Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 3277/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 1531/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 12.03.2007 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1301 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BK 1301) streitig.
Der am1945 geborene Kläger absolvierte von Mai 1960 bis Mai 1963 eine Zimmererlehre bei der Firma J. W ... Das dort zu verarbeitende Bauholz wurde bereits holzschutzbehandelt angeliefert. Der Kläger musste allerdings die Holzverkleidungen auf Bauernhöfen und von Scheunen mit Carbolineum (Inhaltsstoff Teeröl) streichen. Derartige Tätigkeiten kamen ca. zwei bis dreimal monatlich vor. Weiterhin wurden Holzanstriche mit Xylamon ausgeführt. Von Juni 1963 bis Februar 1966 arbeitete der Kläger in der Firma G. als Zimmerer. Auch dort wurde das Bauholz bereits holzschutzbehandelt angeliefert. Der Kläger musste gelegentlich Holzverschalungen mit Xylamon und Xyladecor streichen. Vom 10.03.1966 bis 02.11.1973 arbeitete der Kläger wiederum bei der Firma Johannes W. als Zimmerer und in dieser Zeit fast ausschließlich im Pharmabetrieb H. - L. R., L ... Dabei verlegte er Rauhspundböden, die er anschließend verspachtelte und mit säurefesten Speziallacken (2-Komponentenlacke) strich. Vom 12.11.1973 bis 28.02.1977 arbeitete er bei der Firma Z., K., wiederum bei Aufträgen in der Firma H. - L. R., wobei die gleichen Arbeiten wie bei der vorherigen Tätigkeit bei der Firma W. auszuführen waren. Vom 01.03.1977 bis 04.04.1994 arbeitete der Kläger in den Zimmereien S., W., Wi., H. und der Firma We. A ... Bei diesen Tätigkeiten hatte er keinen direkten Umgang mit Holzschutzmitteln, Lacken oder teerhaltigen Produkten. Vom 15.04.1997 bis 31.03.2005 war er als selbständiger Zimmermann tätig und führte kleinere Zimmererarbeiten an Neubauten sowie Ausbauarbeiten an bestehenden Gebäuden aus; mit Holzschutzmitteln, Farben, Lacken oder teerhaltigen Produkten hatte er keinen direkten Umgang. Seit August 2005 bezieht der Kläger von der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg Altersrente.
Im März 2005 wurde bei dem Kläger ein Harnblasentumor diagnostiziert, der am 19.04.2005 operativ entfernt wurde (Befundberichte des Urologen Dr. H. vom März und April 2005). Die histologische Untersuchung ergab ein gut differenziertes papilläres Urothelkarzinom G1 pTa (Bericht des Pathologen Sa., Offenburg).
Am 05.08.2005 erstattete Dr. H. deswegen eine Anzeige über eine BK, die er auf Tätigkeiten mit Nitroverbindungen/Lösungsmitteln zurückführte. In der von der Beklagten eingeholten Stellungnahme des Präventionsdienstes führte der Technische Aufsichtsbeamte Kn. nach persönlicher Befragung des Klägers zu dessen beruflichen Tätigkeiten und Einholung einer Stellungnahme des Gefahrstoffreferats der Beklagten, Frau Z., aus, eine Belastung im Sinne einer BK 1301 sei höchstwahrscheinlich nur beim Umgang mit Carbolineum bei der Aufnahme über die Haut in den Jahren 1960 bis 1963 gegeben gewesen. Zur Klärung des Zusammenhangs zwischen der beruflichen Tätigkeit des Klägers und dem Harnblasenkarzinom veranlasste die Beklagte ein Gutachten durch Prof. Dr. Tr., Direktor des Instituts und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin des Universitätsklinikums H., nach persönlicher Erhebung der Anamnese durch den Beratungsarzt der Beklagten, Dr. F ... Bei dieser Befragung gab der Kläger u.a. an, er sei lebenslanger "Nie-Raucher". Demgegenüber ist in dem von der Beklagten u. a. beigezogenen Bericht des Arbeitsmedizinischen Dienstes über eine Untersuchung des Klägers im Jahr 1986 ein zum damaligen Zeitpunkt seit 10 Jahren eingestellter Nikotinkonsum von insgesamt 15 Jahren und 25 Zigaretten täglich festgehalten.
Prof. Dr. Tr. führte aus, eine Exposition gegenüber aromatischen Aminen sei durch den Umgang mit Carbolineum in dem relativ kurzen Zeitraum von 1960 bis 1963 möglich. Aus den anderen Tätigkeiten des Klägers lasse sich eine Gefährdung nicht ableiten. Ob beim Verstreichen von Carbolineum eine Aufnahme von 2-Naphtylamin erfolgte, sei nicht bekannt, eine quantitative Abschätzung sei wegen fehlender Expositionsdaten nicht möglich. Ziehe man vergleichsweise die Berufsgruppe der Maler heran, ließen sich die Ergebnisse der zahlreichen epidemiologischen Untersuchungen dahingehend interpretieren, dass kein bzw. ein nur leicht erhöhtes Erkrankungsrisiko für Harnblasenkrebs bestehe. Gegen die Annahme einer BK-Gefährdung des Klägers spreche außerdem die relativ kurze Expositionsdauer. Eine zeitliche Vorverlegung der Krankheitsmanifestation, die auf eine außergewöhnliche exogene Belastung hinweisen würde, sei bei dem Erkrankungsalter des Klägers (59 Jahre) nicht anzunehmen. Nach gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen wiesen Raucher im Vergleich zu Nichtrauchern ein erhöhtes Risiko auf, an Harnblasenkarzinomen zu erkranken, wobei auf Grund der unterschiedlichen Angaben des Klägers eine Beurteilung insoweit nicht sicher möglich sei. Insgesamt sei ein Ursachenzusammenhang zwischen der früheren Tätigkeit des Klägers und der Harnblasenkrebserkrankung möglich, aber nicht hinreichend wahrscheinlich zu machen.
Nach Einholung einer gewerbeärztlichen Stellungnahme der Ärztin für Arbeitsmedizin Gr. (Zustimmung zum Gutachten des Prof. Dr. Tr.) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.04.2006 und Widerspruchsbescheid vom 23.06.2006 die Feststellung einer BK 1301 ab.
Hiergegen hat der Kläger am 06.07.2006 Klage zum Sozialgericht Freiburg erhoben und geltend gemacht, das Harnblasenkarzinom sei auf seine Tätigkeit von 1969 bis 1976 in der Firma H. - L. R. zurückzuführen. Das Sozialgericht hat ein Gutachten von PD Dr. Sc., Arzt für Arbeitsmedizin und Innere Medizin, Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin am Universitätsklinikum G. eingeholt. Bei der dortigen Befragung gab der Kläger einen Gebrauch von Carbolineum nicht nur während seiner Ausbildung (ca. 16 bis 24 Stunden pro Monat), sondern auch in den Jahren von 1963 bis 1966 (ca. 40 Stunden pro Monat) an; er habe nie regelmäßig geraucht. PD Dr. Sc. hat ausgeführt, für den Fall, dass der Kläger nie geraucht habe, seien die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK 1301 mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gegeben. Für den Fall, dass der Kläger entsprechend der Angaben bei der Untersuchung durch den Arbeitsmedizinischen Dienst über 15 Jahre 25 Zigaretten täglich geraucht habe, könne die Zusammenhangsfrage nur mit "non liquet" beurteilt werden, da eine Quantifizierung der Gefahrstoffeinwirkung am Arbeitsplatz nicht mehr ermittelbar sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 12.03.2007 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, die Harnblasenerkrankung des Klägers als BK 1301 anzuerkennen und dem Kläger deswegen die gesetzlichen Entschädigungsleistungen zu gewähren, insbesondere eine Rente nach einer MdE um 50 v. H. ab 11.04.2005. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, die arbeitstechnischen Voraussetzungen sei als gegeben anzusehen, auch wenn das quantitative Ausmaß der berufsbedingten Exposition gegenüber aromatischen Aminen nicht mit letzter Sicherheit feststellbar sei. Dabei sei von einem Gebrauch von Carbolineum in der Zeit von Mai 1960 bis Februar 1966 mehrmals im Monat auszugehen. Für einen Ursachenzusammenhang spreche weiter, dass konkurrierende berufsunabhängige Ursachen nicht nachgewiesen seien. Dies gelte unabhängig von der Frage eines Nikotinkonsums. Selbst wenn entsprechend der arbeitsmedizinischen Unterlagen aus dem Jahr 1986 ein solcher bis Mitte der 60er Jahre als zutreffend unterstellt werde, sei bis zum Zeitpunkt des Auftretens des Harnblasenkarzinoms nicht mehr von einer Risikoerhöhung durch den Nikotinkonsum auszugehen.
