Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 12 AS 1417/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 1934/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 19. Februar 2009 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte den Kläger auf Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse in Anspruch nehmen darf.
Der 1958 geborene Kläger war mit der 1959 geborenen S. B. verheiratet. Die am 18. Dezember 1987 geschlossene Ehe wurde durch Urteil des Amtsgerichts -Familiengericht - U. vom 1. September 1992 aufgehoben. Aus der Ehe ging die 1989 geborene Tochter A. (A.) hervor. A. besuchte bis Juli 2008 die Freie Waldorfschule U., seit 18. August 2008 absolviert sie eine Ausbildung zur Floristin. Seit 2005 bezieht A. - zusammen mit ihrer in Bedarfsgemeinschaft lebenden Mutter - laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
Mit Bescheid vom 15. Februar 2008 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie A. Leistungen nach dem SGB II gewähre und verwies unter Hinweis auf § 60 SGB II darauf, dass der Kläger über seine wirtschaftlichen Verhältnisse Auskunft geben müsse, da er nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) A. unter bestimmten Voraussetzungen unterhaltspflichtig sei. Der Kläger wurde gebeten, einen beigefügten Auskunftsbogen auszufüllen und die verlangten Belege vorzulegen.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. März 2008 zurück. Zur Begründung bezog sie sich auf die Vorschrift des § 60 Abs. 2 SGB II. Die Beklagte gewähre für A. Leistungen nach dem SGB II. Der Kläger sei ihr Vater und somit grundsätzlich unter bestimmten Voraussetzungen unterhaltspflichtig. Unterhaltszahlungen würden zur Minderung von Leistungen nach dem SGB II führen. Für die Prüfung der Unterhaltsansprüche benötige die Beklagte die Auskunft des Klägers über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse.
Hiergegen richtet sich die am 21. April 2008 zum Sozialgericht Ulm (SG) erhobene Klage. Der Kläger ist der Auffassung, dass er nicht zur Auskunft verpflichtet sei. Seine Tochter sei bereits volljährig. Aus wichtigem Grund sei die Ehe mit der Mutter von A. aufgehoben worden. Er habe seine Tochter seit mehr als zehn Jahren nicht gesehen. Damals habe er gerichtlich um Umgang mit A. gekämpft, die Mutter habe ein Umgangsrecht verhindert. Das Familiengericht habe entschieden, dass A. selbst Kontakt zum Vater suchen solle, wenn sie älter werde. In dem ihm übersandten Fragebogen sei zudem der Name S. S. angeführt worden, woraus sich ergebe, dass die Auskünfte für diese hätten erteilt werden sollen.
Mit Urteil vom 19. Februar 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe gegenüber dem Kläger zu Recht ein öffentlich-rechtliches Auskunftsverlangen auf der Rechtsgrundlage von § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II geltend gemacht. A. stehe im laufenden Leistungsbezug. Bei dem Kläger handele es sich unstreitig um ihren Vater und damit um einen Verwandten in gerader Linie. Demnach sei die Beklagte gemäß § 60 Abs. 2 Satz 3 SGB II i.V.m. § 1605 Abs. 1 BGB grundsätzlich berechtigt, Auskunft über seine Einkünfte und sein Vermögen zu verlangen sowie Bescheinigungen über die Höhe der Einkünfte anzufordern. Die Beklagte habe mit dem Fragebogen auch lediglich die in § 1605 Abs. 1 BGB erwähnten Informationen abgefragt. Die Tatsache, dass in dem Fragebogen nicht der Name von A., sondern ihrer Mutter S. angegeben worden sei, sei unbeachtlich, da es sich offensichtlich um ein Versehen gehandelt habe. Aus dem Bescheid und dem Widerspruchsbescheid sei für den Kläger eindeutig erkennbar, dass sich das Auskunftsverlangen auf seine Tochter beziehe. Der Geltendmachung des öffentlich-rechtlichen Auskunftsverlangens stehe nicht entgegen, dass der unterhaltsrechtliche Auskunftsanspruch gemäß § 33 Abs. 1 Satz 3 SGB II ebenfalls für die Zeit der Leistungsgewährung auf den Leistungsträger übergehe, beide Auskunftsansprüche bestünden nebeneinander. Es bestünden auch keine Bedenken im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Da die Beklagte über keinerlei Informationen über die Einkommensverhältnisse des Klägers verfüge, habe eine abschließende Entscheidung über den Leistungsanspruch von A. unter Berücksichtigung eventueller Unterhaltsansprüche nicht erfolgen können. Für die Beklagte sei auch keine andere, ebenso Erfolg versprechende Informationsmöglichkeit erkennbar, die den Kläger weniger belaste. Soweit der Kläger vorbringe, es liege ein Unterhaltstitel aus dem Jahr 2001 vor, ergäben sich keine Auswirkungen auf die Berechtigung des Auskunftsverlangens, da sich allein daraus keine Rückschlüsse auf die momentanen Einkommensverhältnisse ziehen ließen. Nach eigenen Angaben des Klägers erbringe er derzeit keine Unterhaltsleistungen. Ob tatsächlich Ansprüche geltend gemacht werden könnten, lasse sich nur in Kenntnis der aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Klägers abschließend klären.
