Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 10 SB 4949/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 5460/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 23.10.2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin erstrebt die Erhöhung des bei ihr festgestellten Grades der Behinderung (GdB) von 40.
Bei der im Jahre 1954 geborenen Klägerin wurde am 14.11.2000 wegen eines Bandscheibenvorfalls eine Discektomie mit Fusion der (Hals-)Wirbel C6/7 vorgenommen. In der Folgezeit entwickelte die Klägerin, beginnend mit Halswirbelsäule, Schultern und Armen, Schmerzen am gesamten Körper.
Am 26.04.2005 stellte die Klägerin beim Landratsamt E. einen Antrag nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) und machte als Gesundheitsstörungen eine Fibromyalgie, ein Postnukleotomiesyndrom, ein chronisches Schmerzsyndrom, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, einen Zustand nach Fusion C6/7, Kopfschmerzen und Migräne sowie eine depressive Episode geltend.
Auf der Grundlage von der Klägerin vorgelegter ärztlicher Unterlagen (u. a. Entlassungsbericht der Rheumaklinik Bad S. vom 08.02.2005 [somatoforme Schmerzstörung vom Fibromyalgietyp, Cervicalsyndrom bei Zustand nach Bandscheiben-OP und Hypercholesterinämie; Schmerzen bei Rotation und Seitneigung der HWS ohne stärkere Funktionseinschränkungen bei der passiven Durchbewegung, Ganzkörperschmerz ohne funktionelle Einschränkungen im Bereich des Bewegungsapparats]) und der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. E. vom 05.06.2005 stellte das Landratsamt E. mit Bescheid vom 30.06.2005 zunächst einen GdB von 30 ab dem 01.11.2000 fest. Auf den hiergegen erhobenen Widerspruch holte das Landratsamt die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. T.-T. vom 18.10.2005 ein. Hierauf gestützt stellte es mit Teilabhilfebescheid vom 24.10.2005 einen GdB von 40 seit dem 01.11.2000 wegen der Funktionsbehinderung Fibromyalgiesyndrom, chronisches Schmerzsyndrom, depressive Verstimmung (Teil-GdB 30), operierter Bandscheibenschaden (Teil-GdB 20) und Kopfschmerzsyndrom, Migräne (Teil-GdB 10) fest. Den weitergehenden Widerspruch wies das Regierungspräsidium mit Widerspruchsbescheid vom 15.11.2005 zurück.
Am 24.11.2005 erhob die Klägerin beim Sozialgericht Freiburg Klage und begehrte die Verurteilung des Beklagten zur Feststellung eines GdB von mindestens 50. Das Sozialgericht holte schriftliche sachverständige Zeugenaussagen des Psychiaters und Psychotherapeuten Dr. W. vom 23.01.2006 (Fibromyalgiesyndrom, generalisierte Schmerzen, Bandscheibenverlagerung, Dysthymie; lediglich auf Angaben der Klägerin bei einmaliger Vorstellung im März 2005 bezogene Mutmaßungen zum tatsächlichen Ausmaß der Leistungseinschränkungen möglich, auf dieser Grundlage Beurteilung der psychiatrischen Symptomatik als anhaltende affektive Psychose mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten sowie als stärker behindernde psychovegetative Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit; Minderung der Erwerbsfähigkeit [MdE] 50) und der Diplompsychologin M.-N. vom 27.02.2006 (Dysthymie und somatoforme Störung vom Fibromyalgietyp mit chronischen Schmerzen; deutliche Einschränkung der Lebensqualität) ein.
Mit Gerichtsbescheid vom 23.10.2006 wies das Sozialgericht die Klage ab. Als wesentliche Behinderungen bestünden bei der Klägerin ein Fibromyalgiesyndrom sowie ein generalisiertes Schmerzsyndrom. Diese seien als stärker behindernde Störungen mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten. Für die Wirbelsäulenbeschwerden sei ein Teil-GdB von 20 in Ansatz zu bringen. Daraus ergebe sich ein Gesamt-GdB von 40.
Am 31.10.2006 hat die Klägerin Berufung eingelegt und ihr Begehren weiter verfolgt.
