Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 137/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 6010/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 17.10.2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1953 geborene Klägerin hat keine abgeschlossene Berufsausbildung und war bis November 1996 in verschiedenen Branchen als Arbeiterin tätig. Seither ist sie - abgesehen von einer Tätigkeit vom 01.07. bis 30.09.2008 in einer Werkstätte für Behinderte - arbeitsunfähig bzw. arbeitslos. Im Vordergrund der Beschwerden der Klägerin stehen Schmerzzustände sowie psychische Probleme.
Die Klägerin beantragte im Januar 2005 zum wiederholten Male die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung, was die Beklagte mit Bescheid vom 04.02.2005 und Widerspruchsbescheid vom 12.12.2005 im Hinblick auf die früher, auch gerichtlich (vgl. die Akten des Sozialgerichts Ulm S 10 RJ 1156/02 sowie das dortige klageabweisende Urteil vom 24.11.2004) durchgeführte Sachaufklärung ablehnte.
Das hiergegen am 12.01.2006 angerufene Sozialgericht Ulm hat zunächst die damals behandelnde Hausärztin Dr. Schn. schriftlich als sachverständige Zeugin vernommen (deutliche Verschlechterung seit Januar 2005, im Vordergrund stehe eine zunehmende depressive Entwicklung) und ein viszeralchirurgisches Gutachten bei Prof. Dr. W. , Leitender Oberarzt der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie der klinik U., eingeholt. Der Sachverständige hat keinen Befund objektivieren können, der die von der Klägerin angegebene Beschwerdesituation im Bauchbereich erklären würde und deshalb kein chirurgisch relevantes, sondern vielmehr ein überwiegend psychisches Problem angenommen. Im Hinblick auf die Angaben der Klägerin über täglich bis zu sechs Durchfällen hat er eine benutzbare Toilette in erreichbarer Nähe (15 bis 20 Minuten) für erforderlich gehalten. Überwiegend sitzende oder stehende Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ohne schwere körperliche Belastung durch Heben oder Tragen seien dann mindestens sechs Stunden täglich möglich.
Hierauf gestützt hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 17.10.2007 abgewiesen und unter Darstellung des § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) ausgeführt, die Klägerin sei nicht erwerbsgemindert, weil sie mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein könne. Es hat sich den Ausführungen von Dr. W. angeschlossen und ausgeführt, es gebe genügend Arbeitsplätze, an denen man in 15 bis 20 Minuten eine Toilette erreichen könne. Eine Pause mit einem Verlauf von 15 bis 20 Minuten sei entgegen der Auffassung der Klägerin nicht erforderlich. Der Sachverständige habe nicht von einem Verlauf, sondern von einem Vorlauf von maximal 15 bis 20 Minuten gesprochen.
Gegen das ihr am 27.11.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19.12.2007 Berufung eingelegt. Sie hat ihre Auffassung aus dem Klageverfahren wiederholt, wonach bis zu sechs Pausen täglich betriebsunüblich seien und u.a. auf psychische Probleme hingewiesen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 17.10.2007 und den Bescheid vom 04.02.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Im Verlauf des Verfahrens wurde bei der Klägerin ein Blutschwamm in der Leber festgestellt (gutartiger Lebertumor mit einer erhöhten Gefahr einer Blutung, wodurch schweres Heben und Arbeiten mit Sturzgefahr zu vermeiden seien, so das von der Klägerin vorgelegte ärztliche Attest der Dr. Schn. ) sowie ein - im Gesunden entferntes - malignes Melanom (Bericht der Ärztin für Pathologie Dr. H. vom März 2008) diagnostiziert. Im November 2008 ist es zu einer Spinalkanalstenose im Lendenwirbelsäulenbereich gekommen, die erfolgreich operiert worden ist.
Der Senat hat behandelnde Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen vernommen, u. a. den Facharzt für Neurochirurgie Dr. S. (Berichte vom Dezember 2008 und Februar 2009: operative Entlastung des Wirbelkanals im Bereich der Lendenwirbelsäule, dadurch Besserung; leichte Tätigkeiten ohne Arbeiten in gebückter Haltung oder Zwangshaltungen seien möglich), den Orthopäden Dr. B. (Verschlechterung des Gesundheitszustandes, insbesondere von Seiten der psychischen Verfassung; keine Einsetzbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt) und die zwischenzeitlich die Klägerin als Hausärztin behandelnde Internistin Dr. He. (die Klägerin sei schwer depressiv und nicht in der Lage, täglich sechs Stunden zu arbeiten). Außerdem hat der Senat den Bericht der Reha-Klinik B. über die nach der Wirbelsäulenoperation im November/Dezember 2008 durchgeführte stationäre medizinische Rehabilitation beigezogen (aus orthopädischer Sicht leichte körperliche Tätigkeiten ohne schweres Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 5 kg, ohne häufiges Bücken, ohne einseitige Haltungen des Oberkörpers und ohne Hockstellung sechs Stunden und mehr zumutbar).
