L 12 AS 2690/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AS 6379/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 2690/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 4. Juni 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Kläger begehren die Übernahme einer Mietnebenkostennachforderung sowie von Stromkosten, die Klägerin zu 1 darüber hinaus die Übernahme eines "dringenden Notbedarfs" und Übernahme der Kosten einer Brille.

Die Klägerin zu 1 und ihr 1999 geborener Sohn, der Kläger zu 3, lebten gemeinsam mit dem Kläger zu 2, dem Vater des Klägers zu 3, bis September 2004 in B ... Im Oktober 2004 zog die Familie nach N ... Die Kaltmiete betrug 533 EUR, Nebenkosten waren in Höhe von 120 EUR zu entrichten. Seit 2005 bezogen die Kläger als Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) von der Beklagten. Anfang März 2007 zog die Familie nach B. zurück.

Am 9. September 2006 beantragte die Klägerin die Übernahme der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2005, die nach der Abrechnung eine Nachforderung der Vermieterin von 1.571,92 EUR ergeben hatte. Hierin enthalten war die Position Gebühren Kabelfernsehen mit 66,98 EUR. Mit Bescheid vom 15. September 2006 bewilligte die Beklagte die Übernahme von 1.451,89 EUR. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 30. November 2006 zurück und führte aus, die anzuerkennenden Mietnebenkosten beliefen sich auf 2.704,18 EUR, die Kosten für Kabelfernsehen könnten nicht hinzugerechnet werden. Zuzüglich der zunächst abgezogenen Pauschalen für die Warmwasserbereitung von 187,31 EUR ergebe dies 2.891,49 EUR. Abzüglich der geleisteten Vorauszahlungen in Höhe von 1.440 EUR ergebe sich der Leistungsanspruch von 1.451,49 EUR.

Am 20. September 2006 beantragte die Klägerin einen "dringenden Notbedarf" von mindestens 300 EUR monatlich. Die Wohngemeinschaft mit dem Kläger zu 2 stelle keine Bedarfsgemeinschaft dar. Der Bedarf für sie selbst und ihren Sohn belaufe sich auf monatlich 1.545,21 EUR. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 21. September 2006 ab. Die Kosten der Unterkunft seien in den Leistungen nach dem SGB II enthalten, auch die Müllgebühr sei berücksichtigt. Telefonkosten seien in der Regelleistung anteilig enthalten, ein darüber hinaus gehender Betrag könne nicht übernommen werden. Es bestehe die Möglichkeit der Befreiung von den Rundfunkgebühren. Ein Mehrbedarf für Versicherungen könne nicht gewährt werden, insoweit erfolge ein Abzug vom Einkommen des Klägers zu 2. Für Bewerbungskosten sei kein Mehrbedarf vorgesehen und Kosten der Ernährung seien in der Regelleistung enthalten. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, Alleinerziehende bekämen einen eigenen Mehrbedarf von 124 EUR. Mit Widerspruchsbescheid vom 29. November 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte aus, Leistungen seien den Klägern mit Bescheid vom 25. April 2006 (für den Zeitraum 1. Mai bis 31. Oktober 2006) in der gesetzlich festgelegten Höhe bewilligt worden. Ergänzend wies sie darauf hin, dass der Klägerin ein Mehrbedarf wegen Alleinerziehung nicht zustehe, da sie mit dem Vater des Kindes im gleichen Haushalt lebe.

Am 5. Oktober 2006 beantragte die Klägerin die Übernahme der Kosten für eine Brille, die sich laut Rechnung vom 23. September 2006 auf 439,40 EUR beliefen. Mit Bescheid vom 5. Oktober 2006 lehnte die Beklagte den Antrag ab, den hiergegen gerichteten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 29. November 2006 zurück.

