L 6 U 1247/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 13 U 375/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 1247/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 22.01.2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der 1969 geborene Kläger begehrt wegen eines Unfallereignisses vom 19.09.2001 Verletztenrente ab 02.02.2004 sowie wegen des Unfallereignisses vom 02.02.2004 die Feststellung von Gesundheitsschäden als Unfallfolgen, Verletztengeld über den 02.08.2004 hinaus sowie Verletztenrente.

Der Kläger war als Lagerverwalter bei der Firma R. in J. beschäftigt.

Er teilte der Beklagten mit, er habe sich am 19.09.2001 während seiner beruflichen Tätigkeit bei einem reflexartigen Griff nach einem Behälter durch die dadurch einwirkende Kraft Verletzungen zugezogen. Am 24.09.2001 stellte sich der Kläger zunächst in der Gemeinschaftspraxis Dres. L. (Schreiben vom 01.10.2004) und sodann beim Facharzt für Chirurgie Dr. von P. vor. Dieser diagnostizierte, nachdem die Röntgenuntersuchung der Lendenwirbelsäule keinen Frakturhinweis ergab, eine Distorsion der Lendenwirbelsäule mit einer Blockade ISG rechts (Durchgangsarztbericht vom 24.09.2001). Weitere Vorstellungen erfolgten am 28.09.2001 bei Dres. L. (Schreiben vom 01.10.2004) und am 08.10.2001 bei Dr. von P. (Nachschaubericht vom 08.10.2001). Am 11.10.2001 wurde durch den Radiologen Dr. Sch. eine computertomographische Untersuchung der unteren Lendenwirbelsäule durchgeführt. Dieser stellte die Diagnosen einer geringgradigen, älteren rechtslateralen und intraforaminalen Bandscheibenprotrusion L5/S1 ohne wesentlichen Kompressionseffekt sowie einer minimalen, linkslateralen Bandscheibenprotrusion L4/L5 ohne Kompressionseffekt und verneinte einen Bandscheibenprolaps und eine Spinalkanalstenose (Arztbrief vom 11.10.2001). Nach einer erneuten Vorstellung des Klägers am 15.10.2001 ging Dr. von P. von einer vorübergehenden Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens aus (Befundbericht vom 16.10.2001).

Während seiner beruflichen Tätigkeit traten beim Kläger am 02.02.2004 während des Hantierens mit einem Behälter erneut Rückenbeschwerden auf. Am 02.02.2004 stellte sich der Kläger zunächst beim Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. B. (Ärztliche Unfallmeldung vom 04.02.2004) und sodann am 03.02.2004 bei Dr. von P. vor. Dieser diagnostizierte, nachdem die röntgenologische Untersuchung der Lendenwirbelsäule keinen Frakturhinweis, aber eine vermehrte Lordosierung erbracht hatte, eine Distorsion der Lendenwirbelsäule. Ferner führte er aus, es bestehe eine unfallunabhängige Bandscheibenprotrusion L5/S1 (Durchgangsarztbericht vom 03.02.2004). Eine erneute Vorstellung erfolgte dort am 06.02.2004 (Nachschaubericht vom 06.02.2004). Am 16.02.2004 wurde durch die Radiologin B. eine röntgenologische Untersuchung der Halswirbelsäule durchgeführt. Diese diagnostizierte eine geringe bis mäßige Spondylosis deformans und Residuen eines Morbus Scheuermann geringer Ausprägung (Arztbrief vom 16.02.2004). Am 17.02.2004 wurde durch die Radiologin B. eine computertomographische Untersuchung der Lendenwirbelsäule durchgeführt. Sie erhob einen bekannten alten kleinen rechtsmedio-lateralen Bandscheibenprolaps mit einem kleinen verkalkten intraspinalen Anteil, einem geringen ebenfalls vorwiegend verkalkten Anteil im Bereich der Basis des rechten Neuroforamens sowie einer möglichen Irritation vor allem der Nervenwurzel von S1 rechts, allenfalls auch leicht von L5 intraforaminal, verneinte einen Kompressionseffekt und führte aus, es bestehe keine Befundänderung zur Voruntersuchung aus dem Jahr 2001 und nebenbefundlich liege eine minimale Bandscheibenprotrusion L4/5 ohne raumfordernde Wirkung und eine leichte relative degenerative Spinalkanalstenose L3/4 vor (Arztbrief vom 17.02.2004). Der Kläger stellte sich am 26.03.2004 in der S.-Klinik Z. (Kurzbrief vom 26.03.2004) vor. Die Beklagte holte den Befundbericht des Dr. B. vom 30.03.2004 ein. Der Kläger stellte sich am 13.05.2004 in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. vor (Befundbericht vom 19.05.2004). Sodann befand sich der Kläger vom 09.06.2004 bis zum 07.07.2004 dort stationär und wurde im Rahmen dieser Maßnahme am 28.06.2004 dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. vorgestellt. Dr. K. diagnostizierte eine vertebragene Kephalgie, ein Wurzelkompressionssyndrom C6 beidseits, ein Wurzelkompressionssyndrom L4/L5 rechts mehr als links sowie funktionell ausgestaltete Beschwerden (Befundbericht vom 30.06.2004). Prof. Dr. W., Ärztlicher Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T., diagnostizierte eine Protrusion C6/C7, Veränderungen der Brustwirbelsäule mit multiplen Protrusionen, eine Lendenwirbelsäulen-Prellung, ein Wurzelkompressionssyndrom L4/L5 und einen Bandscheibenprolaps L5/S1 und führte aus, es habe sich eine ausgeprägte Somatisierung mit subjektiver Schmerzsymptomatik gezeigt (Entlassbericht vom 07.07.2004). Sodann stellte sich der Kläger am 09.07.2004 erneut bei Dr. von P. vor (Befundbericht vom 27.07.2004).