Im Hinblick auf die nach Angaben der behandelnden Ärzte im Vordergrund der Beschwerdesymptomatik stehende psychische Situation der Klägerin hat der Senat ein Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. J. eingeholt. Bei der ambulanten Untersuchung der Klägerin im Juli 2008 hat Dr. J. einen körperlich unauffälligen Befund erhoben. Nervenärztlich hat er ein psychosomatisches Schmerzsyndrom vor dem Hintergrund einer Dysthymie diagnostiziert und leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne Akkord-, Schicht-, Nacht- und Überstundenarbeit, ohne Zwangshaltungen auf Leitern und Gerüsten und ohne Arbeiten mit Heben von mehr als 5 kg jedenfalls sechs Stunden täglich für zumutbar erachtet; die - damals ausgeübte - Tätigkeit in einer Behinderteneinrichtung sei nicht erforderlich.
Danach hat der Senat Berichte der Tagesklinik für Psychiatrie und Psychotherapie A. beigezogen, wo die Klägerin vom 13.05.2009 bis 24.07.2009 behandelt worden ist sowie eine ergänzende sachverständige Zeugenaussage des dortigen Oberarztes Dr. Ha. eingeholt und sodann eine erneute Begutachtung der Klägerin durch Dr. J. veranlasst. Im Rahmen der Untersuchung im Oktober 2009 hat die Klägerin angegeben im Zeitpunkt der Behandlung in der Tagesklinik A. sei sie lebensmüde gewesen, habe aktive Suizidgedanken gehabt; die Ängste hätten sich durch die dortige Behandlung abbauen lassen, seit einem ¾ Jahr habe sie einen neuen Lebenspartner, sie unternähmen viel gemeinsam, gingen viel raus und führen auch häufiger fort. Dr. J. hat ein dysthymes Stimmungsbild und - wie in der Voruntersuchung - eine ablehnende und misstrauische Haltung festgestellt. Zusätzlich zu den in früheren Gutachten diagnostizierten Störungen hat der Sachverständige eine Persönlichkeitsstörung diagnostiziert, allerdings bei anhaltender Konzentrationsfähigkeit, anhaltendem Durchhaltevermögen und ausreichender sozialer Anpassungsfähigkeit und hieraus keine weiteren Einschränkungen abgeleitet. Im Ergebnis hat er seine frühere Leistungsbeurteilung bestätigt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die Rechtsgrundlage für die von der Klägerin in erster Linie begehrte Rente wegen Erwerbsminderung (§ 43 SGB VI) dargelegt und ebenso zutreffend im Anschluss an das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. W. ausgeführt, dass die damals im Vordergrund der Beschwerdesymptomatik stehenden Bauchbeschwerden keine rentenrelevante Leistungsminderung begründen. Der Senat sieht deshalb von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung gemäß § 153 Abs. 2 SGG aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen ist insoweit ergänzend auszuführen, dass selbst die Notwendigkeit, sechsmal täglich die Toilette wegen Durchfällen aufzusuchen, keine Notwendigkeit betriebsunüblicher Pausen begründet. Zum einen finden nicht alle diese Toilettenbesuche während der Arbeitszeit statt, zum anderen ist es im Arbeitsleben üblich, dass von Arbeitnehmern auch außerhalb von regulären Arbeitspausen gelegentlich die Toilette aufgesucht wird. So sind in § 4 Arbeitszeitgesetz Ruhepausen von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden und 45 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden vorgesehen. Dies bedeutet, dass bei bis zu sechs Stunden Arbeit eine Ruhepause nicht vorgeschrieben ist. Angesichts üblicher menschlicher Bedürfnisse ist es ausgeschlossen, dass damit der notwendige Gang zur Toilette unterbleiben muss. Vielmehr geht der Gesetzgeber wie selbstverständlich davon aus, dass derart dringende persönliche Bedürfnisse während der Arbeitszeit verrichtet werden.
