Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 5 SB 4459/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 3024/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 24.06.2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die 1969 geborene Klägerin begehrt die Feststellung der Voraussetzungen für das Merkzeichen G (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr).
Die Klägerin beantragte am 05.03.2008 beim Landratsamt B.-H. (LRA) die Feststellung ihres Grades der Behinderung (GdB). Das LRA holte den Befundbericht des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. St. vom 11.03.2008 (zönästhetische Schizophrenie, Residuum, depressive Episoden, Zustand nach rezidivierenden Pyelonephritiden, unifokale Autonomie, rezidivierende Gastritis, Leber mit fokalnodulärer Hyperplasie, rezidivierendes Lendenwirbelsäulensyndrom), welchem die Arztbriefe des Internisten Dr. U. vom 02.08.2007, des Hautarztes Dr. H. vom 25.09.2007, der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie K. vom 08.11.2007 und 24.01.2008 sowie der Ärzte für Pathologie Prof. Dr. K./Dr. H./Dr. V. vom 08.02.2008 beigefügte waren, ein. Dr. Sch. berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 01.05.2008 als Funktionsbeeinträchtigungen eine seelische Krankheit mit Depression (Teil-GdB 50), eine chronische Harnwegsentzündung (Teil-GdB 10), eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Teil-GdB 10) sowie eine Refluxkrankheit der Speiseröhre, eine chronische Magenschleimhautentzündung und einen Leberschaden (Teil-GdB 10) und bewertete den Gesamt-GdB mit 50. Das LRA stellte mit Bescheid vom 06.05.2008 den GdB der Klägerin mit 50 seit 05.03.2008 fest und lehnte die Feststellung der Voraussetzungen für Merkzeichen ab.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Zur Begründung trug sie vor, auf Grund ihrer Leiden müssten die Voraussetzungen der Merkzeichen G und aG (außergewöhnliche Gehbehinderung) vorliegen. Sie legte den Arztbrief der Dr. F., Aufnahmeärztin am Universitätsklinikum F., vom 20.01.2000 sowie die Bescheinigungen des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. B. vom 22.03.2001, des Arztes für Innere Medizin Dr. H. vom 15.11.2001 sowie des Dr. St. vom 05.12.2002 und 27.01.2003 vor. Dr. Flügge führte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 07.07.2008 aus, die Voraussetzungen für die Feststellung von Merkzeichen lägen nicht vor. Das Regierungspräsidium S. (RP) wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13.08.2008 zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 04.09.2008 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG). Sie sei dringend auf die Kostenübernahme für eine Regio-Karte angewiesen. Sie legte die Bescheinigung der Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe Dr. Sch. vom 20.10.2008 vor.
Das SG hörte Dr. K. und den Arzt für Innere Medizin Dr. R. schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. K. führte unter dem 03.12.2008 aus, bei der Klägerin liege eine zönästhetische Schizophrenie vor. Aus psychiatrischer Sicht bestünden keine Einschränkungen des Gehvermögens. Dr. R. beschrieb unter dem 08.12.2008 die diversen Erkrankungen der Klägerin und führte aus, vordringlich sei die psychische Problematik. Als chronische Erkrankung sei aktuell außerdem die Laktoseintoleranz anzusehen. Die Wirbelsäulenbeschwerden seien als funktionell/vorübergehend anzusehen und bedeuteten keine dauerhafte Funktionseinschränkung. Einschränkungen im Gehvermögen oder Beschwerden beim Gehen seien von der Klägerin nicht vorgebracht worden. Ihr Gangbild sei in den Praxisräumen flüssig und unbehindert gewesen. Die Orientierung sei vorhanden. Ein Anfallsleiden bestehe nicht. Ferner führte Dr. Sch. in ihrer dem SG übersandten Bescheinigung vom 08.01.2009 aus, durch längeres Laufen und Stehen nähmen die von der Klägerin geklagten Unterbauchschmerzen und Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates zu. Eine genauere Beurteilung der Bewegungseinschränkung sei ihr aber nicht möglich. Die chronischen Schmerzen im Unterbauch könnten die Bewegungseinschränkungen verstärken. Die Einschränkung des Gehvermögens führe zu erheblichen Schwierigkeiten beim Zurücklegen von größeren Wegstrecken zu Fuß.