Gegen den am 19.03.2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 22.03.2007 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, eine für die Verursachung einer Blasenkrebserkrankung ausreichende berufliche Exposition gegenüber aromatischen Aminen sei nicht mit dem erforderlichen Vollbeweis gesichert. Soweit der Kläger im Verlauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben gemacht habe, sei den Erstangaben grundsätzlich größeres Gewicht beizumessen. Nicht haltbar sei auch der vom Sozialgericht lediglich bis Mitte der 60er Jahre unterstellte Rauchkonsum. Auch habe das Sozialgericht nicht geklärt, ob der Kläger eventuell in der häuslichen Umgebung und/oder im Rahmen seines Freizeitverhaltens als Passivraucher belastet gewesen sei und anderweitige außerberufliche Belastungen in die Kausalitätsbeurteilung nicht einbezogen.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 12.03.2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend und hat auf Anfrage des Senats angegeben, er sei nie Raucher gewesen, habe aber gelegentlich eine Zigarette von einem Arbeitskollegen angenommen (maximal sieben Zigaretten pro Woche).
Der Senat hat die behandelnden Ärzte, u. a. den Internisten Dr. Re., schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Dr. Re. hat angegeben, der Kläger habe nach seinen Krankenunterlagen beim Erstkontakt im Oktober 1981 einen Konsum von bis zu sieben Zigaretten täglich angegeben.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet. Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, die Harnblasenerkrankung des Klägers als BK 1301 anzuerkennen und ihm deswegen Entschädigungsleistungen zu gewähren.
Nachdem die Beklagte jedwede Entschädigung mit der Begründung ablehnt, es sei kein Versicherungsfall, hier keine BK (§ 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch SGB VII), eingetreten, ist sachdienliche Klageart vorliegend neben der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG mit dem Ziel der Aufhebung der ablehnenden - und auch einer zukünftigen Leistungsgewährung entgegenstehenden - Bescheide die auf gerichtliche Feststellung einer BK gerichtete Feststellungsklage gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Eine solche Feststellungsklage hat der Kläger bei sinnentsprechender Auslegung (§ 123 SGG) seines Vorbringens (vgl. BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 45/03 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 2) auch erhoben. Eine Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG hat er somit nicht erheben wollen, weil es ihm gerade um die gerichtliche Feststellung der Unfallfolgen geht (vgl. zu der insoweit gleichgelagerten Konstellation der Verneinung einer BK BSG, Urteil vom 02.04.2009, B 2 U 30/07 R). Dem entsprechend hätte das Sozialgericht die Beklagte auch nicht zur Anerkennung der streitigen BK verurteilen, sondern - seine Sicht der materiellen Rechtslage zu Grunde gelegt - das Vorliegen einer solchen BK selbst feststellen müssen. Soweit das Sozialgericht die Beklagte zur Gewährung von Entschädigungsleistungen, insbesondere einer Verletztenrente verurteilt hat, ist es insoweit zum einen unter Verstoß gegen § 123 SGG über das im Zeitpunkt des Erlasses des Gerichtsbescheides feststellbare klägerische Begehren hinausgegangen und hat zum anderen übersehen, dass die Beklagte über einen Anspruch auf Verletztenrente in den angefochtenen Bescheiden gar nicht entschieden hatte. Der Verfügungssatz des Bescheides enthält zwar (auch) die Aussage, dass Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht zu erbringen seien. Dieser Verfügungssatz mag insofern für sich genommen, missverständlich sein. Bei der Auslegung von Verwaltungsakten ist in Anwendung der für Willenserklärungen maßgeblichen Grundsätze (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches) vom objektiven Sinngehalt ihrer Erklärungen auszugehen, wie sie der Empfänger bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalls objektiv verstehen musste, wobei der der Bestandskraft (Bindungswirkung) zugängliche Verfügungssatz zu Grunde zu legen und zur Klärung seines Umfangs die Begründung des Bescheides zu berücksichtigen ist (BSG, Urteil vom 16.11.2005, B 2 U 28/04 R). Die in Rede stehenden Leistungen sind im Verwaltungsverfahren vom Kläger weder beantragt noch von der Beklagten konkret und für den Empfänger der Bescheide erkennbar geprüft worden und sie sind in den Bescheiden auch nicht erwähnt worden. Bei dieser Sachlage konnte für einen verständigen Empfänger des Bescheids kein Zweifel bestehen, dass die Beklagte allein über das Vorliegen einer BK entscheiden wollte und etwaige Leistungsansprüche nicht in Erwägung zog (so in einem vergleichbaren Fall auch BSG, Urteil vom 16.11.2005, B 2 U 28/04 R). Indessen bedarf all dies keiner weiteren Erörterung. Denn der Senat teilt die Ansicht des Sozialgerichts über das Vorliegen einer BK 1301 nicht.
BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte in Folge einer den Versicherungsschutz nach den § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB VII). Hierzu zählen nach Nr. 1301 der Anlage 1 zur BKV Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege durch aromatische Amine.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Die medizinischen Voraussetzungen einer BK 1301 sind erfüllt. Der Kläger leidet an einer Erkrankung im Sinne der BK 1301, denn bei ihm wurde im März 2005 ein Harnblasenkarzinom diagnostiziert, das im April 2005 operativ entfernt wurde (Befundbericht des Urologen Dr. H. und histologischer Befund des Pathologen Sa.). Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht umstritten.
Eine Exposition gegenüber aromatischen Aminen als Voraussetzung für die hier streitige BK 1301 kann allerdings nur für den Zeitraum von 1960 bis 1963 angenommen werden. In diesem Zeitraum führte der Kläger ca. zwei bis dreimal im Monat Arbeiten mit Carbolineum durch, bei denen er das Carbolineum mit einem Pinsel oder Quast auf Holzverkleidungen auftrug. Carbolineum ist - so die Ausführungen des Präventionsdienstes der Beklagten, Frau Z. - ein anthracenölhaltiges Holzschutzmittel, wobei im Anthracenöl 700 mg/kg 2-Naphtylamin enthalten waren. Bei dem Stoff 2-Naphtylamin handelt es sich um ein aromatisches Amin, das - so die Stellungnahme des Präventionsdienstes der Beklagten und das vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung zu dieser BK herausgegebene Merkblatt - als krebserzeugend Kategorie 1 eingestuft ist. Beim Handauftrag von Carbolineum - wie im Fall des Klägers - ist, wie sowohl der Präventionsdienst der Beklagten, Frau Z. als auch Prof. Dr. Tr. dargelegt haben, die Aufnahme über die Atemwege zu vernachlässigen, da 2-Naphtylamin unter diesen Arbeitsbedingungen nicht verdampft. Somit kommt im Falle des Klägers die Aufnahme von 2-Naphtylamin nur über die Haut durch Verschmutzung der Hände bei den von dem Kläger durchgeführten Arbeiten in Betracht. Allerdings kann insoweit bereits nicht festgestellt werden, inwieweit es im Falle des Klägers tatsächlich zu einer Aufnahme über die Haut kam, da Umfang und Ausmaß eines Hautkontakts des Klägers mit Carbolineum nicht mehr feststellbar sind. Zudem fehlen - so Prof. Dr. Tr. - wissenschaftliche Daten zur Hautresorption unter den Expositionsbedingungen des Klägers, sodass eine Aussage zum Ausmaß der Gefährdung in dem relativ kurzen Einwirkungszeitraum von 1960 bis 1963 nicht möglich ist. Weitere Ermittlungen zu den konkreten Bedingungen am Arbeitsplatz des Klägers sind dem Senat ebenfalls nicht möglich, da die Firma W., bei der der Kläger in diesem Zeitraum tätig war, nach seinen eigenen Angaben gegenüber dem Präventionsdienst der Beklagten, Herr Kn., lang erloschen ist und dem Kläger Zeugen nicht mehr bekannt sind.
