Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AS 1161/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 AS 4061/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 13. August 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht ein Anspruch auf Mehrbedarf beim Lebensunterhalt wegen kostenaufwändiger Ernährung bei Diabetes mellitus Typ IIa, Hypercholesterinämie und arterieller Hypertonie.
Der im September 1945 geborene Kläger italienischer Staatsangehörigkeit bezieht seit 1. Januar 2005 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Ihm wurden bis 31. Dezember 2006 Leistungen nach dem SGB II einschließlich eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 51,13 EUR monatlich bewilligt. Mit Bescheid vom 4. Dezember 2006 wurden Leistungen für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Mai 2007 ohne den Mehrbedarf bewilligt und mit weiterem Bescheid vom 9. Januar 2007 die Übernahme eines Mehrbedarfszuschlags durch die Beklagte abgelehnt, da aus ärztlicher Sicht (der ärztliche Dienst der Beklagten hat in seiner Stellungnahme vom 19. Dezember 2006 einen Mehrbedarf verneint) eine kostenaufwändigere Ernährung nicht erforderlich sei. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 8. Februar 2007 zurückgewiesen. Mit Bescheid vom 16. April 2007 wurden dem Kläger Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 1. Juni bis 30. September 2007 ohne Zuschlag bewilligt. Dieser Bescheid, mit ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung versehen, wurde bestandskräftig.
Mit der am 14. Februar 2007 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt und u.a. ausgeführt, er müsse wegen seiner Erkrankungen Tabletten nehmen und sich auch besser ernähren. Das SG hat den behandelnden Arzt für Allgemeinmedizin M. als sachverständigen Zeugen befragt. In seiner Stellungnahme vom 12. April 2007 (mit Arztbriefen in Anlage) hat dieser ausgeführt, der Kläger leide u.a. an Diabetes mellitus Typ II (Erstdiagnose 1990), arterieller Hypertonie (Erstdiagnose 2002) und linksventrikulärer Hypertrophie (2004). Der Kläger sei normalgewichtig. Wegen der Diabetes sei der Kläger gehalten, eine entsprechende Kost als Basismaßnahme einzuhalten; auch solle auf eine cholesterinarme Ernährung geachtet werden.
Mit Urteil vom 13. August 2007 hat das SG die Klage abgewiesen, gestützt auf die Aussage des behandelnden Arztes, die Stellungnahme des Ausschusses für Ernährung der Deutschen Diabetologischen Gesellschaft vom 1. Oktober 2004 und die Ausführungen im Rationalisierungsschema 2004 des Bundesverbandes Deutscher Ernährungsmediziner e.V. Die in der Empfehlung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge, Stand 1997, vertretene Auffassung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs werde nicht geteilt.
Dagegen hat der Kläger persönlich am 20. August 2007 Berufung eingelegt, seine Bevollmächtigte hat sich mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2007 legitimiert. Zur Begründung hat er vorgetragen, die Empfehlungen des Deutschen Vereins, Stand 1997, sähen für seine Erkrankungen des Klägers einen Mehrbedarf vor. Darüber hinaus habe er nie geltend gemacht, spezielle Diabetikerprodukte zu benötigen. Vielmehr esse er täglich frisches Obst und Gemüse und andere hochwertige Nahrungsmittel, die einen finanziellen Mehrbedarf bedingten. Vorgelegt hat der Kläger weiter das Attest des Arztes M. vom 26. März 2009, wonach der Kläger aus ärztlicher Sicht auf eine zuckerarme, kochsalzreduzierte und fettarme Kost achten solle. Dies sei mit einer Ernährung "aus dem Discounter" nicht zu leisten; insbesondere müsse der Kläger auf viele Fertig- und Halbfertigprodukte verzichten, die es in Supermärkten gebe. Vielmehr müsse er in verschiedenen Geschäften einkaufen und auch weitestgehend auf eine Küche aus der Mikrowelle oder Tüte verzichten.
Die Berufung hatte das Landessozialgericht (LSG) mit Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vom 16. April 2009 als unbegründet zurückgewiesen. Auf die daraufhin eingelegte Revision (Az.: B 14 AS 52/09 B) hat das Bundessozialgericht (BSG) mit Beschluss vom 20. August 2009 den Beschluss des LSG aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückgewiesen, da der Beschluss vor Ablauf der dem Kläger mitgeteilten Äußerungsfrist zum 30. April 2009 ergangen und damit der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden sei.
