L 4 KR 2302/09 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 1 KR 476/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 2302/09 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 20. April 2009 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist zwischen den Beteiligten im einstweiligen Rechtsschutz, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin vorläufig Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewähren.

Die am 1941 geborene Klägerin wohnt in L ... Es besteht ein Grad der Behinderung (GdB) von 80; ferner sind die Merkzeichen G, B und aG festgestellt. Sie leidet nach ihren Angaben an beiderseitiger Hüftarthrose und Bluthochdruck und ist auf die Benutzung eines E-Mobils angewiesen. Die Klägerin bezieht Altersrente von der Deutschen Rentenversicherung Bund (Rentenzahlbetrag im Juli 2007 EUR 106,34), wobei im Versicherungsverlauf vom 27. September 2006 Pflichtbeitragszeiten vom 01. April 1961 bis 30. September 1969 sowie vom 01. Januar bis 24. August 1980 festgestellt sind. Ferner bezieht die Klägerin aus der Schweizerischen Eidgenössischen Alters-, Hinterbliebenen- und Invalidenversicherung (AHV-IV) seit 01. November 2004 eine ordentliche Altersrente (Zahlbetrag im Juli 2005 293,00 SFR). Der Beigeladene gewährt der Klägerin Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XII, Bescheid vom 28. Dezember 2007 ). Insoweit erhielt die Klägerin auch Krankenhilfe, wobei sie durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich Beklagte) nach § 264 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) betreut wurde. Insoweit hatte der Beigeladene die Klägerin zunächst zum 31. Juli 2007 bei der Beklagten abgemeldet, da nach seiner (des Beigeladenen) Information die Möglichkeit der Pflichtversicherung in der Schweiz mit vorgesehener Abwicklung über eine Betreuungskasse in Deutschland bestehe (Schreiben vom 03. Juli 2007). Mit Bescheid vom 17. Dezember 2007 gewährte der Beigeladene der Klägerin dann noch bis 31. März 2008 Hilfen zur Gesundheit und bei Krankheit nach §§ 47 bis 52 SGB XII. Der Beigeladene vertrat weiter die Ansicht, dass die Klägerin aufgrund des Bezugs der Schweizer Rente ein Anrecht habe, in der Schweiz krankenversichert zu werden. Das Schweizer Versicherungsrecht sehe in Verbindung mit den Freizügigkeitsregeln der Europäischen Union (EU) vor, dass die Klägerin über den Rentenbezug in der Schweiz im Rahmen einer Pflichtversicherung bei einer dortigen Krankenkasse angemeldet werden müsse. Er (der Beigeladene) gehe davon aus, dass die Klägerin zum 01. August 2007 ein Anrecht auf Zustandekommen einer Versicherung habe, sodass nur noch die Dauer von zunächst acht Monaten überbrückt werden könne. Der Klägerin wurde die Auflage gemacht, bei der Schweizer Krankenkasse ihre Aufnahme (weiter) zu betreiben und eine schriftliche Verfügung zu verlangen, gegen die sie Einsprache erheben müsse. Es war ein bis zum 31. März 2008 ausgestellter Krankenschein beigefügt. Die Klägerin beantragte im Oktober 2007 telefonisch und am 02. Februar 2008 schriftlich bei der H. Versicherung AG (Kompetenzzentrum Ausland) in Zürich die Aufnahme in die Schweizer Krankenversicherung. Dies lehnte die H. mit Schreiben vom 05. Februar 2008 ab. Zu der Einsprache der Klägerin vom 13. Februar 2008 erließ die H. die Verfügung vom 29. April 2008, in der sie erneut die Aufnahme in die Schweizer Krankenversicherung ablehnte. Gemäß Art. 27 EWG-Verordnung Nr. 1408/71 müsse die Klägerin in Deutschland krankenversichert werden; insoweit richte sich dann, wenn in mehreren Staaten Ansprüche auf Renten bestünden, die Krankenversicherungspflicht nach dem Recht des Wohnlandes, sofern auch dieses eine Rente zahle. Art. 28 a.a.O. sei nicht anwendbar. Es sei jedoch auch Art. 114 EWG-Verordnung Nr. 574/72 zu beachten, der zur Anwendung komme, wenn ungeklärt sei, in welchem Land die gesetzliche Krankenversicherung aufgenommen werden müsse. Der Beigeladene wies die Klägerin danach mit Schreiben vom 27. Mai 2008 darauf hin, dass sich die Schweiz der EWG-Verordnung Nr. 1408/71 angeschlossen habe. Die entsprechenden EU-Regelungen sähen vor, dass die Klägerin sich auf die in der Schweiz bestehende Krankenversicherungspflicht berufen könne, auch wenn sie in Deutschland wohne. Trotz seiner (des Beigeladenen) erheblichen Bemühungen sei es ihm bislang nicht gelungen, die Schweiz zur Anerkennung der Aufnahme in die Schweizer Krankenversicherung zu bewegen. Die Schweiz berufe sich nun auf die EWG-Verordnung Nr. 574/72. Danach sei im Falle von Streitigkeiten oder unterschiedlichen Rechtsauffassungen der Träger des Wohnorts verpflichtet, vorläufige Leistungen zur gewähren (Art. 114). Dieser Träger des Wohnorts sei die vom Betroffenen frei gewählte Krankenkasse. Die Klägerin müsse von einer deutschen Krankenkasse vorläufig so geführt werden, als ob sie dort Mitglied wäre. Die Klägerin solle sich umgehend an eine deutsche Krankenkasse ihrer Wahl wenden. Mit Schreiben vom 01. Juni 2008 bat danach die Klägerin bei der Beklagten um die Aufnahme in die Krankenkasse. Sie machte auch Angaben zu ihren Zeiten der Erwerbstätigkeit von 1976 bis 1982. Mit Bescheid vom 28. November 2008 teilte die Beklagte der Klägerin dann mit, dass die Mitgliedschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V abgelehnt werde. Zwar habe der Beigeladene sie (die Klägerin) zum 31. Juli 2007 aus der Krankenhilfe abgemeldet. Damit habe jedoch nicht gleichzeitig der Bezug von Leistungen nach dem SGB XII geendet und dieser sei auch nicht für mindestens einen Monat unterbrochen gewesen. Die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V sei daher ausgeschlossen, da die Klägerin einen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall habe. Dazu machte die Klägerin geltend, sie habe keinen Aufnahmeantrag nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V gestellt. Vielmehr begehre sie von der Beklagten Krankenversicherungsschutz auf der Grundlage von Art. 114 EWG-Verordnung Nr. 574/72. Da die Schweizer Versicherungen den gesetzlich ihr zustehenden Versicherungsschutz verweigerten, habe der Krankenversicherungsträger des Wohnorts vorläufige Leistungen zu gewähren. Sie verwies auf den vorgelegten Beschluss des Sozialgerichts Freiburg (SG) vom 09. Oktober 2008 (S 14 KR 3591/08 ER). Mit Bescheid vom 08. Januar 2009 lehnte die Beklagte die Gewährung von vorläufigen Leistungen nach Art. 114 EWG-Verordnung Nr. 574/72 ab. Die Abmeldung nach § 264 SGB V zum 31. Juli 2007 durch den Beigeladenen sei rechtswidrig gewesen. Ein ihr gegenüber bestehender Anspruch nach Art. 114 EWG-Verordnung Nr. 574/72 bestehe nicht. Die genannte Regelung solle nur dann zur Anwendung kommen, wenn zwischen den beteiligten Trägern oder den zuständigen Behörden Streitigkeiten über die Zuständigkeit bzw. die anzuwendenden Vorschriften bestünden. An diesem Streit sei sie, die Beklagte, nicht beteiligt, da für die Klägerin überhaupt kein Zugangsrecht zur deutschen gesetzlichen Krankenversicherung bestehe. Streitig sei ausschließlich die Frage, ob aufgrund des schweizerischen Rentenbezugs eine Versicherungspflicht in der Schweiz bestehe bzw. dort eine Krankenversicherung durchgeführt werden müsse oder könne oder ob die Klägerin weiterhin Hilfen bei Krankheit nach § 48 SGB XII durch den Beigeladenen erhalten müsse. Für vorläufige Leistungen wäre insoweit im Inland nur der Beigeladene zuständig. Etwas anderes könne nur dann gelten, wenn ein tatsächlicher Anspruch nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V gegeben wäre. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie machte geltend, es bestehe hier eine Vorleistungspflicht des Trägers des Wohnorts, der die von ihr frei gewählte Krankenkasse sei. Die Sicherung der in der Schweiz erworbenen Rechte habe eine frei gewählte Krankenkasse im Inland zu übernehmen. Sie (die Klägerin) könne nicht auf die Sozialhilfe verwiesen werden, da als zuständiger Träger nur eine Krankenkasse in Betracht komme. Durch die Verweigerung der Schweiz sei die Verpflichtung der Beklagten im Rahmen des Art. 114 EWG-Verordnung Nr. 574/72 eröffnet. Diesen Widerspruch wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss II mit Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 2009 zurück (Bl. 40 - 43 der LSG-Akte). Deswegen ist beim SG unter dem Aktenzeichen S 1 KR 5875/09 ein Klageverfahren anhängig.