Auf orthopädischem Fachgebiet liegen ebenfalls keine Gesundheitsstörungen vor, die eine rentenrelevante Leistungsminderung begründen würden. Zwar leidet die Klägerin - dies ergibt sich aus den von Dr. B. in seiner sachverständigen Zeugenaussage aufgeführten Diagnosen - insbesondere auch an Beschwerden im Wirbelsäulen- und Schulterarmbereich sowie arthrotischen Veränderungen im Bereich der Hüft- und Kniegelenke. Die im November 2008 aufgetretene Spinalkanalstenose im Lendenwirbelbereich ist indessen operativ beseitigt worden und hat keine wesentlichen Einschränkungen hinterlassen. Dies steht zur Überzeugung des Senats auf Grund der sachverständigen Zeugenauskünfte des behandelnden Facharztes für Neurochirurgie Dr. S. und auf Grund des Berichtes der Reha-Klinik B. fest. Sowohl Dr. S. wie die Ärzte der Reha-Klinik haben das Leistungsvermögen der Klägerin für leichte Tätigkeiten zeitlich nicht rentenrelevant eingeschränkt gesehen. Soweit der behandelnde Orthopäde Dr. B. in seiner sachverständigen Zeugenaussage davon ausgegangen ist, die Klägerin sei auf dem Arbeitsmarkt aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr einsetzbar, hat er dies erkennbar nicht auf die orthopädischen Beschwerden zurückgeführt, sondern auf den aus seiner Sicht verschlechterten psychischen Zustand der Klägerin.
Der bei der Klägerin vorhandene Blutschwamm in der Leber führt ebenfalls zu keiner zeitlichen Leistungseinschränkung. Diesbezüglich hat die Klägerin das ärztliche Attest der früheren Hausärztin Dr. Schn. vorgelegt, wonach dieser gutartige Tumor wegen erhöhter Blutungsgefahr lediglich Arbeiten mit Sturzgefahr und schweres Heben ausschließt.
Keine Einschränkungen verursacht das bei der Klägerin diagnostizierte Melanom. Dieses ist im Gesunden entfernt worden (Bericht von Dr. H. ), Rezidive sind nicht bekannt.
Auf Grund der vorliegenden sachverständigen Zeugenaussagen (insbesondere des Dr. B. und der jetzt die Klägerin behandelnden Hausärztin Dr. He. ) sowie dem Bericht der Tagesklinik A. geht der Senat davon aus, dass im Vordergrund der Beschwerdesituation der Klägerin der psychische Zustand steht. Allerdings vermag sich der Senat nicht der früheren Leistungsbeurteilung der Tagesklinik A. (es handele sich um eine schwerkranke Frau mit einer Leistungsfähigkeit von weniger als drei Stunden) anschließen. Diese Beurteilung beruht auf der damals bestehenden akuten Situation mit Suizidgedanken (so die Angaben der Klägerin gegenüber Dr. J. in der zweiten Untersuchung), die sich durch die ambulante Betreuung in der Tagesklinik dann aber gebessert hat (so ebenfalls die Angaben der Klägerin gegenüber Dr. J. in der zweiten Untersuchung).
Vielmehr schließt sich der Senat der Leistungsbeurteilung des gerichtlichen Sachverständigen Dr. J. an. Dieser ist auf Grund der ambulanten Untersuchung im Juli 2008 von einem psychosomatischen Schmerzsyndrom bei einer Dysthymie ausgegangen und hat deshalb keine zeitliche Leistungseinschränkung angenommen. Diese Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen ist für den Senat überzeugend. Dr. J. hat die Klägerin im Rahmen der Untersuchung bewusstseinsklar und voll orientiert gefunden. Es haben keine Konzentrationsstörungen, keine Störungen der Umstellungsfähigkeit bestanden, das Stimmungsbild ist moros verstimmt gewesen, im weiteren Verlauf hat sich die Klägerin jedoch durchaus schwingungsfähig gezeigt. Die Klägerin hat gegenüber dem gerichtlichen Sachverständigen angegeben, sie mache nach der - damaligen - Arbeit in der Werkstätte für Behinderte ihren Haushalt, sie lese Bücher, an Wochenenden treffe sie sich mit Bekannten, gehe in die Kirche oder raus in die Natur, oft an einen See. Vor diesem Hintergrund und angesichts des unbeeinträchtigten Konzentrations- und Durchhaltevermögens sowie der unbeeinträchtigten Anpassungsfähigkeit ist die Leistungsbeurteilung von Dr. J. nachvollziehbar.
