L 8 AL 3439/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AL 4564/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 3439/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. Juli 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen das Ergebnis einer psychologischen Begutachtung und das Verhalten des psychologischen Dienstes der Beklagten.

Der 1970 geborene Kläger stammt aus Äthiopien. Nach seinen Angaben reiste er 1998 in das Bundesgebiet ein. In Äthiopien begann der Kläger nach dem Erwerb des Bachelor in Geologie ein Informatikstudium. Nach seiner Einreise in das Bundesgebiet erwarb der Kläger an der Universität T. zusätzlich ein Zertifikat in Hydrogeologie. Der Kläger war von Juni 2001 bis 21.11.2006 bei der F. Restaurant GmbH L. beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde durch den Arbeitgeber fristlos gekündigt. Auf seinen Antrag bezog der Kläger von der Agentur für Arbeit Leonberg ab 14.02.2006 bis zur Erschöpfung des Anspruches (15.11.2007) Arbeitslosengeld. Derzeit bezieht der Kläger Arbeitslosengeld II.

Im Rahmen einer Eignungsbeurteilung für eine vom Kläger gewünschte Umschulung oder Weiterbildung zum Informatiker nahm der psychologische Dienst der Beklagten am 08.05.2007 eine Sprachstandardfeststellung (C-Test) zur Beurteilung der Beherrschung der deutschen Sprache vor. Dabei erzielte der Kläger im Wertbereich von 0 bis 120 Punkten 67 Punkte. Nach der Interpretationshilfe des Ergebnisbogens ist der Kläger nach dem erzielten Ergebnis in der Lage, einfachere, eher praktisch ausgerichtete Umschulungen zu bewältigen (handwerkliche Berufe, Gastronomie). Außerdem erfolgte 26.06.2007 zur umfassenden Eignungsbegutachtung eine psychologische Begutachtung des Klägers. Die Diplom-Psychologin G. gelangte in ihrem Gutachten vom 27.06.2007 zu dem Ergebnis, der Kläger habe im Vergleich zu erwachsenen Umschülern insgesamt ein leicht unterdurchschnittliches Ergebnis für wenig sorgfältige Arbeitsweise erzielt. Seine Rechtschreibung sei knapp durchschnittlich, der Wortschatz unterdurchschnittlich. Das Textrechnen gelinge dem Kläger knapp durchschnittlich. Das Bruch- und Dezimalrechnen beherrsche der Kläger. Das Prozentrechnen gelinge ihm fast fehlerlos. Das Spiegelbilderzeichnen und die Aufgaben zum mechanisch-technischen Verständnis gelängen ihm knapp durchschnittlich und der Umgang mit Formen deutlich unterdurchschnittlich. Aufgrund der Verständnisprobleme seien die Ergebnisse mit Vorsicht zu interpretieren. Wegen der Sprachprobleme sei von einer Umschulung im Informatikbereich abzuraten. Auch für eine Umschulung zum Industriemechaniker oder technischen Zeichner reichten die Sprachkenntnisse nicht aus. Für eine Umschulung zur Lagerfachkraft reichten die Leistungen im Sinne einer Minimaleignung aus. Vorrangig sei ein Aufbausprachkurs sinnvoll. Danach sollte die intellektuelle Leistungsfähigkeit des Klägers erneut getestet werden. Am 18.07.2007 gelangte die Beklagte zu dem Ergebnis, dass der Kläger derzeit für eine Umschulung nicht geeignet sei. Ein Bescheid wurde dem Kläger nicht erteilt.

Mit Schreiben vom 18.07.2007 bat der Kläger um Übersendung von Kopien der Testergebnisse. Mit Schreiben vom 20.07.2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass Kopien des Gutachtens sowie der Testunterlagen nicht übersandt werden könnten. Dem Kläger wurde Akteneinsicht angeboten.

