Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 19 AS 2329/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 5434/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung für den Monat Mai 2009.
Die Beklagte bewilligte dem 1962 geborenen Kläger für die Zeit vom 01.01.2005 durchgehend bis 31.03.2009 Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Neben der Regelleistung erhielt der Kläger auf der Grundlage einer ärztlichen Bescheinigung des Arztes für Allgemeinmedizin S. vom 22.12.2004, wonach der 170 cm große und 62 kg schwere Kläger an einem Ulcus duodeni/ventriculi leidet und deshalb Vollkost benötigt, einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 25,56 EUR (zuletzt Bescheid vom 11.09.2008/Widerspruchsbescheid vom 30.10.2008). Wegen Unklarheiten über die Erwerbsfähigkeit des Klägers erfolgte die Bewilligung für die Zeit vom 01.10.2008 bis 31.03.2009 als Vorschuss. Auf den Antrag des Klägers vom 02.03.2009 bewilligte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 10.03.2009 erneut als Vorschuss wie bisher Leistungen inklusive eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung für die Zeit vom 01.04.2009 bis 30.09.2009. Gegen diesen Bescheid wurde kein Rechtsbehelf eingelegt.
Mit Änderungsbescheid vom 08.04.2009 hob die Beklagte die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.05.2009 bis 30.09.2009 teilweise auf und bewilligte dem Kläger nunmehr Leistungen ohne Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung. Zur Begründung führte sie aus, nach neueren medizinischen und ernährungswissenschaftlichen Erkenntnissen sei nicht mehr von einem erhöhten Ernährungsbedarf auszugehen sei. Diese Erkenntnisse seien in die neuen Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge vom 01.10.2008, an denen sie sich orientiere, eingeflossen. Die Bewilligung erfolgte weiterhin als Vorschuss.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Er machte geltend, der Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung sei ihm, obwohl eine ärztliche Bescheinigung über die Notwendigkeit einer kostenaufwändigen Ernährung wegen einer Magen- und Darmerkrankung/Ulcus ventriculi bereits einige Jahre vorliege, plötzlich zu Unrecht gestrichen worden. Maßgebend sei diese ärztliche Bescheinigung und nicht die Empfehlung des Deutschen Vereins.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.04.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach der aktuellsten Einschätzung des Deutschen Vereins erfordere die beim Kläger gegebene Erkrankung keine kostenaufwändige Ernährung. Die Vorschussbewilligung habe vorliegend gemäß § 45 Abs. 1 und Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit Wirkung für die Zukunft (ab dem 01.05.2009) zurückgenommen werden können. Unter Beachtung der Ermessensgesichtspunkte sei das Vertrauen des Klägers auf den Bestand des (vorläufigen) Verwaltungsaktes nicht schutzwürdig.
Nachdem die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg mit Bescheid vom 23.04.2009 festgestellt hatte, dass der Kläger auf Dauer voll erwerbsgemindert ist, entzog die Beklagte mit Bescheid vom 13.05.2009 die dem Kläger bewilligten Leistungen nach dem SGB II ab dem 01.06.2009 ganz.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 17.04.2009 hat der Kläger am 07.05.2009 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Er leide seit Jahren an Untergewicht und an einem Ulcus ventriculi. Die Erkrankung erfordere aus medizinischer Sicht Vollkost. Dies habe der ihn behandelnde Arzt regelmäßig bestätigt. Die Empfehlungen des Deutschen Vereins stellten keine Rechtsnormen dar und seien deshalb für die Beklagte nicht verbindlich. Die Beklagte habe eine Einzelfallprüfung vorzunehmen. Dies habe sie in seinem Fall nicht gemacht. Seit Jahren werde ihm der Mehrbedarf gewährt. Es sei nicht ersichtlich, warum sich an dieser Situation irgendetwas geändert haben sollte. Im Übrigen seien die Empfehlungen des Deutschen Vereins nicht recht nachzuvollziehen. Es werde darin zwar ausgeführt, dass bei der Erkrankung des Klägers eine "Vollkost" erforderlich sei. Hieraus werde dann aber der falsche Schluss gezogen, dass die Kosten einer solchen Vollkost mit den Regelleistungen nach dem SGB II abgedeckt seien. Dies sei nicht nachvollziehbar. Mit einem in der Regelleistung enthaltenen Tagessatz von 4,52 EUR für Nahrung, Getränke und Genussmittel seien die Kosten einer medizinisch sachgerechten Vollkost sowie von Getränken und Genussmitteln nicht zu bezahlen. Hinzu trete, dass die neuen Empfehlungen des Deutschen Vereins vom 01.10.2008 datierten. Mit Bescheid vom 10.03.2009 sei ihm dennoch weiterhin ein entsprechender Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung gewährt worden. Seither sei keine neue Rechtslage oder neue Situation eingetreten, die zur Änderung berechtige. Etwas anderes ergebe sich auch nicht deshalb, weil er die Leistungen nur als Vorschuss erhalten habe. Die Bewilligung der Leistungen als Vorschuss habe ausschließlich auf dem Umstand beruht, dass Unklarheiten über seine Erwerbsfähigkeit bestanden hätten. Zur Unterstützung seines Vorbringens hat der Kläger eine ärztliche Bescheinigung des Arztes S. vom 16.11.2004 vorgelegt (2002: Körpergröße 170 cm, 58 kg; Ulcus ventriculi; Vollkost).