Gegen das ihm am 26. März 2009 zugestellte Urteil richtet sich die am Montag, 27. April 2009 eingelegte Berufung des Klägers. Er verweist nochmals darauf, dass der an ihn übersandte Fragebogen auf S. S. ausgestellt sei. Die Ehe sei annulliert worden, er habe seiner Exfrau niemals Unterhalt geschuldet. Beim jetzigen Verfahren gehe es allenfalls um A. Beim Leistungsantrag im Jahr 2005 sei nicht angegeben worden, dass A. einen Unterhaltstitel habe.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 19. Februar 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. März 2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihren Vortrag in erster Instanz und die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG). Gründe für die Beschränkung der Berufung i.S.v. § 144 Abs. 1 SGG liegen nicht vor. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Kläger ist verpflichtet zur Erteilung von Auskünften über seine wirtschaftlichen Verhältnisse.
Rechtsgrundlage für die Auskunftspflicht des Klägers und den damit korrespondierenden Auskunftsanspruch der Beklagten ist § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II. Nach dieser Vorschrift hat, wer jemandem, der eine Leistung nach diesem Buch beantragt hat oder bezieht, zu Leistungen verpflichtet ist, die geeignet sind, Leistungen nach diesem Buch auszuschließen oder zu mindern, oder wer für ihn Guthaben führt oder Vermögensgegenstände verwahrt, der Agentur für Arbeit auf Verlangen hierüber sowie über damit im Zusammenhang stehendes Einkommen oder Vermögen Auskunft zu erteilen, soweit es zur Durchführung der Aufgaben nach diesem Buch erforderlich ist. Für die Feststellung einer Unterhaltsverpflichtung ist § 1605 Abs. 1 BGB anzuwenden (§ 60 Abs. 2 Satz 3 SGB II).
Die genannte Vorschrift enthält die verfassungsrechtlich unbedenkliche Einschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, das Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz ist und nur im überwiegenden Allgemeininteresse aufgrund eines Gesetzes (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Urteil vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 u.a. - BVerfGE 65, 1) inhaltlich begrenzt werden darf (vgl. zur Vorgängervorschrift des § 116 Abs. 1 Satz 2 Bundessozialhilfegesetz (BSHG): Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (VGH), Beschluss vom 10. März 2003 -12 ZB 02.2679 - FEVS 54, 574). § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II begründet eine eigenständige öffentlich-rechtliche Pflicht zur Auskunftserteilung, welcher ein Auskunftsanspruch des Grundsicherungsträgers gegenüber steht (Schoch in LPK-SGB II, 2. Aufl., § 60 Rdnr. 2). Die Vorschrift ermächtigt den Grundsicherungsträger, die Auskunftspflicht durch Verwaltungsakt gegenüber dem Pflichtigen geltend zu machen und bei Auskunftsverweigerung im Wege der Verwaltungsvollstreckung durchzusetzen (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), BVerwGE 91, 375 und 92, 330, 333; Bundessozialgericht (BSG) SozR 4100 § 144 Nr. 1). Die Beklagte war daher berechtigt, ihren Auskunftsanspruch im Wege des Verwaltungsakts zu regeln.