Nichts anderes gilt für die Folgezeit. Im Hinblick auf die akute Verschlechterung der psychischen Verfassung der Klägerin Mitte 2009, die eine mehrwöchige ambulante Betreuung in der Tagesklinik A. erfordert hat, hat der Senat zur abschließenden Klärung die erneute Untersuchung und Begutachtung durch Dr. J. veranlasst. Allerdings hat der gerichtliche Sachverständige auf Grund seiner Untersuchung der Klägerin im Oktober 2009 keine relevante Verschlechterung der psychischen Verfassung der Klägerin festgestellt. Er hat lediglich als zusätzliche Diagnose die von der Tagesklinik A. angeführte Persönlichkeitsstörung bestätigt, hieraus jedoch bei weiterhin anhaltender Konzentrationsfähigkeit und anhaltendem Durchhaltevermögen sowie ausreichender sozialer Anpassungsfähigkeit keine zusätzliche Leistungsminderung angenommen. Er hat die Klägerin erneut bewusstseinsklar und voll orientiert, ohne Denkstörungen, ohne Gedächtnisstörungen und ohne Umstellungserschwernisse gefunden. Konzentrationsstörungen sind im Rahmen der Exploration nicht aufgetreten, das Stimmungsbild ist wie in der früheren Untersuchung erneut dysthym und negativ ausgelegt gewesen. Im Hinblick auf die neue Partnerschaft der Klägerin und den bereits mit diesem neuen Partner verbrachten Urlaub (so die Angaben der Klägerin) sowie - so die vom Sachverständigen dokumentierten Angaben der Klägerin - weiterhin regelmäßige Wochenendaktivitäten, teilweise auch mit einem Wohnmobil, ist die Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen überzeugend, wonach die Klägerin weiterhin leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden verrichten kann.
Im Ergebnis gelangt der Senat somit zu der Überzeugung, dass der Klägerin unter Beachtung sämtlicher, bei ihr vorliegender Gesundheitsstörungen noch zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung der aufgeführten qualitativen Einschränkungen (ohne schweres Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 5 kg, ohne häufiges Bücken, nicht in Hockstellung, ohne einseitige Haltungen des Oberkörpers bzw. Zwangshaltungen, ohne Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, ohne Akkord-, Schicht-, Nacht- und Überstundenarbeit und mit einer benutzbaren Toilette in erreichbarer Nähe) noch mindestens sechs Stunden täglich zumutbar sind. Sie ist daher nicht erwerbsgemindert. Dabei ist es unerheblich, ob ein dem Leistungsvermögen entsprechender Arbeitsplatz vermittelt werden kann, weil nach § 43 Abs. 3 zweiter Halbsatz SGB VI die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist in einem solchen Fall regelmäßig nicht erforderlich (BSG, Urteil vom 14.09.1995, 5 RJ 50/94 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50, auch zum Nachfolgenden). Denn nach der Rechtsprechung des BSG steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist. Nur ausnahmsweise ist für einen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Versicherten wie die Klägerin mit zumindest sechsstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes sind bestimmte Fälle anerkannt (z.B. Einarmigkeit, vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.), zu denen der vorliegende Fall aber nicht gehört. Vielmehr braucht eine Verweisungstätigkeit erst benannt zu werden, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG, a.a.O.; Urteil vom 27.04.1982, 1 RJ 132/80 in SozR 2200 § 1246 Nr. 90). Denn ein Teil dieser Einschränkungen stimmt bereits mit den Tätigkeitsmerkmalen einer körperlich leichten Arbeit überein; dies gilt insbesondere für die geminderte Fähigkeiten, Lasten zu bewältigen und die geringe Belastbarkeit der Wirbelsäule (BSG, SozR 3 a.a.O.) mit den hierauf beruhenden Einschränkungen. Nicht anders liegt der Fall der Klägerin. Auch bei ihr wird den qualitativen Einschränkungen im Wesentlichen bereits dadurch Rechnung getragen, dass ihr nur noch leichte Arbeiten zugemutet werden.
Der Klägerin steht auch kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 Abs. 1 SGB VI zu. Denn sie ist nicht berufsunfähig.
