L 12 AL 4765/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AL 2849/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 4765/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 26.4.2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung und die Rückforderung von Arbeitslosenhilfe (Alhi).

Der 1975 geborene Kläger türkischer Nationalität war zuletzt bis Mai 2003 als Kranführer beschäftigt. Er bezog danach Arbeitslosengeld bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 5.5.2004 und im Anschluss daran ab 6.5.2004 Alhi in Höhe von wöchentlich 156,38 Euro. Im Alhi-Antrag hatte der Kläger unterschriftlich bestätigt, Änderungen unverzüglich anzuzeigen und das Merkblatt 1 für Arbeitslose erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben.

Durch eine Überschneidungsmitteilung erfuhr die Beklagte im August 2004, dass der Kläger vom 2.6. bis 11.6.2004 bei der Fa. S., Ü. beschäftigt war. Nach der von der Firma vorgelegten Arbeitsbescheinigung handelte es sich um ein unbefristetes Arbeitsverhältnis, das vom Kläger gekündigt worden war. Nach der Beschäftigung sprach der Kläger erstmals wieder am 10.8.2004 persönlich bei der Beklagten vor.

Nach Anhörung hob die Beklagte die Alhi-Bewilligung für die Zeit vom 2.6. bis 9.8.2004 auf und forderte die in dieser Zeit geleistete Alhi in Höhe von 1541,46 Euro zurück. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 19.11.2004 als unbegründet zurück.

Dagegen hat der Kläger am 24.1.2004 beim Sozialgerichts Konstanz (SG) Klage erhoben. Er habe nicht infolge grober Fahrlässigkeit die Rechtswidrigkeit der Bewilligung nicht erkannt. Er habe zwar das 71-seitige Merkblatt erhalten, dieses aber nicht lesen, geschweige denn verstehen können, da er dazu rein objektiv nicht in der Lage sei. Er habe das Merkblatt einem Herrn Y. übergeben und diesen gefragt, ob etwas besonderes zu beachten sei. Diesem sei aber bei der Durchsicht des Merkblatts offenbar nicht aufgefallen, dass er im Falle einer Arbeitsaufnahme erst dann wieder Leistungen erhalte, wenn er sich erneut arbeitslos melde. Jedenfalls habe Herr Y. hierauf nicht hingewiesen. Einen Dolmetscher habe er sich nicht leisten können. Soweit in den Beratungsunterlagen festgehalten sei, er könne "Deutsch gut lesen, gut schreiben, sehr gut sprechen und sehr gut verstehen", stamme dies nicht von ihm und sei zudem falsch.

Durch Urteil vom 26.4.2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat unter ausführlicher Zitierung der hier anzuwendenden Rechtsvorschriften, insbesondere §§ 45, 50 SGB X, 190, 118, 122 SGB III, ausgeführt, der angefochtene Bescheid der Beklagten sei rechtmäßig. Der Kläger sei in der Zeit vom 2.6.2004 bis 11.6.2004 nicht arbeitslos gewesen, weil er dieser Zeit in einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Ab 12.6.2004 sei der Kläger zwar wieder arbeitslos gewesen, ein Anspruch auf Alhi habe ihm aber weiterhin nicht zugestanden, weil die Wirkung der Arbeitslosmeldung mit der Aufnahme der Beschäftigung erloschen gewesen sei und der Kläger sich erst am 10.8.2004 erneut persönlich arbeitslos gemeldet habe. Auf Vertrauen in den Bestand des Bewilligungsbescheides könne er sich nicht berufen. Der Kläger sei seiner Verpflichtung, alle Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich seien, unverzüglich mitzuteilen, nicht nachgekommen, obwohl er nicht nur im Merkblatt 1 für Arbeitslose, sondern auch im Antragsformular deutlich und verständlich auf die Mitteilungspflicht hingewiesen worden sei. Soweit der Kl. einwende, er beherrsche die deutsche Sprache nicht hinreichend, weist das SG darauf hin, dass nach § 19 Abs. 1 SGB X der Ausländer keinen Anspruch darauf habe, dass ein an ihn gerichtetes Schreiben in einer anderen als der deutschen Sprache abgefasst sein. Er müsse sich also, wenn er diese nicht hinreichend beherrsche, Klarheit über den Inhalt verschaffen, beispielsweise mit Hilfe eines Dolmetschers. Soweit der Kläger angebe, er habe den Bewilligungsbescheid und das Merkblatt für Arbeitslose einem der deutschen Sprache mächtigen Bekannten übergeben und gefragt, ob er etwas besonderes zu beachten habe, entlaste ihn dies auch unter Anwendung eines subjektiven Sorgfaltsmaßstabs nicht. Zudem könne der Kläger - ungeachtet aller denkbaren, durch mangelnde Deutschkenntnisse bedingten Erschwernisse - schwerlich davon ausgegangen sein, dass er Alhi auch für Zeiten beanspruchen könne, in denen er einer ganztägigen Beschäftigung nachgegangen sei. Die Pflicht zur Erstattung der Alhi ergebe sich aus § 50 Abs. 1 Satz eins SGB X, Einwände hinsichtlich der Höhe der Forderung seien nicht erhoben worden, es sei auch nicht ersichtlich, dass die Berechnung fehlerhaft sei.

