Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 17 AS 5355/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 3668/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 19. Juni 2009 aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 28. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. September 2008 wird aufgehoben.
Die Beklagte erstattet die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Versagung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) wegen fehlender Mitwirkung.
Der 1958 geborene Kläger bezog bis 23. Juni 2008 Arbeitslosengeld. Er lebt zusammen mit Frau A. Z. (Z.) in einem Einfamilienhaus, welches beide im November 2005 ersteigert haben (Eigentum jeweils zu ½). Seit dem 29. Dezember 2005 sind beide dort polizeilich gemeldet.
Am 2. Juli 2008 beantragte der Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Er legte eine zwischen ihm und Z. unter dem Datum vom 20. Juli 2007 getroffene schriftliche Vereinbarung vor, wonach im Rahmen des Zusammenlebens in der S.gasse 5 in S. jede Partei ihre eigenen Konten führe und keine Berechtigung habe, über das Einkommen und Vermögen der anderen zu verfügen. Tatsächliche freiwillige Leistungen würden nicht erbracht. Sollte eine Partei in Not geraten, werde die andere auf keinen Fall finanziell einstehen.
Mit Schreiben vom 17. Juli 2008 forderte die Beklagte den Kläger zur Vorlage von Unterlagen über die Vermögens- und Einkommenssituation von Z. auf. Nachdem der Kläger die Ansicht vertrat, es liege keine Bedarfsgemeinschaft vor, setzte ihm die Beklagte eine Frist zur Vorlage der Unterlagen bis 20. August 2008 und wies ihn auf die Rechtsfolgen des § 66 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) hin. Am 23. August 2008 wurde vom Außendienst der Beklagten ein Hausbesuch beim Kläger durchgeführt. Mit Bescheid vom 28. August 2008 versagte die Beklagte sodann die Leistungen, da der Kläger seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sei. Zur Beurteilung des Leistungsanspruchs würden auch Unterlagen und Angaben von Z. benötigt.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, es bestehe keine Bedarfsgemeinschaft zwischen ihm und Z. Es gehe daher nicht zu seinen Lasten, dass Z. die angeforderten Unterlagen nicht vorgelegt habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26. September 2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II sei hinsichtlich des Willens, füreinander einzustehen, ein objektiver Maßstab anzulegen, die subjektive Sicht sei nicht ausschlaggebend. Durch das lange Zusammenleben sei einer der Vermutungstatbestände des § 7 Abs. 3a SGB II erfüllt. Zur Berechnung eines Leistungsanspruchs sei daher unabdingbar, auch die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Z. heranzuziehen. Da sich der Kläger bislang geweigert habe, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse von Z. offen zu legen, und er dadurch besser gestellt wäre als andere Hilfeempfänger, sei auch nach Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens eine andere Entscheidung als die Ablehnung der Leistung nicht möglich.
Hiergegen hat der Kläger am 27. Oktober 2008 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) mit der Begründung erhoben, dass keine Bedarfsgemeinschaft vorliege. Es fehle bereits am Merkmal der Haushaltsgemeinschaft, da selbstständig und getrennt gewirtschaftet werde. Eine finanzielle Unterstützung durch den anderen finde nicht statt.
In der mündlichen Verhandlung hat das SG Beweis erhoben durch Vernehmung der Z. sowie des den Hausbesuch durchführenden Mitarbeiters der Beklagten (V.) als Zeugen. Sodann hat es mit Urteil vom 19. Juni 2009 die Klage abgewiesen. Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheids sei § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I. Danach könne der Leistungsträger die Leistung versagen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen seien, wenn derjenige, der eine Sozialleistung beantrage, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 SGB I nicht nachkomme und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert werde. Nach § 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB II habe, wer Sozialleistungen beantrage, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich seien. Bei Leistungen nach dem SGB II seien leistungserheblich auch das Einkommen und Vermögen einer Person, mit der der Antragsteller in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebe, denn nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II sei bei Feststellung der Bedürftigkeit auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Erfüllten weder der Partner noch der Hilfebedürftige ihre Mitwirkungspflicht, könne die Leistung nach § 66 Abs. 1 SGB I versagt werden. Dabei müsse sich der Kläger die fehlende Mitwirkung seines Partners zurechnen lassen (unter Hinweis auf Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 15. Februar 2008 - L 8 AS 3380/07 - (juris)). Das SG sei davon überzeugt, dass der Kläger und Z. eine Bedarfsgemeinschaft bildeten. Die Beklagte habe von ihrem Ermessen nach § 66 Abs. 1 SGB I in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht. Der Leistungsträger müsse insoweit nur darüber befinden, ob und in welchem Umfang der Sachverhalt trotz Verletzung der Mitwirkungspflicht weiter aufgeklärt werden könne und solle. Die Beklagte sei insbesondere nicht verpflichtet gewesen, auf der Grundlage von § 60 Abs. 4 SGB II ein Auskunftsverlangen an Z. zu richten. Etwas anderes könne nur dann gelten, wenn der Kläger das Vorliegen einer Einstandsgemeinschaft bestätigt hätte, Z. sich aber weigere, die erforderliche Auskunft zu erteilen. Vorliegend hätten sowohl der Kläger wie auch Z. das Vorliegen einer Einstandsgemeinschaft ausdrücklich verneint und damit die Durchsetzung des Auskunftsanspruchs wenn nicht vereitelt, so doch erheblich erschwert. Ohne Kenntnis der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Z. sei nicht festzustellen, ob der Kläger einen Anspruch auf die beantragten Leistungen habe.