Am 25.07.2007 erhob der Kläger Klage beim Arbeitsgericht Stuttgart. Er machte ein Recht auf Beratung bei der Wahl des Bildungsweges und des Berufes gemäß § 3 Abs. 2 SGB I geltend. Er habe den am 08.05.2007 durchgeführten Test mit 67 Punkten bestanden, was für eine Umschulung ausreiche. Hinsichtlich des am 26.06.2007 durchgeführten Tests sei ihm gesagt worden, es werde ein Gutachten für die Vermittlerin geschrieben, die dann entscheide, was sie mache. Die Vermittlerin habe ihm am 08.07.2007 gesagt, er dürfe keine Umschulung machen, weil seine Ergebnisse unter dem Durchschnitt lägen. Er sei darüber sehr verblüfft gewesen. Die Ansicht sei für ihn sehr absurd und kaum zu glauben. Er werde wegen seiner Rasse und ethnischen Herkunft benachteiligt. Deshalb wolle er die Begutachtung von Diplom-Psychologin G. gerichtlich überprüfen lassen. Der Kläger beantragte die Feststellung, dass er die psychologischen Tests bestanden, die Diplom-Psychologin G. absichtlich eine Handlungspflicht verletzt und die Beklagte ihn absichtlich benachteiligt habe sowie Entschädigung gemäß § 15 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG).

Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage der Stellungnahme des Psychologen G. vom 13.08.2007 entgegen. Es sei nicht erkennbar, dass dem Kläger durch den psychologischen Dienst eine Benachteiligung im Sinne des § 1 AGG widerfahren sei. Dem Kläger sei mit Schreiben vom 13.08.2007 eine Kopie des psychologischen Gutachtens übersandt worden.

Im Anschluss an eine öffentliche Sitzung am 17.09.2007 wurde die Klage des Klägers mit Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 19.03.2008 (14 Ca 5969/07) an das Sozialgericht Stuttgart (SG) verwiesen. Das SG erörterte den Rechtsstreit in der nichtöffentlichen Sitzung am 18.06.2009. Hierzu wird auf die Niederschrift vom 18.06.2009 Bezug genommen.

Mit Gerichtsbescheid vom 17.07.2009 wies das SG die Klage ab. Es führte zur Begründung seiner Entscheidung aus, soweit sich der Kläger gegen das Ergebnis der psychologischen Begutachtung einschließlich der Sprachstandsfeststellung wende, sei die Klage als Anfechtungsklage wie auch als Feststellungsklage unzulässig. Eine isolierte Anfechtung der psychologischen Begutachtung sei nicht statthaft. Eine Feststellungsklage beziehe sich nicht auf die Feststellung eines einzelnen Rechts aus einem bestimmten Rechtsverhältnis, sondern eines einzelnen Elements eines solchen Rechts. Eine solche Elementenfeststellungsklage sei unzulässig. Die Klage bleibe auch mit den übrigen Anträgen auf Verurteilung wegen einer absichtlichen und wissentlichen Verletzung der Handlungspflicht durch die Diplom-Psychologin G., der Feststellung einer Benachteiligung durch den psychologischen Dienst der Beklagten sowie auf Verurteilung zu einer Entschädigung erfolglos. Es sei nicht zu erkennen, dass der Kläger durch den psychologischen Dienst der Beklagten benachteiligt worden sei. Für eine Diskriminierung fänden sich keinerlei Anhaltspunkte. Schadensersatzansprüche wegen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches oder aus positiver Forderungsverletzung bestünden nicht. In Betracht kämen nur Schadensersatzansprüche wegen Amtspflichtverletzung, für die nicht die Sozialgerichte sondern die Zivilgerichte zuständig seien. Ein Schadensersatz- und Entschädigungsanspruch nach § 15 AGG sei ebenfalls nicht vor dem Sozialgericht, sondern vor den Gerichten der Arbeitsgerichtsbarkeit geltend zu machen. Daran vermöge auch die erfolgte Verweisung durch das Arbeitsgericht nichts zu ändern.

Gegen den dem Kläger am 24.07.2009 mit Zustellungsurkunde zugestellten Gerichtsbescheid hat er am 29.07.2009 Berufung eingelegt. Er hat zur Begründung ausgeführt, für ihn sei unglaublich, wie das SG seine Klage habe abweisen können. Die Beklagte habe Umschulungsvorgänge beim Gericht eingereicht und selbst bestätigt, dass er einen Anspruch habe. Er sei vom SG offensichtlich benachteiligt worden. Der Kläger hat Auszüge der Akten vorgelegt (insbesondere das Schreiben der Agentur für Arbeit Stuttgart vom 13.08.2007).