Ein über den Zeitraum von 1960 bis 1963 hinausgehender beruflicher Kontakt zu aromatischen Aminen ist nicht nachgewiesen. Soweit der Kläger diesbezüglich gegenüber dem im erstinstanzlichen Verfahren gehörten Sachverständigen PD Dr. Sc. auch bei seiner Tätigkeit bei der Firma G. von 1963 bis 1966 eine Verwendung von Carbolineum zur Grundierung von Holz angegeben hat, vermögen diese Angaben auf Grund der Widersprüchlichkeit zu den Erstangaben des Klägers - die allerdings entgegen der Ansicht der Beklagten nicht grundsätzlich höheren Beweiswert haben (BSG, Urteil vom 11.11.2003, B 2 U 41/02 R in SozR 4-2700 § 4 Nr. 1) - gegenüber dem Präventionsdienst der Beklagten, Herr Kn., nicht zu überzeugen. Denn gegenüber dem Präventionsdienst der Beklagten gab der Kläger bei seiner erstmaligen Befragung im August 2005 an, während der Tätigkeit bei der Firma G. sei das Bauholz bereits holzschutzbehandelt angeliefert worden, gelegentlich habe er allerdings Holzverschalungen mit Xylamon und Xyladecor streichen müssen. Hingegen könne er sich an einem Umgang mit sonstigen Gefahrstoffen, insbesondere teerhaltigen Produkten, nicht erinnern. Soweit das Sozialgericht insoweit von einem Missverständnis ausgegangen ist, ist dies nicht nachvollziehbar. Denn einen Umgang mit Carbolineum hat der Kläger gegenüber dem Präventionsdienst der Beklagten, Herr Kn., ausdrücklich für den vorherigen Zeitraum von 1960 bis 1963 angegeben. Auch für den Zeitraum von Juni 1963 bis Februar 1966 wurde der Kläger, wie sich aus dem Protokoll des Präventionsdienstes ergibt, ausdrücklich zu den während dieser Zeit verwendeten Produkten befragt. Insoweit hat er nur eine Verwendung von Xylamon und Xyladecor angegeben und darüber hinaus ausgesagt, sich an einen Kontakt zu teerhaltigen Produkten - bei Carbolineum handelt es sich um ein solches teerhaltiges Produkt - nicht mehr erinnern zu können. Ein Missverständnis ist insoweit auszuschließen. Damit sind die späteren Angaben des Klägers, auch in der Zeit von 1963 bis 1966 Carbolineum verwendet zu haben, nicht überzeugend und somit nicht als Nachweis für einen Kontakt zu aromatischen Aminen geeignet. Weitere Ermittlungen sind dem Senat auch insoweit nicht möglich, da nach den Angaben des Klägers gegenüber dem Präventionsdienst der Beklagten, Herr Kn., auch die Firma G. lang erloschen ist und dem Kläger auch keine Zeugen mehr bekannt sind.
Auch sonstige Hinweise dafür, dass der Kläger außer bei dem Gebrauch von Carbolineum in der Zeit von 1960 bis 1963 beruflichen Kontakt zu aromatischen Aminen hatte, sind nicht ersicht¬lich. Soweit der Kläger für die Zeit der Tätigkeit bei der Firma G. von 1963 bis 1966 eine Verwendung von Xylamon und Xyladecor zum Streichen von Holzverschalungen angegeben hat, hat der Präventionsdienst der Beklagten, Frau Z., überzeugend dargelegt, dass eine Exposition gegenüber aromatischen Aminen bei der Verarbeitung von Xylamon und Xyladecor nicht gegeben war, weil diese Produkte zu den lösemittelhaltigen Holzschutzmitteln zählen und im genannten Zeitraum neben Lösemittel PCP und Lindan als Wirkstoffe enthielten. Diese Stoffe zählen allerdings nicht zu den für die Feststellung einer BK 1301 erforderlichen aromatischen Aminen (vgl. die Stellungnahme von Frau Z. und Dr. Tr. in seinem für die Beklagte erstatteten Gutachten). Soweit der Kläger insbesondere seine Tätigkeit in der Firma Hoffmann - La Roche von März 1966 bis Februar 1977 als ursächlich für die Harnblasenerkrankung erachtet, ist während dieser Tätigkeit ein Kontakt zu aromatischen Aminen ebenfalls nicht nachgewiesen. In diesem Zeitraum war die Haupttätigkeit des Klägers das Verlegen von Rauhspundböden, die er anschließend verspachtelte und mit säurefesten Speziallacken (2-Komponentenlacke) strich; an einem Umgang mit teerhaltigen Produkten (Teeröl bzw. Steinkohleteerpech) konnte sich der Kläger hingegen nicht erinnern. Dass in den von dem Kläger verarbeiteten 2 Komponentenlacken und Spachtelmassen aromatische Amine enthalten gewesen wären, ist nicht nachgewiesen. Der Präventionsdienst der Beklagten, Frau Z., hat insoweit dargelegt, dass eine Ge¬fährdung im Sinne der streitigen BK 1301 zu verneinen ist, da seit Anfang der 1960er Jahre die Produktion von Farbstoffen für den Malerbereich auf der Basis krebserzeugender aromatischer Amine eingestellt wurde. Im Übrigen ist die Aufklärung der einzelnen Inhaltsstoffe der von dem Kläger verwendeten Produkte nicht mehr möglich. Diese Produkte wurden nach den Aussagen des Klägers von der Firma H. - L. R. geliefert. Die Nachfrage der Beklagten bei der Rechtsnachfolgerin der Firma H. - L. R., DSM Nutritional Products, hat keinerlei Hinweise für die Inhaltsstoffe dieser Produkte ergeben, da diesbezüglich keine Unterlagen mehr existieren und auch die Befragung von firmeneigenen Mitarbeitern, die sich im Ruhestand befanden, zu keinen weiteren Erkenntnissen führte. Dies geht nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers. Für den Zeitraum ab 1977 hat der Kläger selbst angegeben, keinen direkten Umgang mit Holzschutzmitteln, Lacken oder teerhaltigen Produkten gehabt zu haben, sodass auch insoweit ein weiterer Kontakt zu aromatischen Aminen ausscheidet.
Fest steht damit, dass im Falle des Klägers allenfalls für die Zeit von 1960 bis 1963 eine gelegentliche Exposition gegen aromatische Amine in Form der Verwendung von Carbolineum etwa zwei bis dreimal im Monat bestand, wobei sich die Aufnahme des insoweit allein in Frage kommenden 2-Naphtylamins über die Haut nicht näher quantifizieren lässt. Auch wenn die hier streitige BK 1301 keine Mindestdosis einer Gefahrstoffeinwirkung voraussetzt, kann allein aus der dargelegten beruflichen Exposition des Kläger gegenüber aromatischen Aminen nicht auf das Vorliegen der streitigen BK geschlossen werden.
Vielmehr ist Voraussetzung für die Anerkennung einer Erkrankung als BK, dass die vorliegende Erkrankung konkret-individuell durch die entsprechende Einwirkung des Listenstoffs - hier in Form von aromatischen Aminen - wesentlich verursacht bzw. verschlimmert worden ist und diese Einwirkungen wesentlich durch die versicherte Tätigkeit verursacht worden sind.
Für den Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkungen und Erkrankungen im Berufskrankheitenrecht gilt, wie auch sonst in der gesetzlichen Unfallversicherung, die Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Die Theorie der wesentlichen Bedingung hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie, nach der Ursache eines Erfolges jedes Ereignis ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Als rechtserheblich werden im Sozialrecht aber nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben). Gesichtspunkte für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursache sind insbesondere die versicherte Ursache bzw. das Ereignis als solches, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, konkurrierende Ursachen unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens und Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, den Befunden und Diagnosen der erstbehandelnden Ärzte sowie der gesamten Krankengeschichte. Trotz dieser Ausrichtung am individuellen Versicherten ist der Beurteilung des Ursachenzusammenhangs im Einzelfall der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand über die Ursachenzusammenhänge zwischen Ereignissen und Gesundheitsschäden zugrunde zu legen. Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang nach der Theorie der wesentlichen Bedingung positiv festgestellt werden muss und hierfür hinreichende Wahrscheinlichkeit genügt, nicht jedoch die bloße Möglichkeit.
Abweichend von einem Arbeitsunfall mit seinem zeitlich begrenzten Ereignis, das oftmals relativ eindeutig die allein wesentliche Ursache für einen als Unfallfolge geltend gemachten Gesundheitsschaden ist, ist die Beurteilung des Ursachenzusammenhangs bei BKen in der Regel schwieriger. Denn angesichts der multifaktoriellen Entstehung vieler Erkrankungen, der Länge der zu berücksichtigenden Zeiträume und des Fehlens eines typischerweise durch berufliche Einwirkungen verursachten Krankheitsbildes bei vielen BKen, stellt sich letztlich oft nur die Frage nach einer wesentlichen Mitverursachung der Erkrankung durch die versicherten Einwirkungen (BSG, Urteil vom 27.06.2006, B 2 U 7/05 R).
Vorliegend hat Prof. Dr. Tr. überzeugend dargelegt, dass eine berufliche Verursachung der Harnblasenerkrankung des Klägers zwar möglich, aber nicht hinreichend wahrscheinlich ist.
Das Harnblasenkarzinom ist - so Prof. Dr. Tr. - ein relativ häufiger Tumor des Mannes, wobei die Neuerkrankungsrate ab dem 5. Lebensjahrzehnt deutlich ansteigt und es sich somit um einen typischen Alterskrebs handelt. Der Kläger war zum Zeitpunkt der Diagnose der Erkrankung 59 Jahre alt, sodass, wie Prof. Dr. Tr. dargelegt hat, eine zeitliche Vorverlegung der Krankheitsmanifestation, die auf eine besondere individuelle Disposition und/oder eine außergewöhnliche exogene Belastung hinweisen würde, nicht anzunehmen ist.