Am 23. Juni 2009 stellte der Kläger beim SG Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, welchen das SG mit Beschluss vom 1. Juli 2009 ablehnte (S 17 AS 3106/09 ER). Die hiergegen eingelegte Beschwerde wies der Senat mit Beschluss vom 18. September 2009 zurück (L 12 AS 3633/09 ER-B). Unter Zugrundelegung einer voraussichtlich anzunehmenden Bedarfsgemeinschaft lasse sich Hilfebedürftigkeit des Klägers nach § 9 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB II nicht feststellen.
Gegen das ihm am 27. Juni 2009 zugestellte Urteil richtet sich die am 25. Juli 2009 eingelegte Berufung des Klägers. Es bestehe schon keine eheähnliche Gemeinschaft. Die Vermutungsregelung des § 7 Abs. 3a SGB II hinsichtlich der Einstandsgemeinschaft greife nur dann, wenn ein gemeinsamer Haushalt vorliege. Ein Wirtschaften aus einem Topf sei hier nicht gegeben. Die Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft sei von vornherein ausgeschlossen, wenn der vermögende Partner erkläre, den Hilfeempfänger nicht zu unterstützen. Der gemeinsame Hauserwerb rechtfertige nicht die Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft. Der Kauf des Hauses sei eine äußerst günstige Gelegenheit gewesen und aus rein wirtschaftlichen Erwägungen erfolgt, um preisgünstig zu wohnen. Das Haus sei schuldenfrei, die laufenden Kosten würden mit monatlich 250 EUR von jeder Partei getragen. Ohne Relevanz sei, ob das Zusammenleben vorübergehender Natur sei, da es hier nur um ein Zusammenwohnen gehe. Es bestehe keine eheähnliche Gemeinschaft und damit keine Mitwirkungspflicht von Z. Der Kläger habe seine Mitwirkungspflichten voll erfüllt, indem er sämtliche geforderten Belege vorgelegt und über alle ihm bekannten Tatsachen Auskunft erteilt habe. Er habe keinen Einblick in die Einkommens- und Vermögensverhältnisse von Z., da jede Partei über eigene Konten verfüge. Außerdem seien die Bescheide wegen Ermessensnichtgebrauchs rechtswidrig. Eine Versagung sei bei Ermessensnichtgebrauch nur rechtmäßig, wenn eine Ermessensreduzierung vorläge. Hier hätte die Beklagte jedoch eigene Ermittlungen durchführen und Z. verpflichten können, nach § 60 Abs. 4 SGB II Auskunft zu erteilen (unter Hinweis auf LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19. Juli 2007 - L 7 AS 1703/06; Sächs. LSG, Urteil vom 1. November 2007 - L 3 AS 60/07 - (beide juris)).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 19. Juni 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 28. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. September 2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid und im vorangegangenen Klageverfahren.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat Erfolg.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) ist statthaft (§ 143 SGG), Berufungsausschließungsgründe i.S.v. § 144 Abs. 1 SGG liegen nicht vor. Die Berufung ist auch begründet, denn der angefochtene Bescheid vom 28. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. September 2008 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Streitgegenstand ist allein die vom Kläger erhobene Anfechtungsklage gegen den Versagungsbescheid. Den ursprünglich zusätzlich gestellten Leistungsantrag hat der Kläger zu Recht in der mündlichen Verhandlung vor dem SG nicht mehr aufrecht erhalten, denn ein solcher Leistungsantrag wäre nicht zulässig. Nach § 54 Abs. 4 SGG kann nur dann mit der Klage auf Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig eine Leistung verlangt werden, wenn der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung betrifft, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Die Regelung setzt insoweit voraus, dass die Verwaltung über eine begehrte Leistung entschieden hat. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn der Leistungsträger die Leistung ohne abschließende Ermittlung bis zur Nachholung der Mitwirkung nach § 66 SGB I versagt. Gegen einen solchen Versagungsbescheid ist grundsätzlich nur die Anfechtungsklage eröffnet (vgl. Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-1200 § 66 Nr. 1; BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 78/08 R - (juris)). Die von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen für eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass lediglich eine isolierte Anfechtungsklage zulässig ist (vgl. hierzu BSG SozR 1200 § 66 Nr. 13; BSG SozR 4-1200 § 66 Nr. 1), liegen hier nicht vor, denn eine anderweitige Klärung der Leistungsvoraussetzungen ist zwischen den Beteiligten nicht unstreitig. Ebenso wenig droht bei einer Aufhebung der Entscheidung über die Versagung wegen fehlender Mitwirkung eine bloße Wiederholung des Verwaltungsverfahrens (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009, a.a.O.).