Im laufenden Berufungsverfahren hat der Kläger ausgeführt, das BSG habe in seiner Entscheidung vom 27. Februar 2008 (B 14/ b AS 32/06 R) ausgeführt, dass die Empfehlungen des Deutschen Vereins nicht von der Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhalts im Einzelfall befreiten. Beim Kläger, der neben Diabetes auch an Hyperlipidämie und Hypertonie leide, sei allein Vollkost nicht indiziert. Vielmehr habe der behandelnde Arzt M. eine zuckerarme, kochsalzreduzierte und fettarme Kost empfohlen. Dies würde auch bedeuten, dass sich der Kläger kohlehydratarm ernähren müsse, was einen Mehrbedarf bedinge.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 13. August 2007 sowie den Bescheid vom 9. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Februar 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung aus medizinischen Gründen in Höhe von 51,13 EUR monatlich auch ab dem 1.1.2007 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung im Wesentlichen auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Kläger den Diabetikerausweis, ausgestellt vom Diabetologen B. am 28. Januar 2010, vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Leistungen wegen des geltend gemachten ernährungsbedingten Mehrbedarfs.
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist allein die Ablehnung des Mehrbedarfszuschlags durch Bescheid vom 9. Januar 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Februar 2007. Es handelt sich jedenfalls dann um einen von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Übrigen abtrennbaren Streitgegenstand, wenn - wie hier - über den Anspruch auf Mehrbedarf in einem gesonderten Bescheid entschieden worden ist und die Leistungsbescheide für die die Ablehnung umfassenden weiteren Leistungszeiträume lediglich die im Ablehnungsbescheid ausgesprochene Versagung umsetzen (vgl. Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 27. August 2009 - L 3 AS 245/08; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12. März 2008 - L 12 AS 43/06; zur Abtrennbarkeit von Streitgegenständen allgemein BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R = BSGE 97, 217). Dieser Rechtsauffassung steht nicht die Auffassung des BSG entgegen, wonach Mehrbedarfe nach § 21 SGB II Bestandteil der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sind (vgl. BSG, Urteil vom 2. Juli 2009 - B 14 AS 54/08 R; Urteil vom 3. März 2009 - B 4 AS 50/07 R). Denn in den den Entscheidungen des BSG zugrunde liegenden Verfahren hatte der Grundsicherungsträger keinen gesonderten Bescheid über die Ablehnung des Mehrbedarfs erlassen, sondern Grundsicherungsleistungen lediglich in verminderter Höhe bewilligt und zur Begründung ausgeführt, Mehrbedarfe stünden nicht zu. In diesen Fällen kann die Frage der Abtrennbarkeit der Streitgegenstände abweichend beurteilt werden.
Im Fall ablehnender Verwaltungsentscheidungen erstreckt sich der streitige Zeitraum in der Regel bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht (vgl. BSG, Urteil vom 7. Mai 2009 - B 14 AS 41/07 R unter Verweis auf BSG, Urteil vom 23. November 2006 - B 11b AS 1/06 R = BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr. 3, Urteil vom 16. Mai 2007 - B 11b AS 37/06 R = BSGE 98, 243 = SozR 4-4200 § 12 Nr. 4, Urteil vom 31. Oktober 2007 - B 14/11b AS 59/06 R = NJW 2008, 2458 und vom 15. April 2008 - B 14/7b AS 52/06 R = FEVS 60, 297), da der Kläger fortlaufend im Leistungsbezug steht.
Die Berufung ist unbegründet. Dem Kläger steht ein Mehrbedarf zum Lebensunterhalt wegen kostenaufwändiger Ernährung aus medizinischen Gründen nicht zu.
Erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, erhalten einen Mehrbedarf in angemessener Höhe (§ 21 Abs. 5 SGB II).
Aufgrund der beim Kläger bestehenden Erkrankungen besteht aus medizinischen Gründen kein ernährungsbedingter Mehrbedarf.
