L 6 SB 5643/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 5 SB 3501/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 5643/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 17.10.2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Kläger erstrebt die behördliche Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50.

Die im Jahre 1953 geborene Klägerin beantragte erstmals im Januar 2001 die Feststellung von Behinderungen nach dem Schwerbehindertengesetz. Mit Bescheid vom 05.03.2001 stellte das damalige Versorgungsamt einen GdB von 20 wegen der Funktionsbeeinträchtigungen Bandscheibenschaden, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und Nervenwurzelreizerscheinungen fest. Auf den Erhöhungsantrag der Klägerin vom Juli 2001 erfolgte dann durch Bescheid vom 17.09.2001 die Feststellung eines GdB von 30 wegen der Funktionsbeeinträchtigungen degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Nervenwurzelreizerscheinungen und Fibromyalgiesyndrom.

Am 21.05.2007 beantragte die Klägerin erneut die Erhöhung des GdB und begründete dies im Wesentlichen mit Schulter- und Augenproblemen sowie mit Gelenkschwellungen und -schmerzen. Hierzu legte sie ärztliche Unterlagen über eine im Juni 2003 operativ erfolgte Kalkausräumung an der linken Schulter sowie eine im Dezember 2003 durchgeführte Laserabriegelung des Netzhautforamens am linken Auge vor. Darüber hinaus reichte sie den Arztbrief des Unfall- und Gefäßchirurgen Dr. D. vom 09.02.2007 ein, in dem die Diagnose einer somatisierten depressiven Erkrankung mit generalisiertem Schmerzsyndrom (Fibromyalgiesyndrom) aufgeführt ist.

Nach Einholung der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. S. vom 11.06.2007 hob das zwischenzeitlich zuständige Landratsamt A.-D.-Kreis mit Bescheid vom 12.06.2007 den Bescheid vom 17.09.2001 auf und stellte bei der Klägerin einen GdB von 40 seit Antragstellung wegen der Funktionsbeeinträchtigungen degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Nervenwurzelreizerscheinungen (Teil-GdB 30), seelische Störung, chronisches Schmerzsyndrom (Teil-GdB 20) und Funktionsbehinderung des linken Schultergelenks (Teil-GdB 10) fest. Die geltend gemachte Sehminderung bedinge keine Funktionsbeeinträchtigung bzw. keinen Einzel-GdB von wenigstens 10.

Zur Begründung ihres hiergegen erhobenen Widerspruchs trug die Klägerin vor, sie sei mit der Beurteilung der Sehminderung nicht einverstanden. Sie müsse mehrmals täglich eine weiße Masse im unteren Augenlid entfernen, um klare Sicht zu haben. Zu ihren Sehschwierigkeiten reichte sie den Arztbrief des Augenarztes Dr. M. vom 26.07.2007 ein, in dem von einem insgesamt altersentsprechenden ophthalmologischen Befund hinsichtlich Visus, Druck, Gesichtsfeld und Netzhaut berichtet wird. Zudem legte sie verschiedene ärztliche Unterlagen über Rücken-, Knie-, Schulter- und Schmerzbeschwerden sowie eine grenzwertige arterielle Hypertonie, eine diskrete Mitralklappeninsuffizienz, diffuse Beschwerden (Migräne, Übelkeit, belegte Zunge, Gelenke) und ein benignes Hämangiom des linken Leberlappens vor.

Im Anschluss an die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. H. vom 23.08.2007 (bisheriger Teil-GdB von 30 für die Wirbelsäulenbeschwerden grenzwertig bemessen; keine Änderung der bisherigen Feststellungen) wies das Regierungspräsidium den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29.08.2007 zurück. Eine wesentliche Änderung im Vergleich zu dem vorangegangenen Bescheid vom 17.09.2001 sei nur insoweit eingetreten, als der GdB auf 40 zu erhöhen sei. Hierbei handle es sich bereits um eine großzügige Bewertung. Aus dem augenärztlichen Befund gehe keine Behinderung mit einem messbaren GdB hervor.