Zunächst ist das Auskunftsverlangen nicht bereits deshalb formell rechtswidrig, weil die Beklagte vor Erlass des Ausgangsbescheides die nach § 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) erforderliche Anhörung des Klägers unterlassen hat (vgl. hierzu Bayerischer VGH, Beschluss vom 10. März 2003, a.a.O.), denn die fehlende Anhörung ist im Widerspruchsverfahren nachgeholt und damit der Verfahrensfehler nach § 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X geheilt worden.
Ebenso wenig mangelt es dem Bescheid an der nach § 33 SGB X erforderlichen Bestimmtheit. Sowohl aus dem Bescheid vom 15. Februar 2008 wie auch dem Widerspruchsbescheid vom 18. März 2008 ergibt sich eindeutig und ausdrücklich, dass die Auskünfte über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse zur Klärung eines Unterhaltsanspruchs gegenüber A. gefordert werden. Dass auf dem beigefügten Auskunftsbogen irrtümlich statt des Namens der A. derjenige der früheren Ehefrau aufgeführt war, ändert daran nichts.
Der Kläger ist auch der A., die Leistungen nach dem SGB II bezieht, i.S.v. § 60 Abs. 2 SGB II zu Leistungen verpflichtet, die geeignet sind, Leistungen nach dem SGB II auszuschließen oder zu mindern. In Betracht kommen Unterhaltsansprüche der A. als Tochter des Klägers nach §§ 1601 ff. BGB.
Die Rechtmäßigkeit des Auskunftsverlangens setzt nicht voraus, dass A. der behauptete Unterhaltsanspruch auch zusteht; eine Auskunftsverpflichtung besteht nur dann nicht, wenn offensichtlich kein Unterhaltsanspruch besteht. Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerwG ist eine Anspruchsüberleitung nicht schon dann rechtswidrig, wenn der übergeleitete Anspruch nicht besteht, es sei denn, er bestünde offensichtlich nicht (mehr) - sog. Negativevidenz (vgl. BVerwGE 34, 219, 220 f.; 49, 311, 315 f.; 56, 300, 302; 87, 217, 225; 92, 281, 283). Für die Auskunftspflicht bestehen keine strengeren Anforderungen, denn ihr Zweck ist es, dem Grundsicherungsträger erst die Prüfung zu ermöglichen, ob und in welchem Umfang der Nachrang der Leistungen nach dem SGB II durch Inanspruchnahme Dritter hergestellt werden kann. Dieser Zweck gebietet es, als "zu Leistungen verpflichtet" im Sinne des § 60 Abs. 2 SGB II alle Personen anzusehen, die als leistungspflichtig in Betracht kommen, also nicht offensichtlich ausscheiden (vgl. BVerwGE 21, 375 zu § 116 BSHG; Blüggel in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 60 Rdnr. 20; Schoch in LPK-SGB II, a.a.O., § 60 Rdnr. 24).
Ein derartiger Fall der Negativevidenz liegt hier nicht vor. Insbesondere steht die Volljährigkeit der A. einem Unterhaltsanspruch des Klägers nicht entgegen. Die Unterhaltstatbestände des Verwandtenunterhaltes (§ 1601 BGB) sind zeitlich nicht beschränkt (vgl. Viefhues in jurisPK-BGB, 4. Aufl., 2008, § 1601 Rdnr. 6). Der Unterhaltsanspruch endet aber nach den allgemeinen Regelungen dann, wenn keine Bedürftigkeit mehr gegeben ist. Regelmäßig endet die Unterhaltspflicht der Eltern ihren Kindern gegenüber mit der Ermöglichung der Ausbildung zu einem angemessenen Beruf (§ 1610 Abs. 2 BGB). Da A. ihre Erstausbildung noch nicht abgeschlossen hat, bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Unterhaltsanspruch gegen den Kläger ausgeschlossen sein könnte. Die genaue Überprüfung muss den Gerichten der Zivilgerichtsbarkeit vorbehalten bleiben.
