Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 3100/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 3904/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 22.07.2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Strittig ist noch die Gewährung von Verletztenrente über den 31.01.2008 hinaus.
Der 1964 geborene Kläger war bei der J. V. AG in M. als Schlosser beschäftigt. Am 06.06.2006 geriet er mit der rechten Hand in eine Presse und quetschte sich dabei den Mittel- und Ringfinger. Prof. Dr. G. von der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L. stellte im Durchgangsarztbericht vom 07.06.2006 die Diagnose "offene distale Nagelkranzfrakturen Mittel- und Ringfinger rechts". Der Kläger wurde anschließend durch den Arzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. M. sowie durch die Ärzte der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L. ambulant behandelt. Da unverändert starke Berührungsschmerzen der Fingerkuppen D III und IV rechts bestanden und die bisher durchgeführten ambulanten Physio- und Ergotherapien keinen wesentlichen Erfolg gehabt hatten (Krankheitsbericht Dr. M. vom 18.10.2006), wurde der Kläger vom 09. bis 13.11.2006 in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L. stationär behandelt. Am 10.11.2006 wurde eine Stumpfrevision mit Entfernung verbliebener knöcherner Fragmente durchgeführt (Zwischenbericht und Operationsbericht jeweils vom 13.11.2006). Nach Durchführung einer Arbeitserprobung war der Kläger ab 05.02.2007 wieder arbeitsfähig (Mitteilung D-Arzt Dr. M. vom 05.02.2007). Am 04.10.2007 teilte Dr. M. der Beklagten mit, der Kläger sei am 28.06.2007 aus seiner ambulanten Behandlung entlassen worden. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage nach vorläufiger Schätzung über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus 20 vom Hundert (v. H.). Ergänzend führte Dr. M. im Krankheitsbericht vom 16.10.2007 aus, nach dem 05.02.2007 sei die krankengymnastische Behandlung in der arbeitsfreien Zeit weitergeführt worden. Bei der letzten Vorstellung am 28.06.2006 (gemeint: 2007) habe der Kläger weiter anhaltende Beschwerden bei der Arbeit angegeben. Der Faustschluss sei schmerzhaft gewesen und es habe immer noch ein deutlicher Berührungsschmerz bestanden.
Am 29.04.2008 erstattete der Chirurg und Orthopäde Dr. J. im Auftrag der Beklagten das Erste Rentengutachten. Als Unfallfolgen beschrieb er zusammenfassend hinsichtlich der Finger D III/D IV an der rechten Hand eine verminderte Kuppenpolsterung, eine Sensibilitätsstörung, eine Narbenbildung, eine Funktionseinschränkung bei der Streckung und Beugung sowie eine Minderung der groben Kraft. Die unfallbedingte MdE schätzte er vom 05.02.2007 bis zum Untersuchungstag (29.01.2008) mit 10 v. H. und anschließend bis auf Weiteres mit ") 10 v. H." (gemeint: unter 10 v. H.) ein.
Mit Bescheid vom 17.06.2008 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab, weil die Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht über die 26. Woche nach Eintritt des Arbeitsunfalls beziehungsweise nach dem Ende des Verletztengeldanspruchs um wenigstens 20 v. H. gemindert sei.
Mit seinem hiergegen gerichteten Widerspruch machte der Kläger geltend, der Gutachter Dr. J. sei der Auffassung, dass die MdE ab 30.01.2008 ") 10%" sei. Sein behandelnder Arzt Dr. M. vertrete die Auffassung, dass die MdE mindestens 20 v. H. betrage. Insbesondere sei zu beachten, dass er auf Grund seines Arbeitsunfalles seine bisherige Tätigkeit als Schlosser nicht mehr ausüben könne. Regelmäßig fielen ihm nämlich Dinge aus der Hand. Außerdem sei die gesamte Hand sehr kälteempfindlich und er müsse spezielle Arbeitshandschuhe tragen. Er sei deshalb innerbetrieblich umgesetzt worden. Mit dem Widerspruchsbescheid vom 09.09.2008 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte sie aus, es sei unerheblich, ob und ggf. in welchem Ausmaß ein Versicherter auf Grund von Unfallfolgen bei der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit eingeschränkt sei. Ferner sei nicht relevant, wie der behandelnde Arzt die MdE einschätze. Dr. J. habe bei seiner gutachterlichen Untersuchung keine wesentlichen funktionellen Beeinträchtigungen seitens des Mittel- und Ringfingers der rechten Hand erheben können.