Mit Gerichtsbescheid vom 24.06.2009 wies das SG die Klage ab. Weder die anerkannte seelische Erkrankung noch die geringfügige Funktionsbehinderung der Wirbelsäule oder die chronische Harnwegsentzündung und der Leberschaden, die gelegentlich mit Unterleibsbeschwerden einhergehen mögen, rechtfertigten die Feststellung, dass bei der Klägerin eine Einschränkung des Gehvermögens derart vorliege, dass sie nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder ohne Gefahren für sich oder andere noch Wegstrecken im Ortsverkehr zurücklegen könne, die üblicher Weise noch zu Fuß zurückgelegt würden. Soweit Dr. Sch. anderer Ansicht sei, müsse sie selbst einräumen, dass ihr eine genauere Beurteilung der Beweglichkeitseinschränkung seitens verschiedener Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates gar nicht möglich sei. Dr. R. kenne die Klägerin insoweit als Hausarzt besser und habe ausgeführt, dass die Wirbelsäulenbeschwerden nur als funktionell und vorübergehend einzustufen seien und keine dauerhafte Funktionseinschränkung darstellten. Eine Einschränkung des Gehvermögens sei ihm überhaupt nie aufgefallen.
Hiergegen hat die Klägerin am 29.06.2009 Berufung eingelegt. Sie hat unter anderem den Arztbrief des Arztes für Orthopädie Dr. K. vom 10.06.1998 sowie die Bescheinigungen des Dr. R. vom 15.06.2009 und des Facharztes für Urologie Dr. K. vom 20.07.2009 vorgelegt. Ferner hat sie ausgeführt, sie sei beim Gehen besonders eingeschränkt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 24.06.2009 aufzuheben, den Bescheid des Landratsamts B.-H. vom 06.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums S. vom 13.08.2008 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, die Voraussetzungen für das Merkzeichen G festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Bei der Klägerin lägen keine Gesundheitsstörungen der unteren Extremitäten und/oder der Lendenwirbelsäule vor, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingten. Die von der Klägerin vorgebrachten subjektiven Beschwerden seien überwiegend funktioneller Natur beziehungsweise durch die seelische Krankheit (mit)verursacht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen für das Merkzeichen G.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die Beurteilung des GdB und die Voraussetzungen von Merkzeichen sind die Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX).
Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen die für die Durchführung des BVG zuständigen Behörden ebenfalls die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 4 SGB IX). Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die zuständigen Behörden auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den GdB sowie weitere gesundheitliche Merkmale aus (§ 69 Abs. 5 SGB IX).
Nach § 145 Abs. 1 SGB IX werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 SGB IX im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert.
Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Menschen sind schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt (§ 2 Abs. 2 SGB IX).
Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 und 6 SGB IX).
Die Feststellung des GdB ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei ist die seit 01.01.2009 an die Stelle der bis zum 31.12.2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1) Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX) 2008" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG vom 10.12.2008 - BGBl. I. S. 2412 (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) anzuwenden. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB und weiterer gesundheitlicher Merkmale, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Rechten und Nachteilsausgleichen sind. Eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien ist hiermit - von wenigen hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen - nicht verbunden. Vielmehr wurde an die seit Jahren bewährten Bewertungsgrundsätze und Verfahrensabläufe angeknüpft. In den VG ist ebenso wie in den AHP (BSG, Urteil vom 01.09.1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22) der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Dadurch wird eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnistand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.
Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Dabei dürfen die einzelnen Werte bei der Ermittlung des Gesamt-GdB nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet (VG Teil A Nr. 3 a). Vielmehr ist darauf abzustellen, ob und wie sich die Auswirkungen von einzelnen Beeinträchtigungen einander verstärken, überschneiden oder aber auch gänzlich voneinander unabhängig sein können (BSG, Urteil vom 15.03.1979 - 9 RVs 6/77 - BSGE 48, 82; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19). Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (VG Teil A Nr. 3 c). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass, von Ausnahmefällen abgesehen, leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte. Dies auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (VG Teil A Nr. 3 d ee).