Mit Schreiben vom 21.07.2004 teilte die Beklagte gegenüber Dr. von P. mit, das berufsgenossenschaftliche Heilverfahren sei abgeschlossen. Ein Zusammenhang mit dem Ereignis vom 02.02.2004 liege nicht vor. Hiergegen legte der Kläger am 02.08.2004 Widerspruch ein.

Am 05.08.2004 stellte sich der Kläger beim Chirurgen Dr. B. vor (Nachschaubericht vom 05.08.2004). Dieser regte die Durchführung einer Zusammenhangsbegutachtung an (Anlage zum Nachschaubericht vom 05.08.2004). Die Beklagte zog über die A.- Z. das über den Kläger geführte Vorerkrankungsverzeichnis und ärztliche Behandlungsunterlagen aus den Jahren 1983 bis 2001 bei.

Der Kläger stellte sich am 11.08.2004 in der Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums T. vor. Dort wurde ausgeführt, die jetzige Bildgebung in Form magnetresonanztomographischer Untersuchungen der Halswirbelsäule vom 31.03.2004 sowie der Lenden- und Brustwirbelsäule vom 23.06.2004 zeigten keine klare und eindeutige Erklärung für die doch komplexe Beschwerdesymptomatik. Lediglich ein kleiner Teil der Beschwerden des Klägers könne durch den Bandscheibenvorfall in Höhe LW5/SW1 rechts erklärt werden (Arztbrief vom 17.08.2004). Am 06.09.2004 führte der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten unter anderem im Beisein des Klägers eine Arbeitsplatzbesichtigung durch. Dabei schilderte der Kläger den Hergang der beiden Unfallereignisse. Danach sei am 19.09.2001 ein mit Otoskopgriffen gefüllter Behälter aus etwa einer Höhe von 0,25 m ruckartig heruntergefallen. Um Schaden an den Bauteilen zu vermeiden, habe er reflexartig nach dem Behälter gegriffen, um diesen zu halten. Die dabei ruckartig auf seinen Körper einwirkende Kraft habe die Verletzungen herbeigeführt. Am 02.02.2004 habe er ebenfalls reflexartig einen Behälter aufgefangen. Die dabei aufgetretene Krafteinwirkung habe seine Verletzung herbeigeführt (Bericht vom 14.09.2004). Der Kläger wurde vom 06.09.2004 bis zum 18.09.2004 in der Inneren Abteilung der Klinik H. (Arztbrief vom 25.10.2004) sowie vom 09.10.2004 bis zum 21.10.2004 in der F.klinik in Bad B. (Arztbrief vom 28.10.2004) stationär behandelt, durchlief vom 02.11.2004 bis zum 23.11.2004 in der M.-B.-Klinik in K. eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme (Entlassungsbericht vom 01.12.2004) und wurde vom 10.03.2005 bis zum 11.03.2005 in der Medizinischen Klinik des Universitätsklinikums T. (Arztbrief vom 18.03.2005) sowie vom 12.04.2005 bis zum 19.04.2005 in der Neurologischen Abteilung der Klinik R. in R. stationär behandelt (Arztbrief vom 27.04.2005). Die jeweils anschließende ambulante Behandlung erfolgte bei Dr. B. (Nachschaubericht vom 09.03.2005).

Sodann ließ die Beklagte den Kläger untersuchen und begutachten. Der Facharzt für Neurologie Dr. N. führte in seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 10.06.2005 aus, es bestünden glaubhaft starke Rückenschmerzen, die zu einer schmerzbedingten Bewegungseinschränkung führten. Neurologische Defizite seien nicht zu objektivieren. Die vom Kläger angegebenen Sensibilitätsstörungen seien neurologischerseits nicht zu erklären, sondern im Rahmen der psychogenen Störung zu sehen. Eindeutige Störungen auf neurologischem Fachgebiet, die auf den Unfall vom 19.09.2001 zu beziehen seien, seien nicht nachweisbar. Der Kläger habe in den Jahren nach dem ersten Unfall offenbar immer wieder Rückenschmerzen gehabt, die hausärztlicherseits auf eine unfallbedingte Distorsion der Lendenwirbelsäule zurückgeführt worden seien. Es habe nie eine eindeutige radikuläre Schmerzsymptomatik bestanden. Unabhängig von den Einwirkungen des Unfalls vom 19.09.2001 bestehe eine schwere psychosomatische Störung im Sinne einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung und als Reaktion auf den chronischen psychogen verursachten Schmerzzustand eine leichte reaktiv-depressive Verstimmung im Sinne einer depressiven Anpassungsstörung. Die aktuell vorliegenden Beschwerden hätten sich nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Unfall vom 19.09.2001 entwickelt, sondern bestünden im Wesentlichen seit dem Unfall vom 02.02.2004, könnten aber hierauf nicht ursächlich bezogen werden. Nach der Unfallschilderung könne durchaus ein Unfallmechanismus angenommen werden, der geeignet sei, radikuläre bandscheibenverursachte Beschwerden hervorzurufen. Es sei auch nicht völlig auszuschließen, dass die am 11.10.2001 computertomographisch nachgewiesene Bandscheibenprotrusion traumatisch verursacht sei. Klar sei aber, dass das aktuelle schwere Krankheitsbild alleine schon aufgrund des angegebenen zeitlichen Verlaufs nicht auf den Unfall vom 19.09.2001 zurückzuführen sei. Auch sei es unwahrscheinlich, dass die computertomographisch nachweisbare geringfügige Bandscheibenprotrusion schwere anhaltende Schmerzen hervorrufe. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem aktuellen Beschwerdebild und dem Unfall vom 19.09.2001 sei somit zu verneinen. Auch eine Verschlimmerung eines unfallunabhängig vorbestehenden Leidens durch den Unfall vom 19.09.2001 sei nicht anzunehmen.