Mit Urteil vom 20.10.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei davon auszugehen, dass beim Kläger weiterhin ein Ulcus ventriculi bestehe, bei einer Körpergröße von 170 cm und einem Gewicht von 58 kg und einem sich hieraus ergebenden Body-mass-Index von 20 jedoch noch kein Untergewicht vorliege. Bei einem Magengeschwür, welches eine Ernährung mit Vollkost notwendig mache, sei die Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung nicht gerechtfertigt. Dies ergebe sich aus den neuen Empfehlungen des Deutschen Vereins vom Oktober 2008, die, nachdem diese nunmehr wieder auf neuesten medizinischen Erkenntnissen beruhten, als antizipierte Sachverständigengutachten herangezogen werden könnten. Im Regelsatz nach § 20 SGB II sei ein Anteil für eine vollwertige Ernährung enthalten. Damit sei die bei einem Magengeschwür benötigte Ernährungsform Vollkost vollständig vom Regelsatz umfasst. Anhaltspunkte dafür, dass im vorliegenden Fall ausnahmsweise besondere Umstände vorlägen, die auch bei Ernährung mit Vollkost einen höheren Bedarf rechtfertigten, seien nicht ersichtlich. Auf Vertrauensschutz könne sich der Kläger nicht berufen. Die Beklagte habe den Bescheid vom 10.03.2009 nach § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit Wirkung für die Zukunft abändern dürfen. Der Bescheid vom 10.03.2009 sei von Anfang an rechtswidrig gewesen. Bei der Rücknahme habe die Beklagte nicht ermessenfehlerhaft gehandelt. Das SG hat die Berufung zugelassen.
Hiergegen hat der Kläger am 16.11.2009 Berufung eingelegt. Er begründet seine Berufung damit, dass er an einem Magengeschwür leide und untergewichtig sei, weshalb ihm ein ernährungsbedingter Mehrbedarf zustehe. Die Empfehlungen des Deutschen Vereins stellten keine verbindlichen Rechtsnormen dar. Sie könnten nur als Orientierungshilfe dienen. Dadurch, dass die Beklagte mit Bescheid vom 10.03.2009 weiterhin einen Mehrbedarf gewährt habe, obwohl die Empfehlungen vom Oktober 2008 datierten, habe sie deutlich gemacht, dass sie sich gerade nicht an den Empfehlungen des Deutschen Vereins orientieren wollte. Von einer Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 10.03.2009 könne keine Rede sein. Eine nachträgliche Abänderung mit dem Hinweis auf die Empfehlungen sei infolgedessen nicht zulässig. Etwas anderes ergebe sich auch nicht deshalb, weil es sich bei dem Bescheid vom 10.03.2009 um einen vorläufigen Bescheid gehandelt habe. Denn die Vorläufigkeit des Bescheides habe sich explizit nicht auf die Höhe der bewilligten Leistungen bezogen, sondern ausschließlich darauf, ob er erwerbsfähig sei oder nicht. Des Weiteren könnten die Empfehlungen des Deutschen Vereins auch inhaltlich nicht überzeugen. Mit einem Tagessatz von 4,52 EUR könne eine ausgewogene Ernährung mit Vollkost nicht erreicht werden. Die Höhe des Mehrbedarfs hat der Kläger, nachdem ausweislich der Empfehlungen des Deutschen Vereins der grundsätzliche Mehrbedarf 35 EUR beträgt, zuletzt mit 35 EUR beziffert.