In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist gemäß § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
Auch bei der Frage, ob eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr vorliegt, orientiert sich der Senat an den Bewertungsmaßstäben der VG.
Als Wegstrecken, welche im Ortsverkehr - ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall - üblicherweise noch zurückgelegt werden, gelten solche von maximal zwei Kilometern bei einer Gehdauer von etwa 30 Minuten (VG Teil D Nr. 1 b Satz 2 und 3, Seite 114). Eine derartige Einschränkung des Gehvermögens kann angenommen werden, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB um wenigstens 50 bedingen (VG Teil D Nr. 1 d Satz 1, Seite 114). Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei einem GdB von unter 50 auch gegeben sein, wenn sich diese Behinderungen an den unteren Gliedmaßen auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, zum Beispiel bei einer Versteifung des Hüft-, Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung oder arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40 (VG Teil D Nr. 1 d Satz 2, Seite 114).
Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an (VG Teil D Nr. 1 d Satz 3, Seite 114). Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 (VG Teil D Nr. 1 d Satz 4, Seite 114 i. V. m. VG Teil B Nr. 9.1.1, Seite 46) und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades (VG Teil D Nr. 1 d Satz 4, Seite 114 i. V. m. VG Teil B Nr. 8.3, Seite 44) anzunehmen. Auch bei anderen inneren Leiden mit einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit, zum Beispiel chronische Niereninsuffizienz mit ausgeprägter Anämie, sind die Voraussetzungen als erfüllt anzusehen (VG Teil D Nr. 1 d Satz 5, Seite 114 i. V. m. VG Teil B Nr. 12.1.3, Seite 64).
Bei hirnorganischen Anfällen ist die Beurteilung von der Art und Häufigkeit der Anfälle sowie von der Tageszeit des Auftretens abhängig. Im Allgemeinen ist auf eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit erst ab einer mittleren Anfallshäufigkeit zu schließen, wenn die Anfälle überwiegend am Tage auftreten (VG Teil D Nr. 1 e Satz 1 und 2, Seite 114 i. V. m. VG Teil B Nr. 3.1.2, Seite 22). Analoges gilt beim Diabetes mellitus mit häufigen hypoglykämischen Schocks (VG Teil D Nr. 1 e Satz 3, Seite 114 i. V. m. VG Teil B Nr. 15, S. 73).
Störungen der Orientierungsfähigkeit, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führen, sind bei allen Sehbehinderungen mit einem GdB von wenigstens 70, bei Sehbehinderungen, die einen GdB von 50 oder 60 bedingen, nur in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (zum Beispiel hochgradige Schwerhörigkeit beiderseits, geistige Behinderung) anzunehmen. Bei Hörbehinderungen ist die Annahme solcher Störungen nur bei Taubheit oder an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit im Kindesalter (in der Regel bis zum 16. Lebensjahr - Beendigung der Gehörlosenschule) oder im Erwachsenenalter bei diesen Hörstörungen in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (zum Beispiel Sehbehinderung, geistige Behinderung) gerechtfertigt (VG Teil D Nr. 1 f Satz 1 und 2, Seite 114).
Bei geistig Behinderten sind entsprechende Störungen der Orientierungsfähigkeit vorauszusetzen, wenn sich die Behinderten im Straßenverkehr auf Wegen, die sie nicht täglich benutzen, nur schwer zurechtfinden können. Unter diesen Umständen ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit bei geistigen Behinderungen mit einem GdB von 100 immer und mit einem GdB von 80 oder 90 in den meisten Fällen zu bejahen. Bei einem GdB unter 80 kommt eine solche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit nur in besonders gelagerten Einzelfällen in Betracht (VG Teil D Nr. 1 f Satz 3 bis 5, Seite 115).