In seiner ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme vom 07.07.2005 führte Dr. N. aus, Verletzungsfolgen auf neurologischem Fachgebiet, die auf den Unfall vom 02.02.2004 zu beziehen wären, seien nicht nachweisbar. Die Schmerzen seien nicht auf eine Nervenwurzelkompression zu beziehen und gingen auch weit über eine Distorsion der Lendenwirbelsäule hinaus. Es bestehe eine schwere psychosomatische Störung im Sinne einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung und als Reaktion auf den chronischen psychogen verursachten Schmerzzustand eine leichte reaktiv-depressive Verstimmung im Sinne einer depressiven Anpassungsstörung. Das Unfallereignis wäre zwar geeignet, Verletzungen im Bereich der Wirbelsäule hervorzurufen, beispielsweise auch einen traumatischen Bandscheibenvorfall. Ein solcher sei aber nicht zu objektivieren. Im Rahmen der im Jahr 2004 durchgeführten bildgebenden Untersuchungen sei keine Befundänderung gegenüber dem Jahr 2001 feststellbar gewesen. Ferner müsse davon ausgegangen werden, dass der Unfall vom 02.02.2004 für eine psychogene Entwicklung mit einem schweren psychosomatischen Schmerzsyndrom auslösend gewesen sei. Klar sei aber auch, dass die vom Kläger angegebenen Beschwerden nicht auf eine Verletzung der Lendenwirbelsäule bezogen werden könnten. Es sei sicher so, dass der Unfall vom 02.02.2004 nicht geeignet gewesen sei, eine schwere seelische Störung zu verursachen. Vielmehr müsse davon ausgegangen werden, dass der Unfall vom 02.02.2004 als eine Gelegenheitsursache, also als Katalysator für die nachfolgende psychische Entwicklung zu betrachten sei.

Prof. Dr. L., Ärztlicher Direktor der Neurologischen Klinik des Rehabilitationskrankenhauses U., führte in seinem neurologischen Gutachten vom 27.12.2005 aus, es bestünden insbesondere unter Bewegung stärkste Rückenschmerzen sowie in die Extremitäten ausstrahlende Schmerzen. Objektivierbare fokalneurologische Defizite bestünden nicht. Die vom Kläger angegebenen sensiblen Defizite seien neurologischerseits syndromal nicht einzuordnen. Auf neurologischem Fachgebiet seien keine Verletzungsfolgen aufgrund des Unfalls vom 02.02.2004 nachweisbar. Es bestehe eine psychosomatische Störung im Sinne einer somatoformen Schmerzstörung, die nach Angabe des Klägers möglicherweise im Februar 2004 eine Akzentuierung erfahren habe, wobei sich hierfür keine objektivierbaren Anhalte zeigten. Ein adäquates Unfallereignis im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung sei nicht gegeben. Ein Zusammenhang des erstmals am 17.02.2004 kernspintomographisch festgestellten Bandscheibenvorfalls L5 mit den initial im Unfallereignis beschriebenen Schmerzen lokal im Bereich der Lendenwirbelsäule erscheine auch in Anbetracht des Unfallhergangs und der geschilderten zeitnah aufgetretenen Symptomatik unwahrscheinlich. Die im weiteren Verlauf beschriebene sowie aktuell imponierende Symptomatik könne damit neurologischerseits in keinem Fall erklärt werden. Auch spreche die aktuell am 17.10.2005 durchgeführte magnetresonanztomographische Bildgebung der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule, in der sich eine Kompression neuronaler Strukturen nicht darstelle, in Anbetracht der seit dem Unfall vom 02.02.2004 persistierenden und teils progredienten Symptomatik gegen einen Zusammenhang der Veränderungen mit dem Unfallereignis. Durch den Unfall vom 02.02.2004 sei es auf neurologischem Fachgebiet auch nicht zu einer Verschlimmerung eines unfallunabhängig vorbestehenden Leidens gekommen.

Prof. Dr. R., Abteilung für Neurochirurgie des Universitätsklinikums U., führte in seinem Gutachten vom 17.03.2006 aus, die Bandscheibenschädigungen der Lendenwirbelsäule seien teilursächlich durch die Unfälle vom 19.09.2001 und 02.02.2004 bedingt. Die Schmerzen zwischen den Jahren 2001 bis 2004 seien für ein Jahr zu 50% als Folge zu werten und danach auf die zugrunde liegenden Verschleißerscheinungen zurückzuführen. Die Schmerzverschlimmerung ab dem Jahr 2004 sei für ein Jahr zu 50% als unfallbedingt zu werten und danach auf die vorbestehenden Verschleißerscheinungen zurückzuführen. Es bestünden Gefühlsstörungen beider Hände mit sämtlichen Fingern, der rechtsseitigen Brust- und Bauchwand sowie strumpfförmig des rechten Beines. Diese Taubheitsgefühle seien nicht dem Versorgungsmuster einer oder mehrerer Nervenwurzeln zuzuordnen.