Der Umgang mit Carbolineum stellt zwar - so Prof. Dr. Tr. - ein potentielles BK-Risiko dar. Allerdings hat Prof. Dr. Tr. insoweit zutreffend dargelegt, dass nur von einer kurzen Expositionsdauer (von Mai 1960 bis Mai 1963) auszugehen ist und zudem eine quantitative Abschätzung wegen fehlender Expositionsdaten nicht möglich ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Gutachten des PD Dr. Sc ... Denn auch dieser hat ausgeführt, dass eine "berufliche Dosisabschätzung" nicht möglich ist. Damit ist aber der von ihm gezogene Schluss, dass bei (angenommenen) fehlenden konkurrierenden Faktoren ("Nie-Raucher") vom Vorliegen der arbeitsmedizinischen Voraussetzungen zur Anerkennung einer BK 1301 auszugehend ist, nicht zulässig. Im Grunde schließt PD Dr. Sc. mit dieser Argumentation allein auf Grund der beruflichen Exposition und dem Ausschluss anderer Ursachen auf die Verursachung. Indessen muss der Ursachenzusammenhang zwischen Unfallereignis und Unfallfolgen positiv festgestellt werden (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Insbesondere gibt es keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache und einem rein zeitlichen Zusammenhang die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (BSG, a.a.O.). Dies gilt auch und gerade im Berufskrankheitenrecht, wo angesichts der multifaktoriellen Entstehung vieler Erkrankungen, der Länge der zu berücksichtigenden Zeiträume und des Fehlens eines typischerweise durch berufliche Einwirkungen verursachten Krankheitsbildes bei vielen Berufskrankheiten sich letztlich oft nur die Frage nach einer wesentlichen Mitverursachung der Erkrankung durch die versicherten Einwirkungen stellt. Aber auch hier gilt, dass es keinen Automatismus zur Bejahung des Ursachenzusammenhangs alleine auf Grund des Vorliegens entsprechender Einwirkungen und einer von der BK erfassten bzw. generell durch solche Einwirkungen hervorrufbaren Erkrankung gibt (BSG, Urteil vom 27.06.2006, B 2 U 7/05 R). Die somit verlangte positive Begründung des Ursachenzusammenhangs für den Fall, dass der Kläger - hierzu noch nachfolgend - nie geraucht habe, bietet auch PD Dr. Sc. nicht. Darüber hinaus vernachlässigt der Sachverständige, dass die Harnblasenerkrankung bei dem Kläger in einem typischen Alter, in dem auch nicht beruflich exponierte Personen an einer Harnblasenkrebserkrankung erkranken, aufgetreten ist. Zudem hat Prof. Dr. Tr. darauf hingewiesen, dass nach neueren Forschungsergebnissen auch die Aufnahme von aromatischen Aminen mit der Nahrung einen signifikanten Anteil für die Krebserkrankung in der Allgemeinbevölkerung darstellt, sodass bereits damit konkurrierende, außerberufliche Faktoren, in Betracht zu ziehen sind. Auch dies lässt PD Dr. Sc. außer Betracht.
Soweit das Sozialgericht zu dem von Prof. Dr. Tr. zur Beurteilung der beruflichen Gefährdung gezogenen Vergleich mit der Berufsgruppe der Maler unter Hinweis auf einen Beitrag von Golka/Bolt (Zur früheren Exposition von Malern gegenüber Azofarbmitteln in Arbeitsphysiologie heute, Band 4, 2002, S. 81ff) ausgeführt hat, nach der dort genannten Studie habe sich entgegen Prof. Dr. Tr. ein nicht unerheblich erhöhtes Risiko für Maler gezeigt, ist auch dies nicht geeignet, einen Ursachenzusammenhang für den Fall des Klägers positiv zu begründen. Denn einerseits weisen Golka/Bilt darauf hin, dass es sich bei der Exposition von Malern insbesondere gegenüber aromatischen Aminen in Form von Azofarbmitteln um ein Problem "alter Expositionen" (bis spätestens Ende der 1950er Jahre) und damit in einem den Kläger nicht betreffenden Expositionszeitraum handelt. Andererseits wird darin auf ein erhöhtes Erkrankungsrisiko nur für langjährig in ihrem Beruf tätige Maler hingewiesen. An einer derartigen langjährigen gefährdenden Tätigkeit fehlt es aber - wie bereits dargelegt - im Fall des Klägers.
Des weiteren ist nach Überzeugung des Senats eine außerberufliche Belastung des Klägers durch Inhalationsrauchen zu berücksichtigen. Wie Prof. Dr. Tr. und PD. Dr. Sc. dargelegt haben, gilt in der Wissenschaft als gesichert, dass langjähriges Inhalationsrauchen mit einem erhöhten Risiko einer Harnblasenkrebserkrankung assoziiert ist. Dabei ist, so PD Dr. Sc., gerade auch in Zigaretten 2-Naphtylamin enthalten, welches beim Rauchen inhalativ aufgenommen wird.
Zu einem Nikotinkonsum des Klägers hat Prof. Dr. Tr. zu Recht darauf hingewiesen, dass der Kläger nach den Aufzeichnungen aus Anlass der arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchung im Jahr 1986 zum damaligen Zeitpunkt angab, seit 10 Jahren nicht mehr zu rauchen und zuvor über 15 Jahre rund 25 Zigaretten pro Tag geraucht zu haben. Soweit das Sozialgericht insoweit ausgeführt hat, auch bei Unterstellung dieser Angaben als richtig könne von einer Risikoerhöhung durch den Nikotinkonsum nicht mehr ausgegangen werden, vermag dem der Senat nicht zu folgen. Das Sozialgericht ist insoweit von einem Nikotinkonsum bis Mitte der 60er Jahre ausgegangen. Dies ist unter Zugrundelegung der Angaben in den arbeitsmedizinischen Unterlagen aus dem Jahr 1986 allerdings fehlerhaft, da ausgehend von einem im Jahr 1986 seit 10 Jahren eingestellten Nikotinkonsum von einem Inhalationsrauchen bis Mitte der 1970er Jahre auszugehen ist. Insoweit kann auch unter Berücksichtigung der vom Sozialgericht herangezogenen Literatur (Dissertation von Seidel, Risikofaktoren von Harnblasenkarzinompatienten aus einer Industrieregion in Sachsen-Anhalt) nicht von einem Erkrankungsrisiko des Klägers entsprechend einem Nichtraucher ausgegangen werden. So wird in der Dissertation von Seidel zwar ausgeführt, dass nach einer Studie von Clavel et al. (1989) in der dort untersuchten Gruppe nach Beendigung des Rauchens das Risiko, an Harnblasenkrebs zu erkranken, nach 15 bis 20 Jahren nahezu dem Erkrankungsrisiko eines Nichtrauchers entsprochen habe. Weiter führt Seidel allerdings aus, dass nach einer Studie von Brennan et al. (2000) das Risiko, an Harnblasenkrebs zu erkranken auch nach 25 Jahren Rauchabstinenz immer noch höher gewesen sei, als von denjenigen Personen, die niemals geraucht hatten. Im Übrigen erscheint es nicht nachvollziehbar, eine berufliche Exposition gegenüber 2-Naphtyamin hinsichtlich der Risikoerhöhung anders zu beurteilen, als eine dem privaten Bereich zuzuordnende Exposition gegenüber dem gleichen Stoff.
Die Angaben des Klägers (insbesondere gegenüber Dr. F.), er habe nie geraucht, sind widerlegt. Dies ergibt sich nicht allein aus der oben dargelegten Dokumentation über die arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung im Jahr 1986, sondern auch aus der im Berufungsverfahren eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage des behandelnden Hausarztes Dr. Re., wonach der Kläger bei der Erstanamnese im Oktober 1981 noch einen Nikotinkonsum von bis zu sieben Zigaretten täglich angegeben hatte. Auf Nachfrage hat der Kläger im Berufungsverfahren einen jedenfalls gelegentlichen Nikotinkonsum eingeräumt. Damit steht fest, dass seine Angaben gegenüber Dr. F. unrichtig waren, was wiederum Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Klägers insgesamt - und damit auch hinsichtlich eines nur gelegentlichen Nikotinkonsums - begründet. Vor dem Hintergrund der schriftlichen Aufzeichnungen über die amtsärztliche Untersuchung im Jahr 1986 und der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage des Dr. Re. ist somit eine außerberufliche Belastung des Klägers durch regelmäßiges Inhalationsrauchen nachgewiesen.
Damit lässt sich auch unter Zugrundelegung des im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Gutachtens von PD Dr. Sc. die Wahrscheinlichkeit der Verursachung der Harnblasenerkrankung des Klägers durch die beruflichen Einwirkungen am Arbeitsplatz nicht begründen. Dies geht wie bereits dargelegt - nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers. Auf die Berufung der Beklagten ist somit das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1301 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BK 1301) streitig.