Es steht nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin nicht in der Lage ist, eine Wegstrecke von zwei Kilometern bei einer Gehdauer von etwa einer halben Stunde zurückzulegen. Denn nach der Arztauskunft der Dr. K. vom 03.12.2008 bestehen keine Einschränkungen des Gehvermögens. Ferner sind nach der Arztauskunft des Dr. R. vom 08.12.2008 von der Klägerin keine Einschränkungen im Gehvermögen oder Beschwerden beim Gehen vorgebracht worden und ist deren Gangbild in den Praxisräumen flüssig und unbehindert gewesen. Auch aus der Bescheinigung der Dr. Sch. vom 08.01.2009 ergibt sich keine die Voraussetzungen des Merkzeichens G bedingende Einschränkung der Gehfähigkeit. Sie hat nämlich lediglich ausgeführt, bei längerem Laufen und Stehen nähmen die von der Klägerin geklagten Unterbauchschmerzen und Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates zu und es bestünden erhebliche Schwierigkeiten beim Zurücklegen von größeren Wegstrecken. Daraus ergibt sich aber nicht, dass die Klägerin nicht in der Lage ist, eine Gehstrecke von zwei Kilometern innerhalb einer halben Stunde zu Fuß zurückzulegen.
Nach Überzeugung des Senats bestehen auch keine auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. So hat Dr. Sch. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 01.05.2008 zutreffend in Bezug auf die unteren Gliedmaßen und die Lendenwirbelsäule als Funktionsbeeinträchtigung lediglich eine solche der Wirbelsäule berücksichtigt und hierfür den GdB mit 10 eingeschätzt. Der Senat hat keine Anhaltspunkte, diesbezüglich von einem höheren GdB auszugehen, zumal nach der Arztauskunft des Dr. R. vom 08.12.2008 die Wirbelsäulenbeschwerden keine dauerhafte Funktionseinschränkung darstellen und Dr. Sch. ihre Einschätzung, die Gehfähigkeit sei eingeschränkt, nicht mit entsprechenden Befunden belegen konnte.
Auch wirken sich nach Überzeugung des Senats die Behinderungen an den unteren Gliedmaßen nicht besonders auf die Gehfähigkeit aus und liegen keine die Gehfähigkeit beeinträchtigenden innere Leiden, hirnorganische Anfälle oder Störungen der Orientierungsfähigkeit wegen erheblicher Seh- Hör- oder geistigen Behinderungen vor.
Nach alledem hat die Klägerin keinen Anspruch auf die Feststellung der Voraussetzungen des Merkzeichens G.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die 1969 geborene Klägerin begehrt die Feststellung der Voraussetzungen für das Merkzeichen G (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr).
Die Klägerin beantragte am 05.03.2008 beim Landratsamt B.-H. (LRA) die Feststellung ihres Grades der Behinderung (GdB). Das LRA holte den Befundbericht des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. St. vom 11.03.2008 (zönästhetische Schizophrenie, Residuum, depressive Episoden, Zustand nach rezidivierenden Pyelonephritiden, unifokale Autonomie, rezidivierende Gastritis, Leber mit fokalnodulärer Hyperplasie, rezidivierendes Lendenwirbelsäulensyndrom), welchem die Arztbriefe des Internisten Dr. U. vom 02.08.2007, des Hautarztes Dr. H. vom 25.09.2007, der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie K. vom 08.11.2007 und 24.01.2008 sowie der Ärzte für Pathologie Prof. Dr. K./Dr. H./Dr. V. vom 08.02.2008 beigefügte waren, ein. Dr. Sch. berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 01.05.2008 als Funktionsbeeinträchtigungen eine seelische Krankheit mit Depression (Teil-GdB 50), eine chronische Harnwegsentzündung (Teil-GdB 10), eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Teil-GdB 10) sowie eine Refluxkrankheit der Speiseröhre, eine chronische Magenschleimhautentzündung und einen Leberschaden (Teil-GdB 10) und bewertete den Gesamt-GdB mit 50. Das LRA stellte mit Bescheid vom 06.05.2008 den GdB der Klägerin mit 50 seit 05.03.2008 fest und lehnte die Feststellung der Voraussetzungen für Merkzeichen ab.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Zur Begründung trug sie vor, auf Grund ihrer Leiden müssten die Voraussetzungen der Merkzeichen G und aG (außergewöhnliche Gehbehinderung) vorliegen. Sie legte den Arztbrief der Dr. F., Aufnahmeärztin am Universitätsklinikum F., vom 20.01.2000 sowie die Bescheinigungen des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. B. vom 22.03.2001, des Arztes für Innere Medizin Dr. H. vom 15.11.2001 sowie des Dr. St. vom 05.12.2002 und 27.01.2003 vor. Dr. Flügge führte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 07.07.2008 aus, die Voraussetzungen für die Feststellung von Merkzeichen lägen nicht vor. Das Regierungspräsidium S. (RP) wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13.08.2008 zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 04.09.2008 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG). Sie sei dringend auf die Kostenübernahme für eine Regio-Karte angewiesen. Sie legte die Bescheinigung der Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe Dr. Sch. vom 20.10.2008 vor.
Das SG hörte Dr. K. und den Arzt für Innere Medizin Dr. R. schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. K. führte unter dem 03.12.2008 aus, bei der Klägerin liege eine zönästhetische Schizophrenie vor. Aus psychiatrischer Sicht bestünden keine Einschränkungen des Gehvermögens. Dr. R. beschrieb unter dem 08.12.2008 die diversen Erkrankungen der Klägerin und führte aus, vordringlich sei die psychische Problematik. Als chronische Erkrankung sei aktuell außerdem die Laktoseintoleranz anzusehen. Die Wirbelsäulenbeschwerden seien als funktionell/vorübergehend anzusehen und bedeuteten keine dauerhafte Funktionseinschränkung. Einschränkungen im Gehvermögen oder Beschwerden beim Gehen seien von der Klägerin nicht vorgebracht worden. Ihr Gangbild sei in den Praxisräumen flüssig und unbehindert gewesen. Die Orientierung sei vorhanden. Ein Anfallsleiden bestehe nicht. Ferner führte Dr. Sch. in ihrer dem SG übersandten Bescheinigung vom 08.01.2009 aus, durch längeres Laufen und Stehen nähmen die von der Klägerin geklagten Unterbauchschmerzen und Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates zu. Eine genauere Beurteilung der Bewegungseinschränkung sei ihr aber nicht möglich. Die chronischen Schmerzen im Unterbauch könnten die Bewegungseinschränkungen verstärken. Die Einschränkung des Gehvermögens führe zu erheblichen Schwierigkeiten beim Zurücklegen von größeren Wegstrecken zu Fuß.
Mit Gerichtsbescheid vom 24.06.2009 wies das SG die Klage ab. Weder die anerkannte seelische Erkrankung noch die geringfügige Funktionsbehinderung der Wirbelsäule oder die chronische Harnwegsentzündung und der Leberschaden, die gelegentlich mit Unterleibsbeschwerden einhergehen mögen, rechtfertigten die Feststellung, dass bei der Klägerin eine Einschränkung des Gehvermögens derart vorliege, dass sie nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder ohne Gefahren für sich oder andere noch Wegstrecken im Ortsverkehr zurücklegen könne, die üblicher Weise noch zu Fuß zurückgelegt würden. Soweit Dr. Sch. anderer Ansicht sei, müsse sie selbst einräumen, dass ihr eine genauere Beurteilung der Beweglichkeitseinschränkung seitens verschiedener Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates gar nicht möglich sei. Dr. R. kenne die Klägerin insoweit als Hausarzt besser und habe ausgeführt, dass die Wirbelsäulenbeschwerden nur als funktionell und vorübergehend einzustufen seien und keine dauerhafte Funktionseinschränkung darstellten. Eine Einschränkung des Gehvermögens sei ihm überhaupt nie aufgefallen.
Hiergegen hat die Klägerin am 29.06.2009 Berufung eingelegt. Sie hat unter anderem den Arztbrief des Arztes für Orthopädie Dr. K. vom 10.06.1998 sowie die Bescheinigungen des Dr. R. vom 15.06.2009 und des Facharztes für Urologie Dr. K. vom 20.07.2009 vorgelegt. Ferner hat sie ausgeführt, sie sei beim Gehen besonders eingeschränkt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 24.06.2009 aufzuheben, den Bescheid des Landratsamts B.-H. vom 06.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums S. vom 13.08.2008 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, die Voraussetzungen für das Merkzeichen G festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Bei der Klägerin lägen keine Gesundheitsstörungen der unteren Extremitäten und/oder der Lendenwirbelsäule vor, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingten. Die von der Klägerin vorgebrachten subjektiven Beschwerden seien überwiegend funktioneller Natur beziehungsweise durch die seelische Krankheit (mit)verursacht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen für das Merkzeichen G.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die Beurteilung des GdB und die Voraussetzungen von Merkzeichen sind die Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX).
Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen die für die Durchführung des BVG zuständigen Behörden ebenfalls die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 4 SGB IX). Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die zuständigen Behörden auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den GdB sowie weitere gesundheitliche Merkmale aus (§ 69 Abs. 5 SGB IX).
Nach § 145 Abs. 1 SGB IX werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 SGB IX im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert.
Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Menschen sind schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt (§ 2 Abs. 2 SGB IX).
Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 und 6 SGB IX).
Die Feststellung des GdB ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei ist die seit 01.01.2009 an die Stelle der bis zum 31.12.2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1) Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX) 2008" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG vom 10.12.2008 - BGBl. I. S. 2412 (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) anzuwenden. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB und weiterer gesundheitlicher Merkmale, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Rechten und Nachteilsausgleichen sind. Eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien ist hiermit - von wenigen hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen - nicht verbunden. Vielmehr wurde an die seit Jahren bewährten Bewertungsgrundsätze und Verfahrensabläufe angeknüpft. In den VG ist ebenso wie in den AHP (BSG, Urteil vom 01.09.1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22) der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Dadurch wird eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnistand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.
Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Dabei dürfen die einzelnen Werte bei der Ermittlung des Gesamt-GdB nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet (VG Teil A Nr. 3 a). Vielmehr ist darauf abzustellen, ob und wie sich die Auswirkungen von einzelnen Beeinträchtigungen einander verstärken, überschneiden oder aber auch gänzlich voneinander unabhängig sein können (BSG, Urteil vom 15.03.1979 - 9 RVs 6/77 - BSGE 48, 82; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19). Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (VG Teil A Nr. 3 c). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass, von Ausnahmefällen abgesehen, leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte. Dies auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (VG Teil A Nr. 3 d ee).
In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist gemäß § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
Auch bei der Frage, ob eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr vorliegt, orientiert sich der Senat an den Bewertungsmaßstäben der VG.
Als Wegstrecken, welche im Ortsverkehr - ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall - üblicherweise noch zurückgelegt werden, gelten solche von maximal zwei Kilometern bei einer Gehdauer von etwa 30 Minuten (VG Teil D Nr. 1 b Satz 2 und 3, Seite 114). Eine derartige Einschränkung des Gehvermögens kann angenommen werden, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB um wenigstens 50 bedingen (VG Teil D Nr. 1 d Satz 1, Seite 114). Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei einem GdB von unter 50 auch gegeben sein, wenn sich diese Behinderungen an den unteren Gliedmaßen auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, zum Beispiel bei einer Versteifung des Hüft-, Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung oder arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40 (VG Teil D Nr. 1 d Satz 2, Seite 114).
Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an (VG Teil D Nr. 1 d Satz 3, Seite 114). Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 (VG Teil D Nr. 1 d Satz 4, Seite 114 i. V. m. VG Teil B Nr. 9.1.1, Seite 46) und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades (VG Teil D Nr. 1 d Satz 4, Seite 114 i. V. m. VG Teil B Nr. 8.3, Seite 44) anzunehmen. Auch bei anderen inneren Leiden mit einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit, zum Beispiel chronische Niereninsuffizienz mit ausgeprägter Anämie, sind die Voraussetzungen als erfüllt anzusehen (VG Teil D Nr. 1 d Satz 5, Seite 114 i. V. m. VG Teil B Nr. 12.1.3, Seite 64).
Bei hirnorganischen Anfällen ist die Beurteilung von der Art und Häufigkeit der Anfälle sowie von der Tageszeit des Auftretens abhängig. Im Allgemeinen ist auf eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit erst ab einer mittleren Anfallshäufigkeit zu schließen, wenn die Anfälle überwiegend am Tage auftreten (VG Teil D Nr. 1 e Satz 1 und 2, Seite 114 i. V. m. VG Teil B Nr. 3.1.2, Seite 22). Analoges gilt beim Diabetes mellitus mit häufigen hypoglykämischen Schocks (VG Teil D Nr. 1 e Satz 3, Seite 114 i. V. m. VG Teil B Nr. 15, S. 73).