Der Kläger beantragt,

1. Es wird festgestellt, dass der psychologische Test bestanden wurde.

2. Es wird festgestellt, dass die Diplom-Psychologin Frau G. mit Absicht und Wissen eine Handlungspflicht verletzt hat.

3. Es wird festgestellt, dass die Agentur für Arbeit - psychologischer Dienst - mit Wissen und Absicht ihn benachteiligt hat.

4. Die Beklagte wird zur Zahlung einer Entschädigung verurteilt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Die Berufungsbegründung des Klägers sei nicht geeignet, die Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheides zu widerlegen.

Der Rechtsstreit ist durch den Berichterstatter mit den Beteiligten in nichtöffentlicher Sitzung am 12.03.2010 erörtert worden. Auf die Niederschrift vom 12.03.2010 wird Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie zwei Band der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist statthaft und insgesamt zulässig. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden.

Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid in den Entscheidungsgründen ausführlich und zutreffend begründet, dass die Klage, soweit sich der Kläger gegen das Ergebnis der psychologischen Begutachtung (einschließlich der Sprachstandsfeststellung) wendet, sowohl als Anfechtungsklage wie auch als Feststellungsklage unzulässig ist, die Klage auch mit den übrigen Anträgen auf Verurteilung wegen einer absichtlichen und wissentlichen Verletzung der Handlungspflicht durch die Diplom-Psychologin G., der Feststellung einer Benachteiligung durch den psychologischen Dienst der Beklagten sowie auf Verurteilung zu einer Entschädigung keinen Erfolg haben kann, Schadensersatzansprüche aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches oder aus positiver Forderungsverletzung nicht bestehen und dass für einen Schadensersatzanspruch wegen Amtspflichtverletzung nicht die Sozialgerichte, sondern die Zivilgerichte zuständig sind. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zum selben Ergebnis. Er schließt sich den Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheides an, die er sich zur Begründung seiner eigenen Entscheidung zu eigen gemacht und auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt (§ 153 Absatz 2 SGG).

Ergänzend und im Hinblick auf das Berufungsvorbringen des Klägers bleibt auszuführen:

Ob der Ansicht des SG, ein Schadensersatz- und Entschädigungsanspruch nach § 15 AGG sei auch nach erfolgter Verweisung vor den Gerichten der Arbeitsgerichtsbarkeit geltend zu machen, im Hinblick auf § 17a Abs. 2 Satz 3 Gerichtsverfassungsgesetz zu folgen ist, kann der Senat dahinstehen lassen. Denn abgesehen davon, dass eine Entschädigung für Nichtvermögensschäden, die hier allein in Betracht käme, nur von Beschäftigten verlangt werden kann (§ 15 Abs. 2 SGG), finden nach § 2 Absatz 2 Satz 1 AGG für Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch § 33c des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) und § 19a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) Anwendung. Sowohl nach § 33c Satz 2 SGB I als auch nach § 19a Satz 2 SGB IV können Ansprüche wegen Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot nur insoweit geltend gemacht oder hergeleitet werden, als deren Voraussetzungen und Inhalt durch die Vorschriften der besonderen Teile des Sozialgesetzbuches im Einzelnen bestimmt sind. Abgesehen davon, dass auch der Senat einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot nicht erkennt, ist vorliegend § 15 AGG aufgrund der genannten Vorschriften nicht anwendbar. Auf sozialrechtlicher Grundlage (insbesondere des SGB III) ist ein Schadensersatz- oder Entschädigungsanspruch des Klägers nicht gegeben, wie das SG zutreffend ausgeführt hat.

Das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine andere Entscheidung. Neue Gesichtspunkte, die der Berufung ganz oder teilweise zum Erfolg verhelfen können, hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht vorgetragen. Er hat vielmehr auf seiner, durch Tatsachen nicht gerechtfertigten, eigenen subjektiven Bewertung seiner Fähigkeiten und Ansicht beharrt, durch den psychologischen Dienst der Beklagten benachteiligt worden zu sein. Dafür fehlt jedoch jeder Anhaltspunkt, wie das SG zutreffend ausgeführt hat. Der Inhalt des Schreibens der Beklagten vom 13.08.2007, mit dem dem Kläger eine Kopie des psychologischen Gutachtens übersandt wurde, anerkennt keinen Anspruch auf Umschulung, wie der Kläger meint, sondern bezieht sich ersichtlich nur auf den Anspruch, eine Kopie des Gutachtens zu erhalten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved