ersichtlich sei, dass der Klägerin durch die Rücknahme des Bescheides und der damit verbundenen Rückforderung erhebliche wirtschaftliche Nachteile entstünden. Es habe auch kein Verwaltungsfehler zu der Überzahlung geführt. Sie (die Beklagte) habe nicht erkennen können, dass die Klägerin eine Abfindung erhalten habe. Dass in dem Bescheid der VBG Hinweise gefehlt hätten, dass die Abfindung gleichwohl auf eine spätere Hinterbliebenenrente anzurechnen sei, führe ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung. Es habe an der Klägerin gelegen, sich ggfs. Rat, sinnvollerweise vom Rentenversicherungsträger, einzuholen, welche Rechtsfolgen die Abfindung haben könne.
Die Klägerin erhob am 23. Mai 2008 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG). Sie behauptete, die Mitarbeiterin in der Antragsaufnahme der Stadt W., die Zeugin H., habe sie damals gefragt, ob sie außer der Rente eine weitere Rente beziehe. Dies habe sie wahrheitsgemäß verneint. Die Mitarbeiterin habe aber nicht gefragt, ob sie eine Abfindung auf eine Rente erhalten habe. Hierzu legte sie die schriftliche Bestätigung der M. L. vom 19. Mai 2008 vor, die sie damals zur Antragstellung begleitet habe. Ferner trug die Klägerin vor, sie habe keine Durchschrift des damaligen Antrags erhalten, allein die "Zeichnung des Protokolls" ohne Herausgabe einer solchen Durchschrift reiche nicht aus, weil z. B. nicht geprüft werden könne, ob das Protokoll nachträglich verändert worden sei.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Die Klägerin habe im Antragsformular unrichtige bzw. unvollständige Angaben gemacht. Es könne nicht dem Rentenversicherungsträger zugerechnet werden, wenn die Klägerin weder das ausgefüllte Formular bei Unterzeichnung durchlese noch die anschließenden Bescheide, die Hinweise zur Anrechnung solcher Abfindungen enthalten hätten, inhaltlich zur Kenntnis nehme.
Mit Bescheid vom 03. Juni 2008 berechnete die Beklagte die große Witwenrente (wegen der allgemeinen Rentenanpassung zum 01. Juli 2008) neu. Weiterhin wurde auch eine Verletztenrente als Einkommen angerechnet. Die Klägerin erhob Widerspruch. Mit Bescheid vom 21. Oktober 2008 berechnete die Beklagte die große Witwenrente der Klägerin erneut neu. Sie meinte nunmehr, die (fiktive) Verletztenrente habe nur bis einschließlich Juni 2007 angerechnet werden können. Eine abgefundene Unfallrente werde nun nicht mehr lebenslang angerechnet, sondern nur noch für den Zeitraum, für den die Abfindung bestimmt gewesen sei. Maßgebend sei der Abfindungsfaktor. Dieser habe bei der Klägerin 8,6 betragen. Vervielfältigt mit den zwölf Monaten eines Jahres ergebe sich eine Anrechnungszeit von 104 Monaten. Dieser Zeitraum sei mit Juni 2007 abgelaufen gewesen. Der Bescheid wies eine "Nachzahlung" von EUR 1.825,77 aus, die zunächst einbehalten werde, hierzu führte er weiter aus, die mit Bescheid vom 11. Oktober 2007 festgestellte Überzahlung verringere sich dadurch auf EUR 6.829,72. Gegenüber dem SG erklärte die Beklagte weiterhin, da für die Monate Juli und August 2007 keine Überzahlung bestehe, reduziere sich der bisherige Erstattungsbetrag von EUR 8.655,49 um EUR 214,22 auf EUR 8.441,27.
Das SG vernahm die Zeugin H. mündlich. Wegen der Angaben der Zeugin wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 05. August 2009 verwiesen.
Mit Urteil vom 05. August 2009 hob das SG die Bescheide der Beklagten vom 06. August 2007 und 11. Oktober 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. April 2008 auf. Es führte aus, einer Aufhebung des Rentenbescheids (für die Vergangenheit) stehe schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin entgegen. Die Klägerin habe den zurückgeforderten Geldbetrag verbraucht. Sie habe bei Antragstellung nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig wesentlich unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht. Zwar enthalte das von ihr unterschriebene Antragsformular objektiv unrichtige Angaben, da sie die Frage nach einer Abfindung auf eine Rente mit Nein beantwortet habe. Ihr sei allerdings allenfalls einfache Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Zwar habe sie den Antrag unterschrieben, ohne ihn nochmals genau durchzulesen. Jedoch sei bei der Beurteilung ihres Verschuldens zunächst zu berücksichtigen, dass sie den Antrag nicht allein ausgefüllt habe, sondern unter Mithilfe der Zeugin H ... Ob diese hierbei nach einer erhaltenen Abfindung gefragt habe, habe auf Grund der verstrichenen Zeit nicht mehr festgestellt werden können. Zumindest sei davon auszugehen, dass die Frage nach einer Abfindung bei der Klägerin nicht angekommen sei. Die Klägerin habe auch die Abfindung bereits 1998 erhalten und bis zur Antragstellung verbraucht. Es sei davon auszugehen, dass das Thema Verletztenrente für sie erledigt gewesen sei und sie die Abfindung nicht erwähnt habe, weil sie die Relevanz für die Hinterbliebenenrente nicht erkannt habe. Des weiteren könne keine grobe Sorgfaltspflichtverletzung im Hinblick auf die Hinweise in dem Bescheid vom 11. Oktober 2000 festgestellt werden. Dort sei lediglich niedergelegt, dass der Bezug, das Hinzutreten oder die Veränderung von Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen (wozu auch Kapitalleistungen oder Abfindungen gehören könnten) mitzuteilen gewesen seien. Die Abfindung sei 1998 ausbezahlt worden. Es habe sich nicht um einen Bezug, ein Hinzutreten oder eine Veränderung der genannten Einkommen gehandelt.
Am 25. August 2009 hat die Beklagte Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Die Klägerin habe grob fahrlässig unrichtige Angaben gemacht. Die Zeugin H. habe glaubhaft versichert, die Klägerin zu allen Punkten der in Betracht kommenden Einkommensanrechnungsarten entsprechend der Anlage zum Antrag befragt zu haben, dabei auch nach einer Abfindung, u. a. aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Dass die Klägerin nicht in der Lage gewesen sei, die an sie gerichteten Fragen richtig zu verstehen, sei nicht ersichtlich. Sie könne sich ja sogar heute noch daran erinnern, sie sei im Rahmen der Antragstellung nicht nach einer Abfindung befragt worden. Dass die Abfindung für die Hinterbliebenenrente Relevanz gehabt habe, wie das SG ausführe, habe die Klägerin nicht erkennen müssen. Die Abfindung sei eine durchaus beträchtliche Summe gewesen, die man nicht eben so schnell vergesse. Und auch der Zeitraum zwischen der Abfindung und der Antragstellung sei mit weniger als zwei Jahren nicht derart weit, dass dieser Vorgang bereits in Vergessenheit habe geraten können.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 05. August 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Berufung sei nicht nachvollziehbar. Die Aussage der Zeugin H. sei ersichtlich in sich unstimmig gewesen. Hiernach dürfe ein Fehler bei ihrer (der Klägerin) Befragung nicht ausgeschlossen werden. Der Bescheid der VBG enthalte keinen Hinweis auf die Pflicht zur Anrechnung. Die verwendeten Formulare habe sie zu keinem Zeitpunkt in der Hand gehabt. Die unterschiedlichen Handschriften in den beiden Anträgen belegten, dass sie in den Diensträumen der Zeugin H. nicht vollständig ausgefüllt worden seien. Die Beklagte hätte sie (die Klägerin) zur Vervollständigung der notwendigen Angaben nochmals laden müssen.