Nicht Gegenstand des Verfahrens geworden ist der Bescheid vom 18. August 2009, mit welchem die Leistung auf den Neuantrag vom 19. Juni 2009 - unter Vorlage der Lohnabrechnung von Z. für Juni 2009 - abgelehnt wurde. Denn dieser Bescheid, mit dem die Beklagte erstmals über den Leistungsanspruch - ablehnend - entschieden hat, betrifft nicht nur einen anderen Leistungszeitraum (vgl. BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 2 = BSGE 97, 231), sondern ändert oder ersetzt auch nicht i.S.v. § 96 Abs. 1 SGG den auf die fehlende Mitwirkung gestützten Versagungsbescheid (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Januar 2008 - L 21 R 187/05 - (juris)).
In der Sache ist der Versagungsbescheid vom 28. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. September 2008 wegen Ermessensnichtgebrauch rechtswidrig. Nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen bis zur Nachholung der Mitwirkung die Leistung ganz oder teilweise versagen, wenn derjenige, der eine Sozialleistung beantragt, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 Abs. 1 SGB I nicht nachkommt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert wird, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind.
Die Beklagte hat den Kläger vor Erlass des Versagungsbescheids nach § 66 Abs. 3 SGB I auf seine Mitwirkungspflichten unter Fristsetzung und unter Hinweis auf die Folgen der mangelnden Mitwirkung schriftlich hingewiesen. Der Umfang der Mitwirkungspflicht ergibt sich aus § 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB I. Danach hat, wer Sozialleistungen beantragt, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind. Bei einem Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II sind nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II auch leistungserheblich das Einkommen und Vermögen einer Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen (§ 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II). Für den Hilfebedürftigen besteht nur eine Verpflichtung zu solchen Angaben, die ihm selbst bekannt und von ihm auch zu leisten sind. Bei Verweigerung der Mitwirkung des Partners kann daher vom Hilfebedürftigen nicht die Vorlage von Unterlagen gefordert werden, wohl aber ungefähre Angaben (vgl. BSG SozR 1200 § 66 Nr. 13). Daneben besteht gemäß § 60 Abs. 4 SGB II die Verpflichtung der Partnerin des Klägers, der Beklagten Auskunft über ihr Einkommen und Vermögen zu erteilen.
Ob hier tatsächlich eine Verantwortungsgemeinschaft i.S.v. § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II vorliegt (vgl. hierzu die Ausführungen des Senats im Beschluss vom 18. September 2009, a.a.O.), ist letztlich nicht entscheidungserheblich, denn der Versagungsbescheid ist schon aus formellen Gründen rechtswidrig und daher aufzuheben. Denn auch wenn das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Versagung nach § 66 Abs. 1 SGB I unterstellt wird, fehlt es an einer Ermessensausübung der Beklagten.
Das Gesetz räumt den Verwaltungsträgern in § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I einen Entscheidungsspielraum ein. Gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG beschränkt sich die gerichtliche Prüfung darauf, ob die Verwaltung ihrer Pflicht zur Ermessensbetätigung nachgekommen ist (Ermessensnichtgebrauch), ob sie mit dem Ergebnis ihrer Ermessensbetätigung die Grenzen des Ermessens überschritten, d.h. eine nach dem Gesetz nicht zugelassene Rechtsfolge gesetzt (Ermessensüberschreitung) und ob sie von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (Abwägungsdefizit, Ermessensmissbrauch; vgl. BSG SozR 3-1200 § 39 Nr. 1; SozR 3-1300 § 50 Nr. 16). Dabei muss die Begründung des Bescheids ersehen lassen, welche Gesichtspunkte die Beklagte bei der Ausübung des Ermessens berücksichtigt und wie sie diese gewichtet hat (vgl. Engelmann in von Wulffen, Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), 5. Aufl., § 35 Rdnr. 6). Bei der Versagung erstreckt sich das Ermessen darauf, ob der Leistungsträger überhaupt von der Möglichkeit der Versagung Gebrauch macht, in welchem Umfang weitere Ermittlungen angestellt werden sollen (außer die leistungserheblichen Tatsachen sind von Amts wegen schlechterdings nicht ermittelbar) und ob eine Nachfrist eingeräumt wird (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19. Juli 2007 - L 7 AS 1703/06 - (juris)).