Nach § 240 Abs. 2 SGB VI sind Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Versicherte, die - wie die Klägerin im Hinblick auf ihr Berufsleben - zur Gruppe der ungelernten Arbeiter gehören, können grundsätzlich auf alle auf dem Arbeitsmarkt vorkommenden Tätigkeiten verwiesen werden. Solche Tätigkeiten kann die Klägerin - wie oben dargelegt - noch mindestens sechs Stunden täglich ausüben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1953 geborene Klägerin hat keine abgeschlossene Berufsausbildung und war bis November 1996 in verschiedenen Branchen als Arbeiterin tätig. Seither ist sie - abgesehen von einer Tätigkeit vom 01.07. bis 30.09.2008 in einer Werkstätte für Behinderte - arbeitsunfähig bzw. arbeitslos. Im Vordergrund der Beschwerden der Klägerin stehen Schmerzzustände sowie psychische Probleme.
Die Klägerin beantragte im Januar 2005 zum wiederholten Male die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung, was die Beklagte mit Bescheid vom 04.02.2005 und Widerspruchsbescheid vom 12.12.2005 im Hinblick auf die früher, auch gerichtlich (vgl. die Akten des Sozialgerichts Ulm S 10 RJ 1156/02 sowie das dortige klageabweisende Urteil vom 24.11.2004) durchgeführte Sachaufklärung ablehnte.
Das hiergegen am 12.01.2006 angerufene Sozialgericht Ulm hat zunächst die damals behandelnde Hausärztin Dr. Schn. schriftlich als sachverständige Zeugin vernommen (deutliche Verschlechterung seit Januar 2005, im Vordergrund stehe eine zunehmende depressive Entwicklung) und ein viszeralchirurgisches Gutachten bei Prof. Dr. W. , Leitender Oberarzt der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie der klinik U., eingeholt. Der Sachverständige hat keinen Befund objektivieren können, der die von der Klägerin angegebene Beschwerdesituation im Bauchbereich erklären würde und deshalb kein chirurgisch relevantes, sondern vielmehr ein überwiegend psychisches Problem angenommen. Im Hinblick auf die Angaben der Klägerin über täglich bis zu sechs Durchfällen hat er eine benutzbare Toilette in erreichbarer Nähe (15 bis 20 Minuten) für erforderlich gehalten. Überwiegend sitzende oder stehende Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ohne schwere körperliche Belastung durch Heben oder Tragen seien dann mindestens sechs Stunden täglich möglich.
Hierauf gestützt hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 17.10.2007 abgewiesen und unter Darstellung des § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) ausgeführt, die Klägerin sei nicht erwerbsgemindert, weil sie mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein könne. Es hat sich den Ausführungen von Dr. W. angeschlossen und ausgeführt, es gebe genügend Arbeitsplätze, an denen man in 15 bis 20 Minuten eine Toilette erreichen könne. Eine Pause mit einem Verlauf von 15 bis 20 Minuten sei entgegen der Auffassung der Klägerin nicht erforderlich. Der Sachverständige habe nicht von einem Verlauf, sondern von einem Vorlauf von maximal 15 bis 20 Minuten gesprochen.
Gegen das ihr am 27.11.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19.12.2007 Berufung eingelegt. Sie hat ihre Auffassung aus dem Klageverfahren wiederholt, wonach bis zu sechs Pausen täglich betriebsunüblich seien und u.a. auf psychische Probleme hingewiesen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 17.10.2007 und den Bescheid vom 04.02.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Im Verlauf des Verfahrens wurde bei der Klägerin ein Blutschwamm in der Leber festgestellt (gutartiger Lebertumor mit einer erhöhten Gefahr einer Blutung, wodurch schweres Heben und Arbeiten mit Sturzgefahr zu vermeiden seien, so das von der Klägerin vorgelegte ärztliche Attest der Dr. Schn. ) sowie ein - im Gesunden entferntes - malignes Melanom (Bericht der Ärztin für Pathologie Dr. H. vom März 2008) diagnostiziert. Im November 2008 ist es zu einer Spinalkanalstenose im Lendenwirbelsäulenbereich gekommen, die erfolgreich operiert worden ist.
Der Senat hat behandelnde Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen vernommen, u. a. den Facharzt für Neurochirurgie Dr. S. (Berichte vom Dezember 2008 und Februar 2009: operative Entlastung des Wirbelkanals im Bereich der Lendenwirbelsäule, dadurch Besserung; leichte Tätigkeiten ohne Arbeiten in gebückter Haltung oder Zwangshaltungen seien möglich), den Orthopäden Dr. B. (Verschlechterung des Gesundheitszustandes, insbesondere von Seiten der psychischen Verfassung; keine Einsetzbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt) und die zwischenzeitlich die Klägerin als Hausärztin behandelnde Internistin Dr. He. (die Klägerin sei schwer depressiv und nicht in der Lage, täglich sechs Stunden zu arbeiten). Außerdem hat der Senat den Bericht der Reha-Klinik B. über die nach der Wirbelsäulenoperation im November/Dezember 2008 durchgeführte stationäre medizinische Rehabilitation beigezogen (aus orthopädischer Sicht leichte körperliche Tätigkeiten ohne schweres Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 5 kg, ohne häufiges Bücken, ohne einseitige Haltungen des Oberkörpers und ohne Hockstellung sechs Stunden und mehr zumutbar).