Der Senat hat den Arzt S. als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat unter dem 14.01.2010 mitgeteilt, der Kläger habe am 15.01.2009 bei einer Größe von 170 cm 58 kg gewogen. Er sei Vegetarier und leide an einer chronischen Gastritis, Untergewicht, einer Persönlichkeitsstörung mit psychosozialer Anpassungsstörung, einem Strabismus convergens rechts sowie Zustand nach cerebralen Krampfanfällen in der Kindheit. Er bedürfe einer ausgewogenen höherkalorischen Ernährung. Bevorzugt werden sollten bekömmliche, kohlehydratreiche, eher fettreduzierte und frische Produkte. Dieser Sachverhalt habe auch schon im Mai 2009 vorgelegen.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 20. Oktober 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 08. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. April 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm für den Monat Mai 2009 einen weiteren Mehrbedarf in Höhe von 9,44 EUR zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist nach Zulassung durch das SG zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Streitgegenstand ist ein Anspruch des Klägers auf Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung gemäß § 21 Abs. 5 SGB II für den Monat Mai 2009, der als abgrenzbarer Teil des Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts eigenständig geltend gemacht werden kann (vgl. Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 27.08.2009 - L 3 AS 245/08 - mit weiteren Nachweisen in juris). Richtige Klageart ist die reine Anfechtungsklage. Denn dem Kläger stünde mit der Aufhebung des Änderungsbescheids vom 08.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.04.2009 auf der Grundlage des Bescheids vom 10.03.2009 Mehrbedarf wieder zu. Etwas anderes ergibt sich auch nicht deshalb, weil der Kläger damit nur einen Mehrbedarf in Höhe der in diesem Bescheid bewilligten 25,56 EUR und nicht in Höhe der nunmehr geltend gemachten 35 EUR bekäme. Dem insoweit im Wege einer Leistungsklage geltend gemachten Begehren des Klägers steht der bestandskräftige Bescheid vom 10.03.2009 entgegen. Einen Überprüfungsantrag nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch hat der Kläger diesbezüglich nicht gestellt.
In der Sache ist die so gefasste Berufung des Klägers nicht begründet. Der Änderungsbescheid der Beklagten vom 08.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.04.2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Ein Anspruch auf Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nach § 21 Abs. 5 SGB II steht ihm nicht (mehr) zu.
Nach § 21 Abs. 5 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Es kann unterstellt werden, dass der Kläger im Monat Mai 2009 grundsätzlich noch zum berechtigten Personenkreis der erwerbsbedürftigen Hilfebedürftigen gehörte. Allerdings bedarf er, wie das SG in der angefochtenen Entscheidung insoweit zutreffend ausgeführt hat, weshalb hierauf zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verwiesen wird, keiner kostenaufwändigen Ernährung aus medizinischen Gründen. Dahingestellt bleiben kann insoweit, ob die Empfehlungen des Deutschen Vereins in der 3. Auflage 2008 Geltung als antizipierte Sachverständigengutachten beanspruchen können, woran der Senat, nachdem die Verfasser der Empfehlungen des Deutschen Vereins nicht demokratisch legitimiert und damit einem Normgeber nicht vergleichbar sind, Zweifel hat (so bereits Beschluss des erkennenden Senats vom 16.11.2009 - L 3 AS 4441/09, vgl. hierzu auch Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 22.06.2009 - L 7 AS 250/08 mit weiteren Nachweisen zum Streitstand, a.a.O.) oder ob ihnen lediglich der Charakter einer Orientierungshilfe zugesprochen werden kann. Denn auch dann, wenn sie lediglich eine Orientierungshilfe darstellen, ist ihnen, wenn wie hier - insoweit den überzeugenden Ausführungen des SG folgend - keine Hinweise auf einen abweichenden Mehrbedarf vorliegen, im Regelfall zu folgen.
Eine Abweichung vom Regelfall ergibt sich auch nicht aus der vom Senat eingeholten sachverständigen Zeugenauskunft bei dem Arzt S ... Danach leidet der Kläger an einer chronischen Gastritis, einem Untergewicht (170 cm bei 58 kg), einer Persönlichkeitsstörung mit psychosozialer Anpassungsstörung, einem Strabismus convergens rechts und einem Zustand nach cerebralen Krampfanfällen in der Kindheit. Aufgrund der chronischen Gastritis kommt es nach Auskunft des Arztes wiederholt zu Magenschmerzen mit Erbrechen. Wegen des Untergewichts bedürfe der Kläger einer ausgewogenen höherkalorischen Ernährung. Damit werden die bisherigen Bescheinigungen des Arztes bestätigt. Neues ergibt sich hieraus nicht. Abweichungen vom Normalfall der Erkrankungen werden nicht beschrieben. Eine Abweichung stellt insbesondere auch nicht die Tatsache dar, dass die chronische Gastritis nach Auskunft des Arztes immer wieder exacerbiert und es wiederholt zu Magenschmerzen mit Erbrechen kommt. Hierbei handelt es sich um den normalen Verlauf einer chronischen Gastritis und nicht um eine Komplikation der Erkrankung, die eine Abweichung vom Normalfall rechtfertigen würde. Untergewicht liegt beim Kläger nicht vor. Denn dies erfordert den Empfehlungen des Deutschen Vereins folgend (vgl. hierzu auch Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, zum Body-mass-Index) einen Body-mass-Index von unter 18,5. Diesen Wert erreicht der Kläger nicht. Sein Body-mass-Index beläuft sich auf 20,07 (Körpergewicht 58 kg dividiert durch Körpergröße von 1,70 m im Quadrat).