Bereits am 30. Januar 2009 hatte die Klägerin beim SG im einstweiligen Rechtsschutz die Verpflichtung der Beklagten beantragt, ihr auf der Grundlage des EU-Rechts vorläufige Leistungen zu gewähren, als ob sie Mitglied wäre. Im Hinblick auf die bei ihr bestehenden Erkrankungen sei unverzüglich sicherzustellen, dass ihre Krankenkosten übernommen würden Dazu reichte sie eidesstattliche Versicherungen ein. Der Anspruch gegen die Beklagten ergebe sich aus Art. 28 EWG-Verordnung Nr. 1408/71 i.V. mit Art. 114 EWG-Verordnung Nr. 574/72. Im Hinblick auf die Weigerung der Schweizer Krankenversicherung, sie aufzunehmen, bestehe eine Vorleistungspflicht des Trägers des Wohnorts, d. h. der von ihr frei gewählten Krankenkasse. Betreuungsleistungen nach § 264 SGB V schieden aus, da sie (die Klägerin) kraft Gesetzes innerhalb der EU, d.h. hier in der Schweiz, krankenversichert sei. Ihre Ansicht zur Anwendung des Art. 114 EWG-Verordnung Nr. 574/72 werde auch durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales sowie durch die Verbindungsstelle der Krankenversicherung in das Ausland geteilt. Die Klägerin verwies auch auf die Beschlüsse des SG vom 09. Oktober 2008 (S 14 KR 3591/08 ER) und vom 03. Dezember 2008 (S 14 KR 5048/08 ER).

