L 12 AL 6088/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 12 AL 3975/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 6088/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 8.12.2008 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Erstattung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung.

Der 1947 geborene Kläger bezog von der Beklagten in der Zeit vom 15.6.1996 bis 12.7.1996 Arbeitslosenhilfe (Alhi), wobei er im Antragsformular die Fragen nach bei ihm oder seinem Ehegatten vorhandenen Vermögen mit "Nein" beantwortet hatte.

Im Oktober 2005 erfuhr die Beklagte, dass der Kläger im Jahr 1994 insgesamt 15.289,89 DM bei der Türkischen Nationalbank angelegt habe. Zu der beabsichtigten Aufhebung und Rückforderung der Alhi angehört brachte der Kläger vor, es sei zutreffend, dass er im Jahr 1999 Spareinlagen in der genannten Höhe auf seinen Namen gehabt habe, er habe das Geld aber von einem türkischen Landsmann als Darlehen erhalten.

Die Beklagte nahm mit Bescheid vom 11.1.2006 die Bewilligung der Alhi ab dem 15.6.1996 bis 12.7.1996 nach § 45 SGB X zurück und forderte die Erstattung der Alhi in Höhe von 1304,15 EUR sowie der in dieser Zeit erbrachten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 362,47 EUR.

Auf den Widerspruch des Klägers dagegen gab die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 26.9.2006 dem Widerspruch insoweit teilweise statt, als sich der Erstattungsbetrag für die Pflegeversicherung um 38,95 EUR (auf insgesamt 323,52 EUR für die Kranken- und Pflegeversicherung) minderte. Im übrigen wies sie den Widerspruch zurück.

Dagegen hat der Kläger am 26.10.2006 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben. Das SG hat die Strafakten des Amtsgerichts Tübingen 12 DS 19 Js 10743/06 (wegen Betrugs zulasten der Beklagten) beigezogen und daraus entnommen, dass bei einer am 19.7.2006 erfolgten Hausdurchsuchung beim Kläger diverse Einzahlungsbelege bei türkischen Banken und Unterlagen, die auf mehrfachen Immobilienbesitz in der Türkei hindeuteten, sichergestellt worden seien. In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Tübingen gab der Kläger ein Geständnis ab, das strafmildernd gewertet wurde. Der Kläger wurde wegen dreier tatmehrheitlicher Vergehen des Betruges in den Jahren 2001 bis 2003 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Im Verfahren vor dem SG hat der Kläger - unter Zurücknahme der Klage im übrigen - beantragt, den Bescheid vom 11.1.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.9.2006 insoweit aufzuheben, als die Beklagte darin die Rückforderung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 323,52 EUR verfügt habe.

Durch Urteil vom 8.12.2008 hat das SG der Klage mit dem gestellten Klageantrag stattgegeben. Für die Erstattung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge gebe es keine Rechtsgrundlage mehr. Durch das Hartz-IV-Gesetz vom 24.12.2003 sei in der vormals maßgeblichen Rechtsgrundlage § 335 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 SGB III mit Wirkung vom 1.1.2005 das Wort "Arbeitslosenhilfe" gestrichen worden. Deswegen gebe es ab dem 1.1.2005 keine Rechtsgrundlage für die Rückforderung von Beiträgen bei aufgehobener Arbeitslosenhilfebewilligung, auch wenn sich die Aufhebung auf Zeiträume vor dem 31.12.2004 beziehe. Dieses vom Gesetzgeber wohl kaum beabsichtigte Ergebnis sei vom Wortlaut des Gesetzes her nicht zu vermeiden. Die Berufung hat das SG zugelassen.

Gegen dieses am 18.12.2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 30.12.2008 Berufung eingelegt. Sie hat auf zwei beim Bundessozialgericht (BSG) anhängige Revisionsverfahren (B 7 AL 29/08 R und B 11 AL 31/08 R) hingewiesen und zunächst das Ruhen des Verfahrens beantragt. Im Hinblick auf das im letztgenannten Verfahren ergangene Urteil des BSG vom 7.10.2009, wonach die durch die versehentliche Streichung entstandene planwidrige Gesetzeslücke im Rahmen der gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung dadurch zu schließen sei, dass die Bezieher von Alhi den sonstigen Leistungsbeziehern i.S.d. § 335 Abs. 1 Satz 1 SGB III gleichzustellen seien, stellt die Beklagte den Antrag,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 8.12.2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, hat Erfolg.

Gegenstand der Überprüfung ist, nachdem der Kläger im Klageverfahren die Klage im übrigen zurückgenommen hat, allein die Rückforderung der Beiträge zur Kranken-und Pflegeversicherung in Höhe von 323,52 EUR.

Rechtsgrundlage für die Rückforderung der in der Zeit vom 15.6.1996 bis 12.7.1996 von der Beklagten geleisteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ist § 335 Abs. 1 Satz 1 SGB III. Diese Vorschrift lautet in der hier maßgeblichen, ab 1.1.2005 geltenden Fassung (Gesetz vom 24.12.2003 - BGBl. I S. 2954): "Wurden von einem Bezieher von Arbeitslosengeld oder Unterhaltsgeld Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung gezahlt, so hat der Bezieher dieser Leistungen der Bundesagentur die Beiträge zu ersetzen, soweit die Entscheidung über die Leistung rückwirkend aufgehoben und die Leistung zurückgefordert worden ist." § 335 Abs. 1 SGB III gilt gemäß Abs. 5 für die Pflegeversicherungsbeiträge entsprechend. In der bis 31.12.2004 geltenden Fassung des § 335 Abs. 1 SGB III war neben Arbeitslosengeld und Unterhaltsgeld auch noch Alhi genannt. Nach der Rechtsprechung des BSG ist die durch die versehentliche Streichung des Gesetzgebers entstandene planwidrige Gesetzeslücke im Rahmen der gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung dadurch zu schließen, dass die Bezieher von Alhi den sonstigen Leistungsbeziehern im Sinne des § 335 Abs. 1 Satz 1 SGB III gleichzustellen sind (vgl. BSG, Urteile vom 7.10.2009 - B 11 AL 31/08 R und 32/08 R -). Der Senat hält insoweit an seiner früheren Rechtsprechung (vgl. zuletzt Urteil vom 12.9.2008 - L 12 AL 1665/08 - (juris)) nicht mehr fest. Der Kläger ist daher auch zur Erstattung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 323,52 EUR verpflichtet, wobei Fehler in der Berechnung der Höhe des Erstattungsbetrages weder vorgetragen noch ersichtlich sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 u. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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