Zwar kommt eine Gewährung der Leistung trotz fehlender Mitwirkung hier nicht in Betracht, da die Leistungsvoraussetzungen nicht geklärt sind. Da es sich insoweit um keine denkbare Handlungsalternative handelt, sind Ermessenserwägungen hierzu auch nicht erforderlich. Anders ist dies jedoch bezüglich der Frage zu beurteilen, in welchem Umfang eigene Ermittlungen der Beklagten angestellt werden können und sollen. Die angefochtenen Bescheide erwähnen das Wort "Ermessen", sie lassen jedoch keinerlei Ermessenserwägungen oder Ermessensbetätigung erkennen. Im Ausgangsbescheid vom 28. August 2008 hat die Beklagte ausgeführt, "nachdem Sie Ihren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sind, müssen wir Ihren Antrag ablehnen". Dies spricht dafür, dass sich die Beklagte eines Ermessensspielraums nicht bewusst war. Am Ende des Bescheids folgt nach Ausführungen zu Indizien für eine Lebenspartnerschaft: "Nach Ausübung unseres pflichtgemäßen Ermessens sind wir aus o.g. Gründen zu der Entscheidung gelangt, dass bei Ihnen eine eheähnliche Gemeinschaft vorliegt". Ausführungen zu einem Ermessen hinsichtlich der Versagung fehlen; die Feststellung, ob eine eheähnliche Gemeinschaft vorliegt, stellt keine Ermessensentscheidung dar. Im Widerspruchsbescheid wird ausgeführt: "Da Sie sich bislang geweigert habe, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse von Z. offen zu legen, und Sie dadurch besser gestellt wären als andere Hilfeempfänger, war auch nach Ausübung unseres pflichtgemäßen Ermessens eine andere Entscheidung als die Ablehnung der Leistungen nicht möglich." Hierbei bezieht sich die Beklagte allein auf das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Versagung. Dies ist Grundlage dafür, dass überhaupt eine Ermessensentscheidung zu treffen ist, gibt jedoch nicht inhaltlich das Ergebnis der Ermessensbetätigung vor. Es wird nicht im Ansatz ersichtlich, ob die Beklagte auch nur in Erwägung gezogen hat, selbst eigene Ermittlungen vorzunehmen. Damit liegt ein Fall des Ermessensnichtgebrauchs vor.
Die Versagung wäre daher nur dann rechtmäßig, wenn eine Ermessensreduzierung auf Null und damit auf nur eine rechtmäßige Handlungsalternative der Beklagten vorläge. Dies ist indes nicht der Fall. Die Beklagte kann angesichts ihrer Überzeugung vom Vorliegen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft ohne weiteres von Z. nach § 60 Abs. 4 SGB II Auskunft über ihr Einkommen und Vermögen verlangen mittels Bescheid, der für sofort vollziehbar erklärt werden kann (vgl. auch BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 78/08 R - (juris)). Für eine Differenzierung danach, ob die Partner das Vorliegen einer Einstandsgemeinschaft einräumen oder nicht (so aber LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15. Februar 2008 - L 8 AS 3380/07 - (juris)) sieht der Senat keine Grundlage. Zwar mag bei Leugnen einer Einstandsgemeinschaft eine Durchsetzung der Auskunftspflicht nach § 60 Abs. 4 SGB II durch Verhängung eines Bußgelds nach § 63 Abs. 1 Nr. 4 SGB II oder über die Androhung von Schadenersatzansprüchen (§ 62 SGB II) wegen der erforderlichen subjektiven Voraussetzungen (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) problematisch sein (so LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15. Februar 2008, a.a.O.), hierbei wird jedoch nicht berücksichtigt, dass die Auskunftspflicht des Partners auch im Wege des Verwaltungszwangs durchgesetzt werden kann, etwa durch Androhung eines Zwangsgelds (§ 11 Abs. 1 Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz). Angesichts der nahe liegenden eigenen Ermittlungsmöglichkeiten der Beklagten kann jedenfalls keine Rede davon sein, dass als allein rechtmäßige Entscheidung hier eine Versagung in Betracht kommt, zumal der Kläger geltend gemacht hat, keine genaue Kenntnis von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Z. zu haben (so bereits Senatsbeschluss vom 18. September 2009 - L 12 AS 3633/09 ER-B).
Die Beklagte wird daher hier im Einzelfall im Wege des Ermessens zu entscheiden haben, ob und in welchem Umfang weitere Ermittlungen von Amts wegen durchzuführen sind. Der Senat ist insoweit nicht berechtigt, sein Ermessen an die Stelle desjenigen der Verwaltung zu setzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Die Beklagte erstattet die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Versagung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) wegen fehlender Mitwirkung.
Der 1958 geborene Kläger bezog bis 23. Juni 2008 Arbeitslosengeld. Er lebt zusammen mit Frau A. Z. (Z.) in einem Einfamilienhaus, welches beide im November 2005 ersteigert haben (Eigentum jeweils zu ½). Seit dem 29. Dezember 2005 sind beide dort polizeilich gemeldet.
Am 2. Juli 2008 beantragte der Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Er legte eine zwischen ihm und Z. unter dem Datum vom 20. Juli 2007 getroffene schriftliche Vereinbarung vor, wonach im Rahmen des Zusammenlebens in der S.gasse 5 in S. jede Partei ihre eigenen Konten führe und keine Berechtigung habe, über das Einkommen und Vermögen der anderen zu verfügen. Tatsächliche freiwillige Leistungen würden nicht erbracht. Sollte eine Partei in Not geraten, werde die andere auf keinen Fall finanziell einstehen.
Mit Schreiben vom 17. Juli 2008 forderte die Beklagte den Kläger zur Vorlage von Unterlagen über die Vermögens- und Einkommenssituation von Z. auf. Nachdem der Kläger die Ansicht vertrat, es liege keine Bedarfsgemeinschaft vor, setzte ihm die Beklagte eine Frist zur Vorlage der Unterlagen bis 20. August 2008 und wies ihn auf die Rechtsfolgen des § 66 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) hin. Am 23. August 2008 wurde vom Außendienst der Beklagten ein Hausbesuch beim Kläger durchgeführt. Mit Bescheid vom 28. August 2008 versagte die Beklagte sodann die Leistungen, da der Kläger seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sei. Zur Beurteilung des Leistungsanspruchs würden auch Unterlagen und Angaben von Z. benötigt.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, es bestehe keine Bedarfsgemeinschaft zwischen ihm und Z. Es gehe daher nicht zu seinen Lasten, dass Z. die angeforderten Unterlagen nicht vorgelegt habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26. September 2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II sei hinsichtlich des Willens, füreinander einzustehen, ein objektiver Maßstab anzulegen, die subjektive Sicht sei nicht ausschlaggebend. Durch das lange Zusammenleben sei einer der Vermutungstatbestände des § 7 Abs. 3a SGB II erfüllt. Zur Berechnung eines Leistungsanspruchs sei daher unabdingbar, auch die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Z. heranzuziehen. Da sich der Kläger bislang geweigert habe, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse von Z. offen zu legen, und er dadurch besser gestellt wäre als andere Hilfeempfänger, sei auch nach Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens eine andere Entscheidung als die Ablehnung der Leistung nicht möglich.
Hiergegen hat der Kläger am 27. Oktober 2008 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) mit der Begründung erhoben, dass keine Bedarfsgemeinschaft vorliege. Es fehle bereits am Merkmal der Haushaltsgemeinschaft, da selbstständig und getrennt gewirtschaftet werde. Eine finanzielle Unterstützung durch den anderen finde nicht statt.
In der mündlichen Verhandlung hat das SG Beweis erhoben durch Vernehmung der Z. sowie des den Hausbesuch durchführenden Mitarbeiters der Beklagten (V.) als Zeugen. Sodann hat es mit Urteil vom 19. Juni 2009 die Klage abgewiesen. Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheids sei § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I. Danach könne der Leistungsträger die Leistung versagen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen seien, wenn derjenige, der eine Sozialleistung beantrage, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 SGB I nicht nachkomme und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert werde. Nach § 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB II habe, wer Sozialleistungen beantrage, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich seien. Bei Leistungen nach dem SGB II seien leistungserheblich auch das Einkommen und Vermögen einer Person, mit der der Antragsteller in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebe, denn nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II sei bei Feststellung der Bedürftigkeit auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Erfüllten weder der Partner noch der Hilfebedürftige ihre Mitwirkungspflicht, könne die Leistung nach § 66 Abs. 1 SGB I versagt werden. Dabei müsse sich der Kläger die fehlende Mitwirkung seines Partners zurechnen lassen (unter Hinweis auf Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 15. Februar 2008 - L 8 AS 3380/07 - (juris)). Das SG sei davon überzeugt, dass der Kläger und Z. eine Bedarfsgemeinschaft bildeten. Die Beklagte habe von ihrem Ermessen nach § 66 Abs. 1 SGB I in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht. Der Leistungsträger müsse insoweit nur darüber befinden, ob und in welchem Umfang der Sachverhalt trotz Verletzung der Mitwirkungspflicht weiter aufgeklärt werden könne und solle. Die Beklagte sei insbesondere nicht verpflichtet gewesen, auf der Grundlage von § 60 Abs. 4 SGB II ein Auskunftsverlangen an Z. zu richten. Etwas anderes könne nur dann gelten, wenn der Kläger das Vorliegen einer Einstandsgemeinschaft bestätigt hätte, Z. sich aber weigere, die erforderliche Auskunft zu erteilen. Vorliegend hätten sowohl der Kläger wie auch Z. das Vorliegen einer Einstandsgemeinschaft ausdrücklich verneint und damit die Durchsetzung des Auskunftsanspruchs wenn nicht vereitelt, so doch erheblich erschwert. Ohne Kenntnis der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Z. sei nicht festzustellen, ob der Kläger einen Anspruch auf die beantragten Leistungen habe.