Der Berichterstatter des Senats hat die Klägerin persönlich angehört und erneut die Zeugin H. mündlich vernommen. Wegen des Ergebnisses der Anhörung und der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung vom 22. Oktober 2009 verwiesen. Die von der Klägerin benannte Zeugin M. L. hat nicht vernommen werden können, da sie am 27. Mai 2008 verstorben ist.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten, über die der Senat nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig, insbesondere angesichts der Beschwer der Beklagten von EUR 6.829,77 nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der seit dem 01. April 2008 geltenden Fassung zulassungsbedürftig. Die Berufung ist auch begründet. Das SG hätte der Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 SGG) der Klägerin nicht stattgegeben dürfen. Deswegen waren sein Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
1. Gegenstand des Verfahrens sind nicht nur die Bescheide der Beklagten vom 06. August und 11. Oktober 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. April 2008, wie es das SG in seinem Tenor angenommen hat. Auch der Bescheid vom 21. Oktober 2008, mit dem die Beklagte die Teil-Rücknahme des Bewilligungsbescheids vom 11. Oktober 2000 auf die Zeit bis zum 30. Juni 2007 beschränkte und entsprechend die Rückzahlungsforderung von EUR 8.655,49 auf EUR 6.829,77 verringerte, ist nach § 96 Abs. 1 SGG in das laufende Klagverfahren einbezogen worden. Er hat die angefochtenen Bescheide ihrerseits teilweise aufgehoben und insoweit ergänzt bzw. ersetzt. Das Gleiche galt zunächst auch für den Bescheid vom 03. Juni 2008, mit dem die Beklagte die Rente der Klägerin - bei fortbestehender laufender Anrechnung einer Verletztenrente - ab Juli 2008 neu berechnet hatte. Dieser Bescheid jedoch hatte sich durch den nachfolgenden Bescheid vom 21. Oktober 2008, mit dem die Anrechnung auf die Zeit bis Juni 2007 beschränkt wurde, erledigt und war daher nicht mehr Gegenstand des Verfahrens. Der Senat kann auch - allerdings auf Klage und nicht auf Berufung - über den Bescheid vom 21. Oktober 2008 entscheiden, obwohl das SG nicht über ihn entschieden hat. Hat das Sozialgericht über einen in das Verfahren einbezogenen Bescheid nicht entschieden, so stellt dies einen Verfahrensfehler dar (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 96 Rn. 12). Dieser führt jedoch nicht zwingend zu einer Zurückverweisung an das Sozialgericht nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG. Eine solche Zurückverweisung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Berufungsgerichts. Vielmehr kann das Berufungsgericht auch über den einbezogenen Bescheid selbst entscheiden, sogar dann, wenn dem ein Beteiligter widerspricht (Bundessozialgericht [BSG] SozR 4-1500 § 96 Nr. 4). Wenn ein solcher Widerspruch fehlt und die Einbeziehung den Interessen der Beteiligten, insbesondere dem Interesse an einer zügigen Beendigung des Verfahrens entspricht, ist eine unmittelbare Entscheidung durch das Berufungsgericht in der Regel geboten. So liegt der Fall hier. Eine Zurückverweisung würde das Verfahren unnötig verzögern. Ein Widerspruch der Beteiligten gegen eine Entscheidung des Senats liegt nicht vor.
2. Nach Erlass des Bescheids vom 21. Oktober 2008 umfasste der Streitgegenstand des Verfahrens nur noch die Teil-Rücknahme der Rentenbewilligung für einen allein in der Vergangenheit liegenden Zeitraum (und die daran anknüpfende Rückzahlungsforderung), nämlich die Zeit vom 01. Dezember 2000 bis zum 30. Juni 2007. Ursprünglich und zuletzt mit dem Bescheid vom 03. Juni 2008 hatte die Beklagte die Rentenbewilligung auch für die Zukunft teilweise zurückgenommen und die fiktive Verletztenrente auch auf die monatlichen Zahlbeträge der Hinterbliebenenrente angerechnet.
3. Mit diesem Inhalt war zunächst die Teil-Rücknahme der Rentenbewilligung rechtmäßig und verletzte die Klägerin nicht in ihren Rechten.
a) Nachdem die Beklagte die Teil-Rücknahme des Bewilligungsbescheids vom 11. Oktober 2000 durch den Bescheid vom 21. Oktober 2008 auf einen vollständig in der Vergangenheit liegenden Zeitraum beschränkt hatte, war die Rechtsgrundlage nur § 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 und Abs. 4 Satz 1 SGB X. Nach diesen Vorschriften kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt für die Vergangenheit - nur - zurückgenommen werden, soweit sich der Begünstigte nicht auf schutzwürdiges Vertrauen berufen kann, weil 1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, 2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat oder 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder in Folge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Grobe Fahrlässigkeit liegt nach Nr. 3 Halbsatz 2 dieser Norm vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Diese Vorschrift bezieht sich nach ihrer Stellung in der Vorschrift nur auf die Fälle der Nr. 3, wird aber ebenso auf den Begriff der groben Fahrlässigkeit in Nr. 2 bezogen (Schütze, in: v. Wulffen, SGB X, 6. Aufl. 2008, § 45 Rn. 52). Hierbei ist ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab zu Grunde zu legen, der sich an der persönlichen Einsichtsfähigkeit des Betroffenen orientiert (BSG SozR 5870 § 13 Nr. 20). Entscheidend sind stets die besonderen Umstände des Einzelfalles und die individuellen Fähigkeiten des Betroffenen, d.h. seine Urteilsfähigkeit und sein Einsichtsvermögen, im Übrigen auch sein Verhalten (BSGE 42, 184, zum Ganzen vgl. auch: BSG SozR 3-1300 § 45 Nr. 45). In der Regel liegt grobe Fahrlässigkeit vor, wenn der Begünstigte schon einfachste und ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (BSG SozR 4100 § 71 Nr. 2). Nicht abzustellen ist auf den Horizont eines objektiven Verkehrsteilnehmers wie bei der allgemeinen Fahrlässigkeit des Zivilrechts nach § 276 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB).
b) Der Bescheid vom 11. Oktober 2000 war bei seinem Erlass für die Zeit ab 01. Dezember 2000 teilweise rechtswidrig. Die Beklagte hatte mit ihm eine große Witwenrente bewilligt und hierauf ab 01. Dezember 2000 nur die eigene Rente der Klägerin aus der gesetzlichen Rentenversicherung angerechnet, nicht aber den fiktiven Zahlbetrag der abgefundenen Verletztenrente auf Grund des Bescheids der VBG vom 28. Oktober 1998. Auch diese fiktive Zahlbetrag der abgefundenen Verletztenrente war aber ab Dezember 2000 auf die große Witwenrente anrechenbar:
§ 97 Abs. 1 Nr. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) bestimmt, dass Einkommen im Sinne der §§ 18a bis 18e des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IV), das mit einer Witwen- oder Witwerrente zusammentrifft, hierauf angerechnet wird. Dies gilt nach § 97 Abs. 2 SGB VI nicht bei Witwenrenten oder Witwerrenten, solange deren Rentenartfaktor mindestens 1,0 beträgt. 1,0 beträgt der Rentenartfaktor für persönliche Entgeltpunkte nach § 67 Nr. 6 SGB VI bei großen Witwenrenten bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats, in dem der Ehegatte verstorben ist. Nach § 18a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB IV sind konkret auch Erwerbsersatzeinkommen ein derartiges anrechnungspflichtiges Einkommen. Zu den Erwerbsersatzeinkommen zählt nach § 18a Abs. 3 Nr. 4 SGB IV auch die Verletztenrente der Unfallversicherung, soweit sie einen der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz entsprechenden Betrag übersteigt. Weiterhin bestimmt § 18a Abs. 3 Satz 3 SGB IV: Wird eine Kapitalleistung oder anstelle einer wiederkehrenden Leistung eine Abfindung gezahlt, ist der Betrag als Einkommen zu berücksichtigen, der bei einer Verrentung der Kapitalleistung oder als Rente ohne die Abfindung zu zahlen wäre.
Da der Ehemann der Klägerin am 09. August 2000 verstorben ist, betrug der Rentenartfaktor der der Klägerin bewilligten Witwenrente für die Zeit von September bis November 2000 1,0. Seitdem beträgt er 0,6 (§ 67 Nr. 6 SGB VI in der im Jahre 2000 geltenden Fassung Art. 1 des Rentenreformgesetzes 1992 vom 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261). Die Beklagte hat daher zu Recht die (fiktive) Verletztenrente erst ab Dezember 2000 angerechnet.
c) Die Klägerin kann sich gegen die Teil-Rücknahme der Rentenbewilligung nicht auf schutzwürdiges Vertrauen berufen:
aa) Sie hat bei der Antragstellung zumindest grob fahrlässig Angaben gemacht, die in wesentlicher Beziehung unrichtig waren. Denn sie hat in den Antragsvordrucken verneint, eine abgefundene Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung bezogen zu haben.