Dies ergibt sich für den Senat zum einen schon aus den Bescheinigungen des behandelnden Allgemeinmediziners M., der dem Kläger zu einer zuckerarmen, kochsalzreduzierten und fettarmen Kost rät. Diese Ernährungsempfehlungen für den normalgewichtigen Kläger lassen den Schluss auf einen aus medizinischen Gründen bestehenden ernährungsbedingten Mehrbedarf nicht zu. Vielmehr legen sie lediglich nahe, dass sich der Kläger bewusst und möglichst unter Verzicht auf vorgefertigte Lebensmittel (Halb- oder Fertigprodukte) und somit vollwertig ernähren soll. Wenn sein Bevollmächtigter daraus den Schluss zieht, eine Ernährung unter Verzicht auf entsprechende Fertigprodukte sei schon per se mit einem finanziellen Mehraufwand verbunden, überzeugt dies nicht. Denn es ist es eine allgemeinkundige Tatsache, dass gerade Fertig- und Halbfertiggerichte im Vergleich zu frischen Lebensmitteln gleich teuer wenn nicht gar teurer sind. Auch ist es dem Kläger, der keiner Erwerbstätigkeit nachgeht, zumutbar, seine Lebensmittel bei verschiedenen Geschäften zu kaufen, auch auf - saisonale - Angebote zu achten und sich aus frischen Waren die für ihn geeignete Nahrung zuzubereiten. Soweit noch das ärztliche Attest des Arztes M. vom 16. März 2009 vorgelegt worden ist, in welchem dem Kläger eine spezielle Diätkost empfohlen wird, setzt sich diese Bescheinigung nicht nur mit dem Inhalt der vom gleichen Arzt ausgestellten weiteren Bescheinigungen, z.B. vom 26. März 2009 in Widerspruch. Vielmehr lässt die Bescheinigung vom 19. März 2009 auch nicht erkennen, aufgrund welcher Diagnosen und ärztlichen Erkenntnisse die von ihm bescheinigte Diätkost tatsächlich erforderlich ist.
Soweit der Kläger im Oktober 2009 hat vortragen lassen, er habe am 26. Oktober 2009 einen Termin bei seinem Diabetologen, der den Zweck habe festzustellen, in welcher Form aktuell die Ernährung des Klägers eingestellt werden sollte, gab dieser Vortrag keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen. Der Kläger hat danach kein Attest des Diabetologen vorgelegt und auch nichts vorgetragen, was einen Anhaltspunkt dafür geben könnte, dass ihm dieser tatsächlich zu einer kostenaufwändigeren Nahrung geraten hätte. Der vorgelegte Diabetikerausweis des Diabetologen B. vom 28. Januar 2010 listet nur die bekannten und vom Kläger auch im Termin zur mündlichen Verhandlung erneut bestätigten Erkrankungen auf, ohne zu der hier streitigen Frage eine Aussage zu treffen.
Zum anderen ist aufgrund der Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge, Stand 1. Oktober 2008, ein ernährungsbedingter Mehrbedarf bei den Erkrankungen des Klägers nicht anzunehmen; der noch in den Empfehlungen des Vereins, Stand 1997 eingenommene Standpunkt, dem sich das SG in seiner Entscheidung zu Recht nicht angeschlossen hatte, wurde darin revidiert. Danach (vgl. Ziff. 4 ff der Empfehlungen) ist u.a. bei Diabetes mellitus gleich welchen Typs, Hypercholesterinämie (Hyperlipidämie) und arterieller Hypertonie ein krankheitsbedingt erhöhter Mehrbedarf zu verneinen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass der auf der Grundlage der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003 (EVS 2003) bemessene Regelsatz den notwendigen Aufwand für eine Vollkost deckt. Diese überarbeitete Empfehlung deckt sich im Übrigen mit den vom SG zur Stützung seiner Entscheidung herangezogenen weiteren Empfehlungen bzw. fachkundigen Äußerungen mit entsprechenden Fragen befasster Stellen.
Ob es sich bei den Empfehlungen des Deutschen Vereins um ein antizipiertes Sachverständigengutachten handelt (bejahend: LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 19.12.2008, L 8 B 386/08 und Urteil vom 09.03.2009 – L 8 AS 68/08, Juris; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 03 02.2009 - L 9 B 339/08 AS, sowie (jeweils zum SGB XII) Hessisches LSG vom 22.12.2008 - L 7 SO 7/08 B ER - und LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 22.01.2009 - L 8 SO 32/07, jeweils Juris) und ob insoweit eine Abweichung von der Entscheidung des BSG vom 27. Februar 2008 (B 14/7b AS 64/06 R, zitiert nach Juris) vorliegt, konnte vorliegend offen bleiben. Die Empfehlungen des Deutschen Vereins haben nach der aktuellen Rechtsprechung des BSG jedenfalls den Charakter einer Orientierungshilfe. Sie können im Regelfall zur Feststellung des angemessenen Mehrbedarfes i.S. von § 21 Abs. 5 SGB II herangezogen werden (Urteile des BSG vom 27.02.2008 - B 14/7b AS 64/06 R- sowie B 14/7b AS 32/06 R -; Urteil des BSG vom 25.04.2008 - B 14/11b AS 3/07 R -, jeweils Juris). Die Empfehlungen gelten nur dann nicht, wenn im Einzelfall anzustellende Ermittlungen Hinweise auf einen von den Empfehlungen abweichenden Mehrbedarf ergeben (BSG, Urteil vom 27.02.2008, a.a.0.). Abweichungen von den Empfehlungen sind auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts begründungsbedürftig (Beschluss vom 20.06.2006 - 1 BvR 2673/05 -, LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12.11.2008 - L 19 AS 47/08 – jeweils Juris).