Der von der Beklagten potentiell geltend zu machende Unterhaltsanspruch ist auch nicht verjährt. Der Unterhaltsanspruch kann ab Zugang der mit dem Bescheid vom 15. Februar 2008 verbundenen Rechtswahrungsanzeige auch für die Vergangenheit geltend gemacht werden (§ 33 Abs. 3 Satz 1 SGB II). Rückständige Unterhaltsansprüche für die Jahre 2008 und 2009 sind zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht verjährt (§§ 194 Abs. 1, 197 Abs. 2, 195, 199 BGB).
Schließlich ist die von der Beklagten verlangte Auskunft auch erforderlich zur Durchführung des SGB II. Mit dem Auskunftsverlangen soll die Geltendmachung möglicher Unterhaltsansprüche vorbereitet werden für einen Zeitraum, für den A. Grundsicherungsleistungen bezog. Soweit für den Auskunftsanspruch nach § 1605 BGB, auf den § 60 Abs. 2 Satz 3 SGB II Bezug nimmt, vertreten wird, dass eine Auskunftspflicht nur besteht, sofern und soweit der entscheidungserhebliche Sachverhalt ohne sie nicht festgestellt werden kann (vgl. Diederichsen in Palandt, BGB, 68. Aufl., § 1605 Rdnr. 9), führt dies hier zu keiner Einschränkung der Auskunftspflicht des Klägers. Denn andere Möglichkeiten zur Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts bestehen nicht, insbesondere kann die Leistungsbezieherin A. keine Angaben zu den Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers machen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Der Kläger gehört nicht zu dem in § 183 Satz 1 SGG genannten Personenkreis, für den das Verfahren vor den Sozialgerichten kostenfrei ist. Dort sind enumerativ aufgezählt Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, Behinderte oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 Sozialgesetzbuch Erstes Buch, soweit sie in dieser Eigenschaft als Kläger oder Beklagter beteiligt sind. Der Kläger ist insbesondere nicht als Leistungsempfänger beteiligt, vielmehr sieht er sich als Unterhaltspflichtiger einem Auskunftsbegehren ausgesetzt. Eine Bereichsausnahme wie in § 188 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung für sämtliche Angelegenheiten der Sozialhilfe sieht § 183 SGG gerade nicht vor.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte den Kläger auf Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse in Anspruch nehmen darf.
Der 1958 geborene Kläger war mit der 1959 geborenen S. B. verheiratet. Die am 18. Dezember 1987 geschlossene Ehe wurde durch Urteil des Amtsgerichts -Familiengericht - U. vom 1. September 1992 aufgehoben. Aus der Ehe ging die 1989 geborene Tochter A. (A.) hervor. A. besuchte bis Juli 2008 die Freie Waldorfschule U., seit 18. August 2008 absolviert sie eine Ausbildung zur Floristin. Seit 2005 bezieht A. - zusammen mit ihrer in Bedarfsgemeinschaft lebenden Mutter - laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
Mit Bescheid vom 15. Februar 2008 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie A. Leistungen nach dem SGB II gewähre und verwies unter Hinweis auf § 60 SGB II darauf, dass der Kläger über seine wirtschaftlichen Verhältnisse Auskunft geben müsse, da er nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) A. unter bestimmten Voraussetzungen unterhaltspflichtig sei. Der Kläger wurde gebeten, einen beigefügten Auskunftsbogen auszufüllen und die verlangten Belege vorzulegen.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. März 2008 zurück. Zur Begründung bezog sie sich auf die Vorschrift des § 60 Abs. 2 SGB II. Die Beklagte gewähre für A. Leistungen nach dem SGB II. Der Kläger sei ihr Vater und somit grundsätzlich unter bestimmten Voraussetzungen unterhaltspflichtig. Unterhaltszahlungen würden zur Minderung von Leistungen nach dem SGB II führen. Für die Prüfung der Unterhaltsansprüche benötige die Beklagte die Auskunft des Klägers über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse.
Hiergegen richtet sich die am 21. April 2008 zum Sozialgericht Ulm (SG) erhobene Klage. Der Kläger ist der Auffassung, dass er nicht zur Auskunft verpflichtet sei. Seine Tochter sei bereits volljährig. Aus wichtigem Grund sei die Ehe mit der Mutter von A. aufgehoben worden. Er habe seine Tochter seit mehr als zehn Jahren nicht gesehen. Damals habe er gerichtlich um Umgang mit A. gekämpft, die Mutter habe ein Umgangsrecht verhindert. Das Familiengericht habe entschieden, dass A. selbst Kontakt zum Vater suchen solle, wenn sie älter werde. In dem ihm übersandten Fragebogen sei zudem der Name S. S. angeführt worden, woraus sich ergebe, dass die Auskünfte für diese hätten erteilt werden sollen.
Mit Urteil vom 19. Februar 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe gegenüber dem Kläger zu Recht ein öffentlich-rechtliches Auskunftsverlangen auf der Rechtsgrundlage von § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II geltend gemacht. A. stehe im laufenden Leistungsbezug. Bei dem Kläger handele es sich unstreitig um ihren Vater und damit um einen Verwandten in gerader Linie. Demnach sei die Beklagte gemäß § 60 Abs. 2 Satz 3 SGB II i.V.m. § 1605 Abs. 1 BGB grundsätzlich berechtigt, Auskunft über seine Einkünfte und sein Vermögen zu verlangen sowie Bescheinigungen über die Höhe der Einkünfte anzufordern. Die Beklagte habe mit dem Fragebogen auch lediglich die in § 1605 Abs. 1 BGB erwähnten Informationen abgefragt. Die Tatsache, dass in dem Fragebogen nicht der Name von A., sondern ihrer Mutter S. angegeben worden sei, sei unbeachtlich, da es sich offensichtlich um ein Versehen gehandelt habe. Aus dem Bescheid und dem Widerspruchsbescheid sei für den Kläger eindeutig erkennbar, dass sich das Auskunftsverlangen auf seine Tochter beziehe. Der Geltendmachung des öffentlich-rechtlichen Auskunftsverlangens stehe nicht entgegen, dass der unterhaltsrechtliche Auskunftsanspruch gemäß § 33 Abs. 1 Satz 3 SGB II ebenfalls für die Zeit der Leistungsgewährung auf den Leistungsträger übergehe, beide Auskunftsansprüche bestünden nebeneinander. Es bestünden auch keine Bedenken im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Da die Beklagte über keinerlei Informationen über die Einkommensverhältnisse des Klägers verfüge, habe eine abschließende Entscheidung über den Leistungsanspruch von A. unter Berücksichtigung eventueller Unterhaltsansprüche nicht erfolgen können. Für die Beklagte sei auch keine andere, ebenso Erfolg versprechende Informationsmöglichkeit erkennbar, die den Kläger weniger belaste. Soweit der Kläger vorbringe, es liege ein Unterhaltstitel aus dem Jahr 2001 vor, ergäben sich keine Auswirkungen auf die Berechtigung des Auskunftsverlangens, da sich allein daraus keine Rückschlüsse auf die momentanen Einkommensverhältnisse ziehen ließen. Nach eigenen Angaben des Klägers erbringe er derzeit keine Unterhaltsleistungen. Ob tatsächlich Ansprüche geltend gemacht werden könnten, lasse sich nur in Kenntnis der aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Klägers abschließend klären.
Gegen das ihm am 26. März 2009 zugestellte Urteil richtet sich die am Montag, 27. April 2009 eingelegte Berufung des Klägers. Er verweist nochmals darauf, dass der an ihn übersandte Fragebogen auf S. S. ausgestellt sei. Die Ehe sei annulliert worden, er habe seiner Exfrau niemals Unterhalt geschuldet. Beim jetzigen Verfahren gehe es allenfalls um A. Beim Leistungsantrag im Jahr 2005 sei nicht angegeben worden, dass A. einen Unterhaltstitel habe.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 19. Februar 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. März 2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihren Vortrag in erster Instanz und die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG). Gründe für die Beschränkung der Berufung i.S.v. § 144 Abs. 1 SGG liegen nicht vor. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Kläger ist verpflichtet zur Erteilung von Auskünften über seine wirtschaftlichen Verhältnisse.