Hiergegen erhob der Kläger am 18.09.2008 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG). Er verwies im Wesentlichen auf seinen Vortrag im Widerspruchsverfahren.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Das SG erhob Beweis durch die Einholung des Gutachtens, das der Leiter des Bereichs Hand- und Mikrochirurgie der Orthopädischen Universitätsklinik H., Dr. J., am 03.02.2009 auf Grund der ambulanten Untersuchung vom 29.01.2009 erstattete. Als Folgen der pseudarthrotisch ausgeheilten Fingernagelkranzfrakturen D III und D IV beschrieb Dr. J. eine fortbestehende Berührungsempfindlichkeit (rechts mehr als links), eine Gefühlsstörung und eine Durchblutungsminderung der Fingerkuppen D III und D IV rechts, eine endgradige Bewegungseinschränkung der Fingerendglieder D III ) D IV rechts, eine verminderte Schweißneigung im Bereich der Fingerkuppe D III ) D IV rechts, eine Verkürzung des Fingerendgliedes D III rechts und eine Nagelwachstumsstörung D III rechts. Die Kuppenpolsterung sei (bei D III ) D IV) vermindert. Für die Bemessung der MdE erheblich seien insbesondere die Gefühlsstörungen der Fingerkuppen III und IV, die Überempfindlichkeit im Sinne von Druckschmerzen an der Fingerkuppe D III und die Kälteempfindlichkeit der Fingerkuppen D III und IV. In seiner Beurteilung führte er aus, bis zum Zeitpunkt der Untersuchung am 29.01.2008 sei noch eine deutliche Einschränkung der Langfingerbeweglichkeit D II bis V mit einem Streckdefizit von 20 Grad in allen Grundgelenken der Langfinger sowie eine Einschränkung des Spitz- und Schlüsselgriffs am dritten und vierten Finger vorhanden gewesen. Diese Einschränkungen hätten anlässlich der erneuten Begutachtung am 29.01.2009 nicht mehr vorgelegen. Er schlage deshalb eine Gesamtvergütung mit einer MdE um 20 v. H. bis 29.01.2008 vor. Anschließend betrage die MdE 10 v. H. Jetzt finde sich nämlich ein Zustand, welcher der Fingerendgliedamputation D III und IV gleichgesetzt werden könne.
Das Vergleichsangebot der Beklagten vom 31.03.2009 (Rente in Höhe von 20 v. H. der Vollrente vom 05.02.2007 bis 31.01.2008) lehnte der Kläger ab. Er legte zur Begründung das Attest Dr. M.s vom 26.05.2009 vor, wonach der Sachverständige gut und ausführlich begründet habe, warum er zu einer MdE um 20 v. H. bis 29.01.2008 und anschließend 10 v. H. komme. Er habe auch die einschlägige Gutachterliteratur zu Grunde gelegt. "Da ich Sie bereits längere Zeit kenne, glaube ich, dass für Sie als Schlosser mit den glaubhaften Unfallfolgen eine Reduzierung der MdE auf 10 v. H. nicht angebracht ist, sondern eine weitere Einschränkung von 20 v. H. bestehen bleiben sollte".