Der Senat hat die Akten der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte aus dem parallelen Rentenverfahren der Klägerin, darunter das Rentengutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie sowie für Psychotherapeutische Medizin Dr. K. vom 09.05.2005 (Fibromyalgiesyndrom und Verdacht auf Dysthymie; subjektiv im Vordergrund stehende wechselnde Körperschmerzen mit Widerständen der Klägerin, eine psychosomatische oder psychische Beteiligung zu akzeptieren; Arbeitsunfähigkeit und geminderte Erwerbsfähigkeit) beigezogen. Ferner haben die Diplompsychologin M.-N. die schriftliche sachverständige Zeugenaussage vom 25.05.2009 (Behandlung ab Juni 2005, Abschluss zunächst im Sommer 2008 wegen weitestgehend gewährleisteter psychischer Stabilität, im Januar 2009 erneute Vorstellung auf Anraten des mitbehandelnden Neurologen wegen der generalisierten Schmerzsymptomatik vom Fibromyalgietyp, der Migräne und erneuten depressiven Verarbeitungsmustern) und der Neurochirurg Dr. B. die schriftliche sachverständige Zeugenaussage vom 01.11.2009 (auf neurochirurgischem Gebiet bestehende Gesundheitsstörungen der Wirbelsäule mit mittelschweren bis schweren Beeinträchtigungen, mindestens ähnlich zu beurteilende psychopathologische Problematik) eingeholt. Dabei hat Dr. B. seine im parallelen Rentenverfahren der Klägerin vor dem Sozialgericht Freiburg abgegebene schriftliche sachverständige Zeugenaussage vom 01.12.2008 (derzeit im Bereich der LWS festzustellende deutlichere Motilitäts- und Mobilitätseinbußen ohne lumbales fokalneurologisches Defizit, keine wesentliche und dauerhafte Änderungen im Gesundheitszustand seit August 2007) und das im selben Verfahren erstattete psychosomatische Gutachten des Chefarztes der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Ortenau Klinikums L., Dr. Dr. N., vom 06.05.2009 (chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Formen, Dysthymie; drei- bis unter sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte körperliche Arbeiten ohne einförmige Körperbeanspruchung und ohne besondere geistige Beanspruchung mit erhöhter Konzentrationsanforderung) vorgelegt.
Die Klägerin hat den Arztbrief des Regionalen Schmerzzentrums Freiburg, Dr. Sch., vom 12.02.2010 (chronisches Schmerzsyndrom Stadium III, Chronic widespread pain, somatoforme Schmerzstörung, cervicaler Bandscheibenschaden mit Radikulopathie, Zustand nach Versteifung C6/7, generalisierte Angststörung und neuropathisches Schmerzsyndrom der Beine) eingereicht. Der Beklagte hat versorgungsärztliche Stellungnahmen von Dr. R. vom 11.02.2010 (Teilnahme der Klägerin am sozialen Leben eher mäßig beeinträchtigt bei gut strukturiertem Tagesablauf und Fähigkeit der Klägerin, sich zu behaupten und durchzusetzen; in Verbindung mit der somatoformen Schmerzstörung [Fibromyalgiesyndrom] bei wechselhaftem Verlauf Teil-GdB 30 weiterhin leidensgerecht) und von Dr. G. vom 16.04.2010 (funktionelle Auswirkungen des chronischen Schmerzsyndroms auch unter Berücksichtigung der Diagnosestellung eines Stadiums III nach Gerbershagen in Verbindung mit den psychischen Begleiterscheinungen mit einem Teil-GdB von 30 ausreichend berücksichtigt; Wirbelsäulenbeschwerden mit einem GdB von mehr als 20 nicht belegt) vorgelegt.
Die Klägerin ist der Auffassung, ihre Gesundheitsstörungen seien im Einzelnen und insgesamt zu niedrig bewertet. Sie beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 23.10.2006 aufzuheben sowie den Bescheid des Landratsamts E. vom 30.06.2005 in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 24.10.2005 und des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 15.11.2005 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, bei ihr einen Grad der Behinderung von wenigstens 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des Sozialgerichts Freiburg sowie die beigezogenen Schwerbehindertenakten des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet im erklärten Einverständnis der Beteiligten sowie in Anwendung des ihm danach gesetzlich eingeräumten Ermessens ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren Rechten. Denn sie hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von mindestens 50. Vielmehr ist der vom Beklagten durch Teilabhilfebescheid vom 24.10.2005 festgestellte GdB von 40 ausreichend und angemessen.
Gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX stellen auf Antrag des behinderten Menschen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest.
Menschen sind im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sind als GdB nach Zehnergraden abgestuft von 20 bis 100 festzustellen. Hierfür gelten die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäbe entsprechend. Eine Feststellung ist nur zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 bis 5 SGB IX). Liegen mehrere sich gegenseitig beeinflussende Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so ist der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX).