Die Beklagte trat dem Antrag entgegen. Es fehle ein Anordnungsanspruch, denn sie (die Beklagte) habe der Klägerin weder nach dem SGB V noch als aushelfender Träger nach Gemeinschafts- oder Abkommensrecht Krankenversicherungsleistungen zu erbringen. Für einen unmittelbaren Sachleistungsanspruch der Klägerin fehle es an einer Mitgliedschaft. Die Klägerin erfülle nicht die Voraussetzungen für die Krankenversicherung der Rentner und sei auch nicht wegen des Bezugs von Leistungen nach dem SGB XII nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V versicherungspflichtig. Die Klägerin könnte ihr (der Beklagten) auch nicht als freiwillig Versicherte angehören. Die Klägerin könne auch keine vorläufigen Sachleistungen nach Art. 114 EWG-Verordnung Nr. 574/72 beanspruchen, denn es bestehe kein Streit zwischen den Trägern von zwei oder mehr Mitgliedsstaaten über die nach Art. 2 der Verordnung anzuwendenden Rechtsvorschriften oder über die Bestimmung des Trägers, der Leistungen zu gewähren habe. Im Falle der Klägerin liege das Problem nicht in der Bestimmung des für die Leistungserbringung zuständigen Trägers, sondern in der nicht bestehenden Versicherung im Inland. Insoweit komme hier nur in Betracht, dass der Sozialhilfeträger am Wohnort Krankenhilfe nach § 48 SGB XII wie auch in der Vergangenheit zu leisten habe. Mithin sei der Sozialhilfeträger beizuladen. Der Entscheidung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) vom 26. Februar 2009 (L 5 KR 5862/08 ER-B) könne nicht zugestimmt werden, soweit darin für möglich gehalten werde, dass eine Auftragsleistung (§ 264 Abs. 2 SGB V) wie Leistungsansprüche aus einer Versicherung im Wohnstaat angesehen und damit Art. 114 EWG-Verordnung Nr. 574/72 angewendet werden könne. Die Anwendung des § 264 Abs. 2 SGB V setze eine Anmeldung durch den zuständigen Sozialhilfeträger voraus. Sie (die Beklagte) dürfe ohne Anmeldung keine Betreuung nach § 264 SGB V einrichten. Die Betreuung nach § 264 SGB V stelle keinen eigenen Leistungsanspruch des in der Vorschrift genannten Personenkreises gegenüber einer Krankenkasse dar, sondern sei die Folge aus dem Anspruch nach § 48 SGB XII gegenüber dem Träger der Sozialhilfe. Der Anspruch nach § 264 SGB V ersetze den Anspruch nach § 48 SGB XII nicht. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht aufgrund des vorgelegten Rundschreibens Nr. 28/2008 vom 23. Juni 2008 der Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung - Ausland. Denn auch danach werde verlangt, dass die Voraussetzungen für eine Versicherung in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung, beispielsweise nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V, erfüllt seien.