Im Hinblick auf die nach Angaben der behandelnden Ärzte im Vordergrund der Beschwerdesymptomatik stehende psychische Situation der Klägerin hat der Senat ein Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. J. eingeholt. Bei der ambulanten Untersuchung der Klägerin im Juli 2008 hat Dr. J. einen körperlich unauffälligen Befund erhoben. Nervenärztlich hat er ein psychosomatisches Schmerzsyndrom vor dem Hintergrund einer Dysthymie diagnostiziert und leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne Akkord-, Schicht-, Nacht- und Überstundenarbeit, ohne Zwangshaltungen auf Leitern und Gerüsten und ohne Arbeiten mit Heben von mehr als 5 kg jedenfalls sechs Stunden täglich für zumutbar erachtet; die - damals ausgeübte - Tätigkeit in einer Behinderteneinrichtung sei nicht erforderlich.
Danach hat der Senat Berichte der Tagesklinik für Psychiatrie und Psychotherapie A. beigezogen, wo die Klägerin vom 13.05.2009 bis 24.07.2009 behandelt worden ist sowie eine ergänzende sachverständige Zeugenaussage des dortigen Oberarztes Dr. Ha. eingeholt und sodann eine erneute Begutachtung der Klägerin durch Dr. J. veranlasst. Im Rahmen der Untersuchung im Oktober 2009 hat die Klägerin angegeben im Zeitpunkt der Behandlung in der Tagesklinik A. sei sie lebensmüde gewesen, habe aktive Suizidgedanken gehabt; die Ängste hätten sich durch die dortige Behandlung abbauen lassen, seit einem ¾ Jahr habe sie einen neuen Lebenspartner, sie unternähmen viel gemeinsam, gingen viel raus und führen auch häufiger fort. Dr. J. hat ein dysthymes Stimmungsbild und - wie in der Voruntersuchung - eine ablehnende und misstrauische Haltung festgestellt. Zusätzlich zu den in früheren Gutachten diagnostizierten Störungen hat der Sachverständige eine Persönlichkeitsstörung diagnostiziert, allerdings bei anhaltender Konzentrationsfähigkeit, anhaltendem Durchhaltevermögen und ausreichender sozialer Anpassungsfähigkeit und hieraus keine weiteren Einschränkungen abgeleitet. Im Ergebnis hat er seine frühere Leistungsbeurteilung bestätigt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die Rechtsgrundlage für die von der Klägerin in erster Linie begehrte Rente wegen Erwerbsminderung (§ 43 SGB VI) dargelegt und ebenso zutreffend im Anschluss an das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. W. ausgeführt, dass die damals im Vordergrund der Beschwerdesymptomatik stehenden Bauchbeschwerden keine rentenrelevante Leistungsminderung begründen. Der Senat sieht deshalb von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung gemäß § 153 Abs. 2 SGG aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen ist insoweit ergänzend auszuführen, dass selbst die Notwendigkeit, sechsmal täglich die Toilette wegen Durchfällen aufzusuchen, keine Notwendigkeit betriebsunüblicher Pausen begründet. Zum einen finden nicht alle diese Toilettenbesuche während der Arbeitszeit statt, zum anderen ist es im Arbeitsleben üblich, dass von Arbeitnehmern auch außerhalb von regulären Arbeitspausen gelegentlich die Toilette aufgesucht wird. So sind in § 4 Arbeitszeitgesetz Ruhepausen von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden und 45 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden vorgesehen. Dies bedeutet, dass bei bis zu sechs Stunden Arbeit eine Ruhepause nicht vorgeschrieben ist. Angesichts üblicher menschlicher Bedürfnisse ist es ausgeschlossen, dass damit der notwendige Gang zur Toilette unterbleiben muss. Vielmehr geht der Gesetzgeber wie selbstverständlich davon aus, dass derart dringende persönliche Bedürfnisse während der Arbeitszeit verrichtet werden.