Allerdings hat sie in dem einen Formular, dem Antragsvordruck selbst (VR I 009 12/99), keine falschen Angaben gemacht. Sie hat dort zwar die Frage "Wurde eine Unfallrente abgefunden?" verneint. Diese Frage bezog sich jedoch ersichtlich nur auf "Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung". Diese Formulierung war in der Frage unmittelbar zuvor enthalten, außerdem waren beide Fragen unter derselben Nummer 13.2 zusammengefasst. Die beiden Fragen zielten auch nicht auf eine Einkommensanrechnung nach § 97 SGB VI, sondern auf die Ruhensvorschrift des § 93 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI. Die Klägerin hatte aber eine Abfindung aus einer eigenen Verletztenrente erhalten. Danach war in dem Antrag nicht gefragt. Auch Frage 13.1 betraf nur "eigene Renten" aus der gesetzlichen Rentenversicherung, nicht aber aus der Unfallversicherung. Ihre eigene Rente von der Beklagten hatte die Klägerin auch wahrheitsgemäß angegeben.
Jedoch war eine Angabe in dem anderen Formular, der Anlage zum Antrag (Vordruck VR I 011 10/99), fehlerhaft. Dort war unter Nr. 7.4 nach einer Versichertenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung, also einer eigenen Verletztenrente, gefragt, weiterhin war dann unter Nr. 7.9 gefragt, ob eine derartige Leistung kapitalisiert oder abgefunden worden sei. Diese letztere Frage bezog sich ersichtlich auch auf Abfindungen aus der Zeit vor Antragstellung. Zwar waren alle Fragen unter Nr. 7 mit "Beziehen oder bezogen Sie ab Beginn der Rente wegen Todes ?" (Hervorhebung nur hier) eingeleitet. Zumindest die Fragen nach laufenden Renten konnten daher auch so verstanden werden, dass sie nach Beginn der beantragten Hinterbliebenenrente noch würden bezogen werden. Frage 7.9 konnte sich jedoch gleichwohl nur auf Abfindungen in der Vergangenheit bezogen haben. Ob eine Verletztenrente in der Zukunft - also nach Beginn der beantragten Hinterbliebenenrente - einstmals abgefunden wird, kann ein Antragsteller nicht vorhersehen. Außerdem wird in diesem Fall noch laufend eine solche Rente bezogen, die schon unter Frage 7.4 anzugeben war, dann wäre Frage 7.9 überflüssig. Eine Abfindung kann nur in der Vergangenheit liegen, also bei der Beantragung einer Hinterbliebenenrente in jedem Fall vor Beginn dieser Rente. Frage 7.9 war in sich auch völlig eindeutig formuliert. Die Klägerin hat diese Frage verneint, indem sie die Anlage zu dem Antrag unterschrieb, nachdem die Zeugin H. bei Frage 7.9 Nein angekreuzt hatte. Mit ihrer Unterschrift hat die Klägerin die Gewähr dafür übernommen, dass alle Fragen richtig und wahrheitsgemäß beantwortet waren.
Der Senat meint - anders als das SG -, dass die Klägerin bei dieser Angabe zumindest grob fahrlässig gehandelt hat. Wie bereits ausgeführt, war die Frage 7.9 für sich betrachtet eindeutig und erfasste auch die Abfindung der Verletztenrente der Klägerin. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Frage ganz oben auf der letzten Seite der Anlage steht, die die Klägerin unten auf dieser Seite unterschrieben hat. Eine falsche Antwort wie hier gerade oben auf der Unterschriftsseite springt ins Auge. Weiterhin berücksichtigt der Senat auch, dass die Abfindung eine erhebliche Höhe hatte und ihre Auszahlung keine zwei Jahre zurücklag, der Klägerin also noch gegenwärtig gewesen sein musste, auch wenn sie inzwischen verbraucht war. Dass die Hinterbliebenenrente bedürftigkeitsabhängig ist, ergab sich aus den Fragen in dem Antragsformular ohne Weiteres. Dann aber muss ein Antragsteller, der erst vor kurzem eine so hohe Abfindung erhalten hat, zumindest nachfragen, ob diese auf die beantragte Rente anzurechnen ist. Die Klägerin kann nicht damit durchdringen, die Zeugin H. habe sie bei Antragstellung nicht konkret nach einer Abfindung gefragt. Dieser Punkt konnte im Verfahren nicht mehr aufgeklärt werden. Es kommt darauf aber auch nicht an. Ein Antragsteller muss, wenn er einen von einem Dritten ausgefüllten Vordruck unterschreibt, sicherstellen, dass alle Fragen richtig beantwortet sind. Er muss ihn daher durchlesen und - sollten ihm Fragen oder Antworten unklar sein - nachfragen. Es entschuldigt ihn nicht, wenn er ein solches Formular ohne eigene Kontrolle, quasi "blind", unterschreibt (Schütze, a.a.O., Rn. 52; Steinwedel, in: Kasseler Kommentar, SGB X, § 45 Rn. 40). Die Klägerin kann sich hier auch nicht darauf berufen, sie hätte die Fehlerhaftigkeit der Antwort auch bei einem sorgfältigen Durchlesen nicht erkannt. Die Frage war, wie ausgeführt, eindeutig. Wäre dies nicht der Fall gewesen, hätte sie im Übrigen nachfragen müssen, um dem Vorwurf der groben Fahrlässigkeit zu entgehen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 06. Dezember 2000, L 5 AL 4372/00, veröffentlicht in Juris, Rn. 41).
bb) Da der Klägerin hiernach bereits grob fahrlässig falsche Angaben bei Antragstellung gemacht hat, kann hier offen bleiben, ob sie auch erkannt hat oder im Sinne grober Fahrlässigkeit hätte erkennen müssen, dass der Bewilligungsbescheid vom 11. Oktober 2000 rechtswidrig war, weil in ihm die abgefundene Verletztenrente nicht auf die ihr bewilligte große Witwenrente angerechnet wurde.
d) Gegen die Höhe der Teil-Rücknahme, also die Höhe des seit 01. Dezember 2000 anzurechnenden Einkommens, hat die Klägerin keine Einwände erhoben. Solche sind auch nicht ersichtlich. Aus dem Bescheid vom 06. August 2007 ergibt sich, dass die Beklagte von der fiktiven Verletztenrente, wie sie die VBG bei dem Datenabgleich gemeldet hatte, zunächst die Grundrente nach dem BVG abzog, wie es § 18a Abs. 3 Nr. 4 SGB IV vorschreibt, und sodann - von dem Gesamteinkommen der Klägerin - nach § 97 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI das 26,4fache des aktuellen Rentenwerts absetzte und von dem überschießenden Betrag nach § 97 Abs. 2 Satz 3 SGB VI 40 v.H. anrechnete.
e) Die Fristen des § 45 SGB X sind eingehalten. Insbesondere hat die Beklagte den Bewilligungsbescheid nach § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X binnen eines Jahres ab dem Zeitpunkt zurückgenommen, zu dem sie Kenntnis von den Tatsachen hatte, die die Rücknahme für die Vergangenheit rechtfertigten. Diese Kenntnis erwarb die Klägerin nicht früher als durch den Datenabgleich vom 03. August 2007, den ersten Rücknahme- und Rückforderungsbescheid erließ sie bereits drei Tage später. Dass dieser Bescheid möglicherweise teilweise rechtswidrig war, weil die Verletztenrente zunächst auch für die Zukunft angerechnet wurde, ist hierbei irrelevant.
f) Letztlich hat die Beklagte in den angegriffenen Bescheiden auch in ausreichendem Maße Ermessen ausgeübt.
Auch eine Rücknahme für die Vergangenheit, die nach § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X ohnehin nur in den Fällen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X, also bei schweren Verschuldensvorwürfen gegen den Begünstigten, möglich ist, bleibt eine Ermessensentscheidung. Allerdings ist in diesen Fällen in aller Regel von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen (Schütze, a.a.O., Rn. 91). Nur Umstände zu Gunsten des Begünstigten, die ebenso schwer wiegen wie das ihm konkret vorzuwerfende Verhalten, können die Behörde dazu veranlassen, von der an sich zulässigen Rücknahme des Verwaltungsakts ganz oder teilweise abzusehen. Es müssen atypische Fälle sein. Gegen eine (vollständige) Rücknahme kann z. B. ein besonders grobes Verschulden der Behörde sprechen, etwa wegen fehlerhafter oder undeutlicher Fragestellungen. Auch die wirtschaftliche Situation des Begünstigten ist zu berücksichtigen, die Rücknahme kann ermessensfehlerhaft sein, wenn sie für ihn - auch unter Berücksichtigung der Ansprüche auf Stundung (§ 76 Abs. 2 Nr. 1 SGB IV) und Ratenzahlungen - eine unbillige Härte darstellt (zu allem vgl. Schütze, a.a.O., Rn. 90 m.w.N.).