Entsprechende Abweichungen haben jedoch die angestellten Ermittlungen gerade nicht ergeben. Denn auch nach den medizinischen Ermittlungen im Verwaltungs- und Klageverfahren sowie der vom Kläger im Berufungsverfahren ergänzend vorgelegten ärztlichen Bescheinigung ist aus medizinischen Gesichtspunkten bei ihm eine andere als Vollkost nicht geboten. Daran ändern auch die Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 2. November 2009 nichts, wonach aufgrund der Entscheidung des BSG vom 27. Februar 2008 in jedem Fall Ermittlungen im Einzelfall durchzuführen seien. Gerade diese haben durch die vorgelegten Bescheinigungen der behandelnden Ärzte belegt, dass die beim Kläger bestehenden Krankheiten, die auch in ihrer Kombination aus ärztlicher Sicht keine Abweichung von einer Vollkosternährung rechtfertigen, keinen Mehraufwand bedingen.
Der Senat hat auch keine Veranlassung, die Empfehlungen 2008 für Sachverhalte, die vor dem 01.10.2008 liegen, außer Betracht zu lassen. Sie stellen für den streitgegenständlichen Zeitraum eine tragfähige Bewertungsgrundlage dar (ebenso LSG Niedersachsen - Bremen, Urteil vom 22.01.2009 - L 8 SO 32/07; Bayerisches LSG, Urteil vom 23. April 2009 - L 11 AS 124/08, beide zitiert nach Juris). Auch wenn die Empfehlungen erst am 01.10.2008 durch den Deutschen Verein verabschiedet worden sind, fassen sie die ernährungsmedizinischen und ernährungswissenschaftlichen Erkenntnisse der letzten Jahre seit dem BDME - Rationalisierungsschema 2004 bzw. dem Begutachtungsleitfaden des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe aus dem Jahr 2002 zusammen und vollziehen diese nach. Sie stellen daher den aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Kenntnisstand zur Frage eines ernährungsbedingten Mehraufwands dar und haben deshalb auch keinen rechtsnormähnlichen Charakter, der möglicherweise einer Anwendung auf Sachverhalte vor dem 1. Oktober 2008 entgegen stehen könnte (so auch so auch Sächsisches LSG, Urteile vom 27. August 2009 - L 3 AS 245/08 und vom 26. Februar 2009 – L 2 AS 152/07; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 19. Dezember 2008 - L 8 B 386/08, jeweils zitiert nach Juris).
Angesichts der weiteren Darlegungen in den aktuellen Empfehlungen ist der Senat des Weiteren der Überzeugung, dass bei einer preisbewussten Einkaufsweise, die frische, insbesondere saisonale Produkte nicht ausschließt, eine vollwertige Ernährung mit ca. 4,- EUR täglich zu finanzieren ist und den Mindestaufwand für Vollkost abdeckt (Grundlage: "Wissenschaftliche Ausarbeitung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zum Thema `Lebensmittelkosten für eine vollwertige Ernährung, April 2008"). Insoweit konnten die Einwände des Klägers, zuletzt im Berufungsverfahren, wonach ihm durch den aufgrund seiner Erkrankungen verwehrten Griff zu Fertignahrung oder der Notwendigkeit eines erhöhten Verzehrs von Seefisch Mehraufwendungen entstünden, nicht überzeugen. Soweit der Bevollmächtigte zuletzt im Termin zur mündliche Verhandlung vorgetragen hat, die Notwendigkeit, zuckerarm zu essen bedinge den weitgehenden Verzicht auch auf Kohlehydrate, was einer Vollkost entgegen stehe, mangelt es für diese Behauptung an einer ernährungswissenschaftlichen Begründung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Eine Kostentragung der Beklagten für das Revisionsverfahren war nicht anzuordnen, da der formelle Erfolg des Klägers auf einem Versehen des Gerichts bei der Beschlussfassung nach § 153 Abs. 4 SGG beruhte und eine Kostentragung der Beklagten insoweit unbillig wäre.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht ein Anspruch auf Mehrbedarf beim Lebensunterhalt wegen kostenaufwändiger Ernährung bei Diabetes mellitus Typ IIa, Hypercholesterinämie und arterieller Hypertonie.