Der mit Beschluss vom 12. Februar 2009 zum Verfahren beigeladene Landkreis teilt die Auffassung der Klägerin, dass die Beklagte hier leistungspflichtig sei. Er (der Beigeladene) könne aus keinerlei Rechtsgründen heraus Leistungen der medizinischen Versorgung anbieten. Die Regelungen der Hilfe bei Krankheit nach § 48 SGB XII seien gegenüber den Regelungen nach § 264 SGB V nachrangig. Eine Versorgung nach § 264 SGB V scheide aus. Die Klägerin sei keine unversicherte Person i. S. des § 264 SGB V. Die gegenwärtig bestehende Rechtsproblematik sei über Art. 114 der EWG-Verordnung Nr. 574/72 zu lösen. Diese Ansicht werde sowohl durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales als auch durch die Deutsche Verbindungsstelle der Krankenversicherung - Ausland vertreten. Leistungsträger des Wohnorts im Sinne der genannten Bestimmung sei nur die frei gewählte Krankenkasse des Wohnlandes. Insoweit müsse dieser frei gewählte Träger der Krankenversicherung des Wohnlands auch nur Vorleistungen erbringen mit Erstattung der Aufwendungen aus der Schweiz bei einem Obsiegen. Eine Versorgung durch ihn (den Beigeladenen) nach § 264 SGB V scheide aus. Die Beklagte müsse die berechtigten Interessen des Sozialhilfeträgers im Hinblick auf den Nachranggrundsatz beachten. Nur ihr stünden die Verfahrensrechte der EWG-Verordnungen zu. Die Klägerin sei in der Schweiz pflichtversichert; sie unterliege dem dortigen Krankenversicherungsobligatorium. Nur die Schweiz sei für den Bereich der Krankenversorgung für die Klägerin nach Art. 28 EWG-Verordnung Nr. 1408/71 der zuständige Staat. Mithin bestehe kein Raum für die Anwendung des § 264 SGB V, der ausschließlich für unversicherte Personen gelte. Unabhängig davon, dass hier die Schweiz den Versicherungszugang für Rentner im Ausland nicht einräume, könne die Versorgung der Klägerin nicht zu Lasten des Sozialhilfeträgers über § 264 SGB V erfolgen. Insoweit müsse die Beklagte die im EU-Recht geregelten Vorleistungen für die Klägerin erbringen. Hinsichtlich der Vorleistungen trage die Beklagte kein finanzielles Risiko. Entweder könne sie im nachfolgenden Hauptsacheverfahren den Sozialhilfeträger auf Erstattung der vermeintlichen Aufwendungen nach § 264 SGB V angehen oder aber die Schweizer Krankenkasse nach Anerkennung der Versicherungspflicht um Ersatz ihrer Aufwendungen bitten.

Mit Beschluss vom 20. April 2009 verpflichtete das SG die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung, der Klägerin vorläufig bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens sowie eines sich anschließenden Klageverfahrens Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewähren. Die Klägerin habe einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Ein Anordnungsanspruch ergebe sich zwar nicht aus einer Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten. Es stehe jedoch fest, dass die Beklagte der Klägerin in jedem Fall Leistungen der Krankenbehandlung zu gewähren habe, und zwar entweder auf der Grundlage von Art. 114 EWG-Verordnung Nr. 574/72, wobei durchaus ein Dissens zwischen der Beklagten und dem möglichen Schweizer Träger der Krankenversicherung bestehe, oder gemäß § 264 Abs. 2 SGB V. Die Leistungspflicht der Beklagten nach § 264 Abs. 2 SGB V hänge nicht davon ab, ob eine entsprechende Anmeldung durch den Beigeladenen erfolgt sei. § 264 Abs. 2 SGB V enthalte eine zwingende Leistungspflicht der Krankenkassen, die Krankenbehandlung im Auftrag des Sozialhilfeträgers zu übernehmen, wobei der Sozialhilfeempfänger seine Ansprüche auf Hilfe bei Krankheit gegenüber der von ihm gewählten Krankenkasse unmittelbar geltend machen könne. Der Anordnungsgrund ergebe sich zwingend daraus, dass die Klägerin aufgrund ihrer chronischen Erkrankungen (Bluthochdruck, schwere Hüftarthrose) ständig ärztlicher Behandlung bedürfe und zudem auf ein Hilfsmittel (Elektrorollstuhl) angewiesen sei. Dieser Beschluss wurde der Beklagten gegen Empfangsbekenntnis am 22. April 2009 zugestellt.

Dagegen hat die Beklagte am 14. Mai 2009 mit Fernkopie Beschwerde beim SG zum Landessozialgericht eingelegt. Sie trägt vor, ob die Klägerin einen Anspruch auf vorläufige Leistungen nach Art. 114 EWG-Verordnung Nr. 574/72 habe, sei im Anordnungsverfahren nicht abschließend zu klären. Insoweit bestünden erhebliche rechtliche Zweifel. Eine Notlage der Klägerin könne mit einer Verpflichtung des Beigeladenen abgewendet werden. Der Beigeladene habe die Klägerin zum 31. Juli 2007 aus der Betreuung abgemeldet. Diese Entscheidung sei für die Antragstellerin nach § 89 Abs. 5 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) bindend. Die Klägerin könne aus § 264 SGB V keine eigenen Rechte herleiten. Die Abmeldung durch den Beigeladenen könne die Klägerin nicht durch eine erneute Wahl einer Krankenkasse beseitigen. Gemäß der Entscheidung der Schweizer Krankenversicherung sei die Klägerin jedenfalls derzeit nicht krankenversichert. Mithin habe der Beigeladene weiterhin die Kosten der Betreuungsleistungen für die Klägerin zu tragen. Eine vermeintliche Notlage der Klägerin sei durch Stornierung der voreilig und zu Unrecht erfolgten Abmeldung, hilfsweise im Wege der Anmeldung der Klägerin durch den Beigeladenen zu beseitigen. Gehe man stattdessen mit dem Beigeladenen davon aus, dass keine Betreuung der Klägerin nach § 264 SGB V mehr möglich sei, könne diese auch nicht nach § 48 Satz 2 SGB XII den vom Beigeladenen zu gewährenden Leistungen der Hilfe bei Krankheit nach Satz 1 vorgehen. Auch dies würde zu einem Anspruch der Klägerin gegen den Beigeladenen führen. Eine Verpflichtung ihrerseits, statt des Beigeladenen Leistungen zu erbringen und dann selbst zu versuchen, trotz der offensichtlichen tatsächlichen und rechtlichen Probleme eine Erstattung von der Schweizer Krankenversicherung zu erlangen, bestehe nicht. Die im vom Beigeladenen vorgelegten Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 18. Juni 2009 vertretene Ansicht, dass Meinungsverschiedenheiten zwischen dem deutschen Sozialhilfeträger und der Schweizer Versicherung eine Vorleistungspflicht der deutschen Krankenversicherung begründe, nur weil der Doppelrentner ohne ein Recht auf Zugang zur hiesigen Krankenversicherung seinen Wohnsitz in Deutschland habe, überzeuge nicht. Sie (die Beklagte) habe seit April 2009 der Klägerin quartalsweise Einzelkrankenscheine ausgestellt, mit denen sie ärztliche und zahnärztliche Behandlungen sowie weitere Leistungen auf ärztliche Verordnungen habe in Anspruch nehmen können.