Ergänzend wird im Hinblick auf die von dem Arzt S. empfohlene Kost (bekömmliche, kohlehydratreiche, eher fettreduzierte und frische Ernährungsweise) darauf hingewiesen, dass dies die Beschreibung von Vollkost ist. Denn Vollkost beinhaltet eine dem Aktivitätsniveau angepasste Kalorienzufuhr, eine ballaststoffreiche Kost, eine Limitierung der Fettzufuhr, insbesondere der gesättigten Fettsäuren, eine gänzliche oder zumindest weitgehende Vermeidung von Alkohol, eine ausreichende Mineralstoffzufuhr sowie eine Beschränkung der Zufuhr von Einfachzuckern und Cholesterin (vgl. Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 22.06.2009 - L 7 AS 250/08 - a.a.O.) und damit im Wesentlichen die Ernährung, die auch der Arzt empfiehlt. In den früheren Bescheinigungen hat er die erforderliche Kost auch als Vollkost bezeichnet.
Entgegen dem Vorbringen des Klägers ist der Senat auch der Überzeugung, dass der in der Regelleistung enthaltene Tagessatz von 4,52 EUR für Nahrung, Getränke und Genussmittel auch den Mindestaufwand für eine Vollkost deckt. Der Senat stützt sich insoweit auf die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung bei der Technischen Universität München in Auftrag gegebene Studie, wonach bei einer "preisbewussten Einkaufsweise" eine Vollkost mit einem Aufwand von ca. 4 EUR täglich zu finanzieren ist (vgl. Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe, 3. Aufl. 2008, III.2).
Ein Anspruch auf Weitergewährung des Mehrbedarfs ergibt sich auch nicht deshalb, weil dem Kläger für die Zeit vom 01.01.2005 bis 30.04.2009 Mehrbedarf gewährt wurde. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Mehrbedarf auf Dauer zugesichert worden wäre. Eine derartige Zusicherung liegt hier nicht vor. Den Bewilligungen lag jeweils ein Bescheid mit einer bestimmten Laufdauer zu Grunde. Mit jedem Bescheid hat die Beklagte das Recht zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Gewährung des Mehrbedarfs weiterhin vorliegen. Ein Vertrauensschutz besteht nur im Hinblick auf den jeweiligen Bewilligungszeitraum.
Eine andere Beurteilung lässt sich schließlich auch nicht darauf stützen, dass die Beklagte mit Bescheid vom 10.03.2009 zunächst den Mehrbedarf auch für den Monat Mai 2009 bewilligt hat. Offen gelassen werden kann insoweit, ob die Aufhebung des Bescheids vom 10.03.2009 schon deshalb gerechtfertigt ist, weil die Leistungen nur als Vorschuss gewährt wurden, was zweifelhaft sein könnte, da die Vorläufigkeit darauf gestützt wurde, dass noch Ermittlungen zur Erwerbsfähigkeit des Klägers erforderlich seien. Denn auch die Rücknahmevoraussetzungen des § 45 SGB X sind gegeben. Es handelt sich bei dem Bescheid vom 10.03.2009 um einen begünstigenden Verwaltungsakt. Dieser Bescheid war rechtswidrig, da dem Kläger orientiert an den Empfehlungen des Deutschen Vereins ein Anspruch auf den Mehrbedarf - wie oben ausgeführt - nicht zustand. Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf gemäß § 45 Abs. 2 SGB X nur dann nicht zurückgenommen werden, wenn und soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Ein schutzwürdiges Vertrauen ist hier nicht zu bejahen. Insoweit hat das SG und auch bereits die Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, dass die Leistungen dem Kläger, wobei es insoweit ohne Bedeutung ist aus welchen Gründen, als Vorschuss bewilligt wurden und sein Vertrauen deshalb bei Abwägung mit den Interessen der Allgemeinheit nicht schutzwürdig ist. Abgesehen davon erfolgte die Aufhebung nur mit Wirkung für die Zukunft.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung für den Monat Mai 2009.
Die Beklagte bewilligte dem 1962 geborenen Kläger für die Zeit vom 01.01.2005 durchgehend bis 31.03.2009 Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Neben der Regelleistung erhielt der Kläger auf der Grundlage einer ärztlichen Bescheinigung des Arztes für Allgemeinmedizin S. vom 22.12.2004, wonach der 170 cm große und 62 kg schwere Kläger an einem Ulcus duodeni/ventriculi leidet und deshalb Vollkost benötigt, einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 25,56 EUR (zuletzt Bescheid vom 11.09.2008/Widerspruchsbescheid vom 30.10.2008). Wegen Unklarheiten über die Erwerbsfähigkeit des Klägers erfolgte die Bewilligung für die Zeit vom 01.10.2008 bis 31.03.2009 als Vorschuss. Auf den Antrag des Klägers vom 02.03.2009 bewilligte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 10.03.2009 erneut als Vorschuss wie bisher Leistungen inklusive eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung für die Zeit vom 01.04.2009 bis 30.09.2009. Gegen diesen Bescheid wurde kein Rechtsbehelf eingelegt.
Mit Änderungsbescheid vom 08.04.2009 hob die Beklagte die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.05.2009 bis 30.09.2009 teilweise auf und bewilligte dem Kläger nunmehr Leistungen ohne Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung. Zur Begründung führte sie aus, nach neueren medizinischen und ernährungswissenschaftlichen Erkenntnissen sei nicht mehr von einem erhöhten Ernährungsbedarf auszugehen sei. Diese Erkenntnisse seien in die neuen Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge vom 01.10.2008, an denen sie sich orientiere, eingeflossen. Die Bewilligung erfolgte weiterhin als Vorschuss.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Er machte geltend, der Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung sei ihm, obwohl eine ärztliche Bescheinigung über die Notwendigkeit einer kostenaufwändigen Ernährung wegen einer Magen- und Darmerkrankung/Ulcus ventriculi bereits einige Jahre vorliege, plötzlich zu Unrecht gestrichen worden. Maßgebend sei diese ärztliche Bescheinigung und nicht die Empfehlung des Deutschen Vereins.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.04.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach der aktuellsten Einschätzung des Deutschen Vereins erfordere die beim Kläger gegebene Erkrankung keine kostenaufwändige Ernährung. Die Vorschussbewilligung habe vorliegend gemäß § 45 Abs. 1 und Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit Wirkung für die Zukunft (ab dem 01.05.2009) zurückgenommen werden können. Unter Beachtung der Ermessensgesichtspunkte sei das Vertrauen des Klägers auf den Bestand des (vorläufigen) Verwaltungsaktes nicht schutzwürdig.
Nachdem die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg mit Bescheid vom 23.04.2009 festgestellt hatte, dass der Kläger auf Dauer voll erwerbsgemindert ist, entzog die Beklagte mit Bescheid vom 13.05.2009 die dem Kläger bewilligten Leistungen nach dem SGB II ab dem 01.06.2009 ganz.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 17.04.2009 hat der Kläger am 07.05.2009 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Er leide seit Jahren an Untergewicht und an einem Ulcus ventriculi. Die Erkrankung erfordere aus medizinischer Sicht Vollkost. Dies habe der ihn behandelnde Arzt regelmäßig bestätigt. Die Empfehlungen des Deutschen Vereins stellten keine Rechtsnormen dar und seien deshalb für die Beklagte nicht verbindlich. Die Beklagte habe eine Einzelfallprüfung vorzunehmen. Dies habe sie in seinem Fall nicht gemacht. Seit Jahren werde ihm der Mehrbedarf gewährt. Es sei nicht ersichtlich, warum sich an dieser Situation irgendetwas geändert haben sollte. Im Übrigen seien die Empfehlungen des Deutschen Vereins nicht recht nachzuvollziehen. Es werde darin zwar ausgeführt, dass bei der Erkrankung des Klägers eine "Vollkost" erforderlich sei. Hieraus werde dann aber der falsche Schluss gezogen, dass die Kosten einer solchen Vollkost mit den Regelleistungen nach dem SGB II abgedeckt seien. Dies sei nicht nachvollziehbar. Mit einem in der Regelleistung enthaltenen Tagessatz von 4,52 EUR für Nahrung, Getränke und Genussmittel seien die Kosten einer medizinisch sachgerechten Vollkost sowie von Getränken und Genussmitteln nicht zu bezahlen. Hinzu trete, dass die neuen Empfehlungen des Deutschen Vereins vom 01.10.2008 datierten. Mit Bescheid vom 10.03.2009 sei ihm dennoch weiterhin ein entsprechender Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung gewährt worden. Seither sei keine neue Rechtslage oder neue Situation eingetreten, die zur Änderung berechtige. Etwas anderes ergebe sich auch nicht deshalb, weil er die Leistungen nur als Vorschuss erhalten habe. Die Bewilligung der Leistungen als Vorschuss habe ausschließlich auf dem Umstand beruht, dass Unklarheiten über seine Erwerbsfähigkeit bestanden hätten. Zur Unterstützung seines Vorbringens hat der Kläger eine ärztliche Bescheinigung des Arztes S. vom 16.11.2004 vorgelegt (2002: Körpergröße 170 cm, 58 kg; Ulcus ventriculi; Vollkost).
Mit Urteil vom 20.10.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei davon auszugehen, dass beim Kläger weiterhin ein Ulcus ventriculi bestehe, bei einer Körpergröße von 170 cm und einem Gewicht von 58 kg und einem sich hieraus ergebenden Body-mass-Index von 20 jedoch noch kein Untergewicht vorliege. Bei einem Magengeschwür, welches eine Ernährung mit Vollkost notwendig mache, sei die Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung nicht gerechtfertigt. Dies ergebe sich aus den neuen Empfehlungen des Deutschen Vereins vom Oktober 2008, die, nachdem diese nunmehr wieder auf neuesten medizinischen Erkenntnissen beruhten, als antizipierte Sachverständigengutachten herangezogen werden könnten. Im Regelsatz nach § 20 SGB II sei ein Anteil für eine vollwertige Ernährung enthalten. Damit sei die bei einem Magengeschwür benötigte Ernährungsform Vollkost vollständig vom Regelsatz umfasst. Anhaltspunkte dafür, dass im vorliegenden Fall ausnahmsweise besondere Umstände vorlägen, die auch bei Ernährung mit Vollkost einen höheren Bedarf rechtfertigten, seien nicht ersichtlich. Auf Vertrauensschutz könne sich der Kläger nicht berufen. Die Beklagte habe den Bescheid vom 10.03.2009 nach § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit Wirkung für die Zukunft abändern dürfen. Der Bescheid vom 10.03.2009 sei von Anfang an rechtswidrig gewesen. Bei der Rücknahme habe die Beklagte nicht ermessenfehlerhaft gehandelt. Das SG hat die Berufung zugelassen.
Hiergegen hat der Kläger am 16.11.2009 Berufung eingelegt. Er begründet seine Berufung damit, dass er an einem Magengeschwür leide und untergewichtig sei, weshalb ihm ein ernährungsbedingter Mehrbedarf zustehe. Die Empfehlungen des Deutschen Vereins stellten keine verbindlichen Rechtsnormen dar. Sie könnten nur als Orientierungshilfe dienen. Dadurch, dass die Beklagte mit Bescheid vom 10.03.2009 weiterhin einen Mehrbedarf gewährt habe, obwohl die Empfehlungen vom Oktober 2008 datierten, habe sie deutlich gemacht, dass sie sich gerade nicht an den Empfehlungen des Deutschen Vereins orientieren wollte. Von einer Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 10.03.2009 könne keine Rede sein. Eine nachträgliche Abänderung mit dem Hinweis auf die Empfehlungen sei infolgedessen nicht zulässig. Etwas anderes ergebe sich auch nicht deshalb, weil es sich bei dem Bescheid vom 10.03.2009 um einen vorläufigen Bescheid gehandelt habe. Denn die Vorläufigkeit des Bescheides habe sich explizit nicht auf die Höhe der bewilligten Leistungen bezogen, sondern ausschließlich darauf, ob er erwerbsfähig sei oder nicht. Des Weiteren könnten die Empfehlungen des Deutschen Vereins auch inhaltlich nicht überzeugen. Mit einem Tagessatz von 4,52 EUR könne eine ausgewogene Ernährung mit Vollkost nicht erreicht werden. Die Höhe des Mehrbedarfs hat der Kläger, nachdem ausweislich der Empfehlungen des Deutschen Vereins der grundsätzliche Mehrbedarf 35 EUR beträgt, zuletzt mit 35 EUR beziffert.
Der Senat hat den Arzt S. als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat unter dem 14.01.2010 mitgeteilt, der Kläger habe am 15.01.2009 bei einer Größe von 170 cm 58 kg gewogen. Er sei Vegetarier und leide an einer chronischen Gastritis, Untergewicht, einer Persönlichkeitsstörung mit psychosozialer Anpassungsstörung, einem Strabismus convergens rechts sowie Zustand nach cerebralen Krampfanfällen in der Kindheit. Er bedürfe einer ausgewogenen höherkalorischen Ernährung. Bevorzugt werden sollten bekömmliche, kohlehydratreiche, eher fettreduzierte und frische Produkte. Dieser Sachverhalt habe auch schon im Mai 2009 vorgelegen.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 20. Oktober 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 08. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. April 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm für den Monat Mai 2009 einen weiteren Mehrbedarf in Höhe von 9,44 EUR zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist nach Zulassung durch das SG zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Streitgegenstand ist ein Anspruch des Klägers auf Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung gemäß § 21 Abs. 5 SGB II für den Monat Mai 2009, der als abgrenzbarer Teil des Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts eigenständig geltend gemacht werden kann (vgl. Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 27.08.2009 - L 3 AS 245/08 - mit weiteren Nachweisen in juris). Richtige Klageart ist die reine Anfechtungsklage. Denn dem Kläger stünde mit der Aufhebung des Änderungsbescheids vom 08.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.04.2009 auf der Grundlage des Bescheids vom 10.03.2009 Mehrbedarf wieder zu. Etwas anderes ergibt sich auch nicht deshalb, weil der Kläger damit nur einen Mehrbedarf in Höhe der in diesem Bescheid bewilligten 25,56 EUR und nicht in Höhe der nunmehr geltend gemachten 35 EUR bekäme. Dem insoweit im Wege einer Leistungsklage geltend gemachten Begehren des Klägers steht der bestandskräftige Bescheid vom 10.03.2009 entgegen. Einen Überprüfungsantrag nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch hat der Kläger diesbezüglich nicht gestellt.
In der Sache ist die so gefasste Berufung des Klägers nicht begründet. Der Änderungsbescheid der Beklagten vom 08.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.04.2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Ein Anspruch auf Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nach § 21 Abs. 5 SGB II steht ihm nicht (mehr) zu.
Nach § 21 Abs. 5 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Es kann unterstellt werden, dass der Kläger im Monat Mai 2009 grundsätzlich noch zum berechtigten Personenkreis der erwerbsbedürftigen Hilfebedürftigen gehörte. Allerdings bedarf er, wie das SG in der angefochtenen Entscheidung insoweit zutreffend ausgeführt hat, weshalb hierauf zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verwiesen wird, keiner kostenaufwändigen Ernährung aus medizinischen Gründen. Dahingestellt bleiben kann insoweit, ob die Empfehlungen des Deutschen Vereins in der 3. Auflage 2008 Geltung als antizipierte Sachverständigengutachten beanspruchen können, woran der Senat, nachdem die Verfasser der Empfehlungen des Deutschen Vereins nicht demokratisch legitimiert und damit einem Normgeber nicht vergleichbar sind, Zweifel hat (so bereits Beschluss des erkennenden Senats vom 16.11.2009 - L 3 AS 4441/09, vgl. hierzu auch Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 22.06.2009 - L 7 AS 250/08 mit weiteren Nachweisen zum Streitstand, a.a.O.) oder ob ihnen lediglich der Charakter einer Orientierungshilfe zugesprochen werden kann. Denn auch dann, wenn sie lediglich eine Orientierungshilfe darstellen, ist ihnen, wenn wie hier - insoweit den überzeugenden Ausführungen des SG folgend - keine Hinweise auf einen abweichenden Mehrbedarf vorliegen, im Regelfall zu folgen.
Eine Abweichung vom Regelfall ergibt sich auch nicht aus der vom Senat eingeholten sachverständigen Zeugenauskunft bei dem Arzt S ... Danach leidet der Kläger an einer chronischen Gastritis, einem Untergewicht (170 cm bei 58 kg), einer Persönlichkeitsstörung mit psychosozialer Anpassungsstörung, einem Strabismus convergens rechts und einem Zustand nach cerebralen Krampfanfällen in der Kindheit. Aufgrund der chronischen Gastritis kommt es nach Auskunft des Arztes wiederholt zu Magenschmerzen mit Erbrechen. Wegen des Untergewichts bedürfe der Kläger einer ausgewogenen höherkalorischen Ernährung. Damit werden die bisherigen Bescheinigungen des Arztes bestätigt. Neues ergibt sich hieraus nicht. Abweichungen vom Normalfall der Erkrankungen werden nicht beschrieben. Eine Abweichung stellt insbesondere auch nicht die Tatsache dar, dass die chronische Gastritis nach Auskunft des Arztes immer wieder exacerbiert und es wiederholt zu Magenschmerzen mit Erbrechen kommt. Hierbei handelt es sich um den normalen Verlauf einer chronischen Gastritis und nicht um eine Komplikation der Erkrankung, die eine Abweichung vom Normalfall rechtfertigen würde. Untergewicht liegt beim Kläger nicht vor. Denn dies erfordert den Empfehlungen des Deutschen Vereins folgend (vgl. hierzu auch Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, zum Body-mass-Index) einen Body-mass-Index von unter 18,5. Diesen Wert erreicht der Kläger nicht. Sein Body-mass-Index beläuft sich auf 20,07 (Körpergewicht 58 kg dividiert durch Körpergröße von 1,70 m im Quadrat).