Der im September 1945 geborene Kläger italienischer Staatsangehörigkeit bezieht seit 1. Januar 2005 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Ihm wurden bis 31. Dezember 2006 Leistungen nach dem SGB II einschließlich eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 51,13 EUR monatlich bewilligt. Mit Bescheid vom 4. Dezember 2006 wurden Leistungen für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Mai 2007 ohne den Mehrbedarf bewilligt und mit weiterem Bescheid vom 9. Januar 2007 die Übernahme eines Mehrbedarfszuschlags durch die Beklagte abgelehnt, da aus ärztlicher Sicht (der ärztliche Dienst der Beklagten hat in seiner Stellungnahme vom 19. Dezember 2006 einen Mehrbedarf verneint) eine kostenaufwändigere Ernährung nicht erforderlich sei. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 8. Februar 2007 zurückgewiesen. Mit Bescheid vom 16. April 2007 wurden dem Kläger Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 1. Juni bis 30. September 2007 ohne Zuschlag bewilligt. Dieser Bescheid, mit ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung versehen, wurde bestandskräftig.
Mit der am 14. Februar 2007 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt und u.a. ausgeführt, er müsse wegen seiner Erkrankungen Tabletten nehmen und sich auch besser ernähren. Das SG hat den behandelnden Arzt für Allgemeinmedizin M. als sachverständigen Zeugen befragt. In seiner Stellungnahme vom 12. April 2007 (mit Arztbriefen in Anlage) hat dieser ausgeführt, der Kläger leide u.a. an Diabetes mellitus Typ II (Erstdiagnose 1990), arterieller Hypertonie (Erstdiagnose 2002) und linksventrikulärer Hypertrophie (2004). Der Kläger sei normalgewichtig. Wegen der Diabetes sei der Kläger gehalten, eine entsprechende Kost als Basismaßnahme einzuhalten; auch solle auf eine cholesterinarme Ernährung geachtet werden.
Mit Urteil vom 13. August 2007 hat das SG die Klage abgewiesen, gestützt auf die Aussage des behandelnden Arztes, die Stellungnahme des Ausschusses für Ernährung der Deutschen Diabetologischen Gesellschaft vom 1. Oktober 2004 und die Ausführungen im Rationalisierungsschema 2004 des Bundesverbandes Deutscher Ernährungsmediziner e.V. Die in der Empfehlung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge, Stand 1997, vertretene Auffassung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs werde nicht geteilt.
Dagegen hat der Kläger persönlich am 20. August 2007 Berufung eingelegt, seine Bevollmächtigte hat sich mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2007 legitimiert. Zur Begründung hat er vorgetragen, die Empfehlungen des Deutschen Vereins, Stand 1997, sähen für seine Erkrankungen des Klägers einen Mehrbedarf vor. Darüber hinaus habe er nie geltend gemacht, spezielle Diabetikerprodukte zu benötigen. Vielmehr esse er täglich frisches Obst und Gemüse und andere hochwertige Nahrungsmittel, die einen finanziellen Mehrbedarf bedingten. Vorgelegt hat der Kläger weiter das Attest des Arztes M. vom 26. März 2009, wonach der Kläger aus ärztlicher Sicht auf eine zuckerarme, kochsalzreduzierte und fettarme Kost achten solle. Dies sei mit einer Ernährung "aus dem Discounter" nicht zu leisten; insbesondere müsse der Kläger auf viele Fertig- und Halbfertigprodukte verzichten, die es in Supermärkten gebe. Vielmehr müsse er in verschiedenen Geschäften einkaufen und auch weitestgehend auf eine Küche aus der Mikrowelle oder Tüte verzichten.
Die Berufung hatte das Landessozialgericht (LSG) mit Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vom 16. April 2009 als unbegründet zurückgewiesen. Auf die daraufhin eingelegte Revision (Az.: B 14 AS 52/09 B) hat das Bundessozialgericht (BSG) mit Beschluss vom 20. August 2009 den Beschluss des LSG aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückgewiesen, da der Beschluss vor Ablauf der dem Kläger mitgeteilten Äußerungsfrist zum 30. April 2009 ergangen und damit der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden sei.