Die Beklagte beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 20. April 2009 aufzuheben und den Beigeladenen im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Klägerin einstweilen Krankenhilfe zu gewähren.

Die Klägerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält den angegriffenen Beschluss für zutreffend. Selbst wenn Art. 114 EWG-Verordnung Nr. 574/72 hier nicht anwendbar wäre, ergäbe sich die Verpflichtung der Beklagten aus § 264 SGB V, dessen Abs. 2 eine zwingende Leistungsverpflichtung der Krankenkassen enthalte, wobei der Sozialhilfeempfänger seine Ansprüche auf Hilfe bei Krankheit gegenüber der von ihm gewählten Krankenkasse unmittelbar geltend machen könne. Die Beklagte habe bislang zu keinem Zeitpunkt zu erkennen gegeben, ob sie als Wohnortträger den zuständigen Träger zur Abgabe der Bescheinigung E 121 aufgefordert und welche Reaktionen die Aufforderung nach sich gezogen habe. Da die schweizerische Seite die Bescheinigung E 121 bekanntermaßen nicht ausstellen werde, könne die Beklagte die Klägerin bereits vorläufig eintragen. Sogar aus der Bescheinigung E 121 selbst gehe eindeutig hervor, dass sie (die Klägerin) ein Wahlrecht im Wohnsitzland besitze, an welche Kasse sie sich wenden wolle. Als Wohnortträger sei die Beklagte an das supranationale Recht unmittelbar gebunden. Diese Auffassung vertrete auch das zuständige Bundesministerium. Die Klägerin hat den Beschluss Nr. 170 der EG-Verwaltungskommission vorgelegt sowie einen Vordruck der Bescheinigung E 121 (Bescheinigung über die Eintragung der Rentenberechtigten und ihrer Familienangehörigen und die Führung der Verzeichnisse). Ferner hat sie dargelegt, welche Krankenversicherungsleistungen sie 2009 und 2010 in Anspruch genommen hat.

Der Beigeladene beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hält den Beschluss für zutreffend. Die Klägerin berufe sich zu Recht auf Art. 114 EWG-Verordnung Nr. 574/72. Im Hinblick auf die bestehenden Meinungsverschiedenheiten zwischen Behörden über die Tragweite des Art. 28 EWG-Verordnung Nr. 1408/71 sei der Anwendungsbereich des genannten Art. 114 zugunsten der Klägerin eröffnet, weshalb sie von dem für sie zuständigen Träger des Wohnorts nach dessen anzuwendenden Rechtsvorschriften Leistungen verlangen könne. Träger des Wohnorts sei insoweit die frei gewählte Krankenkasse. Seine Ansicht zum Gemeinschaftsrecht werde auch durch die vorgelegten Stellungnahmen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 13. Februar 2009 mit Anlage sowie vom 18. Juni 2009 bestätigt. Für die Anwendung des Gemeinschaftsrechts spreche auch die Gesetzesbegründung zu § 264 SGB V. Die insoweit beabsichtigte verfahrensmäßige Gleichstellung könne nur bedeuten, dass auch eine "Betreuerkasse" i. S. des § 264 SGB V auf die vorrangige Versicherungsmöglichkeit im europäischen Ausland verweise und damit direkt in einen Streit mit einer ausländischen Krankenkasse i. S. des Art. 114 a.a.O. eintreten müsse, genauso wie bei ihren sonstigen Versicherten. In Fällen unterschiedlicher Rechtsauffassung übernehme eine Kasse im Wohnland die medizinische Versorgung und trete notfalls selbstständig mit der ausländischen Versicherung in Kontakt (Art. 29 EWG-Verordnung 574/72). Die Krankenkasse erhalte nach Klärung der Meinungsverschiedenheiten ihre vorgeleisteten Aufwendungen nach Art. 36 EWG-Verordnung Nr. 1408/71 zurückerstattet. Ein Sozialhilfeträger könne sich dieser Koordinationsnormen auf europäischer Ebene jedoch nicht bedienen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

1. Die gemäß § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Beklagten ist zulässig. Sie ist nicht nach § 172 Abs. 3 Nr.1 SGG in der seit 01. April 2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 29 Buchst. b des Gesetzes zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 - SGGArbGÄndG - (BGBl. I, S. 444) ausgeschlossen. Ein Berufungsausschlussgrund des § 144 Abs.1 SGG ist aufgrund des derzeitigen Sach- und Streitstands nicht erkennbar. Denn es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Leistungen für die Klägerin nur einen Zeitraum von weniger als einem Jahr zu erbringen hätte, zumal die Klägerin ersichtlich zu Lasten der Beklagten bereits seit 20. April 2009 Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung tatsächlich in Anspruch genommen hat.