Mit Gerichtsbescheid vom 22.07.2009 - den Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 30.07.2009 - verurteilte das SG die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide, dem Kläger Verletztenrente nach einer MdE um 20 v. H. für den Zeitraum vom 05.02.2007 bis 31.01.2008 zu gewähren. Im Übrigen wies es die Klage ab. In den Gründen stützte es sich im Wesentlichen auf das Gutachten von Dr. J ... Der von Dr. M. im Attest vom 26.05.2009 vertretenen Auffassung, eine MdE um 20 v. H. sei dauerhaft vorhanden, könne nicht gefolgt werden, weil dieser dabei die in der gesetzlichen Unfallversicherung maßgeblichen Beurteilungsgrundsätze ganz offensichtlich nicht beachtet habe.
Mit seiner am 26.08.2009 eingelegten und bisher nicht begründeten Berufung verfolgt der Kläger sein Ziel weiter.
Er beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 22.07.2009 und den Bescheid der Beklagten vom 17.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.09.2008 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm auch für die Zeit ab 01.02.2008 bis auf Weiteres Rente nach einer MdE um 20 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Vorsitzende des Senats hat die Streitsache am 16.12.2009 mit den Beteiligten erörtert. Der Kläger hat erklärt, er wolle nochmals mit Dr. M. sprechen, ob die MdE um 20 v. H., von welcher dieser ausgehe, auch medizinisch begründet sei und nicht nur wegen seines Schlosserberufs.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akten des Senats, des SG und auf die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Er hat für die Zeit ab 01.02.2008 keinen Anspruch (mehr) auf die Gewährung von Verletztenrente.
Das SG hat auf Seite 5 und 6 der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils zutreffend dargelegt, unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Verletztenrente besteht und nach welchen Grundsätzen die Höhe der hierfür maßgeblichen MdE zu bestimmen ist. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug. Das SG hat ferner mit zutreffender Begründung ausführlich dargelegt, warum die unfallbedingte MdE des Klägers in der Zeit ab 01.02.2008 nur noch mit 10 v. H. bewertet werden kann. Auch diese Ausführungen macht sich der Senat zu eigen und verweist hierauf gemäß § 153 Abs. 2 SGG. Ergänzend ist der Kläger an die Erklärungen zu erinnern, die ihm der Senat im Erörterungstermin vom 16.12.2009 gegeben hat. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass nach den überzeugenden Darlegungen von Dr. J. die bei dem Kläger vorhandenen Unfallfolgen am Mittel- und Ringfinger der rechten Hand in etwa einer Amputation der Fingerendglieder der genannten Finger gleichgestellt werden können. Der Verlust der genannten Fingerendglieder wird in der versicherungsmedizinischen Literatur nicht ganz einheitlich beurteilt. Dr. J. ist von der für die Versicherten günstigsten Beurteilung in Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, jetzt 8. Auflage, Seite 566 ausgegangen, wonach der Verlust der beiden Endglieder des dritten und vierten Fingers eine Gesamtvergütung nach einer MdE um 20 v. H. für sechs Monate rechtfertigt, wonach die MdE mit 10 v. H. zu bemessen ist. Nach Mehrhoff/Meindl/Muhr, Unfallbegutachtung, 12. Auflage 2009, Seite 259, Abbildung 13 sowie nach Kassler Kommentar - Ricke, Rdz. 82 zu § 56 SGB VII, Schaubild 39 wird dagegen der Verlust der Endglieder des dritten und vierten Fingers mit einer MdE um 0 v. H. bewertet. Eine MdE um 20 v. H. für die Zeit ab 01.02.2008 lässt sich danach nicht begründen.