Am 19.09.2007 erhob die Klägerin beim Sozialgericht Ulm Klage und machte multiple Beschwerden geltend. Das Sozialgericht holte schriftliche sachverständige Zeugenaussagen von Dr. D. vom 19.11.2007 (letzte Vorstellung der Klägerin im Februar 2007; Verblockungsoperation C6/C7 am 23.03.1999 bei Bandscheibenvorfall, anamnestisch Bandscheibenprolaps L5/S1 im Jahre 2000 sowie als nicht nur vorübergehende Gesundheitsstörung generalisiertes Schmerz- bzw. Fibromyalgiesyndrom; gefäß- und unfallchirurgisch kein GdB, Bezug der Beschwerden auf das orthopädisch-neurochirurgische und das psychosomatisch-psychiatrische Fachgebiet), des Orthopäden Dr. K. vom 22.11.2007 (seit Mai 2007 Behandlung wegen Hand- und Schulterbeschwerden links sowie der nicht nur vorübergehenden mittelgradigen Gesundheitsstörung des linken Knies), der Ärztin für Neurologie, Psychiatrie und Sozialmedizin Dr. B. vom 29.11.2007 (keine Gesundheitsstörungen auf neurologischem Fachgebiet, allerdings Verdacht auf Erkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis sowie auf Rhizarthrose), des Allgemeinmediziners Dr. M. vom 13.12.2007 (seit Mai 2007 Behandlung wegen Fibromyalgiebeschwerden, einem multiplen Schmerzsyndrom, einer Hypothyreose, Beschwerden des linken Kniegelenks, einem aktivierten Schulter-Arm-Syndrom rechts bei Zustand nach cervikalem Bandscheibenvorfall C6/C7 links mit Operation 1999, einem Zustand nach Tendinosis calcarea linke Schulter, einem Supraspinatussyndrom, Schmerzen im Nacken-Armbereich, einem Verdacht auf Daumensattelgelenksarthrose links, einer belegten Zunge, diffusen internistischen Beschwerden und einer Raumforderung des linken Leberlappens [benignes Hämatom]) und der Psychotherapeutin Dr. Sch.-M. vom 19.02.2008 (Dysthymie [depressive Persönlichkeitsstörung] mit schwerer seelischer und sozialer Behinderung; GdB 100) ein.

In der daraufhin vorgelegten versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 27.05.2008 schlug Medizinaldirektorin Dr. von der B. einen Gesamt-GdB von 40 wegen der Funktionsbehinderungen seelische Störung, Somatisierung, depressive Verstimmung, funktionelle Organbeschwerden, chronisches Schmerzsyndrom (Teil-GdB 30), degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, muskuläre Verspannungen, Schulter-Arm-Syndrom, Bandscheibenschaden (operiert), Nervenwurzelreizerscheinungen (Teil-GdB 30 [25]), Funktionsbehinderung des linken Schultergelenkes, Rizarthrose links (Teil-GdB 10) und Knorpelschäden am Kniegelenk links (Teil-GdB 10) vor. Die Klägerin reichte sodann ärztliche Bescheinigungen der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. U. vom 30.07.2008 (schwere depressive Störung mit schwerer Antriebsstörung, Konzentrationsstörung und Gedankenkreisen [GdB um 70 bis 80]) ein.

Schließlich zog das Sozialgericht das im parallelen Rentenverfahren der Klägerin von der 3. Kammer desselben Gerichts - S 3 R 4505/07 - eingeholte Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Rheumatologie Dr. R. vom 06.08.2008 (mäßiggradige Cervicobrachialgie nach Spondylodese C6/C7 mit deutlich degenerativen Veränderungen ohne Funktionseinbußen und ohne neurologische Auffälligkeiten, rezidivierende Lumbalgie mit gelegentlichen Ischialgien bei degenerativen LWS-Veränderungen ohne neurologische Auffälligkeiten und mit leichten Funktionseinbußen, beginnende Gonarthrose links nach Ruptur des medialen Seitenbandes ohne auffällige Instabilität und ohne akuten Reizzustand, Somatisierungsstörung bzw. somatoforme Schmerzstörung mit leichter depressive Episode) sowie die dort vorgelegten Arztbriefe von Dr. Sch.-M. vom 14.08.2008 (depressive Persönlichkeitsstörung und depressiver Residualzustand mit Anpassungsstörung bei hoher Kränkbarkeit, Schwierigkeiten im sozialen und emotionalem Kontakt und in der Kommunikation sowie mangelnde Teamfähigkeit, veränderte Schmerzempfindung und Schmerzverarbeitung im Sinne eines therapieresistenten chronischen Schmerzsyndroms) und Dr. U. vom 30.07.2008 (schwere depressive Episode mit Suizidalität, schwere Schmerzstörung, paranoide Persönlichkeitsstörung; GdB um 70 bis 80) bei.

Mit Urteil vom 17.10.2008 wies das Sozialgericht die Klage ab. Der Gesamt-GdB sei mit 40 zutreffend festgestellt. Ein Teil-GdB von 30 für das Wirbelsäulenleiden der Klägerin sei nach den Befundunterlagen der behandelnden Ärzte sowie dem Gutachten von Dr. R. äußerst großzügig, da lediglich leicht- bis allenfalls mittelgradige funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorlägen. Daneben bestehe eine Somatisierungsstörung mit leichter depressiver Episode, für die ein Teil-GdB von 30 gerechtfertigt sei. Hinzu kämen allein noch die Behinderung des Schultergelenks und die Kniegelenksbeschwerden mit einem Teil-GdB von jeweils 10. Angesichts der großzügigen Bemessung des Teil-GdB für das Wirbelsäulenleiden und der erheblichen Überschneidungen zwischen den jeweils mit einem Teil-GdB von 30 bewerteten Gesundheitsstörungen lasse sich die Schwerbehinderteneigenschaft mit einem GdB von 50 nicht begründen. Diese Entscheidung wurde der Klägerin am 02.12.2008 zugestellt.

Am 04.12.2008 hat die Klägerin Berufung eingelegt.

Im Verlaufe des Berufungsverfahrens hat sie den Arztbrief des Orthopäden Dr. A. vom 05.02.2009 (Thorakalsyndrom, Blockierungen CT-Gelenke, Fibromyalgiesyndrom, Nucleotomie und Implantation eines Titan Cage bei cervicalem Nucleus pulposus Prolaps C6/C7 [99], Knick-Senk-Spreizfuß beidseits) sowie das im parallelen Rentenverfahren vor dem 13. Senat des beschließenden Gerichts erstattete neurologisch-psychiatrische Gutachten von Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. W. vom 08.10.2009 (neurologischerseits mit Ausnahme von wahrscheinlich auf eine ältere Rückenmarkschädigung im Halsbereich zurückzuführenden diskreten Symptomen keine Funktionsstörungen, insbesondere keine belangvollen radikulären Störungen; auf psychiatrischem Fachgebiet leichte depressive Verstimmung [Dysthymie] mit verstärkter Hinwendung zu körperlichen Beschwerden auf dem Boden einer akzentuierten Persönlichkeit mit paranoid-querulatorischen Zügen, keine schwergradig leistungseinschränkende depressive Störung und/oder Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis erkennbar; in algesiologischer Hinsicht, überdeckend mit dem orthopädischen Fachgebiet, Nackenbeschwerden und Bewegungseinschränkungen im Bereich der Halswirbelsäule nach cervikaler Bandscheibenoperation mit Versteifung von Teilen des Bewegungssegments, lumbal keine Klagen über Beeinträchtigungen mehr) vorgelegt.

Die Klägerin ist der Auffassung, insbesondere ihr Schmerzsyndrom bzw. ihre somatoforme Schmerzstörung und die psychischen Erkrankungen seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. Zwischenzeitlich werde sie in der Schmerzklinik behandelt. Auch habe der Orthopäde, Unfallchirurg und Rheumatologe Dr. M. eine Gonalgie links bei initialer Degeneration, eine Fibromyalgie sowie eine Depression diagnostiziert.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 17.10.2008 sowie den Bescheid vom 12.06.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2007 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, bei ihr einen GdB von 50 ab dem 21.05.2007 festzustellen.

Der Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die angegriffenen Entscheidungen,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des Sozialgerichts Ulm sowie die beigezogenen Schwerbehindertenakten des Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 12.06.2007 und der Widerspruchsbescheid vom 29.08.2007 sind jedenfalls nicht zu Lasten der Klägerin rechtswidrig. Denn sie hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von mehr als 40.

Gemäß § 69 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) stellen auf Antrag des behinderten Menschen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest.

Menschen sind im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sind als GdB nach Zehnergraden abgestuft von 20 bis 100 festzustellen. Hierfür gelten die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäbe entsprechend. Eine Feststellung ist nur zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 bis 5 SGB IX). Liegen mehrere sich gegenseitig beeinflussende Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so ist der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX).

Der GdB als Ausmaß der Behinderung ist in freier richterlicher Würdigung aller Umstände, wie sie dem Verfahren des § 287 Zivilprozeßordnung (ZPO) entspricht (vgl. BSG, Urteil vom 15.03.1979 - 9 RVs 16/78 - SozR 3870 § 3 Nr. 5), gemäß § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX unter Zugrundelegung der zum 01.01.2009 in Kraft getretenen "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" - VG (Anlage zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG [Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV - vom 10.12.2008 BGBl. I, S. 2412]) - mit denen eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" (AHP), von wenigen hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen, nicht einhergeht - festzustellen.

Die Gesamtbehinderung eines Menschen lässt sich rechnerisch nicht ermitteln. Daher ist für die Bildung des Gesamt-GdB eine Addition von Einzel-GdB-Werten grundsätzlich unzulässig. Auch andere Rechenmethoden sind ungeeignet (BSG, Urteil vom 15.03.1979 a. a. O.). In der Regel wird von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB ausgegangen und sodann geprüft, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird. Leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, führen dabei in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, und zwar auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB-Grad von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 Buchst. c und d der VG, Nr. 19 Absätze 3 und 4 der AHP).

Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur das Vorliegen einer (unbenannten) Behinderung und den Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zu Grunde liegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (vgl. BSG, Urteil vom 24.06.1998 - B 9 SB 17/97 R - SozR 3-3870 § 4 Nr. 24). Der Einzel-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar.

In Anwendung dieser Grundsätze sind zunächst die psychischen Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin einschließlich der somatoformen Schmerzstörung bzw. Somatisierungsstörung (von denen sich die Fibromyalgie im Ergebnis nicht unterscheidet [Nr. 26.18 S. 113 der AHP bzw. Teil B Nr. 18.4 S. 87 der VG]) mit einem Teil-GdB von höchstens 30 in die Beurteilung einzustellen. Denn bei der Klägerin liegt allenfalls eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit i. S. der Nr. 26.3 S. 48 der AHP bzw. Teil B Nr. 3.7 S. 27 der VG vor. Dies hat das Sozialgericht zutreffend dargelegt; hierauf wird verwiesen (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Nach dem neurologisch-psychiatrischen Gutachten von Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. W. vom 08.10.2009 ist nicht einmal dies gerechtfertigt. Denn unter Berücksichtigung der insoweit im genannten Gutachten aufgeführten Diagnosen (leichte depressive Verstimmung [Dysthymie] mit verstärkter Hinwendung zu körperlichen Beschwerden auf dem Boden einer akzentuierten Persönlichkeit mit paranoid-querulatorischen Zügen ohne erkennbare schwergradig leistungseinschränkende depressive Störung und/oder Psychose aus den schizophrenen Formenkreis) ist eine stärker behindernde Störung nicht erkennbar. Dem entspricht es, dass sich aus dem Gutachten von Dr. R. vom 06.08.2008 Angaben der Klägerin über einen nahezu unbeeinträchtigten Tagesablauf mit Zeitunglesen, Kochen, Putzen und Bügeln ergeben und sie weiter Obst und Gemüse aus dem größeren Garten selbst verarbeitet. Dass sie - nach ihrer Angabe bei Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. W. - im Jahre 2007 sogar auf einen Baum in ihrem Garten gestiegen (dabei allerdings gestürzt) ist, zeigt ihre erhaltene Tatkraft. Weiterer Ermittlungen zu den von der Klägerin angegebenen Schmerzen bedarf es angesichts der überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. W. nicht.

Die Wirbelsäulenbeschwerden der Klägerin sind nach Nr. 26.18 S. 116 der AHP bzw. Teil B Nr. 18.9 S. 90 der VG mit einem Teil-GdB von 20 in Ansatz zu bringen. Denn aus den vom Sozialgericht zutreffend dargelegten Gründen, auf die der Senat auch insoweit verweist (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG) und unter Berücksichtigung des von der Klägerin selbst vorgelegten Gutachtens von Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. W. vom 08.10.2009 - bei dem die Klägerin keine Klagen über lumbale Beeinträchtigungen mehr geäußert hat - liegen allenfalls mittelgradige funktionelle Auswirkungen im Bereich der Halswirbelsäule und (im Höchstfall) lediglich leichte funktionelle Auswirkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule vor. Ein mehr als nur vorübergehendes Thorakalsyndrom ergibt sich aus dem Arztbrief des Orthopäden Dr. A. vom 05.02.2009 angesichts der Befunde in dem früheren Gutachten von Dr. R. vom 06.08.2008 und dem hernach erstellten Gutachten von Prof. Dr. med. Dipl- Ing. W. vom 08.10.2009 nicht.

Hieraus ergibt sich unter Beachtung der oben angeführten Grundsätze unter Einbeziehung der vom Sozialgericht zutreffend mit einem Teil-GdB von jeweils 10 bewerteten geringen Behinderungen des linken Schultergelenks und Kniegelenksbeschwerden ein Gesamt-GdB von allenfalls 40. Denn der Teil-GdB von (im Höchstfall) 30 für die psychischen Beschwerden wird durch den Teil-GdB von 20 für die Wirbelsäulenbeschwerden um allenfalls 10 erhöht. Die angeführten weiteren Funktionsbeeinträchtigungen mit einem Teil-GdB von jeweils 10 lassen unter Berücksichtigung von Teil A Nr. 3 Buchst. d ee der VG und Nr. 19 Abs. 4 der AHP eine weitere Erhöhung nicht zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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