2. Die zulässige Beschwerde der Beklagten ist nicht begründet. Das SG hat zu Recht die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Klägerin vorläufig Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewähren. Nachdem das Widerspruchsverfahren bereits mit Erlass des Widerspruchsbescheids vom 10. Oktober 2009 beendet ist, bezieht sich die einstweilige Regelung auf die Zeit bis zum Abschluss des Klageverfahrens wegen des Bescheids vom 08. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Oktober 2009, das beim SG unter dem Aktenzeichen S 1 KR 5875/09 anhängig ist. Die Beiladung der von der Klägerin angegangenen schweizerischen Krankenversicherung war im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht zu erwägen.

Nach § 86b Abs.2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist Voraussetzung, dass ein dem Antragsteller zustehendes Recht oder rechtlich geschütztes Interesse vorliegen muss (Anordnungsanspruch), das ohne Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes vereitelt oder wesentlich erschwert würde, sodass dem Antragsteller schwere, unzumutbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund müssen glaubhaft gemacht sein. Glaubhaftmachung liegt vor, wenn das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrunds überwiegend wahrscheinlich sind. Aufgrund des derzeitigen summarisch zu beurteilenden Sach- und Streitstands geht der Senat davon aus, dass ein Anordnungsanspruch zu bejahen ist. Die Beklagte ist, wie das SG zutreffend entschieden hat, hier einstweilen leistungspflichtig (2.1.), weshalb eine (nur subsidiäre) unmittelbare Leistungspflicht des Beigeladenen nicht in Betracht kommt (2.2.). Zu Recht hat das SG auch das Vorliegen eines Anordnungsgrunds bejaht (2.3.).

2.1. Ein Anspruch des Klägers auf Gewährung von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung durch die Beklagte kann sich nicht aus einer Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten ergeben, was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist, nachdem sie übereinstimmend davon ausgehen, dass eine Mitgliedschaft nur bei der Schweizer Krankenversicherung besteht. Die Klägerin hat auch den Bescheid der Beklagten vom 28. November 2008 nicht angegriffen. Die Klägerin ist nicht Mitglied der Beklagten, weil sie weder versicherungspflichtig nach § 5 SGB V noch versicherungsberechtigt nach § 9 SGB V ist.

2.1.1. Die Klägerin erfüllt keine der in § 5 Abs.1 SGB V genannten Voraussetzungen für die Mitgliedschaft in der deutschen Krankenversicherung. Insbesondere erfüllt die Klägerin nicht die Voraussetzungen für den Zugang in die Krankenversicherung der Rentner nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V, weil im Hinblick auf die nach dem Versicherungsverlauf nachgewiesenen Beitragszeiten die erforderliche Vorversicherungszeit nicht vorliegt. Diese wird auch von der Klägerin nicht geltend gemacht.

2.1.2. Des Weiteren erfüllt die Klägerin auch nicht die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V. Danach sind (seit 01. April 2007) versicherungspflichtig Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und a) zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder b) bisher nicht gesetzlich oder privat versichert waren, es sei denn, dass sie zu den in Abs. 5 oder den in § 1 Abs. 1 Satz 2 SGB V genannten Personen gehören oder bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätten. Nach § 5 Abs. 8a Satz 1 SGB V ist nach Abs. 1 Nr. 13 nicht versicherungspflichtig, wer nach Abs. 1 Nrn. 1 bis 12 versicherungspflichtig, freiwilliges Mitglied oder nach § 10 SGB V versichert ist. Nach Satz 2 dieser Bestimmung gilt dieser Satz 1 entsprechend u.a. für Empfänger laufender Leistungen nach dem 3., 4., 6. und 7. Kapitel des SGB XII. Eine Versicherungspflicht nach Nrn. 1 bis 12 besteht nicht. Aufgrund des übereinstimmenden Vortrags der Beteiligten und mangels anderer Anhaltspunkte in den vorliegenden Akten erfüllt die Klägerin auch nicht die Voraussetzungen für den Zugang zur freiwilligen Versicherung, sodass sie auch nicht versicherungsberechtigt nach § 9 SGB V ist und sie auch nicht als Familienangehöriger mitversichert ist. Ferner erhält die Klägerin Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII, sodass einer Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V § 5 Abs. 8a Satz 2 SGB V entgegensteht. Schließlich könnte der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V auch ein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall entgegenstehen. Als eine solche anderweitige Absicherung könnte zum einen eine Versicherungspflicht im Ausland (hier in der Schweiz) in Betracht kommen, wobei insoweit aber zu bedenken wäre, dass es der Klägerin bislang (auch mit Unterstützung des Beigeladenen) nicht gelungen ist, trotz zumutbarer Anstrengungen (Antrag und Einspruch gegen ablehnende Entscheidung) einen solchen Krankenversicherungsschutz in der Schweiz aufgrund ihres dortigen Rentenbezugs zu erhalten. Zum anderen könnte als anderweitige Absicherung die Übernahme der Krankenbehandlung nach § 264 Abs. 2 SGB V für nicht Versicherungspflichtige angesehen werden (vgl. dazu unter 2.1.3.).