Rechtsgrundlage für die Auskunftspflicht des Klägers und den damit korrespondierenden Auskunftsanspruch der Beklagten ist § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II. Nach dieser Vorschrift hat, wer jemandem, der eine Leistung nach diesem Buch beantragt hat oder bezieht, zu Leistungen verpflichtet ist, die geeignet sind, Leistungen nach diesem Buch auszuschließen oder zu mindern, oder wer für ihn Guthaben führt oder Vermögensgegenstände verwahrt, der Agentur für Arbeit auf Verlangen hierüber sowie über damit im Zusammenhang stehendes Einkommen oder Vermögen Auskunft zu erteilen, soweit es zur Durchführung der Aufgaben nach diesem Buch erforderlich ist. Für die Feststellung einer Unterhaltsverpflichtung ist § 1605 Abs. 1 BGB anzuwenden (§ 60 Abs. 2 Satz 3 SGB II).
Die genannte Vorschrift enthält die verfassungsrechtlich unbedenkliche Einschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, das Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz ist und nur im überwiegenden Allgemeininteresse aufgrund eines Gesetzes (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Urteil vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 u.a. - BVerfGE 65, 1) inhaltlich begrenzt werden darf (vgl. zur Vorgängervorschrift des § 116 Abs. 1 Satz 2 Bundessozialhilfegesetz (BSHG): Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (VGH), Beschluss vom 10. März 2003 -12 ZB 02.2679 - FEVS 54, 574). § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II begründet eine eigenständige öffentlich-rechtliche Pflicht zur Auskunftserteilung, welcher ein Auskunftsanspruch des Grundsicherungsträgers gegenüber steht (Schoch in LPK-SGB II, 2. Aufl., § 60 Rdnr. 2). Die Vorschrift ermächtigt den Grundsicherungsträger, die Auskunftspflicht durch Verwaltungsakt gegenüber dem Pflichtigen geltend zu machen und bei Auskunftsverweigerung im Wege der Verwaltungsvollstreckung durchzusetzen (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), BVerwGE 91, 375 und 92, 330, 333; Bundessozialgericht (BSG) SozR 4100 § 144 Nr. 1). Die Beklagte war daher berechtigt, ihren Auskunftsanspruch im Wege des Verwaltungsakts zu regeln.
Zunächst ist das Auskunftsverlangen nicht bereits deshalb formell rechtswidrig, weil die Beklagte vor Erlass des Ausgangsbescheides die nach § 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) erforderliche Anhörung des Klägers unterlassen hat (vgl. hierzu Bayerischer VGH, Beschluss vom 10. März 2003, a.a.O.), denn die fehlende Anhörung ist im Widerspruchsverfahren nachgeholt und damit der Verfahrensfehler nach § 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X geheilt worden.
Ebenso wenig mangelt es dem Bescheid an der nach § 33 SGB X erforderlichen Bestimmtheit. Sowohl aus dem Bescheid vom 15. Februar 2008 wie auch dem Widerspruchsbescheid vom 18. März 2008 ergibt sich eindeutig und ausdrücklich, dass die Auskünfte über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse zur Klärung eines Unterhaltsanspruchs gegenüber A. gefordert werden. Dass auf dem beigefügten Auskunftsbogen irrtümlich statt des Namens der A. derjenige der früheren Ehefrau aufgeführt war, ändert daran nichts.
Der Kläger ist auch der A., die Leistungen nach dem SGB II bezieht, i.S.v. § 60 Abs. 2 SGB II zu Leistungen verpflichtet, die geeignet sind, Leistungen nach dem SGB II auszuschließen oder zu mindern. In Betracht kommen Unterhaltsansprüche der A. als Tochter des Klägers nach §§ 1601 ff. BGB.