Störungen der Orientierungsfähigkeit, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führen, sind bei allen Sehbehinderungen mit einem GdB von wenigstens 70, bei Sehbehinderungen, die einen GdB von 50 oder 60 bedingen, nur in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (zum Beispiel hochgradige Schwerhörigkeit beiderseits, geistige Behinderung) anzunehmen. Bei Hörbehinderungen ist die Annahme solcher Störungen nur bei Taubheit oder an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit im Kindesalter (in der Regel bis zum 16. Lebensjahr - Beendigung der Gehörlosenschule) oder im Erwachsenenalter bei diesen Hörstörungen in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (zum Beispiel Sehbehinderung, geistige Behinderung) gerechtfertigt (VG Teil D Nr. 1 f Satz 1 und 2, Seite 114).
Bei geistig Behinderten sind entsprechende Störungen der Orientierungsfähigkeit vorauszusetzen, wenn sich die Behinderten im Straßenverkehr auf Wegen, die sie nicht täglich benutzen, nur schwer zurechtfinden können. Unter diesen Umständen ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit bei geistigen Behinderungen mit einem GdB von 100 immer und mit einem GdB von 80 oder 90 in den meisten Fällen zu bejahen. Bei einem GdB unter 80 kommt eine solche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit nur in besonders gelagerten Einzelfällen in Betracht (VG Teil D Nr. 1 f Satz 3 bis 5, Seite 115).
Es steht nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin nicht in der Lage ist, eine Wegstrecke von zwei Kilometern bei einer Gehdauer von etwa einer halben Stunde zurückzulegen. Denn nach der Arztauskunft der Dr. K. vom 03.12.2008 bestehen keine Einschränkungen des Gehvermögens. Ferner sind nach der Arztauskunft des Dr. R. vom 08.12.2008 von der Klägerin keine Einschränkungen im Gehvermögen oder Beschwerden beim Gehen vorgebracht worden und ist deren Gangbild in den Praxisräumen flüssig und unbehindert gewesen. Auch aus der Bescheinigung der Dr. Sch. vom 08.01.2009 ergibt sich keine die Voraussetzungen des Merkzeichens G bedingende Einschränkung der Gehfähigkeit. Sie hat nämlich lediglich ausgeführt, bei längerem Laufen und Stehen nähmen die von der Klägerin geklagten Unterbauchschmerzen und Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates zu und es bestünden erhebliche Schwierigkeiten beim Zurücklegen von größeren Wegstrecken. Daraus ergibt sich aber nicht, dass die Klägerin nicht in der Lage ist, eine Gehstrecke von zwei Kilometern innerhalb einer halben Stunde zu Fuß zurückzulegen.
Nach Überzeugung des Senats bestehen auch keine auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. So hat Dr. Sch. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 01.05.2008 zutreffend in Bezug auf die unteren Gliedmaßen und die Lendenwirbelsäule als Funktionsbeeinträchtigung lediglich eine solche der Wirbelsäule berücksichtigt und hierfür den GdB mit 10 eingeschätzt. Der Senat hat keine Anhaltspunkte, diesbezüglich von einem höheren GdB auszugehen, zumal nach der Arztauskunft des Dr. R. vom 08.12.2008 die Wirbelsäulenbeschwerden keine dauerhafte Funktionseinschränkung darstellen und Dr. Sch. ihre Einschätzung, die Gehfähigkeit sei eingeschränkt, nicht mit entsprechenden Befunden belegen konnte.
Auch wirken sich nach Überzeugung des Senats die Behinderungen an den unteren Gliedmaßen nicht besonders auf die Gehfähigkeit aus und liegen keine die Gehfähigkeit beeinträchtigenden innere Leiden, hirnorganische Anfälle oder Störungen der Orientierungsfähigkeit wegen erheblicher Seh- Hör- oder geistigen Behinderungen vor.
Nach alledem hat die Klägerin keinen Anspruch auf die Feststellung der Voraussetzungen des Merkzeichens G.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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