Prof. Dr. K., Ärztlicher Direktor der Abteilung für Unfallchirurgie, Hand- und Wiederherstellungschirurgie der Chirurgischen Universitätsklinik U., führte in seinem Zusammenhangsgutachten vom 21.03.2006 aus, beide Unfallereignisse seien adäquat, eine Wirbelsäulenzerrung hervorzurufen. Der Unfallhergang und die danach geäußerte Schmerzsymptomatik seien unwahrscheinlich für den Zusammenhang eines durch das Trauma induzierten Bandscheibenvorfalls. Bei anlagebedingtem vorzeitigem Degenerationsmuster im Bereich der gesamten Wirbelsäule sei es so, dass die Bandscheibenschädigung in der Lendenwirbelsäule in Höhe von L4/5 und L5/S1 nur teilursächlich durch die Unfälle bedingt und primär auf zu Grunde liegende Verschleißerscheinungen zurückzuführen sei. Die Beschwerdesymptomatik des Klägers und der zeitliche Verlauf nach dem stattgehabten Trauma vom 19.09.2001 sowie der Unfallmechanismus sprächen nicht für einen kausalen Zusammenhang im Sinne eines traumatisch induzierten Bandscheibenvorfalls. Dasselbe gelte für den Unfall vom 02.02.2004. Auf der Grundlage einer degenerativ vorbestehenden Bandscheibenerkrankung könnten jedoch die Unfälle vom 19.09.2001 und 02.02.2004 zu einer Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens führen. Zusammenfassend bestünden deshalb unfallbedingt eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bei degenerativ bedingten vorbestehenden Bandscheibenerkrankungen und einer Verschlimmerung durch die Unfälle vom 19.09.2001 und 02.02.2004 jeweils für ein Jahr nach jeweiligem Unfall um 10 vom Hundert (v. H.). Die Restsymptomatik sei auf die zu Grunde liegende Verschleißerscheinung sowie eine unfallunabhängige somatoforme Schmerzstörung mit zusätzlicher depressiver Symptomatik zurückzuführen.

In seiner ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme vom 13.07.2006 führte Prof. Dr. K. aus, sowohl der Unfall vom 19.09.2001 als auch der Unfall vom 02.02.2004 hätten eine Wirbelsäulenzerrung hervorgerufen. Aufgrund der anlagebedingten vorzeitigen Degeneration im Bereich der gesamten Wirbelsäule mit Bandscheibenschädigungen L4/5 und L5/S1 sei das prolongierte Schmerzsyndrom für beide Ereignisse mit jeweils einer MdE um 10 v.H. und einer Arbeitsunfähigkeit von 6 Monaten nach den jeweiligen Unfällen angemessen.

Mit Bescheid vom 05.09.2006 stellte die Beklagte als Folgen des Arbeitsunfalls vom 19.09.2001 abgeklungene Beschwerden nach Zerrung der Wirbelsäule fest und führte aus, wegen der Unfallfolgen bestehe kein Anspruch auf Verletztenrente. Unfallunabhängig bestünden verschleißbedingte umformende Veränderungen der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule mit Bandscheibenschäden im Bereich des 6. und 7. Halswirbelkörpers, des 1. bis 3. Brustwirbelkörpers und der Segmente L4/5 und L5/S1 der Lendenwirbelsäule, eine Schmerzstörung sowie Krankheitszeichen mit gedrückter Stimmung in Form einer depressiven Symptomatik. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein.

Prof. Dr. K. hielt in seiner weiteren ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme vom 19.10.2006 an seiner ursprünglichen Auffassung fest.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.2007 wies die Beklagte den in Bezug auf das Unfallereignis vom 19.09.2001 gegen den Bescheid vom 05.09.2006 eingelegten Widerspruch zurück.

Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 26.01.2007 änderte die Beklagte in Bezug auf das Unfallereignis vom 02.02.2004 den Bescheid vom 21.07.2004 ab, bewilligte unter Zugrundelegung einer unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit ab 02.02.2004 für die Dauer von 6 Monaten bis zum 02.08.2004 Verletztengeld unter Anrechnung eines bereits von der Krankenkasse gezahlten Krankengeldes nach Ablauf der Entgeltfortzahlung bis zum 02.08.2004, stellte als Unfallfolgen folgenlos abgeklungene Beschwerden nach Zerrung der Lendenwirbelsäule fest, lehnte die Gewährung von Verletztenrente ab und wies den Widerspruch im Übrigen zurück.

Gegen beide Widerspruchsbescheide erhob der Kläger am 29.01.2007 Klagen zum Sozialgericht Reutlingen, das beide Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verband.

Das Sozialgericht hörte den Facharzt für Neurochirurgie Dr. H. unter dem 15.03.2007 und Dr. B. unter dem 20.03.2007 schriftlich als sachverständige Zeugen, die beide diverse ärztliche Unterlagen übersandten.

Sodann holte das Sozialgericht auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das neurologische Gutachten des Prof. Dr. H., Ärztlicher Direktor der Neurologischen Klinik E., vom 20.09.2007 ein. Der Sachverständige führte aus, insgesamt sei zusammenfassend festzuhalten, dass bei mehrfacher Untersuchung kein Hinweis für eine Schädigung peripherer Nervenwurzeln oder Nerven habe gefunden werden können, die die vom Kläger geklagten Beschwerden und gezeigten Einschränkungen erklären könnten. In den bildgebenden Untersuchungen hätten sich Beschreibungen degenerativer Veränderungen einschließlich Bandscheibenvorwölbungen und -vorfällen an verschiedenen Stellen des Achsenskeletts gezeigt. Solche Veränderungen lägen bei vielen Personen vor, ohne Beschwerden zu verursachen. Bei anderen führten sie zu radikulären Reizerscheinungen, insbesondere Schmerzen, seltener zu sensiblen oder motorischen Ausfällen. Die Lokalisation der Schmerzen oder sensiblen Störungen beziehungsweise die Verteilung muskulärer Paresen folge dann Mustern, die sich durch die anatomischen Beziehungen zwischen Nerven beziehungsweise Nervenwurzeln und Hautbezirken oder Muskeln ergäben. Derartige Befunde würden nach der Untersuchung durch Dr. K. nicht mehr beschrieben und fänden sich anlässlich der aktuellen Untersuchung weder bei der subjektiven Schilderung noch bei der klinischen Untersuchung. Zudem sei bei den verschiedenen bildgebenden Untersuchungen kein Befund erhoben worden, der nach Lokalisation oder nach Ausmaß die vom Kläger angegebenen Schmerzen oder insbesondere die sensiblen Störungen erklären könne. Auf neurologischem Fachgebiet bestünden somit keine nachweisbaren Gesundheitsstörungen.

Das Sozialgericht zog das im Rahmen eines auf die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gerichteten Verfahrens von dem Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. D., Chefarzt der Klinik für Psychiatrie an den Krankenhäusern des Landkreises F. gGmbH, am 05.11.2007 erstattete psychiatrische Gutachten bei. Ferner hörte das Sozialgericht den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Dipl.-Psych. G. unter dem 26.03.2008 schriftlich als sachverständigen Zeugen.

Sodann holte das Sozialgericht auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG das psychiatrische Gutachten des Dr. D. vom 21.07.2008 ein. Der Sachverständige führte aus, auf psychiatrischem Fachgebiet liege eine schwergradige depressive Entwicklung mit ausgeprägter Somatisierung, abhängigen Zügen und maligner Regression, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit Verdacht auf eine zusätzliche dissoziative Empfindungs- und Bewegungsstörung vor. Diese Erkrankungen seien weder auf das Unfallereignis vom 19.09.2001 noch auf das Unfallereignis vom 02.02.2004 zurückzuführen. Unfallfolgen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet bestünden mithin nicht. In seiner ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme vom 25.08.2008 führte Dr. D. aus, dass die Arbeitsunfälle des Klägers zwar Einfluss auf Zeitpunkt, Art und Ausmaß der aktuellen psychischen Störungen gehabt hätten, dass ihnen aber nicht eine überwiegende oder zumindest annähernd gleichwertige ursächliche Bedeutung zugemessen werden könne. Ungeachtet der vorhandenen unfallunabhängigen Faktoren könnten die Arbeitsunfälle das komplexe psychiatrische Krankheitsbild des Klägers nicht hervorrufen. Die Art des Traumas könne ein solches Krankheitsbild nicht evozieren.

Mit Urteil vom 22.01.2009 wies das Sozialgericht die Klagen ab. Der Kläger habe bei dem Arbeitsunfall vom 19.09.2001 eine Zerrung der Lendenwirbelsäule erlitten. Die in diesem Zusammenhang röntgenologisch erstmals festgestellten bandscheibenbedingten Veränderungen der Wirbelsäule seien nicht durch diesen Unfall verursacht worden. Soweit Dr. K. ausgeführt habe, die Bandscheibenschädigungen in der Lendenwirbelsäule in der Höhe von L4/5 und L5/S1 seien nur teilursächlich durch die Unfälle bedingt und primär auf zu Grunde liegende Verschleißerscheinungen zurückzuführen, sei dies, wie sich aus dem Zusammenhang seines Gutachtens ergebe, nicht dahingehend zu verstehen, dass die Bandscheibenschäden durch den Arbeitsunfall verursacht worden seien. Vielmehr vertrete Prof. Dr. K. die Auffassung, auf dem Boden der verschleißbedingten Veränderungen sei es durch die bei dem Arbeitsunfall erlittene Lendenwirbelsäulen-Zerrung zu der Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens gekommen. Als Verschlimmerung sehe Prof. Dr. K. dabei ein prolongiertes Schmerzsyndrom, nicht jedoch eine Verschlechterung der radiologisch sichtbaren Bandscheibenveränderungen an, was sich eindeutig aus seiner ergänzenden Stellungnahme ergebe. Damit stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass bei dem Ereignis vom 19.09.2001 keine frischen Bandscheibenschäden entstanden seien. Ob der Arbeitsunfall für das prolongierte Schmerzsyndrom neben den anlagebedingten Bandscheibenveränderungen eine rechtlich wesentliche Bedingung gewesen sei, könne im Rahmen des Streitgegenstandes offenbleiben. Selbst wenn man der Beurteilung des Prof. Dr. K. folgen würde, dass für ein Jahr nach dem Arbeitsunfall eine MdE um 10 v. H. wegen dieses Schmerzsyndroms anzuerkennen sei, ergäbe sich daraus kein Anspruch auf die Gewährung von Verletztenrente, da keine MdE um wenigstens 20 v. H. vorgelegen habe. Auch bei dem Unfallereignis vom 02.02.2004 habe der Kläger lediglich eine Zerrung der Lendenwirbelsäule erlitten, ohne dass sich die radiologisch sichtbaren Bandscheibenveränderungen dadurch verschlimmert hätten. So habe Prof. Dr. W. bereits am 26.07.2004 die Auffassung vertreten, die Bandscheibenveränderungen würden sich unverändert zu den Voruntersuchungen aus dem Jahr 2001 darstellen. Aus den Gutachten des Prof. Dr. K. und des Prof. Dr. R. lasse sich eine andere Beurteilung nicht zur Überzeugung des Gerichts begründen. Prof. Dr. R. trenne ebenso wie Prof. Dr. K. die Begriffe der Verschlimmerung eines Vorschadens und der Mitverursachung durch eine stumme Schadensanlage nicht konsequent. Trotz eines gewissen Überraschungsmomentes erscheine der vom Kläger beschriebene Unfallhergang nicht geeignet, Bandscheibenveränderungen hervorzurufen. Das Unfallereignis sei somit lediglich geeignet gewesen, auf der Grundlage bestehender degenerativer Veränderungen der Bandscheiben des Klägers eine vorübergehende Schmerzsymptomatik auszulösen. Der wesentliche Teil der Beschwerden des Klägers sei auf ein komplexes psychosomatisches Beschwerdebild im Sinne einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung und einer depressiven Symptomatik zurückzuführen. Dieses Beschwerdebild sei nicht durch das Unfallereignis vom 02.02.2004 rechtlich wesentlich verursacht worden.

Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 12.03.2009 zugestellte Urteil des Sozialgerichts hat der Kläger am 16.03.2009 Berufung eingelegt. Das Sozialgericht habe übersehen, dass Prof. Dr. R. in seiner Stellungnahme vom 17.03.2006 ausgeführt habe, die seit 2001 bestehenden Schmerzen der Lendenwirbelsäule sowie die nochmalige Verschlechterung der Schmerzen der Lendenwirbelsäule mit Ausstrahlung in beide Beine seit 2004 seien teilursächlich auf die entsprechenden Traumen zurückzuführen. Die Schmerzen in der Lendenwirbelsäule hätten seit 2001 dauerhaft vorgelegen, so dass es nicht schlüssig sei, eine MdE um 10 v. H. lediglich für ein Jahr nach dem Unfall anzuerkennen. In den Gutachten werde nicht ausreichend diskutiert, ob das Unfallereignis 2004 nicht zumindest gleichwertige oder wesentliche Ursache dafür gewesen sei, dass Bandscheibenvorfälle aufgetreten seien, die dann nach und nach zu der sich immer mehr verschlimmernden Schmerzproblematik geführt hätten. Ferner werde nicht ausreichend diskutiert, ob bereits eine geringe auslösende Kraft erforderlich gewesen sei, um die Irritation der Nervenwurzel hervorzurufen und ob diese Irritation dann Auslöser für die sich zeitnah anschließende Kette der Veränderungen und verstärkter Belastung im Wirbelsäulenbereich gewesen sei. Außerdem fehlten Ausführungen dazu, ob die neurologischen Beschwerden mit Wahrscheinlichkeit nachgewiesen seien und für die Folgeprobleme Auslöser sein könnten. Die Beschwerden auf psychiatrischem Fachgebiet hätten unfallbedingt derart zugenommen, dass auch leichte Tätigkeiten nicht mehr vollschichtig verrichtet werden könnten.

Der Kläger beantragt,

- das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 22.01.2009 aufzuheben, - den Bescheid der Beklagten vom 05.09.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 19.09.2001 Verletztenrente ab 02.02.2004 nach einer MdE um mindestens 10 v. H. zu gewähren sowie - den Bescheid der Beklagten vom 21.07.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2007 abzuändern, als Folgen des Arbeitsunfalls vom 02.02.2004 Bandscheibenschäden im Bereich des 6. und 7. Halswirbelkörpers, des 1. bis 3. Brustwirbelkörpers und der Segmente L4/5 und L5/S1 der Lendenwirbelsäule, eine somatoforme Schmerzstörung und eine depressive Symptomatik festzustellen und die Beklagte zu verurteilen, ihm Verletztengeld über den 02.08.2004 hinaus und Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 v. H. zu gewähren,

hilfsweise von Amts wegen ein neuro-chirurgisches Gutachten zu den Folgen beider Arbeitsunfälle und ihrer Bewertung einzuholen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Der Kläger hat wegen des Ereignisses vom 19.09.2001 keinen Anspruch auf Verletztenrente sowie wegen des Ereignisses vom 02.02.2004 weder einen Anspruch auf Feststellung von Bandscheibenschäden im Bereich des 6. und 7. Halswirbelkörpers, des 1. bis 3. Brustwirbelkörpers und der Segmente L4/5 und L5/S1 der Lendenwirbelsäule, einer somatoformen Schmerzstörung und einer depressiven Symptomatik als Unfallfolgen noch auf die Gewährung von Verletztengeld über den 02.08.2004 hinaus oder auf Verletztenrente.

Rechtsgrundlage sind die §§ 7, 8 und 56 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII).

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), das heißt auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII).

Aus diesen gesetzlichen Vorgaben hat die Rechtsprechung (zuletzt in BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R) die folgenden Grundsätze entwickelt:

Für die Feststellung eines Arbeitsunfalls ist erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer beziehungsweise sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem Unfallereignis als einem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkendem Ereignis geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Erforderlich ist für die Gewährung von Verletztengeld, dass die zur Arbeitsunfähigkeit führende Erkrankung durch den Gesundheitserstschaden bedingt ist, und für die Gewährung einer Verletztenrente, dass längerandauernde Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens entstanden sind (haftungsausfüllende Kausalität) und eine hierdurch bedingte MdE um mindestens 20 v. H. erreicht wird.

Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Art und das Ausmaß des Unfallereignisses, der Gesundheitserstschaden und die hierdurch verursachten länger andauernden Unfallfolgen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Lässt sich ein Nachweis nicht führen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten.

Für die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität, welche nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen sind, ist grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreichend, aber auch erforderlich. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht, so dass auf diesen Grad der Wahrscheinlichkeit vernünftiger Weise die Entscheidung gestützt werden kann und ernste Zweifel ausscheiden. Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Dies schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen. Der wissenschaftliche Erkenntnisstand ist die Grundlage, auf der die geltend gemachten Gesundheitsstörungen des konkreten Versicherten zu bewerten sind. Bei dieser einzelfallbezogenen Bewertung kann nur auf das individuelle Ausmaß der Beeinträchtigung des Versicherten abgestellt werden, aber nicht so wie er es subjektiv bewertet, sondern wie es objektiv ist. Die Aussage, der Versicherte sei so geschützt, wie er die Arbeit antritt, ist ebenfalls diesem Verhältnis von individueller Bewertung auf objektiver, wissenschaftlicher Grundlage zuzuordnen. Die Ursachenbeurteilung im Einzelfall hat anhand des konkreten individuellen Versicherten unter Berücksichtigung seiner Krankheiten und Vorschäden zu erfolgen, aber auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes.

Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs beziehungsweise Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Wenn es mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen gibt, ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere/n Ursache/n keine überragende Bedeutung hat/haben. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur diese Ursache/n "wesentlich" und damit Ursache/n im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Ist die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen, so ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte.

Bei dieser Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen. Dass der Begriff der Gelegenheitsursache durch die Austauschbarkeit der versicherten Einwirkung gegen andere alltäglich vorkommende Ereignisse gekennzeichnet ist, berechtigt jedoch nicht zu dem Umkehrschluss, dass bei einem gravierenden, nicht alltäglichen Unfallgeschehen ein gegenüber einer Krankheitsanlage rechtlich wesentlicher Ursachenbeitrag ohne Weiteres zu unterstellen ist. Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache beziehungsweise dem Ereignis als solchem, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens - aber eine Ursache ist nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte war -, ferner das Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, die Befunde und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie die gesamte Krankengeschichte. Ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein.

Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung gegebenenfalls in einem oder mehreren Schritten zu prüfende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Dies wird häufig bei einem klar erkennbaren Ursache-Wirkungs-Zusammenhang, vor allem wenn es keine feststellbare konkurrierende Ursache gibt, kein Problem sein. Aber es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache das angeschuldigte Ereignis eine Ursache ist oder die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellte versicherte Ursache im naturwissenschaftlichen Sinn automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Senat zu der Auffassung gelangt, dass die als Folgen des Ereignisses vom 19.09.2001 bestehenden Gesundheitsschäden keine Verletztenrente rechtfertigen (1.), die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsschäden nicht Folge des Ereignisses vom 02.02.2004 sind (2.) und auch die von der Beklagten als Folgen des Ereignisses vom 02.02.2004 anerkannten Gesundheitsschäden keine Verletztenrente rechtfertigen (3.).

1. Die mit Bescheid vom 05.09.2006 als Folgen des Ereignisses vom 19.09.2001 anerkannten "abgeklungenen Beschwerden nach Zerrung der Wirbelsäule" rechtfertigen keine MdE rentenberechtigenden Grades, da es sich hierbei nicht um einen dauerhafte Funktionseinschränkungen bedingenden Schaden handelt. Auch hat es die Beklagte zu Recht abgelehnt, darüber hinaus weitere Gesundheitsschäden als Folge dieses Ereignisses anzuerkennen. So hat die röntgenologische Untersuchung der Lendenwirbelsäule bei Dr. von P. am 24.09.2001 keinen Frakturhinweis und nur eine Distorsion der Lendenwirbelsäule mit einer Blockade ISG rechts (Durchgangsarztbericht vom 24.09.2001) und die computertomographische Untersuchung der unteren Lendenwirbelsäule bei Dr. Sch. am 11.10.2001 eine geringgradige, ältere rechtslaterale und intraforaminale Bandscheibenprotrusion L5/S1 ohne wesentlichen Kompressionseffekt sowie eine minimale, linkslaterale Bandscheibenprotrusion L4/L5 ohne Kompressionseffekt mit Verneinung eines Bandscheibenprolapses und einer Spinalkanalstenose (Arztbrief vom 11.10.2001). ergeben. Mithin ist kein Gesundheitserstschaden dokumentiert, der ursächlich dauerhafte Gesundheitsschäden in der Wirbelsäule erklären könnte. Unfallbedingte neurologische Gesundheitsschäden haben Dr. N. in seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 10.06.2005 mit Stellungnahme vom 07.07.2005 und Prof. Dr. L. in seinem neurologischen Gutachten vom 27.12.2005 mit überzeugender Argumentation verneint. Nichts anderes ergibt sich entgegen der Ansicht des Klägers aus den Ausführungen des Prof. Dr. R., die seit 2001 bestehenden Schmerzen der Lendenwirbelsäule seien teilursächlich auf das Trauma zurückzuführen. Zu Recht hat das Sozialgericht in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass beim Kläger ausweislich des computertomographischen Befundes des Dr. Sch. vom 11.10.2001 vor dem Ereignis vom 19.09.2001 bereits klinisch stumme Bandscheibenveränderungen vorgelegen haben, neben denen dieses Unfallereignis keine wesentliche Bedeutung für die danach manifest gewordenen Krankheitserscheinungen gehabt hat. Auch der Einwand der Klägerseite, da die Schmerzen in der Lendenwirbelsäule seit 2001 dauerhaft vorgelegen hätten, sei es nicht schlüssig, eine MdE um 10 v. H. lediglich für ein Jahr nach dem Unfall anzuerkennen, ist nicht stichhaltig. Denn die MdE um 10 v. H. beruht nicht auf der gesamten dauerhaften Lendenwirbelsäulenproblematik, sondern lediglich auf dem Anteil, der sich aus den als Unfallfolgen festgestellten "abgeklungenen Beschwerden nach Zerrung der Wirbelsäule" ergibt.

2. Nach Ansicht des Senat spricht nicht mehr dafür als dagegen, dass die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsbeschwerden auf orthopädischem und neurologischem Fachgebiet (2.1) sowie auf psychiatrischem Fachgebiet (2.2) wesentlich ursächlich auf das Ereignis vom 02.02.2004 zurückzuführen sind.

2.1 Dies ergibt sich für die geltend gemachten Schäden im Bereich der Wirbelsäule daraus, dass die röntgenologische Untersuchung der Lendenwirbelsäule bei Dr. von P. am 03.02.2004 keinen Frakturhinweis und vielmehr eine unfallunabhängige Bandscheibenprotrusion L5/S1 (Durchgangsarztbericht vom 03.02.2004), die röntgenologische Untersuchung der Halswirbelsäule bei der Radiologin B. am 16.02.2004 nur eine geringe bis mäßige Spondylosis deformans und Residuen eines Morbus Scheuermann geringer Ausprägung (Arztbrief vom 16.02.2004) sowie die computertomographische Untersuchung der Lendenwirbelsäule bei der Radiologin B. am 17.02.2004 keine Befundänderung zur Voruntersuchung aus dem Jahr 2001 (Arztbrief vom 17.02.2004) ergeben hat. Mithin ist kein Gesundheitserstschaden dokumentiert, der ursächlich die geltend gemachten Gesundheitsschäden in der Wirbelsäule erklären könnte. Auch zeigte die in der Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums T. durchgeführten magnetresonanztomographischen Untersuchungen der gesamten Wirbelsäule am 31.03.2004 und 23.06.2004 keine klare und eindeutige Erklärung für die Beschwerdesymptomatik. Unfallbedingte neurologische Gesundheitsschäden haben Dr. N. in seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 10.06.2005 mit Stellungnahme vom 07.07.2005 und Prof. Dr. L. in seinem neurologischen Gutachten vom 27.12.2005 mit überzeugender Argumentation verneint. Nichts anderes ergibt sich nach Ansicht des Senats aus dem neurochirurgischen Gutachten des Prof. Dr. R. vom 17.03.2006 und dem chirurgischen Gutachten des Prof. Dr. K. vom 21.03.2006 mit Stellungnahmen vom 13.07.2006 und 19.10.2006. Indem Prof. Dr. R. ausgeführt hat, die Verschlechterung der Schmerzen der Lendenwirbelsäule mit Ausstrahlung in beide Beine seit 2004 sei teilursächlich auf das Trauma zurückzuführen, hat er nicht beachtet, dass das Ereignis vom 02.02.2004 in Anbetracht der beträchtlichen Vorschäden gerade keine wesentliche Ursache für die geltend gemachten Gesundheitsschäden darstellt, sondern hinter den Vorschäden, die für den Eintritt der geltend gemachten Gesundheitsschäden von überragender Bedeutung sind, als unwesentliche Ursache zurücktritt. Im Übrigen hat auch Prof. Dr. K. schlüssig dargelegt, dass die "Restsymptomatik" auf die zu Grunde liegende Verschleißerscheinung sowie eine unfallunabhängige somatoforme Schmerzstörung mit zusätzlicher depressiver Symptomatik zurückzuführen ist.

2.2 Die geltend gemachten Schäden im seelischen Bereich in Form einer somatoformen Schmerzstörung und einer depressiven Symptomatik sind nach Ansicht des Senats ebenfalls unfallunabhängig. So ist im Rahmen der stationären Behandlung des Klägers in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. Dr. K. bereits von funktionell ausgestalteten Beschwerden ausgegangen (Befundbericht vom 30.06.2004) und hat Prof. Dr. W. eine ausgeprägte Somatisierung mit subjektiver Schmerzsymptomatik angenommen (Entlassbericht vom 07.07.2004), ohne dass diese Ärzte einen Unfallzusammenhang ausgemacht haben. Auch hat Dr. N. in seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 10.06.2005 mit Stellungnahme vom 07.07.2005 überzeugend ausgeführt, dass die vom Kläger angegebenen Sensibilitätsstörungen im Rahmen der psychogenen Störung zu sehen sind und unfallunabhängig eine schwere psychosomatische Störung im Sinne einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung und als Reaktion auf den chronischen psychogen verursachten Schmerzzustand eine leichte reaktiv-depressive Verstimmung im Sinne einer depressiven Anpassungsstörung besteht. In sich schlüssig und damit zu Recht hat Prof. Dr. L. in seinem neurologischen Gutachten vom 27.12.2005 dargelegt, dass eine psychosomatische Störung im Sinne einer somatoformen Schmerzstörung besteht, für deren Verursachung ein adäquates Unfallereignis nicht gegeben ist. Folgerichtig hat diese Einschätzung auch in dem psychiatrischen Gutachten des Dr. D. vom 21.07.2008 mit Stellungnahme vom 25.08.2008 ihre Bestätigung gefunden, indem auch dieser dargelegt hat, dass die seelischen Erkrankungen nicht unfallbedingt sind.

3. Die mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.2006 als Folgen des Ereignisses vom 02.02.2004 anerkannten "folgenlos abgeklungenen Beschwerden nach Zerrung der Lendenwirbelsäule" rechtfertigen keine MdE rentenberechtigenden Grades, da es sich hierbei nicht um einen dauerhafte Funktionseinschränkungen bedingenden Schaden handelt.

Im Übrigen schließt sich der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG den Ausführungen des Sozialgerichts nach eigener Prüfung unter Verweis auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils zur Vermeidung von Wiederholungen an.

Dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag auf Einholung eines neurochirurgischen Gutachtens war nicht stattzugeben, da der entscheidungserhebliche Sachverhalt hinreichend aufgeklärt ist.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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