Im laufenden Berufungsverfahren hat der Kläger ausgeführt, das BSG habe in seiner Entscheidung vom 27. Februar 2008 (B 14/ b AS 32/06 R) ausgeführt, dass die Empfehlungen des Deutschen Vereins nicht von der Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhalts im Einzelfall befreiten. Beim Kläger, der neben Diabetes auch an Hyperlipidämie und Hypertonie leide, sei allein Vollkost nicht indiziert. Vielmehr habe der behandelnde Arzt M. eine zuckerarme, kochsalzreduzierte und fettarme Kost empfohlen. Dies würde auch bedeuten, dass sich der Kläger kohlehydratarm ernähren müsse, was einen Mehrbedarf bedinge.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 13. August 2007 sowie den Bescheid vom 9. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Februar 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung aus medizinischen Gründen in Höhe von 51,13 EUR monatlich auch ab dem 1.1.2007 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung im Wesentlichen auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Kläger den Diabetikerausweis, ausgestellt vom Diabetologen B. am 28. Januar 2010, vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Leistungen wegen des geltend gemachten ernährungsbedingten Mehrbedarfs.
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist allein die Ablehnung des Mehrbedarfszuschlags durch Bescheid vom 9. Januar 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Februar 2007. Es handelt sich jedenfalls dann um einen von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Übrigen abtrennbaren Streitgegenstand, wenn - wie hier - über den Anspruch auf Mehrbedarf in einem gesonderten Bescheid entschieden worden ist und die Leistungsbescheide für die die Ablehnung umfassenden weiteren Leistungszeiträume lediglich die im Ablehnungsbescheid ausgesprochene Versagung umsetzen (vgl. Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 27. August 2009 - L 3 AS 245/08; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12. März 2008 - L 12 AS 43/06; zur Abtrennbarkeit von Streitgegenständen allgemein BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R = BSGE 97, 217). Dieser Rechtsauffassung steht nicht die Auffassung des BSG entgegen, wonach Mehrbedarfe nach § 21 SGB II Bestandteil der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sind (vgl. BSG, Urteil vom 2. Juli 2009 - B 14 AS 54/08 R; Urteil vom 3. März 2009 - B 4 AS 50/07 R). Denn in den den Entscheidungen des BSG zugrunde liegenden Verfahren hatte der Grundsicherungsträger keinen gesonderten Bescheid über die Ablehnung des Mehrbedarfs erlassen, sondern Grundsicherungsleistungen lediglich in verminderter Höhe bewilligt und zur Begründung ausgeführt, Mehrbedarfe stünden nicht zu. In diesen Fällen kann die Frage der Abtrennbarkeit der Streitgegenstände abweichend beurteilt werden.
Im Fall ablehnender Verwaltungsentscheidungen erstreckt sich der streitige Zeitraum in der Regel bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht (vgl. BSG, Urteil vom 7. Mai 2009 - B 14 AS 41/07 R unter Verweis auf BSG, Urteil vom 23. November 2006 - B 11b AS 1/06 R = BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr. 3, Urteil vom 16. Mai 2007 - B 11b AS 37/06 R = BSGE 98, 243 = SozR 4-4200 § 12 Nr. 4, Urteil vom 31. Oktober 2007 - B 14/11b AS 59/06 R = NJW 2008, 2458 und vom 15. April 2008 - B 14/7b AS 52/06 R = FEVS 60, 297), da der Kläger fortlaufend im Leistungsbezug steht.
Die Berufung ist unbegründet. Dem Kläger steht ein Mehrbedarf zum Lebensunterhalt wegen kostenaufwändiger Ernährung aus medizinischen Gründen nicht zu.
Erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, erhalten einen Mehrbedarf in angemessener Höhe (§ 21 Abs. 5 SGB II).
Aufgrund der beim Kläger bestehenden Erkrankungen besteht aus medizinischen Gründen kein ernährungsbedingter Mehrbedarf.