2.1.3. Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung kann die Klägerin hier einstweilen von der Beklagten aufgrund der Übernahme der Krankenbehandlung für nicht Versicherungspflichtige nach § 264 Abs. 2 SGB V beanspruchen, wie sie bis zum 31. Juli 2007 im Übrigen bereits er-bracht worden waren. Nach § 264 Abs. 2 SGB V wird die Krankenbehandlung u.a. von Empfängern von Leistungen nach dem 3. bis 9. Kapitel des SGB XII, die nicht versichert sind, von der Krankenkasse übernommen (Satz 1). Satz 1 gilt nicht für Empfänger, die voraussichtlich nicht mindestens einen Monat ununterbrochen Hilfe zum Lebensunterhalt beziehen, für Personen, die ausschließlich Leistungen nach § 11 Abs. 5 Satz 3 und § 33 SGB XII beziehen sowie für die nach § 24 SGB XII genannten Personen (Satz 2).

Die Voraussetzungen des Satzes 1 liegen vor. Die Klägerin erhält, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII, die sie voraussichtlich auch ununterbrochen beziehen wird. Weder aus den Akten noch aus dem Vortrag der Beteiligten ergibt sich, dass die Klägerin in absehbarer Zeit nicht mehr bedürftig im Sinne des SGB XII sein wird. Zwar hatte der Beigeladene die Klägerin bei der Beklagten zum 31. Juli 2007 abgemeldet. Die von der Klägerin vorgenommene Wahl der Beklagten (§ 264 Abs. 3 Satz 1 SGB V) gilt jedoch fort, denn die in § 264 Abs. 5 Satz 1 SGB V vorgesehene Abmeldung durch den beigeladenen Sozialhilfeträger erfolgte hier ersichtlich nicht deswegen, weil die Klägerin nicht mehr bedürftig war. Die fehlende Bedürftigkeit hat insoweit der Beigeladene - ebenso wie die Beklagte - auch nicht geltend gemacht, zumal er ab 01. August 2008 weiterhin Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII gewährt. Die Klägerin ist auch nicht versicherungspflichtig nach dem SGB V, weil sie keine der in § 5 Abs. 1 SGB V genannten Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung erfüllt, wie dargelegt. Die Ausschlussgründe für die Übernahme der Krankenbehandlung durch die Beklagte nach § 264 Abs. 2 Satz 2 SGB V liegen nicht vor, weil die Klägerin nicht zu den in Satz 2 genannten Personen gehört und nicht ausschließlich die in Satz 2 genannten Leistungen bezieht. Ob der Anwendung des § 264 Abs. 2 Satz 1 SGB V entgegenstehen könnte, dass eine - von der Klägerin derzeit aber mit zumutbaren Anstrengungen nicht zu realisierende - Versicherung nach Schweizer Recht besteht, war im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht zu entscheiden, stand daher der einstweiligen Regelung hier nicht entgegen.