Auf orthopädischem Fachgebiet liegen ebenfalls keine Gesundheitsstörungen vor, die eine rentenrelevante Leistungsminderung begründen würden. Zwar leidet die Klägerin - dies ergibt sich aus den von Dr. B. in seiner sachverständigen Zeugenaussage aufgeführten Diagnosen - insbesondere auch an Beschwerden im Wirbelsäulen- und Schulterarmbereich sowie arthrotischen Veränderungen im Bereich der Hüft- und Kniegelenke. Die im November 2008 aufgetretene Spinalkanalstenose im Lendenwirbelbereich ist indessen operativ beseitigt worden und hat keine wesentlichen Einschränkungen hinterlassen. Dies steht zur Überzeugung des Senats auf Grund der sachverständigen Zeugenauskünfte des behandelnden Facharztes für Neurochirurgie Dr. S. und auf Grund des Berichtes der Reha-Klinik B. fest. Sowohl Dr. S. wie die Ärzte der Reha-Klinik haben das Leistungsvermögen der Klägerin für leichte Tätigkeiten zeitlich nicht rentenrelevant eingeschränkt gesehen. Soweit der behandelnde Orthopäde Dr. B. in seiner sachverständigen Zeugenaussage davon ausgegangen ist, die Klägerin sei auf dem Arbeitsmarkt aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr einsetzbar, hat er dies erkennbar nicht auf die orthopädischen Beschwerden zurückgeführt, sondern auf den aus seiner Sicht verschlechterten psychischen Zustand der Klägerin.
Der bei der Klägerin vorhandene Blutschwamm in der Leber führt ebenfalls zu keiner zeitlichen Leistungseinschränkung. Diesbezüglich hat die Klägerin das ärztliche Attest der früheren Hausärztin Dr. Schn. vorgelegt, wonach dieser gutartige Tumor wegen erhöhter Blutungsgefahr lediglich Arbeiten mit Sturzgefahr und schweres Heben ausschließt.
Keine Einschränkungen verursacht das bei der Klägerin diagnostizierte Melanom. Dieses ist im Gesunden entfernt worden (Bericht von Dr. H. ), Rezidive sind nicht bekannt.
Auf Grund der vorliegenden sachverständigen Zeugenaussagen (insbesondere des Dr. B. und der jetzt die Klägerin behandelnden Hausärztin Dr. He. ) sowie dem Bericht der Tagesklinik A. geht der Senat davon aus, dass im Vordergrund der Beschwerdesituation der Klägerin der psychische Zustand steht. Allerdings vermag sich der Senat nicht der früheren Leistungsbeurteilung der Tagesklinik A. (es handele sich um eine schwerkranke Frau mit einer Leistungsfähigkeit von weniger als drei Stunden) anschließen. Diese Beurteilung beruht auf der damals bestehenden akuten Situation mit Suizidgedanken (so die Angaben der Klägerin gegenüber Dr. J. in der zweiten Untersuchung), die sich durch die ambulante Betreuung in der Tagesklinik dann aber gebessert hat (so ebenfalls die Angaben der Klägerin gegenüber Dr. J. in der zweiten Untersuchung).
Vielmehr schließt sich der Senat der Leistungsbeurteilung des gerichtlichen Sachverständigen Dr. J. an. Dieser ist auf Grund der ambulanten Untersuchung im Juli 2008 von einem psychosomatischen Schmerzsyndrom bei einer Dysthymie ausgegangen und hat deshalb keine zeitliche Leistungseinschränkung angenommen. Diese Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen ist für den Senat überzeugend. Dr. J. hat die Klägerin im Rahmen der Untersuchung bewusstseinsklar und voll orientiert gefunden. Es haben keine Konzentrationsstörungen, keine Störungen der Umstellungsfähigkeit bestanden, das Stimmungsbild ist moros verstimmt gewesen, im weiteren Verlauf hat sich die Klägerin jedoch durchaus schwingungsfähig gezeigt. Die Klägerin hat gegenüber dem gerichtlichen Sachverständigen angegeben, sie mache nach der - damaligen - Arbeit in der Werkstätte für Behinderte ihren Haushalt, sie lese Bücher, an Wochenenden treffe sie sich mit Bekannten, gehe in die Kirche oder raus in die Natur, oft an einen See. Vor diesem Hintergrund und angesichts des unbeeinträchtigten Konzentrations- und Durchhaltevermögens sowie der unbeeinträchtigten Anpassungsfähigkeit ist die Leistungsbeurteilung von Dr. J. nachvollziehbar.