Der am1945 geborene Kläger absolvierte von Mai 1960 bis Mai 1963 eine Zimmererlehre bei der Firma J. W ... Das dort zu verarbeitende Bauholz wurde bereits holzschutzbehandelt angeliefert. Der Kläger musste allerdings die Holzverkleidungen auf Bauernhöfen und von Scheunen mit Carbolineum (Inhaltsstoff Teeröl) streichen. Derartige Tätigkeiten kamen ca. zwei bis dreimal monatlich vor. Weiterhin wurden Holzanstriche mit Xylamon ausgeführt. Von Juni 1963 bis Februar 1966 arbeitete der Kläger in der Firma G. als Zimmerer. Auch dort wurde das Bauholz bereits holzschutzbehandelt angeliefert. Der Kläger musste gelegentlich Holzverschalungen mit Xylamon und Xyladecor streichen. Vom 10.03.1966 bis 02.11.1973 arbeitete der Kläger wiederum bei der Firma Johannes W. als Zimmerer und in dieser Zeit fast ausschließlich im Pharmabetrieb H. - L. R., L ... Dabei verlegte er Rauhspundböden, die er anschließend verspachtelte und mit säurefesten Speziallacken (2-Komponentenlacke) strich. Vom 12.11.1973 bis 28.02.1977 arbeitete er bei der Firma Z., K., wiederum bei Aufträgen in der Firma H. - L. R., wobei die gleichen Arbeiten wie bei der vorherigen Tätigkeit bei der Firma W. auszuführen waren. Vom 01.03.1977 bis 04.04.1994 arbeitete der Kläger in den Zimmereien S., W., Wi., H. und der Firma We. A ... Bei diesen Tätigkeiten hatte er keinen direkten Umgang mit Holzschutzmitteln, Lacken oder teerhaltigen Produkten. Vom 15.04.1997 bis 31.03.2005 war er als selbständiger Zimmermann tätig und führte kleinere Zimmererarbeiten an Neubauten sowie Ausbauarbeiten an bestehenden Gebäuden aus; mit Holzschutzmitteln, Farben, Lacken oder teerhaltigen Produkten hatte er keinen direkten Umgang. Seit August 2005 bezieht der Kläger von der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg Altersrente.
Im März 2005 wurde bei dem Kläger ein Harnblasentumor diagnostiziert, der am 19.04.2005 operativ entfernt wurde (Befundberichte des Urologen Dr. H. vom März und April 2005). Die histologische Untersuchung ergab ein gut differenziertes papilläres Urothelkarzinom G1 pTa (Bericht des Pathologen Sa., Offenburg).
Am 05.08.2005 erstattete Dr. H. deswegen eine Anzeige über eine BK, die er auf Tätigkeiten mit Nitroverbindungen/Lösungsmitteln zurückführte. In der von der Beklagten eingeholten Stellungnahme des Präventionsdienstes führte der Technische Aufsichtsbeamte Kn. nach persönlicher Befragung des Klägers zu dessen beruflichen Tätigkeiten und Einholung einer Stellungnahme des Gefahrstoffreferats der Beklagten, Frau Z., aus, eine Belastung im Sinne einer BK 1301 sei höchstwahrscheinlich nur beim Umgang mit Carbolineum bei der Aufnahme über die Haut in den Jahren 1960 bis 1963 gegeben gewesen. Zur Klärung des Zusammenhangs zwischen der beruflichen Tätigkeit des Klägers und dem Harnblasenkarzinom veranlasste die Beklagte ein Gutachten durch Prof. Dr. Tr., Direktor des Instituts und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin des Universitätsklinikums H., nach persönlicher Erhebung der Anamnese durch den Beratungsarzt der Beklagten, Dr. F ... Bei dieser Befragung gab der Kläger u.a. an, er sei lebenslanger "Nie-Raucher". Demgegenüber ist in dem von der Beklagten u. a. beigezogenen Bericht des Arbeitsmedizinischen Dienstes über eine Untersuchung des Klägers im Jahr 1986 ein zum damaligen Zeitpunkt seit 10 Jahren eingestellter Nikotinkonsum von insgesamt 15 Jahren und 25 Zigaretten täglich festgehalten.
Prof. Dr. Tr. führte aus, eine Exposition gegenüber aromatischen Aminen sei durch den Umgang mit Carbolineum in dem relativ kurzen Zeitraum von 1960 bis 1963 möglich. Aus den anderen Tätigkeiten des Klägers lasse sich eine Gefährdung nicht ableiten. Ob beim Verstreichen von Carbolineum eine Aufnahme von 2-Naphtylamin erfolgte, sei nicht bekannt, eine quantitative Abschätzung sei wegen fehlender Expositionsdaten nicht möglich. Ziehe man vergleichsweise die Berufsgruppe der Maler heran, ließen sich die Ergebnisse der zahlreichen epidemiologischen Untersuchungen dahingehend interpretieren, dass kein bzw. ein nur leicht erhöhtes Erkrankungsrisiko für Harnblasenkrebs bestehe. Gegen die Annahme einer BK-Gefährdung des Klägers spreche außerdem die relativ kurze Expositionsdauer. Eine zeitliche Vorverlegung der Krankheitsmanifestation, die auf eine außergewöhnliche exogene Belastung hinweisen würde, sei bei dem Erkrankungsalter des Klägers (59 Jahre) nicht anzunehmen. Nach gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen wiesen Raucher im Vergleich zu Nichtrauchern ein erhöhtes Risiko auf, an Harnblasenkarzinomen zu erkranken, wobei auf Grund der unterschiedlichen Angaben des Klägers eine Beurteilung insoweit nicht sicher möglich sei. Insgesamt sei ein Ursachenzusammenhang zwischen der früheren Tätigkeit des Klägers und der Harnblasenkrebserkrankung möglich, aber nicht hinreichend wahrscheinlich zu machen.
Nach Einholung einer gewerbeärztlichen Stellungnahme der Ärztin für Arbeitsmedizin Gr. (Zustimmung zum Gutachten des Prof. Dr. Tr.) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.04.2006 und Widerspruchsbescheid vom 23.06.2006 die Feststellung einer BK 1301 ab.
Hiergegen hat der Kläger am 06.07.2006 Klage zum Sozialgericht Freiburg erhoben und geltend gemacht, das Harnblasenkarzinom sei auf seine Tätigkeit von 1969 bis 1976 in der Firma H. - L. R. zurückzuführen. Das Sozialgericht hat ein Gutachten von PD Dr. Sc., Arzt für Arbeitsmedizin und Innere Medizin, Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin am Universitätsklinikum G. eingeholt. Bei der dortigen Befragung gab der Kläger einen Gebrauch von Carbolineum nicht nur während seiner Ausbildung (ca. 16 bis 24 Stunden pro Monat), sondern auch in den Jahren von 1963 bis 1966 (ca. 40 Stunden pro Monat) an; er habe nie regelmäßig geraucht. PD Dr. Sc. hat ausgeführt, für den Fall, dass der Kläger nie geraucht habe, seien die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK 1301 mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gegeben. Für den Fall, dass der Kläger entsprechend der Angaben bei der Untersuchung durch den Arbeitsmedizinischen Dienst über 15 Jahre 25 Zigaretten täglich geraucht habe, könne die Zusammenhangsfrage nur mit "non liquet" beurteilt werden, da eine Quantifizierung der Gefahrstoffeinwirkung am Arbeitsplatz nicht mehr ermittelbar sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 12.03.2007 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, die Harnblasenerkrankung des Klägers als BK 1301 anzuerkennen und dem Kläger deswegen die gesetzlichen Entschädigungsleistungen zu gewähren, insbesondere eine Rente nach einer MdE um 50 v. H. ab 11.04.2005. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, die arbeitstechnischen Voraussetzungen sei als gegeben anzusehen, auch wenn das quantitative Ausmaß der berufsbedingten Exposition gegenüber aromatischen Aminen nicht mit letzter Sicherheit feststellbar sei. Dabei sei von einem Gebrauch von Carbolineum in der Zeit von Mai 1960 bis Februar 1966 mehrmals im Monat auszugehen. Für einen Ursachenzusammenhang spreche weiter, dass konkurrierende berufsunabhängige Ursachen nicht nachgewiesen seien. Dies gelte unabhängig von der Frage eines Nikotinkonsums. Selbst wenn entsprechend der arbeitsmedizinischen Unterlagen aus dem Jahr 1986 ein solcher bis Mitte der 60er Jahre als zutreffend unterstellt werde, sei bis zum Zeitpunkt des Auftretens des Harnblasenkarzinoms nicht mehr von einer Risikoerhöhung durch den Nikotinkonsum auszugehen.
Gegen den am 19.03.2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 22.03.2007 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, eine für die Verursachung einer Blasenkrebserkrankung ausreichende berufliche Exposition gegenüber aromatischen Aminen sei nicht mit dem erforderlichen Vollbeweis gesichert. Soweit der Kläger im Verlauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben gemacht habe, sei den Erstangaben grundsätzlich größeres Gewicht beizumessen. Nicht haltbar sei auch der vom Sozialgericht lediglich bis Mitte der 60er Jahre unterstellte Rauchkonsum. Auch habe das Sozialgericht nicht geklärt, ob der Kläger eventuell in der häuslichen Umgebung und/oder im Rahmen seines Freizeitverhaltens als Passivraucher belastet gewesen sei und anderweitige außerberufliche Belastungen in die Kausalitätsbeurteilung nicht einbezogen.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 12.03.2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend und hat auf Anfrage des Senats angegeben, er sei nie Raucher gewesen, habe aber gelegentlich eine Zigarette von einem Arbeitskollegen angenommen (maximal sieben Zigaretten pro Woche).
Der Senat hat die behandelnden Ärzte, u. a. den Internisten Dr. Re., schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Dr. Re. hat angegeben, der Kläger habe nach seinen Krankenunterlagen beim Erstkontakt im Oktober 1981 einen Konsum von bis zu sieben Zigaretten täglich angegeben.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet. Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, die Harnblasenerkrankung des Klägers als BK 1301 anzuerkennen und ihm deswegen Entschädigungsleistungen zu gewähren.
Nachdem die Beklagte jedwede Entschädigung mit der Begründung ablehnt, es sei kein Versicherungsfall, hier keine BK (§ 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch SGB VII), eingetreten, ist sachdienliche Klageart vorliegend neben der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG mit dem Ziel der Aufhebung der ablehnenden - und auch einer zukünftigen Leistungsgewährung entgegenstehenden - Bescheide die auf gerichtliche Feststellung einer BK gerichtete Feststellungsklage gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Eine solche Feststellungsklage hat der Kläger bei sinnentsprechender Auslegung (§ 123 SGG) seines Vorbringens (vgl. BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 45/03 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 2) auch erhoben. Eine Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG hat er somit nicht erheben wollen, weil es ihm gerade um die gerichtliche Feststellung der Unfallfolgen geht (vgl. zu der insoweit gleichgelagerten Konstellation der Verneinung einer BK BSG, Urteil vom 02.04.2009, B 2 U 30/07 R). Dem entsprechend hätte das Sozialgericht die Beklagte auch nicht zur Anerkennung der streitigen BK verurteilen, sondern - seine Sicht der materiellen Rechtslage zu Grunde gelegt - das Vorliegen einer solchen BK selbst feststellen müssen. Soweit das Sozialgericht die Beklagte zur Gewährung von Entschädigungsleistungen, insbesondere einer Verletztenrente verurteilt hat, ist es insoweit zum einen unter Verstoß gegen § 123 SGG über das im Zeitpunkt des Erlasses des Gerichtsbescheides feststellbare klägerische Begehren hinausgegangen und hat zum anderen übersehen, dass die Beklagte über einen Anspruch auf Verletztenrente in den angefochtenen Bescheiden gar nicht entschieden hatte. Der Verfügungssatz des Bescheides enthält zwar (auch) die Aussage, dass Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht zu erbringen seien. Dieser Verfügungssatz mag insofern für sich genommen, missverständlich sein. Bei der Auslegung von Verwaltungsakten ist in Anwendung der für Willenserklärungen maßgeblichen Grundsätze (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches) vom objektiven Sinngehalt ihrer Erklärungen auszugehen, wie sie der Empfänger bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalls objektiv verstehen musste, wobei der der Bestandskraft (Bindungswirkung) zugängliche Verfügungssatz zu Grunde zu legen und zur Klärung seines Umfangs die Begründung des Bescheides zu berücksichtigen ist (BSG, Urteil vom 16.11.2005, B 2 U 28/04 R). Die in Rede stehenden Leistungen sind im Verwaltungsverfahren vom Kläger weder beantragt noch von der Beklagten konkret und für den Empfänger der Bescheide erkennbar geprüft worden und sie sind in den Bescheiden auch nicht erwähnt worden. Bei dieser Sachlage konnte für einen verständigen Empfänger des Bescheids kein Zweifel bestehen, dass die Beklagte allein über das Vorliegen einer BK entscheiden wollte und etwaige Leistungsansprüche nicht in Erwägung zog (so in einem vergleichbaren Fall auch BSG, Urteil vom 16.11.2005, B 2 U 28/04 R). Indessen bedarf all dies keiner weiteren Erörterung. Denn der Senat teilt die Ansicht des Sozialgerichts über das Vorliegen einer BK 1301 nicht.
BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte in Folge einer den Versicherungsschutz nach den § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB VII). Hierzu zählen nach Nr. 1301 der Anlage 1 zur BKV Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege durch aromatische Amine.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Die medizinischen Voraussetzungen einer BK 1301 sind erfüllt. Der Kläger leidet an einer Erkrankung im Sinne der BK 1301, denn bei ihm wurde im März 2005 ein Harnblasenkarzinom diagnostiziert, das im April 2005 operativ entfernt wurde (Befundbericht des Urologen Dr. H. und histologischer Befund des Pathologen Sa.). Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht umstritten.
Eine Exposition gegenüber aromatischen Aminen als Voraussetzung für die hier streitige BK 1301 kann allerdings nur für den Zeitraum von 1960 bis 1963 angenommen werden. In diesem Zeitraum führte der Kläger ca. zwei bis dreimal im Monat Arbeiten mit Carbolineum durch, bei denen er das Carbolineum mit einem Pinsel oder Quast auf Holzverkleidungen auftrug. Carbolineum ist - so die Ausführungen des Präventionsdienstes der Beklagten, Frau Z. - ein anthracenölhaltiges Holzschutzmittel, wobei im Anthracenöl 700 mg/kg 2-Naphtylamin enthalten waren. Bei dem Stoff 2-Naphtylamin handelt es sich um ein aromatisches Amin, das - so die Stellungnahme des Präventionsdienstes der Beklagten und das vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung zu dieser BK herausgegebene Merkblatt - als krebserzeugend Kategorie 1 eingestuft ist. Beim Handauftrag von Carbolineum - wie im Fall des Klägers - ist, wie sowohl der Präventionsdienst der Beklagten, Frau Z. als auch Prof. Dr. Tr. dargelegt haben, die Aufnahme über die Atemwege zu vernachlässigen, da 2-Naphtylamin unter diesen Arbeitsbedingungen nicht verdampft. Somit kommt im Falle des Klägers die Aufnahme von 2-Naphtylamin nur über die Haut durch Verschmutzung der Hände bei den von dem Kläger durchgeführten Arbeiten in Betracht. Allerdings kann insoweit bereits nicht festgestellt werden, inwieweit es im Falle des Klägers tatsächlich zu einer Aufnahme über die Haut kam, da Umfang und Ausmaß eines Hautkontakts des Klägers mit Carbolineum nicht mehr feststellbar sind. Zudem fehlen - so Prof. Dr. Tr. - wissenschaftliche Daten zur Hautresorption unter den Expositionsbedingungen des Klägers, sodass eine Aussage zum Ausmaß der Gefährdung in dem relativ kurzen Einwirkungszeitraum von 1960 bis 1963 nicht möglich ist. Weitere Ermittlungen zu den konkreten Bedingungen am Arbeitsplatz des Klägers sind dem Senat ebenfalls nicht möglich, da die Firma W., bei der der Kläger in diesem Zeitraum tätig war, nach seinen eigenen Angaben gegenüber dem Präventionsdienst der Beklagten, Herr Kn., lang erloschen ist und dem Kläger Zeugen nicht mehr bekannt sind.