Das gilt auch im Hinblick auf besondere berufliche Nachteile. Gemäß § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII werden zwar bei der Bemessung der MdE Nachteile berücksichtigt, die die Versicherten dadurch erleiden, dass sie bestimmte von ihnen erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen in Folge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen können, soweit solche Nachteile nicht durch sonstige Fähigkeiten, deren Nutzung ihnen zugemutet werden kann, ausgeglichen werden. Diese Regelung setzt aber nach ständiger Rechtsprechung des BSG (vgl. BSGE 23, 253, 254; 39, 31, 33; SozR 3 - 2200 § 581 Nr. 1), der auch der erkennende Senat folgt, die in der gesetzlichen Unfallversicherung seit jeher geltenden Grundsätze der abstrakten Schadensbemessung nicht außer Kraft. Daher können auch die erzwungene Aufgabe eines Lehrberufs (z. B. Installateurmeister: BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22; Schlosser: BSG BG 1975, 521) oder ein hoher Erwerbsschaden allein ihre Anwendung nicht begründen, ebenso wenig die Grundsätze zu § 30 des Bundesversorgungsgesetzes (BSGE 70, 47, 48). Die ständige Rechtsprechung des BSG versteht die Regelung im Sinne einer Härteklausel in Fällen, in denen die Versicherten ihre verbliebenen Fähigkeiten nur noch unter Inkaufnahme eines unzumutbaren sozialen Abstiegs verwerten können. Ob der Versicherungsfall in der speziell betroffenen beruflichen Tätigkeit eingetreten ist oder bei einer anderen, spielt keine Rolle. Die Voraussetzungen des § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII liegen demnach nur bei Versicherten vor, die einen sehr spezifischen Beruf mit einem relativ engen Bereich ausüben. Die Ausübung des Berufs muss auf Grund der Dauer oder Intensität oder auch auf Grund besonderer Begabung oder Ähnlichem nicht nur ein spezielles Fachwissen, sondern auch besondere Fähigkeiten und Fertigkeiten vermittelt haben, welche die Stellung im Erwerbsleben wesentlich begünstigt haben (Kassler Kommentar - Ricke, Rdz. 28 und 29 zu § 56 SGB VII m. N.). Nach diesen Grundsätzen liegen die Voraussetzungen des § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII hier nicht vor. Weder verfügt der Kläger über eine spezielle Fertigkeit in diesem Sinne noch über ein die normale berufliche Erfahrung übersteigendes, länger erprobtes besonderes Fachwissen. Bei dem Schlosserberuf handelt es sich ferner nicht um einen sehr spezifischen Beruf mit einem relativ engen Tätigkeitsbereich, der sich insoweit von anderen Berufen unterscheidet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Strittig ist noch die Gewährung von Verletztenrente über den 31.01.2008 hinaus.
Der 1964 geborene Kläger war bei der J. V. AG in M. als Schlosser beschäftigt. Am 06.06.2006 geriet er mit der rechten Hand in eine Presse und quetschte sich dabei den Mittel- und Ringfinger. Prof. Dr. G. von der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L. stellte im Durchgangsarztbericht vom 07.06.2006 die Diagnose "offene distale Nagelkranzfrakturen Mittel- und Ringfinger rechts". Der Kläger wurde anschließend durch den Arzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. M. sowie durch die Ärzte der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L. ambulant behandelt. Da unverändert starke Berührungsschmerzen der Fingerkuppen D III und IV rechts bestanden und die bisher durchgeführten ambulanten Physio- und Ergotherapien keinen wesentlichen Erfolg gehabt hatten (Krankheitsbericht Dr. M. vom 18.10.2006), wurde der Kläger vom 09. bis 13.11.2006 in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L. stationär behandelt. Am 10.11.2006 wurde eine Stumpfrevision mit Entfernung verbliebener knöcherner Fragmente durchgeführt (Zwischenbericht und Operationsbericht jeweils vom 13.11.2006). Nach Durchführung einer Arbeitserprobung war der Kläger ab 05.02.2007 wieder arbeitsfähig (Mitteilung D-Arzt Dr. M. vom 05.02.2007). Am 04.10.2007 teilte Dr. M. der Beklagten mit, der Kläger sei am 28.06.2007 aus seiner ambulanten Behandlung entlassen worden. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage nach vorläufiger Schätzung über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus 20 vom Hundert (v. H.). Ergänzend führte Dr. M. im Krankheitsbericht vom 16.10.2007 aus, nach dem 05.02.2007 sei die krankengymnastische Behandlung in der arbeitsfreien Zeit weitergeführt worden. Bei der letzten Vorstellung am 28.06.2006 (gemeint: 2007) habe der Kläger weiter anhaltende Beschwerden bei der Arbeit angegeben. Der Faustschluss sei schmerzhaft gewesen und es habe immer noch ein deutlicher Berührungsschmerz bestanden.
Am 29.04.2008 erstattete der Chirurg und Orthopäde Dr. J. im Auftrag der Beklagten das Erste Rentengutachten. Als Unfallfolgen beschrieb er zusammenfassend hinsichtlich der Finger D III/D IV an der rechten Hand eine verminderte Kuppenpolsterung, eine Sensibilitätsstörung, eine Narbenbildung, eine Funktionseinschränkung bei der Streckung und Beugung sowie eine Minderung der groben Kraft. Die unfallbedingte MdE schätzte er vom 05.02.2007 bis zum Untersuchungstag (29.01.2008) mit 10 v. H. und anschließend bis auf Weiteres mit ") 10 v. H." (gemeint: unter 10 v. H.) ein.
Mit Bescheid vom 17.06.2008 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab, weil die Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht über die 26. Woche nach Eintritt des Arbeitsunfalls beziehungsweise nach dem Ende des Verletztengeldanspruchs um wenigstens 20 v. H. gemindert sei.
Mit seinem hiergegen gerichteten Widerspruch machte der Kläger geltend, der Gutachter Dr. J. sei der Auffassung, dass die MdE ab 30.01.2008 ") 10%" sei. Sein behandelnder Arzt Dr. M. vertrete die Auffassung, dass die MdE mindestens 20 v. H. betrage. Insbesondere sei zu beachten, dass er auf Grund seines Arbeitsunfalles seine bisherige Tätigkeit als Schlosser nicht mehr ausüben könne. Regelmäßig fielen ihm nämlich Dinge aus der Hand. Außerdem sei die gesamte Hand sehr kälteempfindlich und er müsse spezielle Arbeitshandschuhe tragen. Er sei deshalb innerbetrieblich umgesetzt worden. Mit dem Widerspruchsbescheid vom 09.09.2008 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte sie aus, es sei unerheblich, ob und ggf. in welchem Ausmaß ein Versicherter auf Grund von Unfallfolgen bei der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit eingeschränkt sei. Ferner sei nicht relevant, wie der behandelnde Arzt die MdE einschätze. Dr. J. habe bei seiner gutachterlichen Untersuchung keine wesentlichen funktionellen Beeinträchtigungen seitens des Mittel- und Ringfingers der rechten Hand erheben können.
Hiergegen erhob der Kläger am 18.09.2008 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG). Er verwies im Wesentlichen auf seinen Vortrag im Widerspruchsverfahren.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Das SG erhob Beweis durch die Einholung des Gutachtens, das der Leiter des Bereichs Hand- und Mikrochirurgie der Orthopädischen Universitätsklinik H., Dr. J., am 03.02.2009 auf Grund der ambulanten Untersuchung vom 29.01.2009 erstattete. Als Folgen der pseudarthrotisch ausgeheilten Fingernagelkranzfrakturen D III und D IV beschrieb Dr. J. eine fortbestehende Berührungsempfindlichkeit (rechts mehr als links), eine Gefühlsstörung und eine Durchblutungsminderung der Fingerkuppen D III und D IV rechts, eine endgradige Bewegungseinschränkung der Fingerendglieder D III ) D IV rechts, eine verminderte Schweißneigung im Bereich der Fingerkuppe D III ) D IV rechts, eine Verkürzung des Fingerendgliedes D III rechts und eine Nagelwachstumsstörung D III rechts. Die Kuppenpolsterung sei (bei D III ) D IV) vermindert. Für die Bemessung der MdE erheblich seien insbesondere die Gefühlsstörungen der Fingerkuppen III und IV, die Überempfindlichkeit im Sinne von Druckschmerzen an der Fingerkuppe D III und die Kälteempfindlichkeit der Fingerkuppen D III und IV. In seiner Beurteilung führte er aus, bis zum Zeitpunkt der Untersuchung am 29.01.2008 sei noch eine deutliche Einschränkung der Langfingerbeweglichkeit D II bis V mit einem Streckdefizit von 20 Grad in allen Grundgelenken der Langfinger sowie eine Einschränkung des Spitz- und Schlüsselgriffs am dritten und vierten Finger vorhanden gewesen. Diese Einschränkungen hätten anlässlich der erneuten Begutachtung am 29.01.2009 nicht mehr vorgelegen. Er schlage deshalb eine Gesamtvergütung mit einer MdE um 20 v. H. bis 29.01.2008 vor. Anschließend betrage die MdE 10 v. H. Jetzt finde sich nämlich ein Zustand, welcher der Fingerendgliedamputation D III und IV gleichgesetzt werden könne.
Das Vergleichsangebot der Beklagten vom 31.03.2009 (Rente in Höhe von 20 v. H. der Vollrente vom 05.02.2007 bis 31.01.2008) lehnte der Kläger ab. Er legte zur Begründung das Attest Dr. M.s vom 26.05.2009 vor, wonach der Sachverständige gut und ausführlich begründet habe, warum er zu einer MdE um 20 v. H. bis 29.01.2008 und anschließend 10 v. H. komme. Er habe auch die einschlägige Gutachterliteratur zu Grunde gelegt. "Da ich Sie bereits längere Zeit kenne, glaube ich, dass für Sie als Schlosser mit den glaubhaften Unfallfolgen eine Reduzierung der MdE auf 10 v. H. nicht angebracht ist, sondern eine weitere Einschränkung von 20 v. H. bestehen bleiben sollte".
Mit Gerichtsbescheid vom 22.07.2009 - den Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 30.07.2009 - verurteilte das SG die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide, dem Kläger Verletztenrente nach einer MdE um 20 v. H. für den Zeitraum vom 05.02.2007 bis 31.01.2008 zu gewähren. Im Übrigen wies es die Klage ab. In den Gründen stützte es sich im Wesentlichen auf das Gutachten von Dr. J ... Der von Dr. M. im Attest vom 26.05.2009 vertretenen Auffassung, eine MdE um 20 v. H. sei dauerhaft vorhanden, könne nicht gefolgt werden, weil dieser dabei die in der gesetzlichen Unfallversicherung maßgeblichen Beurteilungsgrundsätze ganz offensichtlich nicht beachtet habe.
Mit seiner am 26.08.2009 eingelegten und bisher nicht begründeten Berufung verfolgt der Kläger sein Ziel weiter.
Er beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 22.07.2009 und den Bescheid der Beklagten vom 17.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.09.2008 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm auch für die Zeit ab 01.02.2008 bis auf Weiteres Rente nach einer MdE um 20 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Vorsitzende des Senats hat die Streitsache am 16.12.2009 mit den Beteiligten erörtert. Der Kläger hat erklärt, er wolle nochmals mit Dr. M. sprechen, ob die MdE um 20 v. H., von welcher dieser ausgehe, auch medizinisch begründet sei und nicht nur wegen seines Schlosserberufs.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akten des Senats, des SG und auf die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Er hat für die Zeit ab 01.02.2008 keinen Anspruch (mehr) auf die Gewährung von Verletztenrente.
Das SG hat auf Seite 5 und 6 der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils zutreffend dargelegt, unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Verletztenrente besteht und nach welchen Grundsätzen die Höhe der hierfür maßgeblichen MdE zu bestimmen ist. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug. Das SG hat ferner mit zutreffender Begründung ausführlich dargelegt, warum die unfallbedingte MdE des Klägers in der Zeit ab 01.02.2008 nur noch mit 10 v. H. bewertet werden kann. Auch diese Ausführungen macht sich der Senat zu eigen und verweist hierauf gemäß § 153 Abs. 2 SGG. Ergänzend ist der Kläger an die Erklärungen zu erinnern, die ihm der Senat im Erörterungstermin vom 16.12.2009 gegeben hat. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass nach den überzeugenden Darlegungen von Dr. J. die bei dem Kläger vorhandenen Unfallfolgen am Mittel- und Ringfinger der rechten Hand in etwa einer Amputation der Fingerendglieder der genannten Finger gleichgestellt werden können. Der Verlust der genannten Fingerendglieder wird in der versicherungsmedizinischen Literatur nicht ganz einheitlich beurteilt. Dr. J. ist von der für die Versicherten günstigsten Beurteilung in Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, jetzt 8. Auflage, Seite 566 ausgegangen, wonach der Verlust der beiden Endglieder des dritten und vierten Fingers eine Gesamtvergütung nach einer MdE um 20 v. H. für sechs Monate rechtfertigt, wonach die MdE mit 10 v. H. zu bemessen ist. Nach Mehrhoff/Meindl/Muhr, Unfallbegutachtung, 12. Auflage 2009, Seite 259, Abbildung 13 sowie nach Kassler Kommentar - Ricke, Rdz. 82 zu § 56 SGB VII, Schaubild 39 wird dagegen der Verlust der Endglieder des dritten und vierten Fingers mit einer MdE um 0 v. H. bewertet. Eine MdE um 20 v. H. für die Zeit ab 01.02.2008 lässt sich danach nicht begründen.
Das gilt auch im Hinblick auf besondere berufliche Nachteile. Gemäß § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII werden zwar bei der Bemessung der MdE Nachteile berücksichtigt, die die Versicherten dadurch erleiden, dass sie bestimmte von ihnen erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen in Folge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen können, soweit solche Nachteile nicht durch sonstige Fähigkeiten, deren Nutzung ihnen zugemutet werden kann, ausgeglichen werden. Diese Regelung setzt aber nach ständiger Rechtsprechung des BSG (vgl. BSGE 23, 253, 254; 39, 31, 33; SozR 3 - 2200 § 581 Nr. 1), der auch der erkennende Senat folgt, die in der gesetzlichen Unfallversicherung seit jeher geltenden Grundsätze der abstrakten Schadensbemessung nicht außer Kraft. Daher können auch die erzwungene Aufgabe eines Lehrberufs (z. B. Installateurmeister: BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22; Schlosser: BSG BG 1975, 521) oder ein hoher Erwerbsschaden allein ihre Anwendung nicht begründen, ebenso wenig die Grundsätze zu § 30 des Bundesversorgungsgesetzes (BSGE 70, 47, 48). Die ständige Rechtsprechung des BSG versteht die Regelung im Sinne einer Härteklausel in Fällen, in denen die Versicherten ihre verbliebenen Fähigkeiten nur noch unter Inkaufnahme eines unzumutbaren sozialen Abstiegs verwerten können. Ob der Versicherungsfall in der speziell betroffenen beruflichen Tätigkeit eingetreten ist oder bei einer anderen, spielt keine Rolle. Die Voraussetzungen des § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII liegen demnach nur bei Versicherten vor, die einen sehr spezifischen Beruf mit einem relativ engen Bereich ausüben. Die Ausübung des Berufs muss auf Grund der Dauer oder Intensität oder auch auf Grund besonderer Begabung oder Ähnlichem nicht nur ein spezielles Fachwissen, sondern auch besondere Fähigkeiten und Fertigkeiten vermittelt haben, welche die Stellung im Erwerbsleben wesentlich begünstigt haben (Kassler Kommentar - Ricke, Rdz. 28 und 29 zu § 56 SGB VII m. N.). Nach diesen Grundsätzen liegen die Voraussetzungen des § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII hier nicht vor. Weder verfügt der Kläger über eine spezielle Fertigkeit in diesem Sinne noch über ein die normale berufliche Erfahrung übersteigendes, länger erprobtes besonderes Fachwissen. Bei dem Schlosserberuf handelt es sich ferner nicht um einen sehr spezifischen Beruf mit einem relativ engen Tätigkeitsbereich, der sich insoweit von anderen Berufen unterscheidet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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