Der GdB als Ausmaß der Behinderung ist in freier richterlicher Würdigung aller Umstände, wie sie dem Verfahren des § 287 Zivilprozessordnung (ZPO) entspricht (vgl. BSG, Urteil vom 15.03.1979 - 9 RVs 16/78 - SozR 3870 § 3 Nr. 5), gemäß § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX unter Zugrundelegung der zum 01.01.2009 in Kraft getretenen "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" - VG (Anlage zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG [Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV - vom 10.12.2008, BGBl. I, S. 2412]) - mit denen eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" (AHP), von wenigen hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen, nicht einhergeht - festzustellen.
Die Gesamtbehinderung eines Menschen lässt sich rechnerisch nicht ermitteln. Daher ist für die Bildung des Gesamt-GdB eine Addition von Einzel-GdB-Werten grundsätzlich unzulässig. Auch andere Rechenmethoden sind ungeeignet (BSG, Urteil vom 15.03.1979 a. a. O.). In der Regel wird von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB ausgegangen und sodann geprüft, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird. Leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, führen dabei in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, und zwar auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB-Grad von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 Buchst. c und d der VG, Nr. 19 Absätze 3 und 4 der AHP).
Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur das Vorliegen einer (unbenannten) Behinderung und den Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zu Grunde liegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (vgl. BSG, Urteil vom 24.06.1998 - B 9 SB 17/97 R - SozR 3-3870 § 4 Nr. 24). Der Einzel-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar.
In Anwendung dieser Grundsätze hat die Klägerin keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von mehr als 40.
Die Auswirkungen der Wirbelsäulenschäden der Klägerin sind als mittelgradig anzusehen und mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten. Dies hat das Sozialgericht im angegriffenen Gerichtsbescheid unter Zugrundelegung von Nr. 26.18 der AHP mit Blick auf die Halswirbelsäulenbeschwerden der Klägerin zutreffend dargelegt; hierauf wird auch mit Blick auf die inhaltsgleiche Regelung in Teil B Nr. 18.9 der VG verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG). Die Einschätzung des Neurochirurgen Dr. B., die Wirbelsäulenbeschwerden seien als mittelschwer bis schwer anzusehen, führt mit Blick auf die Funktionsbehinderungen der Halswirbelsäule nicht zu einer Erhöhung des genannten Teil-GdB von 20. Zum einen unterliegen die Körperschmerzen der Klägerin erheblichen Schwankungen (vgl. hierzu die im parallelen Rentenverfahren der Klägerin eingeholten Gutachten von Dr. K. vom 09.05.2005 [für die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte] und von Dr. Dr. N. vom 06.05.2009 [für das Sozialgericht Freiburg]), so dass sich bei nur zeitweilig schweren Beschwerden nicht ohne Weiteres ein GdB von 30 rechtfertigen lässt. Zum anderen sind die Schwankungen auf mit den chronischen Schmerzen der Klägerin einhergehende Muskelverspannungen zurückzuführen (vgl. hierzu die schlüssigen Ausführungen von Dr. G. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 16.04.2010) und daher (allein) im Rahmen der chronischen Schmerzstörung bzw. Fibromyalgie bzw. somatoformen Schmerzstörung zu berücksichtigen. Dies gilt in Ermangelung eines erkennbaren somatischen Ursprungs auch für den Hinweis von Dr. B. auf "derzeit" im Bereich der LWS festzustellende deutlichere Motilitäts- und Mobilitätseinbußen ohne lumbales fokalneurologisches Defizit (vgl. hierzu die der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 01.11.2009 beigefügte, im parallelen Rentenverfahren der Klägerin vor dem Sozialgericht Freiburg abgegebene schriftliche sachverständige Zeugenaussage vom 01.12.2008).
Die im Vordergrund der Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin stehenden Schmerzen und deren Auswirkungen sind mit einem Teil-GdB von 30 in die Beurteilung einzustellen.
Dabei kommt es nicht darauf an, ob man die diesen Schmerzen zu Grunde liegende Erkrankung diagnostisch als chronische Schmerzstörung oder als Fibromyalgie oder als somatoforme Schmerzstörung einstuft. Maßgeblich für die Beurteilung im Schwerbehindertenrecht sind vielmehr die funktionellen Auswirkungen der Schmerzen im Einzelfall. Dieser vom Sozialgericht zutreffend dargestellte Grundsatz hat mit Blick auf die Fibromyalgie im Jahre 2008 Eingang in Nr. 26.18 der AHP gefunden und ist zwischenzeitlich in Teil B Nr. 18.4 der VG geregelt.
Die Auswirkungen sind vorliegend - was bereits das Sozialgericht im angegriffenen Gerichtsbescheid zutreffend dargelegt hat und worauf der Senat verweist (§ 153 Abs. 2 SGG) - als stärker behindernde Störungen (Teil B Nr. 3.7 der VG, Nr. 26.3 der AHP) zu bewerten. Diese Beurteilung schließt die nach Angaben der Klägerin gegenüber Dr. Dr. N. etwa viermal in der Woche auftretenden und bei Persistenz meistens erfolgreich durch Aspirin behandelten Kopfschmerzen (vgl. hierzu das Gutachten von Dr. Dr. N. vom 06.05.2009) sowie die Dysthymie (vgl. die schriftliche sachverständigen Zeugenaussagen des Psychiaters und Psychotherapeuten Dr. W. vom 23.01.2006 und der Diplompsychologin M.-N. vom 27.02.2006 sowie die Gutachten von Dr. K. vom 09.05.2005 und von Dr. Dr. N. vom 06.05.2009) ein.
Zwar hat die Klägerin im Rahmen der ambulanten Begutachtung durch Dr. Dr. N. am 02.04.2009 im Wesentlichen übereinstimmend mit der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage der Diplompsychologin M.-N. vom 27.02.2006 angegeben, ihre Schmerzen wirkten sich für sie so aus, dass sie im Haushalt Pausen machen müsse und für die Hausarbeit heute mehr Zeit brauche als früher. Indes besteht trotz der Beschwerden ein strukturierter und von Pflichterfüllung geprägter Tagesablauf. So hat die Klägerin gegenüber Dr. Dr. N. angegeben, dass sie um 6:10 Uhr mit ihrem Ehemann aufsteht, morgens ca. 40 Minuten mit dem Fahrrad fährt und dabei ihren Hund ausführt, anschließend den Haushalt macht sowie ihre Katzen, zwei Hasen und zehn Hühner versorgt. Mittags macht sie das Mittagessen, nachmittags fährt sie ihre Tochter zum Reiten und holt sie dort auch wieder ab. Desgleichen fährt sie die Tochter zum Volleyball und besucht selbst regelmäßig die Rückenschule. Darüber hinaus sorgt sie für ihre 5 km entfernt wohnenden Eltern, wobei sie insbesondere nach dem dementen Vater sehen muss.
Diese Aktivitäten der Klägerin lassen unter Berücksichtigung ihrer Schmerzen an Kopf und Körper sowie der depressiven Verstimmung zwar die Annahme einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (Teil-GdB 30-40), nicht aber die Einstufung als schwere Störung i. S. von Teil B Nr. 3.7 der VG, Nr. 26.3 der AHP zu. Denn mittelgradige (Teil-GdB 50-70) oder sogar schwere (Teil-GdB 80-100) soziale Anpassungsschwierigkeiten ergeben sich aus dem nahezu unauffälligen Tagesablauf der Klägerin nicht. Im Gegenteil spricht die Erfüllung der angeführten Vielzahl von familiären Aufgaben durch die Klägerin gerade für ihre soziale Anpassungsfähigkeit. Angesichts dessen sind die in Rede stehenden Funktionsbeeinträchtigungen im unteren Bereich der stärker behindernden Störungen anzusiedeln und ist damit ein Teil-GdB von 30 angemessen.
Die zuletzt nur noch von der Diplompsychologin M.-N. als Grund für die erneute Aufnahme der Behandlung im Januar 2009 (vgl. die schriftliche sachverständige Zeugenaussage vom 25.05.2009), ansonsten aber nicht mehr berichtete Migräne der Klägerin (vgl. hierzu das Gutachten von Dr. Dr. N. vom 06.05.2009 und den von der Klägerin vorgelegten Arztbrief des Regionalen Schmerzzentrums Freiburg, Dr. Sch., vom 12.02.2010) ist mit einem Teil-GdB von 10 (leichte Verlaufsform i. S. von Teil B Nr. 2.3 der VG, Nr. 26.2 der AHP) ausreichend bewertet.
Hinsichtlich der im Entlassungsbericht der Rheumaklinik Bad S. angegebenen Hypercholesterinämie bestehen schließlich keine Anhaltspunkte für das Vorliegen von für die Feststellung eines GdB maßgeblichen Folgeerkrankungen (vgl. hierzu Teil B Nr. 15.3 der VG, Nr. 26.15 der AHP).
Nach alledem ist der festgestellte Gesamt-GdB von 40 nicht zum Nachteil der Klägerin fehlerhaft. Der zunächst in die Beurteilung einzustellende Teil-GdB von 30 für die chronische Schmerzstörung bzw. Fibromyalgie bzw. somatoforme Schmerzstörung wird angesichts der Überschneidungen mit den Auswirkungen der Halswirbelsäulenbeschwerden mit einem Teil-GdB von 20 um allenfalls 10 erhöht. Die Migräne mit einem Teil-GdB von 10 fällt bei der Gesamtbeurteilung nicht erheblich ins Gewicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin erstrebt die Erhöhung des bei ihr festgestellten Grades der Behinderung (GdB) von 40.