Dies ergibt sich für den Senat zum einen schon aus den Bescheinigungen des behandelnden Allgemeinmediziners M., der dem Kläger zu einer zuckerarmen, kochsalzreduzierten und fettarmen Kost rät. Diese Ernährungsempfehlungen für den normalgewichtigen Kläger lassen den Schluss auf einen aus medizinischen Gründen bestehenden ernährungsbedingten Mehrbedarf nicht zu. Vielmehr legen sie lediglich nahe, dass sich der Kläger bewusst und möglichst unter Verzicht auf vorgefertigte Lebensmittel (Halb- oder Fertigprodukte) und somit vollwertig ernähren soll. Wenn sein Bevollmächtigter daraus den Schluss zieht, eine Ernährung unter Verzicht auf entsprechende Fertigprodukte sei schon per se mit einem finanziellen Mehraufwand verbunden, überzeugt dies nicht. Denn es ist es eine allgemeinkundige Tatsache, dass gerade Fertig- und Halbfertiggerichte im Vergleich zu frischen Lebensmitteln gleich teuer wenn nicht gar teurer sind. Auch ist es dem Kläger, der keiner Erwerbstätigkeit nachgeht, zumutbar, seine Lebensmittel bei verschiedenen Geschäften zu kaufen, auch auf - saisonale - Angebote zu achten und sich aus frischen Waren die für ihn geeignete Nahrung zuzubereiten. Soweit noch das ärztliche Attest des Arztes M. vom 16. März 2009 vorgelegt worden ist, in welchem dem Kläger eine spezielle Diätkost empfohlen wird, setzt sich diese Bescheinigung nicht nur mit dem Inhalt der vom gleichen Arzt ausgestellten weiteren Bescheinigungen, z.B. vom 26. März 2009 in Widerspruch. Vielmehr lässt die Bescheinigung vom 19. März 2009 auch nicht erkennen, aufgrund welcher Diagnosen und ärztlichen Erkenntnisse die von ihm bescheinigte Diätkost tatsächlich erforderlich ist.
Soweit der Kläger im Oktober 2009 hat vortragen lassen, er habe am 26. Oktober 2009 einen Termin bei seinem Diabetologen, der den Zweck habe festzustellen, in welcher Form aktuell die Ernährung des Klägers eingestellt werden sollte, gab dieser Vortrag keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen. Der Kläger hat danach kein Attest des Diabetologen vorgelegt und auch nichts vorgetragen, was einen Anhaltspunkt dafür geben könnte, dass ihm dieser tatsächlich zu einer kostenaufwändigeren Nahrung geraten hätte. Der vorgelegte Diabetikerausweis des Diabetologen B. vom 28. Januar 2010 listet nur die bekannten und vom Kläger auch im Termin zur mündlichen Verhandlung erneut bestätigten Erkrankungen auf, ohne zu der hier streitigen Frage eine Aussage zu treffen.
Zum anderen ist aufgrund der Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge, Stand 1. Oktober 2008, ein ernährungsbedingter Mehrbedarf bei den Erkrankungen des Klägers nicht anzunehmen; der noch in den Empfehlungen des Vereins, Stand 1997 eingenommene Standpunkt, dem sich das SG in seiner Entscheidung zu Recht nicht angeschlossen hatte, wurde darin revidiert. Danach (vgl. Ziff. 4 ff der Empfehlungen) ist u.a. bei Diabetes mellitus gleich welchen Typs, Hypercholesterinämie (Hyperlipidämie) und arterieller Hypertonie ein krankheitsbedingt erhöhter Mehrbedarf zu verneinen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass der auf der Grundlage der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003 (EVS 2003) bemessene Regelsatz den notwendigen Aufwand für eine Vollkost deckt. Diese überarbeitete Empfehlung deckt sich im Übrigen mit den vom SG zur Stützung seiner Entscheidung herangezogenen weiteren Empfehlungen bzw. fachkundigen Äußerungen mit entsprechenden Fragen befasster Stellen.
Ob es sich bei den Empfehlungen des Deutschen Vereins um ein antizipiertes Sachverständigengutachten handelt (bejahend: LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 19.12.2008, L 8 B 386/08 und Urteil vom 09.03.2009 – L 8 AS 68/08, Juris; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 03 02.2009 - L 9 B 339/08 AS, sowie (jeweils zum SGB XII) Hessisches LSG vom 22.12.2008 - L 7 SO 7/08 B ER - und LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 22.01.2009 - L 8 SO 32/07, jeweils Juris) und ob insoweit eine Abweichung von der Entscheidung des BSG vom 27. Februar 2008 (B 14/7b AS 64/06 R, zitiert nach Juris) vorliegt, konnte vorliegend offen bleiben. Die Empfehlungen des Deutschen Vereins haben nach der aktuellen Rechtsprechung des BSG jedenfalls den Charakter einer Orientierungshilfe. Sie können im Regelfall zur Feststellung des angemessenen Mehrbedarfes i.S. von § 21 Abs. 5 SGB II herangezogen werden (Urteile des BSG vom 27.02.2008 - B 14/7b AS 64/06 R- sowie B 14/7b AS 32/06 R -; Urteil des BSG vom 25.04.2008 - B 14/11b AS 3/07 R -, jeweils Juris). Die Empfehlungen gelten nur dann nicht, wenn im Einzelfall anzustellende Ermittlungen Hinweise auf einen von den Empfehlungen abweichenden Mehrbedarf ergeben (BSG, Urteil vom 27.02.2008, a.a.0.). Abweichungen von den Empfehlungen sind auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts begründungsbedürftig (Beschluss vom 20.06.2006 - 1 BvR 2673/05 -, LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12.11.2008 - L 19 AS 47/08 – jeweils Juris).