Gegen die genannten Bescheide richtet sich die am 21. Dezember 2006 zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhobene Klage, wobei nachträglich klargestellt worden ist, dass die Klage hinsichtlich der Unterkunftskosten auch für die Kläger zu 2 und 3 erhoben worden sei. Zur Begründung wird ergänzend zu den bereits im Widerspruchsverfahren gemachten Äußerungen vorgetragen, die Klägerin benötige eine spezielle Brille am Tag sowie eine mehrfach entspiegelte Brille für die Nacht, sie könne nicht auf zwei hässliche Brillen verwiesen werden, die der beruflichen Eingliederung entgegen stünden. Die Ablehnung eines Mehrbedarfs für ein Kind unter sieben Jahren schränke die Lebensqualität des Klägers zu 3 in verfassungswidriger Art ein. Außerdem stehe dem Kläger zu 3 ein Mehrbedarf wegen Neurodermitis zu. Die Beklagte habe die Übernahme der Mietnebenkosten in Höhe von 254,29 EUR verweigert. Die Kosten für das Kabelfernsehen seien für die Kläger nicht vermeidbar, Gründe für die Verweigerung der Warmwasserkosten seien nicht ersichtlich. In der Folge ist die Klage sodann erweitert worden auf die Übernahme von Stromkosten und des Mehrbedarfs ab 1. Januar 2005.

Mit Gerichtsbescheid vom 4. Juni 2009 hat das SG die Klagen abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Brille oder Gewährung eines entsprechenden Darlehens. Der Anspruch scheide bereits aus, weil die Klägerin den entsprechenden Antrag zu spät gestellt habe. Außerdem sehe das SGB II keinen derartigen Anspruch vor. Der Bedarf für eine Brille sei von der Regelleistung umfasst. Ein Darlehen mit der begehrten Tilgung von Null sei nach dem Wortlaut von § 23 Abs. 1 SGB II nicht vorgesehen.

Ebenfalls habe die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung eines Mehrbedarfs von 124 EUR pro Monat seit Januar 2005, die Voraussetzungen des § 21 Abs. 3 SGB II seien angesichts der gemeinsamen Pflege und Erziehung des gemeinsamen Sohnes der Kläger zu 1 und 2 nicht gegeben. Auch eine sonstige Anspruchsgrundlage für eine monatliche Zusatzzahlung von 124 EUR sei nicht ersichtlich. Der geltend gemachte Mehrbedarf scheide bei der Erkrankung Neurodermitis, die den Kläger zu 3 betreffe, ohnehin aus. Das SG folge insoweit den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge aus Oktober 2008, welche jedenfalls seit ihrer Überarbeitung als antizipierte Sachverständigengutachten zu verstehen seien.

Die Kläger hätten auch keinen Anspruch auf Übernahme von weiteren Nebenkostennachforderungen und Stromkosten. Die Vermieterin habe Gesamtkosten für 2005 von 3.011,92 EUR geltend gemacht. Abzüglich der Vorauszahlungen von 1.440 EUR ergebe sich eine Nachforderung von 1.571,92 EUR. Hiervon habe die Beklagte bereits 1.451,89 EUR übernommen, so dass eine Differenz von 120,03 EUR verbleibe. Diese sei deshalb nicht zu übernehmen, weil die in der Aufstellung enthaltenen Kosten der Warmwasserbereitung nicht von der Beklagten zu übernehmen seien, sondern aus der Regelleistung zu bestreiten seien (unter Hinweis auf Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 27. Februar 2008 - B 14/11b AS 15/07 R -). Wenn wie vorliegend keine gesonderten Zähler für die Abrechnung der Warmwasserbereitungskosten existierten, seien diese Kosten in Höhe des in der Regelleistung enthaltenen Anteils in Abzug zu bringen. Es errechne sich ein Jahresbetrag von 194,04 EUR (6,22 EUR + 6,22 EUR + 3,73 EUR für 12 Monate), welcher von der Betriebskostennachforderung abzusetzen sei. Da die Beklagte bereits höhere Kosten bewilligt habe, seien in der Sache auch die Kabelgebühren übernommen, so dass sich ein weitergehender Anspruch nicht ergebe.