Bei der im Jahre 1954 geborenen Klägerin wurde am 14.11.2000 wegen eines Bandscheibenvorfalls eine Discektomie mit Fusion der (Hals-)Wirbel C6/7 vorgenommen. In der Folgezeit entwickelte die Klägerin, beginnend mit Halswirbelsäule, Schultern und Armen, Schmerzen am gesamten Körper.
Am 26.04.2005 stellte die Klägerin beim Landratsamt E. einen Antrag nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) und machte als Gesundheitsstörungen eine Fibromyalgie, ein Postnukleotomiesyndrom, ein chronisches Schmerzsyndrom, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, einen Zustand nach Fusion C6/7, Kopfschmerzen und Migräne sowie eine depressive Episode geltend.
Auf der Grundlage von der Klägerin vorgelegter ärztlicher Unterlagen (u. a. Entlassungsbericht der Rheumaklinik Bad S. vom 08.02.2005 [somatoforme Schmerzstörung vom Fibromyalgietyp, Cervicalsyndrom bei Zustand nach Bandscheiben-OP und Hypercholesterinämie; Schmerzen bei Rotation und Seitneigung der HWS ohne stärkere Funktionseinschränkungen bei der passiven Durchbewegung, Ganzkörperschmerz ohne funktionelle Einschränkungen im Bereich des Bewegungsapparats]) und der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. E. vom 05.06.2005 stellte das Landratsamt E. mit Bescheid vom 30.06.2005 zunächst einen GdB von 30 ab dem 01.11.2000 fest. Auf den hiergegen erhobenen Widerspruch holte das Landratsamt die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. T.-T. vom 18.10.2005 ein. Hierauf gestützt stellte es mit Teilabhilfebescheid vom 24.10.2005 einen GdB von 40 seit dem 01.11.2000 wegen der Funktionsbehinderung Fibromyalgiesyndrom, chronisches Schmerzsyndrom, depressive Verstimmung (Teil-GdB 30), operierter Bandscheibenschaden (Teil-GdB 20) und Kopfschmerzsyndrom, Migräne (Teil-GdB 10) fest. Den weitergehenden Widerspruch wies das Regierungspräsidium mit Widerspruchsbescheid vom 15.11.2005 zurück.
Am 24.11.2005 erhob die Klägerin beim Sozialgericht Freiburg Klage und begehrte die Verurteilung des Beklagten zur Feststellung eines GdB von mindestens 50. Das Sozialgericht holte schriftliche sachverständige Zeugenaussagen des Psychiaters und Psychotherapeuten Dr. W. vom 23.01.2006 (Fibromyalgiesyndrom, generalisierte Schmerzen, Bandscheibenverlagerung, Dysthymie; lediglich auf Angaben der Klägerin bei einmaliger Vorstellung im März 2005 bezogene Mutmaßungen zum tatsächlichen Ausmaß der Leistungseinschränkungen möglich, auf dieser Grundlage Beurteilung der psychiatrischen Symptomatik als anhaltende affektive Psychose mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten sowie als stärker behindernde psychovegetative Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit; Minderung der Erwerbsfähigkeit [MdE] 50) und der Diplompsychologin M.-N. vom 27.02.2006 (Dysthymie und somatoforme Störung vom Fibromyalgietyp mit chronischen Schmerzen; deutliche Einschränkung der Lebensqualität) ein.
Mit Gerichtsbescheid vom 23.10.2006 wies das Sozialgericht die Klage ab. Als wesentliche Behinderungen bestünden bei der Klägerin ein Fibromyalgiesyndrom sowie ein generalisiertes Schmerzsyndrom. Diese seien als stärker behindernde Störungen mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten. Für die Wirbelsäulenbeschwerden sei ein Teil-GdB von 20 in Ansatz zu bringen. Daraus ergebe sich ein Gesamt-GdB von 40.
Am 31.10.2006 hat die Klägerin Berufung eingelegt und ihr Begehren weiter verfolgt.
Der Senat hat die Akten der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte aus dem parallelen Rentenverfahren der Klägerin, darunter das Rentengutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie sowie für Psychotherapeutische Medizin Dr. K. vom 09.05.2005 (Fibromyalgiesyndrom und Verdacht auf Dysthymie; subjektiv im Vordergrund stehende wechselnde Körperschmerzen mit Widerständen der Klägerin, eine psychosomatische oder psychische Beteiligung zu akzeptieren; Arbeitsunfähigkeit und geminderte Erwerbsfähigkeit) beigezogen. Ferner haben die Diplompsychologin M.-N. die schriftliche sachverständige Zeugenaussage vom 25.05.2009 (Behandlung ab Juni 2005, Abschluss zunächst im Sommer 2008 wegen weitestgehend gewährleisteter psychischer Stabilität, im Januar 2009 erneute Vorstellung auf Anraten des mitbehandelnden Neurologen wegen der generalisierten Schmerzsymptomatik vom Fibromyalgietyp, der Migräne und erneuten depressiven Verarbeitungsmustern) und der Neurochirurg Dr. B. die schriftliche sachverständige Zeugenaussage vom 01.11.2009 (auf neurochirurgischem Gebiet bestehende Gesundheitsstörungen der Wirbelsäule mit mittelschweren bis schweren Beeinträchtigungen, mindestens ähnlich zu beurteilende psychopathologische Problematik) eingeholt. Dabei hat Dr. B. seine im parallelen Rentenverfahren der Klägerin vor dem Sozialgericht Freiburg abgegebene schriftliche sachverständige Zeugenaussage vom 01.12.2008 (derzeit im Bereich der LWS festzustellende deutlichere Motilitäts- und Mobilitätseinbußen ohne lumbales fokalneurologisches Defizit, keine wesentliche und dauerhafte Änderungen im Gesundheitszustand seit August 2007) und das im selben Verfahren erstattete psychosomatische Gutachten des Chefarztes der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Ortenau Klinikums L., Dr. Dr. N., vom 06.05.2009 (chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Formen, Dysthymie; drei- bis unter sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte körperliche Arbeiten ohne einförmige Körperbeanspruchung und ohne besondere geistige Beanspruchung mit erhöhter Konzentrationsanforderung) vorgelegt.
Die Klägerin hat den Arztbrief des Regionalen Schmerzzentrums Freiburg, Dr. Sch., vom 12.02.2010 (chronisches Schmerzsyndrom Stadium III, Chronic widespread pain, somatoforme Schmerzstörung, cervicaler Bandscheibenschaden mit Radikulopathie, Zustand nach Versteifung C6/7, generalisierte Angststörung und neuropathisches Schmerzsyndrom der Beine) eingereicht. Der Beklagte hat versorgungsärztliche Stellungnahmen von Dr. R. vom 11.02.2010 (Teilnahme der Klägerin am sozialen Leben eher mäßig beeinträchtigt bei gut strukturiertem Tagesablauf und Fähigkeit der Klägerin, sich zu behaupten und durchzusetzen; in Verbindung mit der somatoformen Schmerzstörung [Fibromyalgiesyndrom] bei wechselhaftem Verlauf Teil-GdB 30 weiterhin leidensgerecht) und von Dr. G. vom 16.04.2010 (funktionelle Auswirkungen des chronischen Schmerzsyndroms auch unter Berücksichtigung der Diagnosestellung eines Stadiums III nach Gerbershagen in Verbindung mit den psychischen Begleiterscheinungen mit einem Teil-GdB von 30 ausreichend berücksichtigt; Wirbelsäulenbeschwerden mit einem GdB von mehr als 20 nicht belegt) vorgelegt.
Die Klägerin ist der Auffassung, ihre Gesundheitsstörungen seien im Einzelnen und insgesamt zu niedrig bewertet. Sie beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 23.10.2006 aufzuheben sowie den Bescheid des Landratsamts E. vom 30.06.2005 in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 24.10.2005 und des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 15.11.2005 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, bei ihr einen Grad der Behinderung von wenigstens 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des Sozialgerichts Freiburg sowie die beigezogenen Schwerbehindertenakten des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet im erklärten Einverständnis der Beteiligten sowie in Anwendung des ihm danach gesetzlich eingeräumten Ermessens ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren Rechten. Denn sie hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von mindestens 50. Vielmehr ist der vom Beklagten durch Teilabhilfebescheid vom 24.10.2005 festgestellte GdB von 40 ausreichend und angemessen.
Gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX stellen auf Antrag des behinderten Menschen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest.
Menschen sind im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sind als GdB nach Zehnergraden abgestuft von 20 bis 100 festzustellen. Hierfür gelten die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäbe entsprechend. Eine Feststellung ist nur zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 bis 5 SGB IX). Liegen mehrere sich gegenseitig beeinflussende Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so ist der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX).
Der GdB als Ausmaß der Behinderung ist in freier richterlicher Würdigung aller Umstände, wie sie dem Verfahren des § 287 Zivilprozessordnung (ZPO) entspricht (vgl. BSG, Urteil vom 15.03.1979 - 9 RVs 16/78 - SozR 3870 § 3 Nr. 5), gemäß § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX unter Zugrundelegung der zum 01.01.2009 in Kraft getretenen "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" - VG (Anlage zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG [Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV - vom 10.12.2008, BGBl. I, S. 2412]) - mit denen eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" (AHP), von wenigen hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen, nicht einhergeht - festzustellen.
Die Gesamtbehinderung eines Menschen lässt sich rechnerisch nicht ermitteln. Daher ist für die Bildung des Gesamt-GdB eine Addition von Einzel-GdB-Werten grundsätzlich unzulässig. Auch andere Rechenmethoden sind ungeeignet (BSG, Urteil vom 15.03.1979 a. a. O.). In der Regel wird von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB ausgegangen und sodann geprüft, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird. Leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, führen dabei in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, und zwar auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB-Grad von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 Buchst. c und d der VG, Nr. 19 Absätze 3 und 4 der AHP).
Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur das Vorliegen einer (unbenannten) Behinderung und den Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zu Grunde liegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (vgl. BSG, Urteil vom 24.06.1998 - B 9 SB 17/97 R - SozR 3-3870 § 4 Nr. 24). Der Einzel-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar.
In Anwendung dieser Grundsätze hat die Klägerin keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von mehr als 40.
Die Auswirkungen der Wirbelsäulenschäden der Klägerin sind als mittelgradig anzusehen und mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten. Dies hat das Sozialgericht im angegriffenen Gerichtsbescheid unter Zugrundelegung von Nr. 26.18 der AHP mit Blick auf die Halswirbelsäulenbeschwerden der Klägerin zutreffend dargelegt; hierauf wird auch mit Blick auf die inhaltsgleiche Regelung in Teil B Nr. 18.9 der VG verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG). Die Einschätzung des Neurochirurgen Dr. B., die Wirbelsäulenbeschwerden seien als mittelschwer bis schwer anzusehen, führt mit Blick auf die Funktionsbehinderungen der Halswirbelsäule nicht zu einer Erhöhung des genannten Teil-GdB von 20. Zum einen unterliegen die Körperschmerzen der Klägerin erheblichen Schwankungen (vgl. hierzu die im parallelen Rentenverfahren der Klägerin eingeholten Gutachten von Dr. K. vom 09.05.2005 [für die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte] und von Dr. Dr. N. vom 06.05.2009 [für das Sozialgericht Freiburg]), so dass sich bei nur zeitweilig schweren Beschwerden nicht ohne Weiteres ein GdB von 30 rechtfertigen lässt. Zum anderen sind die Schwankungen auf mit den chronischen Schmerzen der Klägerin einhergehende Muskelverspannungen zurückzuführen (vgl. hierzu die schlüssigen Ausführungen von Dr. G. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 16.04.2010) und daher (allein) im Rahmen der chronischen Schmerzstörung bzw. Fibromyalgie bzw. somatoformen Schmerzstörung zu berücksichtigen. Dies gilt in Ermangelung eines erkennbaren somatischen Ursprungs auch für den Hinweis von Dr. B. auf "derzeit" im Bereich der LWS festzustellende deutlichere Motilitäts- und Mobilitätseinbußen ohne lumbales fokalneurologisches Defizit (vgl. hierzu die der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 01.11.2009 beigefügte, im parallelen Rentenverfahren der Klägerin vor dem Sozialgericht Freiburg abgegebene schriftliche sachverständige Zeugenaussage vom 01.12.2008).
Die im Vordergrund der Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin stehenden Schmerzen und deren Auswirkungen sind mit einem Teil-GdB von 30 in die Beurteilung einzustellen.
Dabei kommt es nicht darauf an, ob man die diesen Schmerzen zu Grunde liegende Erkrankung diagnostisch als chronische Schmerzstörung oder als Fibromyalgie oder als somatoforme Schmerzstörung einstuft. Maßgeblich für die Beurteilung im Schwerbehindertenrecht sind vielmehr die funktionellen Auswirkungen der Schmerzen im Einzelfall. Dieser vom Sozialgericht zutreffend dargestellte Grundsatz hat mit Blick auf die Fibromyalgie im Jahre 2008 Eingang in Nr. 26.18 der AHP gefunden und ist zwischenzeitlich in Teil B Nr. 18.4 der VG geregelt.
Die Auswirkungen sind vorliegend - was bereits das Sozialgericht im angegriffenen Gerichtsbescheid zutreffend dargelegt hat und worauf der Senat verweist (§ 153 Abs. 2 SGG) - als stärker behindernde Störungen (Teil B Nr. 3.7 der VG, Nr. 26.3 der AHP) zu bewerten. Diese Beurteilung schließt die nach Angaben der Klägerin gegenüber Dr. Dr. N. etwa viermal in der Woche auftretenden und bei Persistenz meistens erfolgreich durch Aspirin behandelten Kopfschmerzen (vgl. hierzu das Gutachten von Dr. Dr. N. vom 06.05.2009) sowie die Dysthymie (vgl. die schriftliche sachverständigen Zeugenaussagen des Psychiaters und Psychotherapeuten Dr. W. vom 23.01.2006 und der Diplompsychologin M.-N. vom 27.02.2006 sowie die Gutachten von Dr. K. vom 09.05.2005 und von Dr. Dr. N. vom 06.05.2009) ein.
Zwar hat die Klägerin im Rahmen der ambulanten Begutachtung durch Dr. Dr. N. am 02.04.2009 im Wesentlichen übereinstimmend mit der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage der Diplompsychologin M.-N. vom 27.02.2006 angegeben, ihre Schmerzen wirkten sich für sie so aus, dass sie im Haushalt Pausen machen müsse und für die Hausarbeit heute mehr Zeit brauche als früher. Indes besteht trotz der Beschwerden ein strukturierter und von Pflichterfüllung geprägter Tagesablauf. So hat die Klägerin gegenüber Dr. Dr. N. angegeben, dass sie um 6:10 Uhr mit ihrem Ehemann aufsteht, morgens ca. 40 Minuten mit dem Fahrrad fährt und dabei ihren Hund ausführt, anschließend den Haushalt macht sowie ihre Katzen, zwei Hasen und zehn Hühner versorgt. Mittags macht sie das Mittagessen, nachmittags fährt sie ihre Tochter zum Reiten und holt sie dort auch wieder ab. Desgleichen fährt sie die Tochter zum Volleyball und besucht selbst regelmäßig die Rückenschule. Darüber hinaus sorgt sie für ihre 5 km entfernt wohnenden Eltern, wobei sie insbesondere nach dem dementen Vater sehen muss.
Diese Aktivitäten der Klägerin lassen unter Berücksichtigung ihrer Schmerzen an Kopf und Körper sowie der depressiven Verstimmung zwar die Annahme einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (Teil-GdB 30-40), nicht aber die Einstufung als schwere Störung i. S. von Teil B Nr. 3.7 der VG, Nr. 26.3 der AHP zu. Denn mittelgradige (Teil-GdB 50-70) oder sogar schwere (Teil-GdB 80-100) soziale Anpassungsschwierigkeiten ergeben sich aus dem nahezu unauffälligen Tagesablauf der Klägerin nicht. Im Gegenteil spricht die Erfüllung der angeführten Vielzahl von familiären Aufgaben durch die Klägerin gerade für ihre soziale Anpassungsfähigkeit. Angesichts dessen sind die in Rede stehenden Funktionsbeeinträchtigungen im unteren Bereich der stärker behindernden Störungen anzusiedeln und ist damit ein Teil-GdB von 30 angemessen.
Die zuletzt nur noch von der Diplompsychologin M.-N. als Grund für die erneute Aufnahme der Behandlung im Januar 2009 (vgl. die schriftliche sachverständige Zeugenaussage vom 25.05.2009), ansonsten aber nicht mehr berichtete Migräne der Klägerin (vgl. hierzu das Gutachten von Dr. Dr. N. vom 06.05.2009 und den von der Klägerin vorgelegten Arztbrief des Regionalen Schmerzzentrums Freiburg, Dr. Sch., vom 12.02.2010) ist mit einem Teil-GdB von 10 (leichte Verlaufsform i. S. von Teil B Nr. 2.3 der VG, Nr. 26.2 der AHP) ausreichend bewertet.
Hinsichtlich der im Entlassungsbericht der Rheumaklinik Bad S. angegebenen Hypercholesterinämie bestehen schließlich keine Anhaltspunkte für das Vorliegen von für die Feststellung eines GdB maßgeblichen Folgeerkrankungen (vgl. hierzu Teil B Nr. 15.3 der VG, Nr. 26.15 der AHP).
Nach alledem ist der festgestellte Gesamt-GdB von 40 nicht zum Nachteil der Klägerin fehlerhaft. Der zunächst in die Beurteilung einzustellende Teil-GdB von 30 für die chronische Schmerzstörung bzw. Fibromyalgie bzw. somatoforme Schmerzstörung wird angesichts der Überschneidungen mit den Auswirkungen der Halswirbelsäulenbeschwerden mit einem Teil-GdB von 20 um allenfalls 10 erhöht. Die Migräne mit einem Teil-GdB von 10 fällt bei der Gesamtbeurteilung nicht erheblich ins Gewicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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