Ein über den Zeitraum von 1960 bis 1963 hinausgehender beruflicher Kontakt zu aromatischen Aminen ist nicht nachgewiesen. Soweit der Kläger diesbezüglich gegenüber dem im erstinstanzlichen Verfahren gehörten Sachverständigen PD Dr. Sc. auch bei seiner Tätigkeit bei der Firma G. von 1963 bis 1966 eine Verwendung von Carbolineum zur Grundierung von Holz angegeben hat, vermögen diese Angaben auf Grund der Widersprüchlichkeit zu den Erstangaben des Klägers - die allerdings entgegen der Ansicht der Beklagten nicht grundsätzlich höheren Beweiswert haben (BSG, Urteil vom 11.11.2003, B 2 U 41/02 R in SozR 4-2700 § 4 Nr. 1) - gegenüber dem Präventionsdienst der Beklagten, Herr Kn., nicht zu überzeugen. Denn gegenüber dem Präventionsdienst der Beklagten gab der Kläger bei seiner erstmaligen Befragung im August 2005 an, während der Tätigkeit bei der Firma G. sei das Bauholz bereits holzschutzbehandelt angeliefert worden, gelegentlich habe er allerdings Holzverschalungen mit Xylamon und Xyladecor streichen müssen. Hingegen könne er sich an einem Umgang mit sonstigen Gefahrstoffen, insbesondere teerhaltigen Produkten, nicht erinnern. Soweit das Sozialgericht insoweit von einem Missverständnis ausgegangen ist, ist dies nicht nachvollziehbar. Denn einen Umgang mit Carbolineum hat der Kläger gegenüber dem Präventionsdienst der Beklagten, Herr Kn., ausdrücklich für den vorherigen Zeitraum von 1960 bis 1963 angegeben. Auch für den Zeitraum von Juni 1963 bis Februar 1966 wurde der Kläger, wie sich aus dem Protokoll des Präventionsdienstes ergibt, ausdrücklich zu den während dieser Zeit verwendeten Produkten befragt. Insoweit hat er nur eine Verwendung von Xylamon und Xyladecor angegeben und darüber hinaus ausgesagt, sich an einen Kontakt zu teerhaltigen Produkten - bei Carbolineum handelt es sich um ein solches teerhaltiges Produkt - nicht mehr erinnern zu können. Ein Missverständnis ist insoweit auszuschließen. Damit sind die späteren Angaben des Klägers, auch in der Zeit von 1963 bis 1966 Carbolineum verwendet zu haben, nicht überzeugend und somit nicht als Nachweis für einen Kontakt zu aromatischen Aminen geeignet. Weitere Ermittlungen sind dem Senat auch insoweit nicht möglich, da nach den Angaben des Klägers gegenüber dem Präventionsdienst der Beklagten, Herr Kn., auch die Firma G. lang erloschen ist und dem Kläger auch keine Zeugen mehr bekannt sind.
Auch sonstige Hinweise dafür, dass der Kläger außer bei dem Gebrauch von Carbolineum in der Zeit von 1960 bis 1963 beruflichen Kontakt zu aromatischen Aminen hatte, sind nicht ersicht¬lich. Soweit der Kläger für die Zeit der Tätigkeit bei der Firma G. von 1963 bis 1966 eine Verwendung von Xylamon und Xyladecor zum Streichen von Holzverschalungen angegeben hat, hat der Präventionsdienst der Beklagten, Frau Z., überzeugend dargelegt, dass eine Exposition gegenüber aromatischen Aminen bei der Verarbeitung von Xylamon und Xyladecor nicht gegeben war, weil diese Produkte zu den lösemittelhaltigen Holzschutzmitteln zählen und im genannten Zeitraum neben Lösemittel PCP und Lindan als Wirkstoffe enthielten. Diese Stoffe zählen allerdings nicht zu den für die Feststellung einer BK 1301 erforderlichen aromatischen Aminen (vgl. die Stellungnahme von Frau Z. und Dr. Tr. in seinem für die Beklagte erstatteten Gutachten). Soweit der Kläger insbesondere seine Tätigkeit in der Firma Hoffmann - La Roche von März 1966 bis Februar 1977 als ursächlich für die Harnblasenerkrankung erachtet, ist während dieser Tätigkeit ein Kontakt zu aromatischen Aminen ebenfalls nicht nachgewiesen. In diesem Zeitraum war die Haupttätigkeit des Klägers das Verlegen von Rauhspundböden, die er anschließend verspachtelte und mit säurefesten Speziallacken (2-Komponentenlacke) strich; an einem Umgang mit teerhaltigen Produkten (Teeröl bzw. Steinkohleteerpech) konnte sich der Kläger hingegen nicht erinnern. Dass in den von dem Kläger verarbeiteten 2 Komponentenlacken und Spachtelmassen aromatische Amine enthalten gewesen wären, ist nicht nachgewiesen. Der Präventionsdienst der Beklagten, Frau Z., hat insoweit dargelegt, dass eine Ge¬fährdung im Sinne der streitigen BK 1301 zu verneinen ist, da seit Anfang der 1960er Jahre die Produktion von Farbstoffen für den Malerbereich auf der Basis krebserzeugender aromatischer Amine eingestellt wurde. Im Übrigen ist die Aufklärung der einzelnen Inhaltsstoffe der von dem Kläger verwendeten Produkte nicht mehr möglich. Diese Produkte wurden nach den Aussagen des Klägers von der Firma H. - L. R. geliefert. Die Nachfrage der Beklagten bei der Rechtsnachfolgerin der Firma H. - L. R., DSM Nutritional Products, hat keinerlei Hinweise für die Inhaltsstoffe dieser Produkte ergeben, da diesbezüglich keine Unterlagen mehr existieren und auch die Befragung von firmeneigenen Mitarbeitern, die sich im Ruhestand befanden, zu keinen weiteren Erkenntnissen führte. Dies geht nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers. Für den Zeitraum ab 1977 hat der Kläger selbst angegeben, keinen direkten Umgang mit Holzschutzmitteln, Lacken oder teerhaltigen Produkten gehabt zu haben, sodass auch insoweit ein weiterer Kontakt zu aromatischen Aminen ausscheidet.
Fest steht damit, dass im Falle des Klägers allenfalls für die Zeit von 1960 bis 1963 eine gelegentliche Exposition gegen aromatische Amine in Form der Verwendung von Carbolineum etwa zwei bis dreimal im Monat bestand, wobei sich die Aufnahme des insoweit allein in Frage kommenden 2-Naphtylamins über die Haut nicht näher quantifizieren lässt. Auch wenn die hier streitige BK 1301 keine Mindestdosis einer Gefahrstoffeinwirkung voraussetzt, kann allein aus der dargelegten beruflichen Exposition des Kläger gegenüber aromatischen Aminen nicht auf das Vorliegen der streitigen BK geschlossen werden.
Vielmehr ist Voraussetzung für die Anerkennung einer Erkrankung als BK, dass die vorliegende Erkrankung konkret-individuell durch die entsprechende Einwirkung des Listenstoffs - hier in Form von aromatischen Aminen - wesentlich verursacht bzw. verschlimmert worden ist und diese Einwirkungen wesentlich durch die versicherte Tätigkeit verursacht worden sind.
Für den Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkungen und Erkrankungen im Berufskrankheitenrecht gilt, wie auch sonst in der gesetzlichen Unfallversicherung, die Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Die Theorie der wesentlichen Bedingung hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie, nach der Ursache eines Erfolges jedes Ereignis ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Als rechtserheblich werden im Sozialrecht aber nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben). Gesichtspunkte für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursache sind insbesondere die versicherte Ursache bzw. das Ereignis als solches, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, konkurrierende Ursachen unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens und Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, den Befunden und Diagnosen der erstbehandelnden Ärzte sowie der gesamten Krankengeschichte. Trotz dieser Ausrichtung am individuellen Versicherten ist der Beurteilung des Ursachenzusammenhangs im Einzelfall der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand über die Ursachenzusammenhänge zwischen Ereignissen und Gesundheitsschäden zugrunde zu legen. Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang nach der Theorie der wesentlichen Bedingung positiv festgestellt werden muss und hierfür hinreichende Wahrscheinlichkeit genügt, nicht jedoch die bloße Möglichkeit.
Abweichend von einem Arbeitsunfall mit seinem zeitlich begrenzten Ereignis, das oftmals relativ eindeutig die allein wesentliche Ursache für einen als Unfallfolge geltend gemachten Gesundheitsschaden ist, ist die Beurteilung des Ursachenzusammenhangs bei BKen in der Regel schwieriger. Denn angesichts der multifaktoriellen Entstehung vieler Erkrankungen, der Länge der zu berücksichtigenden Zeiträume und des Fehlens eines typischerweise durch berufliche Einwirkungen verursachten Krankheitsbildes bei vielen BKen, stellt sich letztlich oft nur die Frage nach einer wesentlichen Mitverursachung der Erkrankung durch die versicherten Einwirkungen (BSG, Urteil vom 27.06.2006, B 2 U 7/05 R).
Vorliegend hat Prof. Dr. Tr. überzeugend dargelegt, dass eine berufliche Verursachung der Harnblasenerkrankung des Klägers zwar möglich, aber nicht hinreichend wahrscheinlich ist.
Das Harnblasenkarzinom ist - so Prof. Dr. Tr. - ein relativ häufiger Tumor des Mannes, wobei die Neuerkrankungsrate ab dem 5. Lebensjahrzehnt deutlich ansteigt und es sich somit um einen typischen Alterskrebs handelt. Der Kläger war zum Zeitpunkt der Diagnose der Erkrankung 59 Jahre alt, sodass, wie Prof. Dr. Tr. dargelegt hat, eine zeitliche Vorverlegung der Krankheitsmanifestation, die auf eine besondere individuelle Disposition und/oder eine außergewöhnliche exogene Belastung hinweisen würde, nicht anzunehmen ist.
Der Umgang mit Carbolineum stellt zwar - so Prof. Dr. Tr. - ein potentielles BK-Risiko dar. Allerdings hat Prof. Dr. Tr. insoweit zutreffend dargelegt, dass nur von einer kurzen Expositionsdauer (von Mai 1960 bis Mai 1963) auszugehen ist und zudem eine quantitative Abschätzung wegen fehlender Expositionsdaten nicht möglich ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Gutachten des PD Dr. Sc ... Denn auch dieser hat ausgeführt, dass eine "berufliche Dosisabschätzung" nicht möglich ist. Damit ist aber der von ihm gezogene Schluss, dass bei (angenommenen) fehlenden konkurrierenden Faktoren ("Nie-Raucher") vom Vorliegen der arbeitsmedizinischen Voraussetzungen zur Anerkennung einer BK 1301 auszugehend ist, nicht zulässig. Im Grunde schließt PD Dr. Sc. mit dieser Argumentation allein auf Grund der beruflichen Exposition und dem Ausschluss anderer Ursachen auf die Verursachung. Indessen muss der Ursachenzusammenhang zwischen Unfallereignis und Unfallfolgen positiv festgestellt werden (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Insbesondere gibt es keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache und einem rein zeitlichen Zusammenhang die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (BSG, a.a.O.). Dies gilt auch und gerade im Berufskrankheitenrecht, wo angesichts der multifaktoriellen Entstehung vieler Erkrankungen, der Länge der zu berücksichtigenden Zeiträume und des Fehlens eines typischerweise durch berufliche Einwirkungen verursachten Krankheitsbildes bei vielen Berufskrankheiten sich letztlich oft nur die Frage nach einer wesentlichen Mitverursachung der Erkrankung durch die versicherten Einwirkungen stellt. Aber auch hier gilt, dass es keinen Automatismus zur Bejahung des Ursachenzusammenhangs alleine auf Grund des Vorliegens entsprechender Einwirkungen und einer von der BK erfassten bzw. generell durch solche Einwirkungen hervorrufbaren Erkrankung gibt (BSG, Urteil vom 27.06.2006, B 2 U 7/05 R). Die somit verlangte positive Begründung des Ursachenzusammenhangs für den Fall, dass der Kläger - hierzu noch nachfolgend - nie geraucht habe, bietet auch PD Dr. Sc. nicht. Darüber hinaus vernachlässigt der Sachverständige, dass die Harnblasenerkrankung bei dem Kläger in einem typischen Alter, in dem auch nicht beruflich exponierte Personen an einer Harnblasenkrebserkrankung erkranken, aufgetreten ist. Zudem hat Prof. Dr. Tr. darauf hingewiesen, dass nach neueren Forschungsergebnissen auch die Aufnahme von aromatischen Aminen mit der Nahrung einen signifikanten Anteil für die Krebserkrankung in der Allgemeinbevölkerung darstellt, sodass bereits damit konkurrierende, außerberufliche Faktoren, in Betracht zu ziehen sind. Auch dies lässt PD Dr. Sc. außer Betracht.
Soweit das Sozialgericht zu dem von Prof. Dr. Tr. zur Beurteilung der beruflichen Gefährdung gezogenen Vergleich mit der Berufsgruppe der Maler unter Hinweis auf einen Beitrag von Golka/Bolt (Zur früheren Exposition von Malern gegenüber Azofarbmitteln in Arbeitsphysiologie heute, Band 4, 2002, S. 81ff) ausgeführt hat, nach der dort genannten Studie habe sich entgegen Prof. Dr. Tr. ein nicht unerheblich erhöhtes Risiko für Maler gezeigt, ist auch dies nicht geeignet, einen Ursachenzusammenhang für den Fall des Klägers positiv zu begründen. Denn einerseits weisen Golka/Bilt darauf hin, dass es sich bei der Exposition von Malern insbesondere gegenüber aromatischen Aminen in Form von Azofarbmitteln um ein Problem "alter Expositionen" (bis spätestens Ende der 1950er Jahre) und damit in einem den Kläger nicht betreffenden Expositionszeitraum handelt. Andererseits wird darin auf ein erhöhtes Erkrankungsrisiko nur für langjährig in ihrem Beruf tätige Maler hingewiesen. An einer derartigen langjährigen gefährdenden Tätigkeit fehlt es aber - wie bereits dargelegt - im Fall des Klägers.
Des weiteren ist nach Überzeugung des Senats eine außerberufliche Belastung des Klägers durch Inhalationsrauchen zu berücksichtigen. Wie Prof. Dr. Tr. und PD. Dr. Sc. dargelegt haben, gilt in der Wissenschaft als gesichert, dass langjähriges Inhalationsrauchen mit einem erhöhten Risiko einer Harnblasenkrebserkrankung assoziiert ist. Dabei ist, so PD Dr. Sc., gerade auch in Zigaretten 2-Naphtylamin enthalten, welches beim Rauchen inhalativ aufgenommen wird.
Zu einem Nikotinkonsum des Klägers hat Prof. Dr. Tr. zu Recht darauf hingewiesen, dass der Kläger nach den Aufzeichnungen aus Anlass der arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchung im Jahr 1986 zum damaligen Zeitpunkt angab, seit 10 Jahren nicht mehr zu rauchen und zuvor über 15 Jahre rund 25 Zigaretten pro Tag geraucht zu haben. Soweit das Sozialgericht insoweit ausgeführt hat, auch bei Unterstellung dieser Angaben als richtig könne von einer Risikoerhöhung durch den Nikotinkonsum nicht mehr ausgegangen werden, vermag dem der Senat nicht zu folgen. Das Sozialgericht ist insoweit von einem Nikotinkonsum bis Mitte der 60er Jahre ausgegangen. Dies ist unter Zugrundelegung der Angaben in den arbeitsmedizinischen Unterlagen aus dem Jahr 1986 allerdings fehlerhaft, da ausgehend von einem im Jahr 1986 seit 10 Jahren eingestellten Nikotinkonsum von einem Inhalationsrauchen bis Mitte der 1970er Jahre auszugehen ist. Insoweit kann auch unter Berücksichtigung der vom Sozialgericht herangezogenen Literatur (Dissertation von Seidel, Risikofaktoren von Harnblasenkarzinompatienten aus einer Industrieregion in Sachsen-Anhalt) nicht von einem Erkrankungsrisiko des Klägers entsprechend einem Nichtraucher ausgegangen werden. So wird in der Dissertation von Seidel zwar ausgeführt, dass nach einer Studie von Clavel et al. (1989) in der dort untersuchten Gruppe nach Beendigung des Rauchens das Risiko, an Harnblasenkrebs zu erkranken, nach 15 bis 20 Jahren nahezu dem Erkrankungsrisiko eines Nichtrauchers entsprochen habe. Weiter führt Seidel allerdings aus, dass nach einer Studie von Brennan et al. (2000) das Risiko, an Harnblasenkrebs zu erkranken auch nach 25 Jahren Rauchabstinenz immer noch höher gewesen sei, als von denjenigen Personen, die niemals geraucht hatten. Im Übrigen erscheint es nicht nachvollziehbar, eine berufliche Exposition gegenüber 2-Naphtyamin hinsichtlich der Risikoerhöhung anders zu beurteilen, als eine dem privaten Bereich zuzuordnende Exposition gegenüber dem gleichen Stoff.
Die Angaben des Klägers (insbesondere gegenüber Dr. F.), er habe nie geraucht, sind widerlegt. Dies ergibt sich nicht allein aus der oben dargelegten Dokumentation über die arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung im Jahr 1986, sondern auch aus der im Berufungsverfahren eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage des behandelnden Hausarztes Dr. Re., wonach der Kläger bei der Erstanamnese im Oktober 1981 noch einen Nikotinkonsum von bis zu sieben Zigaretten täglich angegeben hatte. Auf Nachfrage hat der Kläger im Berufungsverfahren einen jedenfalls gelegentlichen Nikotinkonsum eingeräumt. Damit steht fest, dass seine Angaben gegenüber Dr. F. unrichtig waren, was wiederum Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Klägers insgesamt - und damit auch hinsichtlich eines nur gelegentlichen Nikotinkonsums - begründet. Vor dem Hintergrund der schriftlichen Aufzeichnungen über die amtsärztliche Untersuchung im Jahr 1986 und der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage des Dr. Re. ist somit eine außerberufliche Belastung des Klägers durch regelmäßiges Inhalationsrauchen nachgewiesen.
Damit lässt sich auch unter Zugrundelegung des im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Gutachtens von PD Dr. Sc. die Wahrscheinlichkeit der Verursachung der Harnblasenerkrankung des Klägers durch die beruflichen Einwirkungen am Arbeitsplatz nicht begründen. Dies geht wie bereits dargelegt - nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers. Auf die Berufung der Beklagten ist somit das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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