Nichts anderes gilt für die Folgezeit. Im Hinblick auf die akute Verschlechterung der psychischen Verfassung der Klägerin Mitte 2009, die eine mehrwöchige ambulante Betreuung in der Tagesklinik A. erfordert hat, hat der Senat zur abschließenden Klärung die erneute Untersuchung und Begutachtung durch Dr. J. veranlasst. Allerdings hat der gerichtliche Sachverständige auf Grund seiner Untersuchung der Klägerin im Oktober 2009 keine relevante Verschlechterung der psychischen Verfassung der Klägerin festgestellt. Er hat lediglich als zusätzliche Diagnose die von der Tagesklinik A. angeführte Persönlichkeitsstörung bestätigt, hieraus jedoch bei weiterhin anhaltender Konzentrationsfähigkeit und anhaltendem Durchhaltevermögen sowie ausreichender sozialer Anpassungsfähigkeit keine zusätzliche Leistungsminderung angenommen. Er hat die Klägerin erneut bewusstseinsklar und voll orientiert, ohne Denkstörungen, ohne Gedächtnisstörungen und ohne Umstellungserschwernisse gefunden. Konzentrationsstörungen sind im Rahmen der Exploration nicht aufgetreten, das Stimmungsbild ist wie in der früheren Untersuchung erneut dysthym und negativ ausgelegt gewesen. Im Hinblick auf die neue Partnerschaft der Klägerin und den bereits mit diesem neuen Partner verbrachten Urlaub (so die Angaben der Klägerin) sowie - so die vom Sachverständigen dokumentierten Angaben der Klägerin - weiterhin regelmäßige Wochenendaktivitäten, teilweise auch mit einem Wohnmobil, ist die Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen überzeugend, wonach die Klägerin weiterhin leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden verrichten kann.
Im Ergebnis gelangt der Senat somit zu der Überzeugung, dass der Klägerin unter Beachtung sämtlicher, bei ihr vorliegender Gesundheitsstörungen noch zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung der aufgeführten qualitativen Einschränkungen (ohne schweres Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 5 kg, ohne häufiges Bücken, nicht in Hockstellung, ohne einseitige Haltungen des Oberkörpers bzw. Zwangshaltungen, ohne Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, ohne Akkord-, Schicht-, Nacht- und Überstundenarbeit und mit einer benutzbaren Toilette in erreichbarer Nähe) noch mindestens sechs Stunden täglich zumutbar sind. Sie ist daher nicht erwerbsgemindert. Dabei ist es unerheblich, ob ein dem Leistungsvermögen entsprechender Arbeitsplatz vermittelt werden kann, weil nach § 43 Abs. 3 zweiter Halbsatz SGB VI die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist in einem solchen Fall regelmäßig nicht erforderlich (BSG, Urteil vom 14.09.1995, 5 RJ 50/94 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50, auch zum Nachfolgenden). Denn nach der Rechtsprechung des BSG steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist. Nur ausnahmsweise ist für einen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Versicherten wie die Klägerin mit zumindest sechsstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes sind bestimmte Fälle anerkannt (z.B. Einarmigkeit, vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.), zu denen der vorliegende Fall aber nicht gehört. Vielmehr braucht eine Verweisungstätigkeit erst benannt zu werden, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG, a.a.O.; Urteil vom 27.04.1982, 1 RJ 132/80 in SozR 2200 § 1246 Nr. 90). Denn ein Teil dieser Einschränkungen stimmt bereits mit den Tätigkeitsmerkmalen einer körperlich leichten Arbeit überein; dies gilt insbesondere für die geminderte Fähigkeiten, Lasten zu bewältigen und die geringe Belastbarkeit der Wirbelsäule (BSG, SozR 3 a.a.O.) mit den hierauf beruhenden Einschränkungen. Nicht anders liegt der Fall der Klägerin. Auch bei ihr wird den qualitativen Einschränkungen im Wesentlichen bereits dadurch Rechnung getragen, dass ihr nur noch leichte Arbeiten zugemutet werden.
Der Klägerin steht auch kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 Abs. 1 SGB VI zu. Denn sie ist nicht berufsunfähig.
Nach § 240 Abs. 2 SGB VI sind Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Versicherte, die - wie die Klägerin im Hinblick auf ihr Berufsleben - zur Gruppe der ungelernten Arbeiter gehören, können grundsätzlich auf alle auf dem Arbeitsmarkt vorkommenden Tätigkeiten verwiesen werden. Solche Tätigkeiten kann die Klägerin - wie oben dargelegt - noch mindestens sechs Stunden täglich ausüben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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