Gegen den Gerichtsbescheid richtet sich die am 4. Juni 2009 eingelegte Berufung der Kläger. Sie nehmen Bezug auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 9. Februar 2010.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 4. Juni 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheids vom 15. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids den Klägern weitere 254,29 EUR für Nebenkostennachzahlung und 796,32 EUR für Stromkosten ab 1. Januar 2005 zu zahlen, unter Aufhebung des Bescheids vom 21. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. November 2006 der Klägerin einen Mehrbedarf von 124 EUR monatlich ab 1. Januar 2005 zu gewähren, unter Aufhebung des Bescheids vom 5. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. November 2006 der Klägerin 439,40 EUR für eine Brille zu zahlen, hilfsweise ein Darlehen zu gewähren mit Festsetzung der Tilgungsraten von Null.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie schließt sich den Ausführungen des SG an.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Der Senat kann in der vorliegenden Besetzung über die Berufung entscheiden. Die Ablehnungsgesuche gegen die Richter am Landessozialgericht (LSG) B. und V. vom 23. und 24. März 2010 sind mit Beschluss vom 25. März 2010 ohne Beteiligung der abgelehnten Richter zurückgewiesen worden. Die weiteren Ablehnungsgesuche gegen die Richter am LSG B., V. und S. vom 25. und 26. März 2010 sind unzulässig, da sie rechtsmissbräuchlich sind. Sie hindern den Senat daher nicht, unter Mitwirkung der abgelehnten Richter zu entscheiden (vgl. Bundesfinanzhof, NJW 2009, 3806 f.).

Nach § 60 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 45 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Dabei kommt es nach ständiger Rechtsprechung darauf an, ob der betroffene Beteiligte von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger objektiver Betrachtung Anlass hat, die Voreingenommenheit des oder der abgelehnten Richter zu befürchten (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 67. Aufl., § 54 Rdnr. 10 m.w.N.). Nach § 60 SGG i.V.m. § 45 Abs. 1 ZPO entscheidet das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung. Es ist allerdings anerkannt, dass abweichend vom Wortlaut des § 45 Abs. 1 ZPO der Spruchkörper ausnahmsweise in alter Besetzung unter Mitwirkung der abgelehnten Richter über unzulässige Ablehnungsgesuche in bestimmten Fallgruppen entscheiden kann. Hierzu zählt etwa die Wiederholung einer Richterablehnung ohne neue Gesichtspunkte sowie die pauschale Ablehnung eines gesamten Spruchkörpers (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 60 Rdnr. 10d m.w.N.).

So liegt der Fall hier. Über die Ablehnung der Richter B. und V. wurde bereits entschieden, neue Gesichtspunkte bringen die Kläger insoweit nicht vor. Die Ablehnung von Richter am LSG S. (sowie der übrigen, am Beschluss vom 25. März 2010 beteiligten Richter) beruht allein auf der Mitwirkung an dem Beschluss vom 25. März 2010, ohne dass konkrete Anhaltspunkte vorgebracht werden, die bei vernünftiger objektiver Betrachtung auf eine Befangenheit der Mitglieder des Spruchkörpers hindeuten. Der Umstand der Vorbefassung allein rechtfertigt die Besorgnis der Befangenheit nicht. Das geltende Verfahrensrecht ist von dem Gedanken geprägt, dass ein Richter grundsätzlich auch dann unbefangen an die Beurteilung einer Sache herantritt, wenn er bereits früher mit der Sache befasst war. Ausnahmen hiervon hat der Gesetzgeber in § 60 SGG i.V.m. § 41 Nr. 6 ZPO abschließend normiert (vgl. BSG, Beschluss vom 19. Januar 2010 - B 11 AL 13/09 C - (juris)). Bei offenbarem Missbrauch - wie hier - ist eine Entscheidung durch gesonderten Beschluss nicht nötig (vgl. BSG SozR 4-1500 § 60 Nr. 4). Die gegen weitere Richter gestellten Befangenheitsanträge gehen ins Leere, da diese an der vorliegenden Entscheidung nicht beteiligt sind. Vizepräsident des Landessozialgerichts D., der Vorsitzende des 12. Senats, ist am Sitzungstag dienstlich verhindert.

Der Senat kann auch in Abwesenheit der Kläger verhandeln und entscheiden, da diese in der Ladung ordnungsgemäß auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 126 Rdnr. 4). Den Verlegungsanträgen der Kläger, die am Terminstag per Fax zwischen 4:00 und 5:00 Uhr eingegangen sind, war nicht stattzugeben. Eine Terminsverlegung kommt nur bei Vorliegen erheblicher Gründe in Betracht (§ 202 SGG i.V.m. § 227 ZPO). Derartige Gründe liegen hier nicht vor. Soweit die Kläger geltend machen, dass ihr persönliches Erscheinen nicht angeordnet gewesen sei und ihnen deshalb kein rechtliches Gehör gewährt werde, übersehen sie, dass es ihnen - worauf sie mit Schreiben vom 12. März 2010 gesondert hingewiesen worden sind - selbstverständlich frei steht, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen.