Am 23. Juni 2009 stellte der Kläger beim SG Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, welchen das SG mit Beschluss vom 1. Juli 2009 ablehnte (S 17 AS 3106/09 ER). Die hiergegen eingelegte Beschwerde wies der Senat mit Beschluss vom 18. September 2009 zurück (L 12 AS 3633/09 ER-B). Unter Zugrundelegung einer voraussichtlich anzunehmenden Bedarfsgemeinschaft lasse sich Hilfebedürftigkeit des Klägers nach § 9 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB II nicht feststellen.
Gegen das ihm am 27. Juni 2009 zugestellte Urteil richtet sich die am 25. Juli 2009 eingelegte Berufung des Klägers. Es bestehe schon keine eheähnliche Gemeinschaft. Die Vermutungsregelung des § 7 Abs. 3a SGB II hinsichtlich der Einstandsgemeinschaft greife nur dann, wenn ein gemeinsamer Haushalt vorliege. Ein Wirtschaften aus einem Topf sei hier nicht gegeben. Die Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft sei von vornherein ausgeschlossen, wenn der vermögende Partner erkläre, den Hilfeempfänger nicht zu unterstützen. Der gemeinsame Hauserwerb rechtfertige nicht die Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft. Der Kauf des Hauses sei eine äußerst günstige Gelegenheit gewesen und aus rein wirtschaftlichen Erwägungen erfolgt, um preisgünstig zu wohnen. Das Haus sei schuldenfrei, die laufenden Kosten würden mit monatlich 250 EUR von jeder Partei getragen. Ohne Relevanz sei, ob das Zusammenleben vorübergehender Natur sei, da es hier nur um ein Zusammenwohnen gehe. Es bestehe keine eheähnliche Gemeinschaft und damit keine Mitwirkungspflicht von Z. Der Kläger habe seine Mitwirkungspflichten voll erfüllt, indem er sämtliche geforderten Belege vorgelegt und über alle ihm bekannten Tatsachen Auskunft erteilt habe. Er habe keinen Einblick in die Einkommens- und Vermögensverhältnisse von Z., da jede Partei über eigene Konten verfüge. Außerdem seien die Bescheide wegen Ermessensnichtgebrauchs rechtswidrig. Eine Versagung sei bei Ermessensnichtgebrauch nur rechtmäßig, wenn eine Ermessensreduzierung vorläge. Hier hätte die Beklagte jedoch eigene Ermittlungen durchführen und Z. verpflichten können, nach § 60 Abs. 4 SGB II Auskunft zu erteilen (unter Hinweis auf LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19. Juli 2007 - L 7 AS 1703/06; Sächs. LSG, Urteil vom 1. November 2007 - L 3 AS 60/07 - (beide juris)).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 19. Juni 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 28. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. September 2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid und im vorangegangenen Klageverfahren.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat Erfolg.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) ist statthaft (§ 143 SGG), Berufungsausschließungsgründe i.S.v. § 144 Abs. 1 SGG liegen nicht vor. Die Berufung ist auch begründet, denn der angefochtene Bescheid vom 28. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. September 2008 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Streitgegenstand ist allein die vom Kläger erhobene Anfechtungsklage gegen den Versagungsbescheid. Den ursprünglich zusätzlich gestellten Leistungsantrag hat der Kläger zu Recht in der mündlichen Verhandlung vor dem SG nicht mehr aufrecht erhalten, denn ein solcher Leistungsantrag wäre nicht zulässig. Nach § 54 Abs. 4 SGG kann nur dann mit der Klage auf Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig eine Leistung verlangt werden, wenn der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung betrifft, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Die Regelung setzt insoweit voraus, dass die Verwaltung über eine begehrte Leistung entschieden hat. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn der Leistungsträger die Leistung ohne abschließende Ermittlung bis zur Nachholung der Mitwirkung nach § 66 SGB I versagt. Gegen einen solchen Versagungsbescheid ist grundsätzlich nur die Anfechtungsklage eröffnet (vgl. Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-1200 § 66 Nr. 1; BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 78/08 R - (juris)). Die von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen für eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass lediglich eine isolierte Anfechtungsklage zulässig ist (vgl. hierzu BSG SozR 1200 § 66 Nr. 13; BSG SozR 4-1200 § 66 Nr. 1), liegen hier nicht vor, denn eine anderweitige Klärung der Leistungsvoraussetzungen ist zwischen den Beteiligten nicht unstreitig. Ebenso wenig droht bei einer Aufhebung der Entscheidung über die Versagung wegen fehlender Mitwirkung eine bloße Wiederholung des Verwaltungsverfahrens (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009, a.a.O.).