2.1.4. Ob die Klägerin als Doppelrentnerin mit Wohnsitz in Deutschland auch vorläufige Leistungen nach Art. 114 EWG-Verordnung Nr. 574/72 - unterstellt, diese Vorschrift findet im Verhältnis zur Schweiz aufgrund des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedsstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen) Anwendung - haben könnte, wie vom SG alternativ festgestellt, wovon auch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ausgeht, weiter ebenfalls die von der Klägerin angegangene H. Versicherung AG, ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend zu klären. Nach dieser Vorschrift bezieht im Fall von Streitigkeiten zwischen den Trägern oder den zuständigen Behörden von zwei oder mehr Mitgliedsstaaten über die nach Titel II der Verordnung anzuwendenden Rechtsvorschriften oder über die Bestimmung des Trägers, der Leistungen zu gewähren hat, eine Person, die, wenn solche Streitigkeiten nicht bestünden, Leistungen beanspruchen könnte, vorläufige Leistungen nach den vom Träger des Wohnorts anzuwendenden Rechtsvorschriften oder, wenn die betreffende Person nicht im Gebiet eines der beteiligten Mitgliedsstaaten wohnt, nach den Rechtsvorschriften des Trägers, bei dem der Antrag gestellt wurde. Es bestehen Streitigkeiten zwischen Leistungsträgern, der die Krankenversicherung durchzuführen hat, entweder die Schweizer Krankenversicherung wegen der Versicherungspflicht nach Schweizer Recht aufgrund des Bezugs der Schweizer Altersrente oder die deutsche Krankenversicherung. Auch wenn die Klägerin nicht Mitglied einer deutschen gesetzlichen Krankenkasse werden, sondern allenfalls die Übernahme der Krankenbehandlung nach § 264 Abs. 2 SGB V durch eine deutsche gesetzliche Krankenkasse erfolgen kann, könnte die Beklagte als der Leistungsträger des Wohnorts im Sinne des Art. 114 EWG-Verordnung Nr. 574/72 anzusehen sein, der die vorläufigen Leistungen zu erbringen hat. Hierfür könnte sprechen, dass die Beklagte die Übernahme der Krankenbehandlung nach § 264 Abs. 2 SGB V im Auftrag des Sozialhilfeträgers (Beigeladener) durchführen muss. Mit der Regelung in § 264 Abs. 2 SGB V wollte der Gesetzgeber die betroffenen Hilfeempfänger nicht mitgliedschaftsrechtlich, wohl aber leistungsrechtlich und verfahrensmäßig den Mitgliedern in der gesetzlichen Krankenversicherung gleichstellen, weshalb sie auch eine Versicherungskarte erhalten (BT-Drucks. 15/1525 S. 141). Abs. 2 enthält insofern eine zwingende Leistungsverpflichtung der Krankenkassen (Wille in JurisPK - SGB V, § 264 SGB V Rdnr. 24), die Krankenbehandlung im Auftrag des Sozialhilfeträgers (vgl. Bundessozialgericht [BSG] SozR 4-2500 § 264 Rdnr. 1) zu übernehmen. Die leistungsrechtliche Gleichstellung bedeutet, dass die Sozialhilfeempfänger ihre Ansprüche auf Hilfe bei Krankheit gegenüber der von ihnen gewählten Krankenkasse unmittelbar geltend machen können, nicht aber gegenüber dem Sozialhilfeträger (vgl. BSG, a.a.O.). Die sozialhilferechtliche Krankenhilfe nach § 48 Satz 1 SGB XII ist gegenüber den Regelungen zur Krankenbehandlung nach § 264 Abs.2 SGB V nachrangig; dies ist in § 48 Satz 2 SGB XII klargestellt.

Soweit sich die Klägerin auf das Freizügigkeitsrecht der Unionsbürger nach Art. 18 des EU-Vertrags beruft, ist allerdings zu berücksichtigen, dass Anhang I Art. 24 des Freizügigkeitsabkommens über die Rechtsstellung der Nichterwerbstätigen kein Gleichbehandlungsgebot enthält.

2.1.5. Der nach § 264 Abs. 2 Satz 1 SGB V bestehende Anspruch auf Leistungen ist, wie dargelegt, nicht gegenüber dem nach § 267 Abs. 7 Satz 1 SGB V erstattungspflichtigen Sozialhilfeträger (Beigeladener), sondern unmittelbar gegenüber der Beklagten durchzusetzen. Die Klägerin könnte sich nicht darauf berufen, ihren Anspruch auf einstweilige Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung auf EU-Recht (Art. 114 EWG-Verordnung Nr. 574/72) gestützt zu haben, nicht jedoch auf § 264 Abs. 2 SGB V. Ersichtlich würde ein auf Art.114 EWG-Verordnung Nr. 574/72 gestützter Anspruch auf vorläufige Leistungen nach dem SGB V, der allein an den Bezug der Schweizer Altersrente anknüpfen würde, nicht weiter gehen als der sich aus der leistungs- und verfahrensrechtlichen Gleichstellung ergebende Anspruch auf Übernahme der Krankenbehandlung durch die Beklagte nach § 264 Abs. 2 SGB V.

2.2. Nachdem der Senat die einstweilige Eintrittspflicht der Beklagten nach § 264 Abs. 2 SGB V als Anordnungsanspruch bejaht, scheidet schon deswegen ein Leistungsanspruch der Klägerin gegen den Beigeladenen nach § 48 Satz 1 SGB XII, den die Klägerin auch nicht geltend gemacht hat, aus, wie sich aus der Subsidiaritätsregel des § 48 Satz 2 SGB XII ergibt. Insoweit braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob die Beklagte als Rechtsmittelführerin hier im Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes überhaupt in entsprechender Anwendung des § 75 Abs. 5 SGG die Verpflichtung des Beigeladenen zulässigerweise beantragen konnte.

2.3. Zutreffend hat das SG dargelegt, dass sich der Anordnungsgrund daraus ergibt, dass die Klägerin aufgrund ihrer Erkrankungen auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung aktuell angewiesen ist, dabei ergibt sich auch aus dem Vorbringen der Klägerin (Schreiben vom 27. März 2010), dass die Klägerin 2009 und 2010 Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch genommen hat, mögen auch der Beklagten aufgrund der der Klägerin seit August 2009 quartalsweise ausgestellten Einzelkrankenscheine noch keine Abrechnungsunterlagen vorliegen.

2.4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der (weiteren) Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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