Entsprechende Abweichungen haben jedoch die angestellten Ermittlungen gerade nicht ergeben. Denn auch nach den medizinischen Ermittlungen im Verwaltungs- und Klageverfahren sowie der vom Kläger im Berufungsverfahren ergänzend vorgelegten ärztlichen Bescheinigung ist aus medizinischen Gesichtspunkten bei ihm eine andere als Vollkost nicht geboten. Daran ändern auch die Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 2. November 2009 nichts, wonach aufgrund der Entscheidung des BSG vom 27. Februar 2008 in jedem Fall Ermittlungen im Einzelfall durchzuführen seien. Gerade diese haben durch die vorgelegten Bescheinigungen der behandelnden Ärzte belegt, dass die beim Kläger bestehenden Krankheiten, die auch in ihrer Kombination aus ärztlicher Sicht keine Abweichung von einer Vollkosternährung rechtfertigen, keinen Mehraufwand bedingen.
Der Senat hat auch keine Veranlassung, die Empfehlungen 2008 für Sachverhalte, die vor dem 01.10.2008 liegen, außer Betracht zu lassen. Sie stellen für den streitgegenständlichen Zeitraum eine tragfähige Bewertungsgrundlage dar (ebenso LSG Niedersachsen - Bremen, Urteil vom 22.01.2009 - L 8 SO 32/07; Bayerisches LSG, Urteil vom 23. April 2009 - L 11 AS 124/08, beide zitiert nach Juris). Auch wenn die Empfehlungen erst am 01.10.2008 durch den Deutschen Verein verabschiedet worden sind, fassen sie die ernährungsmedizinischen und ernährungswissenschaftlichen Erkenntnisse der letzten Jahre seit dem BDME - Rationalisierungsschema 2004 bzw. dem Begutachtungsleitfaden des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe aus dem Jahr 2002 zusammen und vollziehen diese nach. Sie stellen daher den aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Kenntnisstand zur Frage eines ernährungsbedingten Mehraufwands dar und haben deshalb auch keinen rechtsnormähnlichen Charakter, der möglicherweise einer Anwendung auf Sachverhalte vor dem 1. Oktober 2008 entgegen stehen könnte (so auch so auch Sächsisches LSG, Urteile vom 27. August 2009 - L 3 AS 245/08 und vom 26. Februar 2009 – L 2 AS 152/07; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 19. Dezember 2008 - L 8 B 386/08, jeweils zitiert nach Juris).
Angesichts der weiteren Darlegungen in den aktuellen Empfehlungen ist der Senat des Weiteren der Überzeugung, dass bei einer preisbewussten Einkaufsweise, die frische, insbesondere saisonale Produkte nicht ausschließt, eine vollwertige Ernährung mit ca. 4,- EUR täglich zu finanzieren ist und den Mindestaufwand für Vollkost abdeckt (Grundlage: "Wissenschaftliche Ausarbeitung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zum Thema `Lebensmittelkosten für eine vollwertige Ernährung, April 2008"). Insoweit konnten die Einwände des Klägers, zuletzt im Berufungsverfahren, wonach ihm durch den aufgrund seiner Erkrankungen verwehrten Griff zu Fertignahrung oder der Notwendigkeit eines erhöhten Verzehrs von Seefisch Mehraufwendungen entstünden, nicht überzeugen. Soweit der Bevollmächtigte zuletzt im Termin zur mündliche Verhandlung vorgetragen hat, die Notwendigkeit, zuckerarm zu essen bedinge den weitgehenden Verzicht auch auf Kohlehydrate, was einer Vollkost entgegen stehe, mangelt es für diese Behauptung an einer ernährungswissenschaftlichen Begründung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Eine Kostentragung der Beklagten für das Revisionsverfahren war nicht anzuordnen, da der formelle Erfolg des Klägers auf einem Versehen des Gerichts bei der Beschlussfassung nach § 153 Abs. 4 SGG beruhte und eine Kostentragung der Beklagten insoweit unbillig wäre.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
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