Die Beklagte hat Ermessen ausgeübt, zwar noch nicht in dem Bescheid vom 06. August 2007, jedoch nach der Anhörung der Klägerin in dem Bescheid vom 11. Oktober 2007. Sie hat dort ausgeführt, die erkennbare wirtschaftliche Lage der Klägerin gebiete nicht, von der Rücknahme abzusehen. Ein Ermessensausfall liegt daher nicht vor.
Diese Ermessensausübung hat auch die - vom Senat nach § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG allein überprüfbaren - Grenzen eingehalten. Den Belang der wirtschaftlichen Lage hat die Beklagte in ihre Abwägung eingestellt. Allenfalls ein weiterer Belang hätte noch berücksichtigt können, nämlich die Art der Fragestellung in dem Antrag auf Hinterbliebenenrente. Nachdem die Frage 7.9 in der Anlage zu dem Antrag jedoch - wie ausgeführt - eindeutig gestellt war, liegt insoweit kein Fehler der Beklagten vor, der eine andere Ermessensabwägung hätte bedingen können.
4. Da die Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 11. Oktober 2000 zu Recht teilweise zurückgenommen hat, hat die Klägerin nach § 50 Abs. 1 SGB X die zu viel gezahlten Beträge zu erstatten. Den ursprünglichen Erstattungsbetrag in Höhe von EUR 8.655,49 hat die Beklagte zutreffend berechnet. Insoweit wird auf die Berechnung in Anlage 1 des Bescheids vom 06. August 2007 Bezug genommen. Die Beklagte hat allerdings nicht an diesem ursprünglichen Erstattungsbetrag von EUR 8.655,49 festgehalten, sondern diesen mit Bescheid vom 21. Oktober 2008 auf EUR 6.829,72 reduziert, so dass die Klägerin verpflichtet ist, nur EUR 6.829,72 zu erstatten.
5. Trotz der Abweisung der Klage war die Beklagte zur Erstattung eines Fünftels der außergerichtlichen Kosten der Klägerin in der ersten Instanz zu verurteilen. Die Beklagte hatte mit dem zunächst angegriffenen Bescheid vom 06. August 2007 die Abfindung unbefristet auf die Hinterbliebenenrente angerechnet. Erst mit dem Bescheid vom 21. Oktober 2008 hat sie während des laufenden Klagverfahrens die Anrechnung auf die Zeit bis zum 30. Juni 2007 beschränkt und die Rückforderung von EUR 8.655,49 auf EUR 6.829,72 verringert. Unabhängig davon, ob die ursprüngliche, unbefristete Anrechnung berechtigt war, hat die Klägerin insoweit - in etwa in Höhe eines Fünftels der Streitsumme - obsiegt.
6. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen angesichts der Einzelfallbezogenheit dieser Entscheidung nicht vor.
Im Berufungsverfahren werden außergerichtliche Kosten nicht erstattet.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung überzahlter Witwenrente.
Die am 1932 geborene Klägerin bezieht von der Beklagten, zuvor deren Rechtsvorgängerin, der Landesversicherungsanstalt (LVA) Hessen (im Folgenden einheitlich Beklagte), Versichertenrente aus einer eigenen Versicherung mit einem Zahlbetrag im September 2000 in Höhe von DM 1.412,85. Sie bezog seit 01. Februar 1993 von der Verwaltungs-Berufsgenossen¬schaft (VBG) eine Verletztenrente der gesetzlichen Unfallversicherung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 v.H., die mit Ablauf des Monats Oktober 1998 mit einem Betrag von DM 77.910,84 (Jahresbetrag DM 9.059,40, Kapitalwert 8,6) abgefunden wurde (Bescheid der VBG vom 28. Oktober 1998).
Die Klägerin beantragte am 21. August 2000 die Gewährung von Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihres am 1930 geborenen Ehemannes, der am 2000 verstorben war. Dieser hatte von der Beklagten zuletzt (Bescheid vom 22. November 1994) Regelaltersrente bezogen. Die Klägerin stellte den Antrag in der Sozial- und Rentenstelle ihrer Heimatgemeinde W ... Aufnehmende Mitarbeiterin der Stadt war die Zeugin H ... Verwendet wurden zwei Vordrucke der LVA Baden, nämlich der "Antrag auf Hinterbliebenenrente aus der Rentenversicherung der Arbeiter" (VR I 009 12/99) und die "Anlage zum Antrag auf Hinterbliebenenrente/Erziehungsrente" (VR I 011 10/99). In Abschnitt 13 des Antrags ("Andere Leistungen") gab die Klägerin unter Nr. 13.1 als eigenes Einkommen eine Rente aus eigener Versicherung von der Beklagten an. Die beiden unter Nr. 13.2 enthaltenen Fragen "Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ?" und "Wurde eine Unfallrente abgefunden?" wurden verneint. In der Anlage zum Antrag war in Abschnitt 7 ("Dauerhaftes Erwerbsersatzeinkommen") unter der Frage "Beziehen oder bezogen Sie ab Beginn der Rente wegen Todes eine der nachstehenden Leistungen oder haben Sie eine dieser Leistungen beantragt?" u.a. in dem Feld "Versichertenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung" Nein angegeben (Frage 7.4), ebenso war unter Nr. 7.9 "Wurde eine der unter Ziffer 7.1 - 7.8 genannten Leistungen kapitalisiert oder anstelle einer wiederkehrenden Leistung eine Abfindung gezahlt?" Nein angegeben. Die Klägerin unterschrieb sowohl Antrag als auch Anlage mit der "ausdrücklichen Versicherung der Richtigkeit" der Angaben. Mit Bescheid vom 11. Oktober 2000 bewilligte die Beklagte der Klägerin ab dem 01. September 2000 große Witwenrente mit einem monatlichen Zahlbetrag von anfangs DM 908,20. In dem Bescheid war auf S. 4 unter "Mitteilungspflichten" u. a. angegeben, es bestehe die gesetzliche Verpflichtung, den Bezug, das Hinzutreten oder die Veränderung von Erwerbseinkommen ( ) und Erwerbsersatzeinkommen unverzüglich mitzuteilen. Erwerbsersatzeinkommen seien, auch als Kapitalleistung oder Abfindung ( ), Verletztengeld ( ), Rente an Versicherte aus der gesetzlichen Unfallversicherung ( ). Die Beklagte rechnete wegen der von der Klägerin bezogenen Versichertenrente aus eigener Versicherung Einkommen in Höhe von DM 52,14 monatlich an.
Im Rahmen eines automatischen Datenabgleichs der Rentenversicherungsträger am 03. August 2007 erfuhr die Beklagte von dem Bezug der Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung mit einem ohne die Abfindung zu zahlenden Betrag im September 2000 in Höhe von EUR 393,36 und seit 01. Juli 2007 in Höhe von EUR 416,02. Ohne vorherige Anhörung der Klägerin erließ die Beklagte unter dem 06. August 2007 einen Bescheid, mit dem sie die große Witwenrente ab dem 01. September 2000 neu berechnete (monatlicher Zahlbetrag ab 01. September 2007 EUR 386,82) und die Klägerin aufforderte, die für die Zeit vom 01. September 2000 bis 31. August 2007 eingetretene Überzahlung von EUR 8.655,49 zu erstatten. In dem Bescheid war ausgeführt, die Klägerin habe bei der Antragstellung den Bezug einer eigenen Unfallrente verneint, beziehe aber bereits seit dem 01. Februar 1993 eine solche Rente. Diese sei nicht als Einkommen berücksichtigt worden. Damit habe die Klägerin von Rentenbeginn an einen zu hohen Rentenbetrag ausbezahlt erhalten. Die Rente sei neu berechnet worden. Der Bescheid vom 11. Oktober 2000 werde insoweit mit Wirkung vom 01. September 2000 hinsichtlich der Rentenhöhe aufgehoben. Falls bis 31. August 2007 eine Zahlung des Erstattungsbetrags nicht festzustellen sei oder sie (die Beklagte) keine Nachricht erhalten habe, gehe sie (die Beklagte) davon aus, dass die Klägerin mit der Einbehaltung des Betrages in monatlichen Raten von EUR 190,00 von der laufenden Rentenzahlung einverstanden sei. Bei der Berechnung der Überzahlung ging die Beklagte davon aus, dass in den Monaten September bis November 2000 die Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht anzurechnen gewesen sei.