Nicht Gegenstand des Verfahrens geworden ist der Bescheid vom 18. August 2009, mit welchem die Leistung auf den Neuantrag vom 19. Juni 2009 - unter Vorlage der Lohnabrechnung von Z. für Juni 2009 - abgelehnt wurde. Denn dieser Bescheid, mit dem die Beklagte erstmals über den Leistungsanspruch - ablehnend - entschieden hat, betrifft nicht nur einen anderen Leistungszeitraum (vgl. BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 2 = BSGE 97, 231), sondern ändert oder ersetzt auch nicht i.S.v. § 96 Abs. 1 SGG den auf die fehlende Mitwirkung gestützten Versagungsbescheid (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Januar 2008 - L 21 R 187/05 - (juris)).
In der Sache ist der Versagungsbescheid vom 28. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. September 2008 wegen Ermessensnichtgebrauch rechtswidrig. Nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen bis zur Nachholung der Mitwirkung die Leistung ganz oder teilweise versagen, wenn derjenige, der eine Sozialleistung beantragt, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 Abs. 1 SGB I nicht nachkommt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert wird, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind.
Die Beklagte hat den Kläger vor Erlass des Versagungsbescheids nach § 66 Abs. 3 SGB I auf seine Mitwirkungspflichten unter Fristsetzung und unter Hinweis auf die Folgen der mangelnden Mitwirkung schriftlich hingewiesen. Der Umfang der Mitwirkungspflicht ergibt sich aus § 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB I. Danach hat, wer Sozialleistungen beantragt, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind. Bei einem Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II sind nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II auch leistungserheblich das Einkommen und Vermögen einer Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen (§ 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II). Für den Hilfebedürftigen besteht nur eine Verpflichtung zu solchen Angaben, die ihm selbst bekannt und von ihm auch zu leisten sind. Bei Verweigerung der Mitwirkung des Partners kann daher vom Hilfebedürftigen nicht die Vorlage von Unterlagen gefordert werden, wohl aber ungefähre Angaben (vgl. BSG SozR 1200 § 66 Nr. 13). Daneben besteht gemäß § 60 Abs. 4 SGB II die Verpflichtung der Partnerin des Klägers, der Beklagten Auskunft über ihr Einkommen und Vermögen zu erteilen.
Ob hier tatsächlich eine Verantwortungsgemeinschaft i.S.v. § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II vorliegt (vgl. hierzu die Ausführungen des Senats im Beschluss vom 18. September 2009, a.a.O.), ist letztlich nicht entscheidungserheblich, denn der Versagungsbescheid ist schon aus formellen Gründen rechtswidrig und daher aufzuheben. Denn auch wenn das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Versagung nach § 66 Abs. 1 SGB I unterstellt wird, fehlt es an einer Ermessensausübung der Beklagten.
Das Gesetz räumt den Verwaltungsträgern in § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I einen Entscheidungsspielraum ein. Gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG beschränkt sich die gerichtliche Prüfung darauf, ob die Verwaltung ihrer Pflicht zur Ermessensbetätigung nachgekommen ist (Ermessensnichtgebrauch), ob sie mit dem Ergebnis ihrer Ermessensbetätigung die Grenzen des Ermessens überschritten, d.h. eine nach dem Gesetz nicht zugelassene Rechtsfolge gesetzt (Ermessensüberschreitung) und ob sie von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (Abwägungsdefizit, Ermessensmissbrauch; vgl. BSG SozR 3-1200 § 39 Nr. 1; SozR 3-1300 § 50 Nr. 16). Dabei muss die Begründung des Bescheids ersehen lassen, welche Gesichtspunkte die Beklagte bei der Ausübung des Ermessens berücksichtigt und wie sie diese gewichtet hat (vgl. Engelmann in von Wulffen, Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), 5. Aufl., § 35 Rdnr. 6). Bei der Versagung erstreckt sich das Ermessen darauf, ob der Leistungsträger überhaupt von der Möglichkeit der Versagung Gebrauch macht, in welchem Umfang weitere Ermittlungen angestellt werden sollen (außer die leistungserheblichen Tatsachen sind von Amts wegen schlechterdings nicht ermittelbar) und ob eine Nachfrist eingeräumt wird (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19. Juli 2007 - L 7 AS 1703/06 - (juris)).
Zwar kommt eine Gewährung der Leistung trotz fehlender Mitwirkung hier nicht in Betracht, da die Leistungsvoraussetzungen nicht geklärt sind. Da es sich insoweit um keine denkbare Handlungsalternative handelt, sind Ermessenserwägungen hierzu auch nicht erforderlich. Anders ist dies jedoch bezüglich der Frage zu beurteilen, in welchem Umfang eigene Ermittlungen der Beklagten angestellt werden können und sollen. Die angefochtenen Bescheide erwähnen das Wort "Ermessen", sie lassen jedoch keinerlei Ermessenserwägungen oder Ermessensbetätigung erkennen. Im Ausgangsbescheid vom 28. August 2008 hat die Beklagte ausgeführt, "nachdem Sie Ihren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sind, müssen wir Ihren Antrag ablehnen". Dies spricht dafür, dass sich die Beklagte eines Ermessensspielraums nicht bewusst war. Am Ende des Bescheids folgt nach Ausführungen zu Indizien für eine Lebenspartnerschaft: "Nach Ausübung unseres pflichtgemäßen Ermessens sind wir aus o.g. Gründen zu der Entscheidung gelangt, dass bei Ihnen eine eheähnliche Gemeinschaft vorliegt". Ausführungen zu einem Ermessen hinsichtlich der Versagung fehlen; die Feststellung, ob eine eheähnliche Gemeinschaft vorliegt, stellt keine Ermessensentscheidung dar. Im Widerspruchsbescheid wird ausgeführt: "Da Sie sich bislang geweigert habe, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse von Z. offen zu legen, und Sie dadurch besser gestellt wären als andere Hilfeempfänger, war auch nach Ausübung unseres pflichtgemäßen Ermessens eine andere Entscheidung als die Ablehnung der Leistungen nicht möglich." Hierbei bezieht sich die Beklagte allein auf das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Versagung. Dies ist Grundlage dafür, dass überhaupt eine Ermessensentscheidung zu treffen ist, gibt jedoch nicht inhaltlich das Ergebnis der Ermessensbetätigung vor. Es wird nicht im Ansatz ersichtlich, ob die Beklagte auch nur in Erwägung gezogen hat, selbst eigene Ermittlungen vorzunehmen. Damit liegt ein Fall des Ermessensnichtgebrauchs vor.
Die Versagung wäre daher nur dann rechtmäßig, wenn eine Ermessensreduzierung auf Null und damit auf nur eine rechtmäßige Handlungsalternative der Beklagten vorläge. Dies ist indes nicht der Fall. Die Beklagte kann angesichts ihrer Überzeugung vom Vorliegen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft ohne weiteres von Z. nach § 60 Abs. 4 SGB II Auskunft über ihr Einkommen und Vermögen verlangen mittels Bescheid, der für sofort vollziehbar erklärt werden kann (vgl. auch BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 78/08 R - (juris)). Für eine Differenzierung danach, ob die Partner das Vorliegen einer Einstandsgemeinschaft einräumen oder nicht (so aber LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15. Februar 2008 - L 8 AS 3380/07 - (juris)) sieht der Senat keine Grundlage. Zwar mag bei Leugnen einer Einstandsgemeinschaft eine Durchsetzung der Auskunftspflicht nach § 60 Abs. 4 SGB II durch Verhängung eines Bußgelds nach § 63 Abs. 1 Nr. 4 SGB II oder über die Androhung von Schadenersatzansprüchen (§ 62 SGB II) wegen der erforderlichen subjektiven Voraussetzungen (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) problematisch sein (so LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15. Februar 2008, a.a.O.), hierbei wird jedoch nicht berücksichtigt, dass die Auskunftspflicht des Partners auch im Wege des Verwaltungszwangs durchgesetzt werden kann, etwa durch Androhung eines Zwangsgelds (§ 11 Abs. 1 Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz). Angesichts der nahe liegenden eigenen Ermittlungsmöglichkeiten der Beklagten kann jedenfalls keine Rede davon sein, dass als allein rechtmäßige Entscheidung hier eine Versagung in Betracht kommt, zumal der Kläger geltend gemacht hat, keine genaue Kenntnis von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Z. zu haben (so bereits Senatsbeschluss vom 18. September 2009 - L 12 AS 3633/09 ER-B).
Die Beklagte wird daher hier im Einzelfall im Wege des Ermessens zu entscheiden haben, ob und in welchem Umfang weitere Ermittlungen von Amts wegen durchzuführen sind. Der Senat ist insoweit nicht berechtigt, sein Ermessen an die Stelle desjenigen der Verwaltung zu setzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
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