Ergänzend wird im Hinblick auf die von dem Arzt S. empfohlene Kost (bekömmliche, kohlehydratreiche, eher fettreduzierte und frische Ernährungsweise) darauf hingewiesen, dass dies die Beschreibung von Vollkost ist. Denn Vollkost beinhaltet eine dem Aktivitätsniveau angepasste Kalorienzufuhr, eine ballaststoffreiche Kost, eine Limitierung der Fettzufuhr, insbesondere der gesättigten Fettsäuren, eine gänzliche oder zumindest weitgehende Vermeidung von Alkohol, eine ausreichende Mineralstoffzufuhr sowie eine Beschränkung der Zufuhr von Einfachzuckern und Cholesterin (vgl. Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 22.06.2009 - L 7 AS 250/08 - a.a.O.) und damit im Wesentlichen die Ernährung, die auch der Arzt empfiehlt. In den früheren Bescheinigungen hat er die erforderliche Kost auch als Vollkost bezeichnet.
Entgegen dem Vorbringen des Klägers ist der Senat auch der Überzeugung, dass der in der Regelleistung enthaltene Tagessatz von 4,52 EUR für Nahrung, Getränke und Genussmittel auch den Mindestaufwand für eine Vollkost deckt. Der Senat stützt sich insoweit auf die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung bei der Technischen Universität München in Auftrag gegebene Studie, wonach bei einer "preisbewussten Einkaufsweise" eine Vollkost mit einem Aufwand von ca. 4 EUR täglich zu finanzieren ist (vgl. Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe, 3. Aufl. 2008, III.2).
Ein Anspruch auf Weitergewährung des Mehrbedarfs ergibt sich auch nicht deshalb, weil dem Kläger für die Zeit vom 01.01.2005 bis 30.04.2009 Mehrbedarf gewährt wurde. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Mehrbedarf auf Dauer zugesichert worden wäre. Eine derartige Zusicherung liegt hier nicht vor. Den Bewilligungen lag jeweils ein Bescheid mit einer bestimmten Laufdauer zu Grunde. Mit jedem Bescheid hat die Beklagte das Recht zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Gewährung des Mehrbedarfs weiterhin vorliegen. Ein Vertrauensschutz besteht nur im Hinblick auf den jeweiligen Bewilligungszeitraum.
Eine andere Beurteilung lässt sich schließlich auch nicht darauf stützen, dass die Beklagte mit Bescheid vom 10.03.2009 zunächst den Mehrbedarf auch für den Monat Mai 2009 bewilligt hat. Offen gelassen werden kann insoweit, ob die Aufhebung des Bescheids vom 10.03.2009 schon deshalb gerechtfertigt ist, weil die Leistungen nur als Vorschuss gewährt wurden, was zweifelhaft sein könnte, da die Vorläufigkeit darauf gestützt wurde, dass noch Ermittlungen zur Erwerbsfähigkeit des Klägers erforderlich seien. Denn auch die Rücknahmevoraussetzungen des § 45 SGB X sind gegeben. Es handelt sich bei dem Bescheid vom 10.03.2009 um einen begünstigenden Verwaltungsakt. Dieser Bescheid war rechtswidrig, da dem Kläger orientiert an den Empfehlungen des Deutschen Vereins ein Anspruch auf den Mehrbedarf - wie oben ausgeführt - nicht zustand. Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf gemäß § 45 Abs. 2 SGB X nur dann nicht zurückgenommen werden, wenn und soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Ein schutzwürdiges Vertrauen ist hier nicht zu bejahen. Insoweit hat das SG und auch bereits die Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, dass die Leistungen dem Kläger, wobei es insoweit ohne Bedeutung ist aus welchen Gründen, als Vorschuss bewilligt wurden und sein Vertrauen deshalb bei Abwägung mit den Interessen der Allgemeinheit nicht schutzwürdig ist. Abgesehen davon erfolgte die Aufhebung nur mit Wirkung für die Zukunft.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
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