Die Klägerin erhob Widerspruch. Die von der Beklagten beanstandete Rentenauszahlung habe nur die Rentenversicherungsnummer der Klägerin selbst, nicht die ihres Ehemannes, betroffen. Sie beziehe eine eigene Rente und die Witwenrente, jedoch keine Unfallrente. Nach der Berechnung der Beklagten habe die Abfindung mehr als EUR 34.000,00 umfassen müssen. Dies sei nicht der Fall gewesen. Mit Schreiben vom 06. September 2007 hörte die Beklagte die Klägerin - nachträglich - zur beabsichtigten Rücknahme des Rentenbescheids vom 11. Oktober 2000 "gemäß § 45 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) mit Wirkung vom 01. Dezember 2000" und zur Rückforderung einer Überzahlung für die Zeit vom 01. Dezember 2000 bis 31. August 2007 in Höhe von EUR 8.655,49 an. Auf Ermittlungen der Beklagten hin teilte die VBG zunächst telefonisch und sodann unter dem 09. Oktober 2007 die ohne die Abfindung zu zahlenden Beträge der Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung seit 01. September 2000 mit.
Die Beklagte erließ den Bescheid vom 11. Oktober 2007. Mit diesem Bescheid nahm sie den Bescheid vom 11. Oktober 2000 ab mit Wirkung ab 01. Dezember 2000 hinsichtlich der Rentenhöhe zurück, stellte für die Zeit vom 01. Dezember 2000 bis 31. August 2007 die Entstehung einer Überzahlung von EUR 8.655,49 fest, forderte die Klägerin auf, diesen Betrag zu erstatten und stellte den monatlichen Zahlbetrag am 01. September 2007 mit EUR 386,82 fest. In der Begründung ist ausgeführt, sie (die Beklagte) habe zwischenzeitlich erfahren, dass die Klägerin an Stelle einer Verletztenrente eine Abfindung erhalten habe. In solchen Fällen sei als Einkommen der Betrag zu berücksichtigen, der ohne die Abfindung zu zahlen wäre. Diese Anrechnung sei unterblieben. Rechtsgrundlage für die Rücknahme sei § 45 SGB X. Die Klägerin könne sich nicht auf Vertrauen berufen, da sie bei Antragstellung verschwiegen habe, dass sie eine Abfindung erhalten habe. Sie habe daher gewusst, dass die Abfindung als Einkommen zu berücksichtigen sei bzw. habe es nur deshalb nicht gewusst, weil sie die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt habe. Gleichwohl sei pflichtgemäßes Ermessen auszuüben. Dies erfordere eine Abwägung der Umstände des Einzelfalls. Eine solche Abwägung ergebe, dass der Bescheid vom 11. Oktober 2000 teilweise für die Vergangenheit zurückzunehmen sei. Das Interesse der Allgemeinheit überwiege das Interesse der Klägerin. Es sei nicht ersichtlich, dass ihr durch die Rücknahme und die Rückforderung erhebliche wirtschaftliche Nachteile entstünden. Dies habe die Klägerin noch nicht einmal behauptet. Dieser Bescheid werde Gegenstand des Widerspruchsverfahrens.
Auf Nachfrage der Beklagten übersandte die VBG den Bescheid vom 28. Oktober 1998 sowie ihr Schreiben an die Klägerin vom 23. Juni 1998 mit Informationen über die (unfallversicherungsrechtlichen) Folgen einer Abfindung. Hierzu trug die Klägerin vor, der Bescheid der VBG vom 23. Juni 1998 enthalte keine Rechtsbehelfsbelehrung oder Mitteilung, dass die ausbezahlte Abfindung bei späteren Rentenbezügen anzugeben sei. Es fehle daher an ganz wesentlichen Voraussetzungen für ihre Inanspruchnahme durch die Beklagte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23. April 2008 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch der Klägerin zurück. Er führte ergänzend aus, die nicht unerhebliche Abfindung von der VBG habe bei Beantragung der Witwenrente noch keine zwei Jahre zurückgelegen. Wenn die Klägerin den Erhalt einer solchen Leistung verneint habe, habe sie jedenfalls grob fahrlässig unrichtige Angaben gemacht. Auch sei sie in dem Bescheid vom 11. Oktober 2000 ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass sie den Bezug von Erwerbsersatzeinkommen, darunter auch Verletztenrenten, auch als Kapitalleistung oder Abfindung, mitteilen müsse. Die Klägerin habe daher wissen müssen, dass der Bescheid vom 11. Oktober 2000 fehlerhaft gewesen sei. Eine Ermessensabwägung ergebe, dass der Bescheid teilweise für die Vergangenheit zurückzunehmen sei. Die Klägerin beziehe eine monatliche Altersrente in Höhe von EUR 745,41, eine Hinterbliebenenrente in Höhe von EUR 386,82 und eine Betriebsrente, die sich bereits im Jahre 1998 auf DM 228,50 belaufen habe, so dass nicht ersichtlich sei, dass der Klägerin durch die Rücknahme des Bescheides und der damit verbundenen Rückforderung erhebliche wirtschaftliche Nachteile entstünden. Es habe auch kein Verwaltungsfehler zu der Überzahlung geführt. Sie (die Beklagte) habe nicht erkennen können, dass die Klägerin eine Abfindung erhalten habe. Dass in dem Bescheid der VBG Hinweise gefehlt hätten, dass die Abfindung gleichwohl auf eine spätere Hinterbliebenenrente anzurechnen sei, führe ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung. Es habe an der Klägerin gelegen, sich ggfs. Rat, sinnvollerweise vom Rentenversicherungsträger, einzuholen, welche Rechtsfolgen die Abfindung haben könne.
Die Klägerin erhob am 23. Mai 2008 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG). Sie behauptete, die Mitarbeiterin in der Antragsaufnahme der Stadt W., die Zeugin H., habe sie damals gefragt, ob sie außer der Rente eine weitere Rente beziehe. Dies habe sie wahrheitsgemäß verneint. Die Mitarbeiterin habe aber nicht gefragt, ob sie eine Abfindung auf eine Rente erhalten habe. Hierzu legte sie die schriftliche Bestätigung der M. L. vom 19. Mai 2008 vor, die sie damals zur Antragstellung begleitet habe. Ferner trug die Klägerin vor, sie habe keine Durchschrift des damaligen Antrags erhalten, allein die "Zeichnung des Protokolls" ohne Herausgabe einer solchen Durchschrift reiche nicht aus, weil z. B. nicht geprüft werden könne, ob das Protokoll nachträglich verändert worden sei.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Die Klägerin habe im Antragsformular unrichtige bzw. unvollständige Angaben gemacht. Es könne nicht dem Rentenversicherungsträger zugerechnet werden, wenn die Klägerin weder das ausgefüllte Formular bei Unterzeichnung durchlese noch die anschließenden Bescheide, die Hinweise zur Anrechnung solcher Abfindungen enthalten hätten, inhaltlich zur Kenntnis nehme.
Mit Bescheid vom 03. Juni 2008 berechnete die Beklagte die große Witwenrente (wegen der allgemeinen Rentenanpassung zum 01. Juli 2008) neu. Weiterhin wurde auch eine Verletztenrente als Einkommen angerechnet. Die Klägerin erhob Widerspruch. Mit Bescheid vom 21. Oktober 2008 berechnete die Beklagte die große Witwenrente der Klägerin erneut neu. Sie meinte nunmehr, die (fiktive) Verletztenrente habe nur bis einschließlich Juni 2007 angerechnet werden können. Eine abgefundene Unfallrente werde nun nicht mehr lebenslang angerechnet, sondern nur noch für den Zeitraum, für den die Abfindung bestimmt gewesen sei. Maßgebend sei der Abfindungsfaktor. Dieser habe bei der Klägerin 8,6 betragen. Vervielfältigt mit den zwölf Monaten eines Jahres ergebe sich eine Anrechnungszeit von 104 Monaten. Dieser Zeitraum sei mit Juni 2007 abgelaufen gewesen. Der Bescheid wies eine "Nachzahlung" von EUR 1.825,77 aus, die zunächst einbehalten werde, hierzu führte er weiter aus, die mit Bescheid vom 11. Oktober 2007 festgestellte Überzahlung verringere sich dadurch auf EUR 6.829,72. Gegenüber dem SG erklärte die Beklagte weiterhin, da für die Monate Juli und August 2007 keine Überzahlung bestehe, reduziere sich der bisherige Erstattungsbetrag von EUR 8.655,49 um EUR 214,22 auf EUR 8.441,27.