Die Rechtmäßigkeit des Auskunftsverlangens setzt nicht voraus, dass A. der behauptete Unterhaltsanspruch auch zusteht; eine Auskunftsverpflichtung besteht nur dann nicht, wenn offensichtlich kein Unterhaltsanspruch besteht. Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerwG ist eine Anspruchsüberleitung nicht schon dann rechtswidrig, wenn der übergeleitete Anspruch nicht besteht, es sei denn, er bestünde offensichtlich nicht (mehr) - sog. Negativevidenz (vgl. BVerwGE 34, 219, 220 f.; 49, 311, 315 f.; 56, 300, 302; 87, 217, 225; 92, 281, 283). Für die Auskunftspflicht bestehen keine strengeren Anforderungen, denn ihr Zweck ist es, dem Grundsicherungsträger erst die Prüfung zu ermöglichen, ob und in welchem Umfang der Nachrang der Leistungen nach dem SGB II durch Inanspruchnahme Dritter hergestellt werden kann. Dieser Zweck gebietet es, als "zu Leistungen verpflichtet" im Sinne des § 60 Abs. 2 SGB II alle Personen anzusehen, die als leistungspflichtig in Betracht kommen, also nicht offensichtlich ausscheiden (vgl. BVerwGE 21, 375 zu § 116 BSHG; Blüggel in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 60 Rdnr. 20; Schoch in LPK-SGB II, a.a.O., § 60 Rdnr. 24).
Ein derartiger Fall der Negativevidenz liegt hier nicht vor. Insbesondere steht die Volljährigkeit der A. einem Unterhaltsanspruch des Klägers nicht entgegen. Die Unterhaltstatbestände des Verwandtenunterhaltes (§ 1601 BGB) sind zeitlich nicht beschränkt (vgl. Viefhues in jurisPK-BGB, 4. Aufl., 2008, § 1601 Rdnr. 6). Der Unterhaltsanspruch endet aber nach den allgemeinen Regelungen dann, wenn keine Bedürftigkeit mehr gegeben ist. Regelmäßig endet die Unterhaltspflicht der Eltern ihren Kindern gegenüber mit der Ermöglichung der Ausbildung zu einem angemessenen Beruf (§ 1610 Abs. 2 BGB). Da A. ihre Erstausbildung noch nicht abgeschlossen hat, bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Unterhaltsanspruch gegen den Kläger ausgeschlossen sein könnte. Die genaue Überprüfung muss den Gerichten der Zivilgerichtsbarkeit vorbehalten bleiben.
Der von der Beklagten potentiell geltend zu machende Unterhaltsanspruch ist auch nicht verjährt. Der Unterhaltsanspruch kann ab Zugang der mit dem Bescheid vom 15. Februar 2008 verbundenen Rechtswahrungsanzeige auch für die Vergangenheit geltend gemacht werden (§ 33 Abs. 3 Satz 1 SGB II). Rückständige Unterhaltsansprüche für die Jahre 2008 und 2009 sind zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht verjährt (§§ 194 Abs. 1, 197 Abs. 2, 195, 199 BGB).
Schließlich ist die von der Beklagten verlangte Auskunft auch erforderlich zur Durchführung des SGB II. Mit dem Auskunftsverlangen soll die Geltendmachung möglicher Unterhaltsansprüche vorbereitet werden für einen Zeitraum, für den A. Grundsicherungsleistungen bezog. Soweit für den Auskunftsanspruch nach § 1605 BGB, auf den § 60 Abs. 2 Satz 3 SGB II Bezug nimmt, vertreten wird, dass eine Auskunftspflicht nur besteht, sofern und soweit der entscheidungserhebliche Sachverhalt ohne sie nicht festgestellt werden kann (vgl. Diederichsen in Palandt, BGB, 68. Aufl., § 1605 Rdnr. 9), führt dies hier zu keiner Einschränkung der Auskunftspflicht des Klägers. Denn andere Möglichkeiten zur Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts bestehen nicht, insbesondere kann die Leistungsbezieherin A. keine Angaben zu den Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers machen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Der Kläger gehört nicht zu dem in § 183 Satz 1 SGG genannten Personenkreis, für den das Verfahren vor den Sozialgerichten kostenfrei ist. Dort sind enumerativ aufgezählt Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, Behinderte oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 Sozialgesetzbuch Erstes Buch, soweit sie in dieser Eigenschaft als Kläger oder Beklagter beteiligt sind. Der Kläger ist insbesondere nicht als Leistungsempfänger beteiligt, vielmehr sieht er sich als Unterhaltspflichtiger einem Auskunftsbegehren ausgesetzt. Eine Bereichsausnahme wie in § 188 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung für sämtliche Angelegenheiten der Sozialhilfe sieht § 183 SGG gerade nicht vor.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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