Soweit die Kläger zu 1 und 2 darauf abstellen, wegen Mittellosigkeit die Fahrt zum Termin nicht bestreiten zu können und daher zur Wahrung des rechtlichen Gehörs einer Fahrkarte zum Termin zu bedürfen, trifft dies nicht zu. Eine Übernahme der Reisekosten ist auch außerhalb der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) möglich, wenn anders der Grundsatz der Wahrung des rechtlichen Gehörs nicht sichergestellt werden kann (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 21. März 2007 - L 7 SO 258/07 NZB - (juris) m.w.N.). Insoweit ist auch die Verwaltungsvorschrift des Justizministeriums über die "Gewährung von Reiseentschädigungen an mittellose Personen und Vorschusszahlungen für Reiseentschädigungen an Zeuginnen, Zeugen, Sachverständige, Dolmetscherinnen, Dolmetscher, Übersetzerinnen, Übersetzer, ehrenamtliche Richterinnen, ehrenamtliche Richter und Dritte" vom 27. April 2006 - VwV Reiseentschädigung - (i.d.F. vom 6. August 2009, Die Justiz 2009, S. 236) heranzuziehen, die unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung Außenwirkung entfaltet. Auch insoweit haben die Kläger zu 1 und 2 indes keinen Anspruch auf Gewährung einer Fahrkarte zum Termin, da Mittel für die Reise zum Ort der Verhandlung nur mittellosen Beteiligten gewährt werden können. Als mittellos sind nach der VwV Reiseentschädigung Personen anzusehen, die nicht in der Lage sind, die Kosten der Reise aus eigenen Mitteln zu bestreiten. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Klägerin ist nach ihren zuletzt gemachten Angaben (erst) seit 10. März 2010 arbeitslos mit Anspruch auf Arbeitslosengeld in Höhe von ca. 1.400 EUR. Der Kläger zu 2 ist nach der zuletzt vorgelegten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (im Verfahren L 12 AS 2397/08) versicherungspflichtig beschäftigt mit einem Verdienst von 1.071,15 EUR netto monatlich. Damit sind die Kläger zu 1 und 3 auch unter Berücksichtigung der im Rahmen der PKH zu berücksichtigenden Freibeträge und Aufwendungen in der Lage, eine Bahnfahrkarte von B. nach S. zu bezahlen, welche regulär in der 2. Klasse 269,50 EUR (Hin- und Rückfahrt) kostet, jedoch über Sparpreisangebote der Bahn (noch drei Tage vor dem Termin nach Recherche tatsächlich verfügbar) erheblich günstiger zu bekommen ist. Kosten für eine Hotelübernachtung sind insoweit nicht zu berücksichtigen, da die Hin- und Rückfahrt angesichts des Termins um 11:40 Uhr am Terminstag zu bewältigen war (Abfahrt B.-L. 5:38 Uhr, Ankunft S. Hbf 11:08 Uhr). Abgesehen davon wäre die Gewährung einer Fahrkarte zum Termin am Terminstag selbst nicht mehr möglich gewesen. Nachdem bereits mit Schreiben vom 16. März 2010 auf die Möglichkeit der Beantragung einer Fahrkarte hingewiesen worden war, wäre auch selbst bei Mittellosigkeit der Kläger einem Antrag auf Terminsverlegung zur Übersendung einer Fahrkarte nicht stattzugeben gewesen, weil die Kläger erst am Tag des Termins den Antrag auf Bewilligung einer Fahrkarte gestellt und damit selbst diese Möglichkeit zur Wahrnehmung des Termins vereitelt haben.

Schließlich ist dem Antrag auf Terminsverlegung auch nicht wegen einer Erkrankung der Klägerin stattzugeben. Nachdem die Klägerin per Fax am Sitzungstag mitgeteilt hat, der Termin sei bereits deshalb zu verlegen, weil sie arbeitsunfähig erkrankt sei, ist sie mit Fax um 8:09 Uhr aufgefordert worden, eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen, aus der sich ergibt, dass sie aus gesundheitlichen Gründen nicht reisefähig und nicht in der Lage ist, am Termin teilnehmen zu können. Eine derartige Bescheinigung ging bis zum Ende des Termins um 12:35 Uhr nicht ein, die Klägerin hat nicht einmal vorgetragen, welche Erkrankung sie an der Terminswahrnehmung hindere. Damit ist ein wichtiger Grund für eine Terminsverlegung nicht nachgewiesen. Erst um 16:00 Uhr ging ein Fax ein (Original abgelegt im Verfahren L 12 AS 2325/08), mit dem eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Folgebescheinigung vom 25. März 2010) übersandt wurde über eine bereits ab 4. März 2010 bis voraussichtlich 31. März 2010 bestehende Arbeitsunfähigkeit.

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung der Kläger ist statthaft (§ 143 SGG), da der Wert des Beschwerdegegenstands 750 EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die im Wege der Klagehäufung geltend gemachten Ansprüche werden bei der Berechnung des Beschwerdewerts zusammengerechnet (§ 202 SGG i.V.m. § 5 ZPO).

Die Beklagte als eine nach § 44b SGB II in der Fassung des kommunalen Optionsgesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 2014) gebildete Arbeitsgemeinschaft ist beteiligtenfähig nach § 70 Nr. 2 SGG (vgl. BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 1 = BSGE 97, 217). § 44b SGB II ist ungeachtet seiner Verfassungswidrigkeit bis zum 31. Dezember 2010 weiterhin anwendbar (BVerfGE 119, 331).

Streitgegenstand des Verfahrens sind zum Einen die geltend gemachten einmaligen Leistungen (Betriebskostennachzahlung, Brille). Ansprüche auf einmalige Leistungen können in einem selbstständigen Verfahren eingefordert werden (vgl. BSG SozR 4-4200 § 16 Nr. 1; BSGE 101, 79 = SozR 4-3500 § 54 Nr. 1). Hier hat die Beklagte in selbstständigen Bescheiden Regelungen zu Lebenssachverhalten getroffen, die hinreichend von den nach §§ 20, 22 SGB II getroffenen Entscheidungen abgrenzbar sind.

Soweit die Klägerin zum Anderen am 22. September 2006 einen "dringenden Notbedarf" von 300 EUR monatlich beantragt hat, handelt es sich um einen Antrag auf Überprüfung im laufenden Bewilligungsabschnitt 1. Mai bis 31. Oktober 2006 (Bescheid vom 25. April 2006) gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Der Bescheid vom 25. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Juni 2006 war jedoch Gegenstand der am 20. Juni 2006 zum SG erhobenen Klage S 12 AS 2991/06 (Berufungsverfahren L 12 AS 4668/08), in welche auch der Änderungsbescheid vom 29. April 2008 hinsichtlich des Bewilligungszeitraums 1. Mai bis 31. Oktober 2006 einbezogen wurde. Der mit der Klage vom 21. Dezember 2006 hier angefochtene Überprüfungsbescheid vom 21. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. November 2006 war insoweit nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens S 12 AS 2991/06 geworden (vgl. Senatsurteil vom heutigen Tag im Verfahren L 12 AS 4668/08), weshalb die neuerliche Klage wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig war (§ 202 SGG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz).

Nach § 96 Abs. 1 SGG wird ein neuer Verwaltungsakt dann Gegenstand des Verfahrens, wenn er den mit der Klage angefochtenen früheren Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Geändert oder ersetzt wird ein Bescheid dann, wenn er denselben Streitgegenstand wie der Ursprungsbescheid betrifft (vgl. BSGE 10, 103) bzw. wenn in dessen Regelungsgehalt eingegriffen und damit die Beschwer des Betroffenen vermehrt oder vermindert wird (vgl. BSGE 91, 279). Hier wurde mit Bescheid vom 25. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Juni 2006 die Höhe der Leistungen der Kläger für die Zeit von Mai bis Oktober 2006 geregelt. Mit dem Überprüfungsbescheid vom 21. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. November 2006 hat die Beklagte den Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X abgelehnt und ergänzend im Widerspruchsbescheid ausgeführt, dass die Leistungen für den Zeitraum Mai bis Oktober 2006 in gesetzlicher Höhe bewilligt worden seien und die Gewährung weiterer Leistungen nicht in Betracht komme. Damit hat die Beklagte mit beiden Bescheiden über die Höhe der Leistungen im Zeitraum Mai bis Oktober 2006 entschieden, weshalb der Bescheid vom 21. September 2006 in unmittelbarer Anwendung von § 96 SGG in das Klageverfahren einzubeziehen war. Dies zeigt auch folgende Überlegung: bei einer positiven Entscheidung einer Überprüfung nach § 44 SGB X während eines laufenden Klageverfahrens wird der ursprüngliche Bescheid teilweise aufgehoben und damit abgeändert i.S.v. § 96 Abs. 1 SGG. Dann muss aber auch ein während des Gerichtsverfahrens ergehender Bescheid Verfahrensgegenstand werden, mit dem die Beklagte ablehnt, nach § 44 SGB X tätig zu werden oder einer Änderung Rechnung zu tragen, denn nur so kann vermieden werden, dass über denselben Streitgegenstand (Höhe der Leistungsansprüche im Zeitraum Mai bis Oktober 2006) mehrere gerichtliche Verfahren nebeneinander geführt werden (vgl. BSG SozR 1500 § 96 Nr. 3).

Nach alledem war die Klage gegen den Bescheid vom 21. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. November 2006 bereits unzulässig. Soweit die Klägerin im Laufe des Verfahrens eine Klageerweiterung vorgenommen hat und den Mehrbedarf/Notbedarf bereits ab 2005 gefordert hat, ist die Klage ebenfalls unzulässig. Denn hier fehlt es an einer Vorbefassung der Beklagten, die über eine Überprüfung der vorangegangenen Zeiträume hinsichtlich eines Mehrbedarfs bisher nicht entschieden hat.

Hinsichtlich der geltend gemachten Betriebskosten/Stromkosten für 2005 und der Kosten für eine Brille in Höhe von 439,40 EUR ist die Klage unbegründet.

Weitere Betriebskostennachforderungen über die bereits gewährten 1.451,89 EUR hinaus sind nicht zu übernehmen. Nach § 22 Abs. 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Hierzu zählen auch die mietvertraglich geschuldeten Nebenkosten. Der allein noch offene Betrag von 120,03 EUR ist indes schon deshalb nicht zu übernehmen, weil die Beklagte bereits höhere Nebenkosten übernommen hat, als den Klägern zustehen; hierbei sind auch die Kosten der Kabelnutzung bereits berücksichtigt. Insoweit ist zu beachten, dass die Warmwasserbereitung mit der Regelleistung abgegolten ist, so dass zur Vermeidung einer doppelten Bewilligung die bereits abgegoltenen Kosten aus den Heizkosten heraus zu rechnen sind (vgl. BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 5). Dabei ist entgegen der Berechnung des SG für Haushaltsangehörige mit einer Regelleistung von 311 EUR lediglich ein Betrag in Höhe von 5,60 EUR für die Warmwasserbereitung abzuziehen (vgl. BSG a.a.O.), so dass sich insgesamt ein Warmwasserabzug für das gesamte Jahr 2005 in Höhe von 179,16 EUR ergibt. Am Ergebnis ändert sich insoweit nichts, denn der für die Warmwasserbereitung vorzunehmende Abzug überschreitet die verbleibende Nebenkostennachforderung von 120,03 EUR. Wegen des Verbotes der reformatio in peius verbleibt es bei den insgesamt um 59,13 EUR zu viel gezahlten Betriebs- und Nebenkosten.

Die Kläger haben im Rahmen der Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung keinen Anspruch auf Übernahme der Stromkosten, auch nicht, soweit die tatsächlichen Kosten über die in der Regelleistung enthaltenen Pauschalen hinausgehen. Ebenso wie die Kosten für Warmwasserbereitung Bestandteil der Regelleistung sind, müssen auch die Kosten für Strom, sofern er nicht zur Erzeugung von Heizenergie genutzt wird, aus der maßgeblichen Regelleistung gedeckt werden. Nach dem Wortlaut des § 20 Abs. 1 SGB II (i.d.F. des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006, BGBl. I S. 1706) umfasst die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts auch Aufwendungen für Haushaltsenergie. Mit der Ergänzung des § 20 Abs. 1 SGB II um den Bedarf "Haushaltsenergie" ist keine inhaltliche Änderung des Umfangs der Regelleistung erfolgt - die Ergänzung ist lediglich zur Klarstellung vorgenommen worden, sodass auch für die Zeit vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende am 1. August 2006 Stromkosten nicht über Leistungen nach § 22 SGB II zu erbringen waren (vgl. BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 5 und BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 18).