Das SG vernahm die Zeugin H. mündlich. Wegen der Angaben der Zeugin wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 05. August 2009 verwiesen.
Mit Urteil vom 05. August 2009 hob das SG die Bescheide der Beklagten vom 06. August 2007 und 11. Oktober 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. April 2008 auf. Es führte aus, einer Aufhebung des Rentenbescheids (für die Vergangenheit) stehe schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin entgegen. Die Klägerin habe den zurückgeforderten Geldbetrag verbraucht. Sie habe bei Antragstellung nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig wesentlich unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht. Zwar enthalte das von ihr unterschriebene Antragsformular objektiv unrichtige Angaben, da sie die Frage nach einer Abfindung auf eine Rente mit Nein beantwortet habe. Ihr sei allerdings allenfalls einfache Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Zwar habe sie den Antrag unterschrieben, ohne ihn nochmals genau durchzulesen. Jedoch sei bei der Beurteilung ihres Verschuldens zunächst zu berücksichtigen, dass sie den Antrag nicht allein ausgefüllt habe, sondern unter Mithilfe der Zeugin H ... Ob diese hierbei nach einer erhaltenen Abfindung gefragt habe, habe auf Grund der verstrichenen Zeit nicht mehr festgestellt werden können. Zumindest sei davon auszugehen, dass die Frage nach einer Abfindung bei der Klägerin nicht angekommen sei. Die Klägerin habe auch die Abfindung bereits 1998 erhalten und bis zur Antragstellung verbraucht. Es sei davon auszugehen, dass das Thema Verletztenrente für sie erledigt gewesen sei und sie die Abfindung nicht erwähnt habe, weil sie die Relevanz für die Hinterbliebenenrente nicht erkannt habe. Des weiteren könne keine grobe Sorgfaltspflichtverletzung im Hinblick auf die Hinweise in dem Bescheid vom 11. Oktober 2000 festgestellt werden. Dort sei lediglich niedergelegt, dass der Bezug, das Hinzutreten oder die Veränderung von Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen (wozu auch Kapitalleistungen oder Abfindungen gehören könnten) mitzuteilen gewesen seien. Die Abfindung sei 1998 ausbezahlt worden. Es habe sich nicht um einen Bezug, ein Hinzutreten oder eine Veränderung der genannten Einkommen gehandelt.
Am 25. August 2009 hat die Beklagte Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Die Klägerin habe grob fahrlässig unrichtige Angaben gemacht. Die Zeugin H. habe glaubhaft versichert, die Klägerin zu allen Punkten der in Betracht kommenden Einkommensanrechnungsarten entsprechend der Anlage zum Antrag befragt zu haben, dabei auch nach einer Abfindung, u. a. aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Dass die Klägerin nicht in der Lage gewesen sei, die an sie gerichteten Fragen richtig zu verstehen, sei nicht ersichtlich. Sie könne sich ja sogar heute noch daran erinnern, sie sei im Rahmen der Antragstellung nicht nach einer Abfindung befragt worden. Dass die Abfindung für die Hinterbliebenenrente Relevanz gehabt habe, wie das SG ausführe, habe die Klägerin nicht erkennen müssen. Die Abfindung sei eine durchaus beträchtliche Summe gewesen, die man nicht eben so schnell vergesse. Und auch der Zeitraum zwischen der Abfindung und der Antragstellung sei mit weniger als zwei Jahren nicht derart weit, dass dieser Vorgang bereits in Vergessenheit habe geraten können.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 05. August 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Berufung sei nicht nachvollziehbar. Die Aussage der Zeugin H. sei ersichtlich in sich unstimmig gewesen. Hiernach dürfe ein Fehler bei ihrer (der Klägerin) Befragung nicht ausgeschlossen werden. Der Bescheid der VBG enthalte keinen Hinweis auf die Pflicht zur Anrechnung. Die verwendeten Formulare habe sie zu keinem Zeitpunkt in der Hand gehabt. Die unterschiedlichen Handschriften in den beiden Anträgen belegten, dass sie in den Diensträumen der Zeugin H. nicht vollständig ausgefüllt worden seien. Die Beklagte hätte sie (die Klägerin) zur Vervollständigung der notwendigen Angaben nochmals laden müssen.
Der Berichterstatter des Senats hat die Klägerin persönlich angehört und erneut die Zeugin H. mündlich vernommen. Wegen des Ergebnisses der Anhörung und der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung vom 22. Oktober 2009 verwiesen. Die von der Klägerin benannte Zeugin M. L. hat nicht vernommen werden können, da sie am 27. Mai 2008 verstorben ist.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten, über die der Senat nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig, insbesondere angesichts der Beschwer der Beklagten von EUR 6.829,77 nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der seit dem 01. April 2008 geltenden Fassung zulassungsbedürftig. Die Berufung ist auch begründet. Das SG hätte der Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 SGG) der Klägerin nicht stattgegeben dürfen. Deswegen waren sein Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
1. Gegenstand des Verfahrens sind nicht nur die Bescheide der Beklagten vom 06. August und 11. Oktober 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. April 2008, wie es das SG in seinem Tenor angenommen hat. Auch der Bescheid vom 21. Oktober 2008, mit dem die Beklagte die Teil-Rücknahme des Bewilligungsbescheids vom 11. Oktober 2000 auf die Zeit bis zum 30. Juni 2007 beschränkte und entsprechend die Rückzahlungsforderung von EUR 8.655,49 auf EUR 6.829,77 verringerte, ist nach § 96 Abs. 1 SGG in das laufende Klagverfahren einbezogen worden. Er hat die angefochtenen Bescheide ihrerseits teilweise aufgehoben und insoweit ergänzt bzw. ersetzt. Das Gleiche galt zunächst auch für den Bescheid vom 03. Juni 2008, mit dem die Beklagte die Rente der Klägerin - bei fortbestehender laufender Anrechnung einer Verletztenrente - ab Juli 2008 neu berechnet hatte. Dieser Bescheid jedoch hatte sich durch den nachfolgenden Bescheid vom 21. Oktober 2008, mit dem die Anrechnung auf die Zeit bis Juni 2007 beschränkt wurde, erledigt und war daher nicht mehr Gegenstand des Verfahrens. Der Senat kann auch - allerdings auf Klage und nicht auf Berufung - über den Bescheid vom 21. Oktober 2008 entscheiden, obwohl das SG nicht über ihn entschieden hat. Hat das Sozialgericht über einen in das Verfahren einbezogenen Bescheid nicht entschieden, so stellt dies einen Verfahrensfehler dar (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 96 Rn. 12). Dieser führt jedoch nicht zwingend zu einer Zurückverweisung an das Sozialgericht nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG. Eine solche Zurückverweisung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Berufungsgerichts. Vielmehr kann das Berufungsgericht auch über den einbezogenen Bescheid selbst entscheiden, sogar dann, wenn dem ein Beteiligter widerspricht (Bundessozialgericht [BSG] SozR 4-1500 § 96 Nr. 4). Wenn ein solcher Widerspruch fehlt und die Einbeziehung den Interessen der Beteiligten, insbesondere dem Interesse an einer zügigen Beendigung des Verfahrens entspricht, ist eine unmittelbare Entscheidung durch das Berufungsgericht in der Regel geboten. So liegt der Fall hier. Eine Zurückverweisung würde das Verfahren unnötig verzögern. Ein Widerspruch der Beteiligten gegen eine Entscheidung des Senats liegt nicht vor.
2. Nach Erlass des Bescheids vom 21. Oktober 2008 umfasste der Streitgegenstand des Verfahrens nur noch die Teil-Rücknahme der Rentenbewilligung für einen allein in der Vergangenheit liegenden Zeitraum (und die daran anknüpfende Rückzahlungsforderung), nämlich die Zeit vom 01. Dezember 2000 bis zum 30. Juni 2007. Ursprünglich und zuletzt mit dem Bescheid vom 03. Juni 2008 hatte die Beklagte die Rentenbewilligung auch für die Zukunft teilweise zurückgenommen und die fiktive Verletztenrente auch auf die monatlichen Zahlbeträge der Hinterbliebenenrente angerechnet.
3. Mit diesem Inhalt war zunächst die Teil-Rücknahme der Rentenbewilligung rechtmäßig und verletzte die Klägerin nicht in ihren Rechten.
a) Nachdem die Beklagte die Teil-Rücknahme des Bewilligungsbescheids vom 11. Oktober 2000 durch den Bescheid vom 21. Oktober 2008 auf einen vollständig in der Vergangenheit liegenden Zeitraum beschränkt hatte, war die Rechtsgrundlage nur § 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 und Abs. 4 Satz 1 SGB X. Nach diesen Vorschriften kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt für die Vergangenheit - nur - zurückgenommen werden, soweit sich der Begünstigte nicht auf schutzwürdiges Vertrauen berufen kann, weil 1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, 2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat oder 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder in Folge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Grobe Fahrlässigkeit liegt nach Nr. 3 Halbsatz 2 dieser Norm vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Diese Vorschrift bezieht sich nach ihrer Stellung in der Vorschrift nur auf die Fälle der Nr. 3, wird aber ebenso auf den Begriff der groben Fahrlässigkeit in Nr. 2 bezogen (Schütze, in: v. Wulffen, SGB X, 6. Aufl. 2008, § 45 Rn. 52). Hierbei ist ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab zu Grunde zu legen, der sich an der persönlichen Einsichtsfähigkeit des Betroffenen orientiert (BSG SozR 5870 § 13 Nr. 20). Entscheidend sind stets die besonderen Umstände des Einzelfalles und die individuellen Fähigkeiten des Betroffenen, d.h. seine Urteilsfähigkeit und sein Einsichtsvermögen, im Übrigen auch sein Verhalten (BSGE 42, 184, zum Ganzen vgl. auch: BSG SozR 3-1300 § 45 Nr. 45). In der Regel liegt grobe Fahrlässigkeit vor, wenn der Begünstigte schon einfachste und ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (BSG SozR 4100 § 71 Nr. 2). Nicht abzustellen ist auf den Horizont eines objektiven Verkehrsteilnehmers wie bei der allgemeinen Fahrlässigkeit des Zivilrechts nach § 276 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB).
b) Der Bescheid vom 11. Oktober 2000 war bei seinem Erlass für die Zeit ab 01. Dezember 2000 teilweise rechtswidrig. Die Beklagte hatte mit ihm eine große Witwenrente bewilligt und hierauf ab 01. Dezember 2000 nur die eigene Rente der Klägerin aus der gesetzlichen Rentenversicherung angerechnet, nicht aber den fiktiven Zahlbetrag der abgefundenen Verletztenrente auf Grund des Bescheids der VBG vom 28. Oktober 1998. Auch diese fiktive Zahlbetrag der abgefundenen Verletztenrente war aber ab Dezember 2000 auf die große Witwenrente anrechenbar:
§ 97 Abs. 1 Nr. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) bestimmt, dass Einkommen im Sinne der §§ 18a bis 18e des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IV), das mit einer Witwen- oder Witwerrente zusammentrifft, hierauf angerechnet wird. Dies gilt nach § 97 Abs. 2 SGB VI nicht bei Witwenrenten oder Witwerrenten, solange deren Rentenartfaktor mindestens 1,0 beträgt. 1,0 beträgt der Rentenartfaktor für persönliche Entgeltpunkte nach § 67 Nr. 6 SGB VI bei großen Witwenrenten bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats, in dem der Ehegatte verstorben ist. Nach § 18a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB IV sind konkret auch Erwerbsersatzeinkommen ein derartiges anrechnungspflichtiges Einkommen. Zu den Erwerbsersatzeinkommen zählt nach § 18a Abs. 3 Nr. 4 SGB IV auch die Verletztenrente der Unfallversicherung, soweit sie einen der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz entsprechenden Betrag übersteigt. Weiterhin bestimmt § 18a Abs. 3 Satz 3 SGB IV: Wird eine Kapitalleistung oder anstelle einer wiederkehrenden Leistung eine Abfindung gezahlt, ist der Betrag als Einkommen zu berücksichtigen, der bei einer Verrentung der Kapitalleistung oder als Rente ohne die Abfindung zu zahlen wäre.
Da der Ehemann der Klägerin am 09. August 2000 verstorben ist, betrug der Rentenartfaktor der der Klägerin bewilligten Witwenrente für die Zeit von September bis November 2000 1,0. Seitdem beträgt er 0,6 (§ 67 Nr. 6 SGB VI in der im Jahre 2000 geltenden Fassung Art. 1 des Rentenreformgesetzes 1992 vom 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261). Die Beklagte hat daher zu Recht die (fiktive) Verletztenrente erst ab Dezember 2000 angerechnet.
c) Die Klägerin kann sich gegen die Teil-Rücknahme der Rentenbewilligung nicht auf schutzwürdiges Vertrauen berufen:
aa) Sie hat bei der Antragstellung zumindest grob fahrlässig Angaben gemacht, die in wesentlicher Beziehung unrichtig waren. Denn sie hat in den Antragsvordrucken verneint, eine abgefundene Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung bezogen zu haben.
Allerdings hat sie in dem einen Formular, dem Antragsvordruck selbst (VR I 009 12/99), keine falschen Angaben gemacht. Sie hat dort zwar die Frage "Wurde eine Unfallrente abgefunden?" verneint. Diese Frage bezog sich jedoch ersichtlich nur auf "Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung". Diese Formulierung war in der Frage unmittelbar zuvor enthalten, außerdem waren beide Fragen unter derselben Nummer 13.2 zusammengefasst. Die beiden Fragen zielten auch nicht auf eine Einkommensanrechnung nach § 97 SGB VI, sondern auf die Ruhensvorschrift des § 93 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI. Die Klägerin hatte aber eine Abfindung aus einer eigenen Verletztenrente erhalten. Danach war in dem Antrag nicht gefragt. Auch Frage 13.1 betraf nur "eigene Renten" aus der gesetzlichen Rentenversicherung, nicht aber aus der Unfallversicherung. Ihre eigene Rente von der Beklagten hatte die Klägerin auch wahrheitsgemäß angegeben.
Jedoch war eine Angabe in dem anderen Formular, der Anlage zum Antrag (Vordruck VR I 011 10/99), fehlerhaft. Dort war unter Nr. 7.4 nach einer Versichertenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung, also einer eigenen Verletztenrente, gefragt, weiterhin war dann unter Nr. 7.9 gefragt, ob eine derartige Leistung kapitalisiert oder abgefunden worden sei. Diese letztere Frage bezog sich ersichtlich auch auf Abfindungen aus der Zeit vor Antragstellung. Zwar waren alle Fragen unter Nr. 7 mit "Beziehen oder bezogen Sie ab Beginn der Rente wegen Todes ?" (Hervorhebung nur hier) eingeleitet. Zumindest die Fragen nach laufenden Renten konnten daher auch so verstanden werden, dass sie nach Beginn der beantragten Hinterbliebenenrente noch würden bezogen werden. Frage 7.9 konnte sich jedoch gleichwohl nur auf Abfindungen in der Vergangenheit bezogen haben. Ob eine Verletztenrente in der Zukunft - also nach Beginn der beantragten Hinterbliebenenrente - einstmals abgefunden wird, kann ein Antragsteller nicht vorhersehen. Außerdem wird in diesem Fall noch laufend eine solche Rente bezogen, die schon unter Frage 7.4 anzugeben war, dann wäre Frage 7.9 überflüssig. Eine Abfindung kann nur in der Vergangenheit liegen, also bei der Beantragung einer Hinterbliebenenrente in jedem Fall vor Beginn dieser Rente. Frage 7.9 war in sich auch völlig eindeutig formuliert. Die Klägerin hat diese Frage verneint, indem sie die Anlage zu dem Antrag unterschrieb, nachdem die Zeugin H. bei Frage 7.9 Nein angekreuzt hatte. Mit ihrer Unterschrift hat die Klägerin die Gewähr dafür übernommen, dass alle Fragen richtig und wahrheitsgemäß beantwortet waren.
Der Senat meint - anders als das SG -, dass die Klägerin bei dieser Angabe zumindest grob fahrlässig gehandelt hat. Wie bereits ausgeführt, war die Frage 7.9 für sich betrachtet eindeutig und erfasste auch die Abfindung der Verletztenrente der Klägerin. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Frage ganz oben auf der letzten Seite der Anlage steht, die die Klägerin unten auf dieser Seite unterschrieben hat. Eine falsche Antwort wie hier gerade oben auf der Unterschriftsseite springt ins Auge. Weiterhin berücksichtigt der Senat auch, dass die Abfindung eine erhebliche Höhe hatte und ihre Auszahlung keine zwei Jahre zurücklag, der Klägerin also noch gegenwärtig gewesen sein musste, auch wenn sie inzwischen verbraucht war. Dass die Hinterbliebenenrente bedürftigkeitsabhängig ist, ergab sich aus den Fragen in dem Antragsformular ohne Weiteres. Dann aber muss ein Antragsteller, der erst vor kurzem eine so hohe Abfindung erhalten hat, zumindest nachfragen, ob diese auf die beantragte Rente anzurechnen ist. Die Klägerin kann nicht damit durchdringen, die Zeugin H. habe sie bei Antragstellung nicht konkret nach einer Abfindung gefragt. Dieser Punkt konnte im Verfahren nicht mehr aufgeklärt werden. Es kommt darauf aber auch nicht an. Ein Antragsteller muss, wenn er einen von einem Dritten ausgefüllten Vordruck unterschreibt, sicherstellen, dass alle Fragen richtig beantwortet sind. Er muss ihn daher durchlesen und - sollten ihm Fragen oder Antworten unklar sein - nachfragen. Es entschuldigt ihn nicht, wenn er ein solches Formular ohne eigene Kontrolle, quasi "blind", unterschreibt (Schütze, a.a.O., Rn. 52; Steinwedel, in: Kasseler Kommentar, SGB X, § 45 Rn. 40). Die Klägerin kann sich hier auch nicht darauf berufen, sie hätte die Fehlerhaftigkeit der Antwort auch bei einem sorgfältigen Durchlesen nicht erkannt. Die Frage war, wie ausgeführt, eindeutig. Wäre dies nicht der Fall gewesen, hätte sie im Übrigen nachfragen müssen, um dem Vorwurf der groben Fahrlässigkeit zu entgehen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 06. Dezember 2000, L 5 AL 4372/00, veröffentlicht in Juris, Rn. 41).
bb) Da der Klägerin hiernach bereits grob fahrlässig falsche Angaben bei Antragstellung gemacht hat, kann hier offen bleiben, ob sie auch erkannt hat oder im Sinne grober Fahrlässigkeit hätte erkennen müssen, dass der Bewilligungsbescheid vom 11. Oktober 2000 rechtswidrig war, weil in ihm die abgefundene Verletztenrente nicht auf die ihr bewilligte große Witwenrente angerechnet wurde.
d) Gegen die Höhe der Teil-Rücknahme, also die Höhe des seit 01. Dezember 2000 anzurechnenden Einkommens, hat die Klägerin keine Einwände erhoben. Solche sind auch nicht ersichtlich. Aus dem Bescheid vom 06. August 2007 ergibt sich, dass die Beklagte von der fiktiven Verletztenrente, wie sie die VBG bei dem Datenabgleich gemeldet hatte, zunächst die Grundrente nach dem BVG abzog, wie es § 18a Abs. 3 Nr. 4 SGB IV vorschreibt, und sodann - von dem Gesamteinkommen der Klägerin - nach § 97 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI das 26,4fache des aktuellen Rentenwerts absetzte und von dem überschießenden Betrag nach § 97 Abs. 2 Satz 3 SGB VI 40 v.H. anrechnete.
e) Die Fristen des § 45 SGB X sind eingehalten. Insbesondere hat die Beklagte den Bewilligungsbescheid nach § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X binnen eines Jahres ab dem Zeitpunkt zurückgenommen, zu dem sie Kenntnis von den Tatsachen hatte, die die Rücknahme für die Vergangenheit rechtfertigten. Diese Kenntnis erwarb die Klägerin nicht früher als durch den Datenabgleich vom 03. August 2007, den ersten Rücknahme- und Rückforderungsbescheid erließ sie bereits drei Tage später. Dass dieser Bescheid möglicherweise teilweise rechtswidrig war, weil die Verletztenrente zunächst auch für die Zukunft angerechnet wurde, ist hierbei irrelevant.
f) Letztlich hat die Beklagte in den angegriffenen Bescheiden auch in ausreichendem Maße Ermessen ausgeübt.
Auch eine Rücknahme für die Vergangenheit, die nach § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X ohnehin nur in den Fällen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X, also bei schweren Verschuldensvorwürfen gegen den Begünstigten, möglich ist, bleibt eine Ermessensentscheidung. Allerdings ist in diesen Fällen in aller Regel von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen (Schütze, a.a.O., Rn. 91). Nur Umstände zu Gunsten des Begünstigten, die ebenso schwer wiegen wie das ihm konkret vorzuwerfende Verhalten, können die Behörde dazu veranlassen, von der an sich zulässigen Rücknahme des Verwaltungsakts ganz oder teilweise abzusehen. Es müssen atypische Fälle sein. Gegen eine (vollständige) Rücknahme kann z. B. ein besonders grobes Verschulden der Behörde sprechen, etwa wegen fehlerhafter oder undeutlicher Fragestellungen. Auch die wirtschaftliche Situation des Begünstigten ist zu berücksichtigen, die Rücknahme kann ermessensfehlerhaft sein, wenn sie für ihn - auch unter Berücksichtigung der Ansprüche auf Stundung (§ 76 Abs. 2 Nr. 1 SGB IV) und Ratenzahlungen - eine unbillige Härte darstellt (zu allem vgl. Schütze, a.a.O., Rn. 90 m.w.N.).
Die Beklagte hat Ermessen ausgeübt, zwar noch nicht in dem Bescheid vom 06. August 2007, jedoch nach der Anhörung der Klägerin in dem Bescheid vom 11. Oktober 2007. Sie hat dort ausgeführt, die erkennbare wirtschaftliche Lage der Klägerin gebiete nicht, von der Rücknahme abzusehen. Ein Ermessensausfall liegt daher nicht vor.
Diese Ermessensausübung hat auch die - vom Senat nach § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG allein überprüfbaren - Grenzen eingehalten. Den Belang der wirtschaftlichen Lage hat die Beklagte in ihre Abwägung eingestellt. Allenfalls ein weiterer Belang hätte noch berücksichtigt können, nämlich die Art der Fragestellung in dem Antrag auf Hinterbliebenenrente. Nachdem die Frage 7.9 in der Anlage zu dem Antrag jedoch - wie ausgeführt - eindeutig gestellt war, liegt insoweit kein Fehler der Beklagten vor, der eine andere Ermessensabwägung hätte bedingen können.
4. Da die Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 11. Oktober 2000 zu Recht teilweise zurückgenommen hat, hat die Klägerin nach § 50 Abs. 1 SGB X die zu viel gezahlten Beträge zu erstatten. Den ursprünglichen Erstattungsbetrag in Höhe von EUR 8.655,49 hat die Beklagte zutreffend berechnet. Insoweit wird auf die Berechnung in Anlage 1 des Bescheids vom 06. August 2007 Bezug genommen. Die Beklagte hat allerdings nicht an diesem ursprünglichen Erstattungsbetrag von EUR 8.655,49 festgehalten, sondern diesen mit Bescheid vom 21. Oktober 2008 auf EUR 6.829,72 reduziert, so dass die Klägerin verpflichtet ist, nur EUR 6.829,72 zu erstatten.
5. Trotz der Abweisung der Klage war die Beklagte zur Erstattung eines Fünftels der außergerichtlichen Kosten der Klägerin in der ersten Instanz zu verurteilen. Die Beklagte hatte mit dem zunächst angegriffenen Bescheid vom 06. August 2007 die Abfindung unbefristet auf die Hinterbliebenenrente angerechnet. Erst mit dem Bescheid vom 21. Oktober 2008 hat sie während des laufenden Klagverfahrens die Anrechnung auf die Zeit bis zum 30. Juni 2007 beschränkt und die Rückforderung von EUR 8.655,49 auf EUR 6.829,72 verringert. Unabhängig davon, ob die ursprüngliche, unbefristete Anrechnung berechtigt war, hat die Klägerin insoweit - in etwa in Höhe eines Fünftels der Streitsumme - obsiegt.
6. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen angesichts der Einzelfallbezogenheit dieser Entscheidung nicht vor.
Rechtskraft
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