Ein Anspruch auf Übernahme der geltend gemachten Kosten für eine Brille scheitert zwar nicht schon an verspäteter Antragstellung. Das BSG hat insoweit mit Urteil vom 23. März 2010 entschieden (- B 14 AS 6/09 R - (bisher nur als Pressemitteilung vorliegend)), dass Leistungen für Klassenfahrten vom Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst sind, so dass es keiner gesonderten Antragstellung bedurft habe (a.A. für einmalige Bedarfe: Sächs. LSG, Urteile vom 17. April 2008 - L 3 AS 107/07 - und vom 13. Oktober 2008 - L 7 AS 146/07 -; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. November 2008 - L 2 AS 6052/07 -; Bayer. LSG, Urteil vom 23. April 2009 - L 11 AS 125/08 - (alle juris)). Entsprechend wird nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung demnach auch für andere einmalige Bedarfe davon auszugehen sein, dass diese von der Antragstellung auf laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst sind. Für den vorliegenden Rechtsstreit kommt es daher auch nicht darauf an, ob eine rechtzeitige Antragstellung auf der Grundlage eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs fingiert werden kann (vgl. hierzu im einzelnen BSG SozR 3-2600 § 58 Nr. 2; BSG SozR 3-2600 § 115 Nr. 9; BSG SozR 4-1200 § 14 Nr. 5 und 10).

Indes besteht kein Anspruch auf Übernahme der für die Brille aufgewendeten Kosten in Höhe von 439,40 EUR. Die im Rahmen des § 23 Abs. 3 SGB II vorgesehenen einmaligen Beihilfen sind nicht einschlägig. Auch eine nach § 23 Abs. 1 SGB II grundsätzlich mögliche Darlehensgewährung kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Die nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversicherte Klägerin hat nach §§ 27 Abs. 1 SGB V Anspruch auf die Krankenbehandlung, die nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Damit ist die Regelversorgung vollständig abgedeckt, es bleiben keine Kosten ungedeckt, die im Fall einer nach den Grundsätzen der §§ 12, 28 SGB V ausreichenden, das Maß des Notwendigen nicht überschreitenden ärztlichen Behandlung entstünden. Das soziokulturelle Existenzminimum wird durch die kostenfreie Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung gewährleistet. Lediglich die Kosten für medizinisch notwendige Leistungen, die in Folge der Kosteneinsparungen im Gesundheitswesen von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht (mehr) übernommen werden (etwa bestimmte Heil- und Hilfsmittel (§ 33 SGB V) oder nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel (§ 34 SGB V)) sind in der Regelleistung enthalten. Dies gilt insbesondere auch für die Versorgung mit einer Brille, da nach § 33 Abs. 2 SGB V Versicherte nur bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres oder bei Vorliegen einer beidseitigen schweren Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 entsprechend der von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Klassifikation - die bei der Klägerin nicht vorliegt - Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen haben, wobei der Anspruch auf Sehhilfen nicht die Kosten des Brillengestells umfasst (§ 33 Abs. 2 Satz 4 SGB V). Eine Darlehensgewährung wäre für einen unabweisbaren Bedarf nach § 23 Abs. 1 SGB II somit grundsätzlich in Betracht gekommen. Abgesehen davon, dass die Klägerin mit dem geltend gemachten "Darlehen mit Tilgungsraten von Null" der Sache nach eigentlich nur einen verlorenen Zuschuss und kein Darlehen begehrt, liegen die Voraussetzungen für eine Darlehensgewährung nicht vor. Die Klägerin übersieht, dass nicht die Ausstattung mit den optimalen, bestmöglichen Sehhilfen von den Leistungen nach dem SGB II umfasst ist, sondern sich die Bezieher derartiger Leistungen regelmäßig mit einer Brille im unteren Preissegment begnügen müssen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. April 2008 - L 7 AS 1477/08 ER-B - FEVS 60, 168). Nach den Ermittlungen der Beklagten im Widerspruchsverfahren waren Gläser entsprechend der Verordnung vom 21. September 2006 bei anderen Optikern für 71 EUR bzw. 69 EUR zu bekommen, Gestelle wurden ab 9,90 EUR bzw. 20 EUR angeboten. Aber auch diese Kosten können hier nicht im Darlehenswege gewährt werden, denn der Bedarf an Versorgung mit einer Brille war bereits durch den Kauf der Brille gedeckt, so dass die Gewährung eines Darlehens schon deshalb nicht in Betracht kommt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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