Gegen dieses am 22.8.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18.9.2006 Berufung eingelegt. Zur Begründung wird unter Bezugnahme auf das bisherige Vorbringen darauf abgestellt, der Kläger habe nicht grob fahrlässig gehandelt. Unter Beachtung des subjektiven Sorgfaltsmaßstabs hätte das Gericht zu dem Resultat gelangen müssen, dass der Kläger allenfalls leicht fahrlässig gehandelt habe. Der Kläger habe sich die Hinzuziehung eines Dolmetschers finanziell nicht leisten können. Er habe sich daher an den Bekannten gewandt, der derartige Angelegenheiten sorgfältig behandelt habe. Der Bekannte habe auch in der Vergangenheit für andere türkischstämmige Mitbürger Übersetzungen vorgenommen, welche der deutschen - insbesondere der amtsdeutschen - Sprache nicht ausreichend mächtig seien. Auch diese Übersetzungen und daraus resultierenden Empfehlungen seien niemals von Behörden oder Gerichten beanstandet worden, so dass sich der Kläger auf die Auskünfte des Bekannten habe verlassen können. Mangels finanzieller Möglichkeiten für einen Dolmetscher habe der Kläger ohnehin keine andere Möglichkeit gehabt, um sich mit dem Inhalt des Merkblattes vertraut zu machen.

Der Kläger stellt den Antrag,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 26.4.2006 und den Bescheid der Beklagten vom 13.9.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2004 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, jedoch in der Sache nicht begründet.

Das SG hat im angefochtenen Urteil die hier anzuwendenden Rechtsnormen zutreffend zitiert. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf Bezug. Das SG hat auch ausführlich und zutreffend ausgeführt, dass und aus welchem Grund der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist. Der Senat weist damit nach eigener Überprüfung die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Er nimmt auf die Entscheidungsgründe des Urteils Bezug und verzichtet insoweit auf eine eigene Begründung (§ 153 Abs. 2 SGG).

Soweit der Kläger wiederholend vorbringt, er habe sich wegen mangelnden eigenen Kenntnissen der deutschen Sprache auf die Übersetzungshilfe eines Bekannten verlassen, der diese auch in anderen Fällen zuverlässig und unbeanstandet geleistet habe, und ihm sei deswegen nur leichte Fahrlässigkeit vorzuwerfen, ist dies nicht geeignet, die angefochtene Entscheidung als unrichtig erscheinen zu lassen. Die Ausführungen des SG hierzu im angefochtenen Urteil sind zutreffend.

Vor allem ist der Kläger darauf hinzuweisen, dass die Aufhebung des Bewilligungsbescheides auch auf § 45 Abs. 2 Satz 3 Nummer 3 SGB X gestützt wurde, wonach auf Vertrauen sich nicht berufen kann, wer die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Hierzu hat das SG zutreffend darauf hingewiesen, dass der Kläger - ungeachtet aller denkbaren, durch mangelnde Deutschkenntnisse bedingten Erschwernisse - schwerlich davon ausgegangen sein könne, dass er Alhi auch für Zeiten beanspruchen könne, in denen er einer ganztägigen Beschäftigung nachgegangen sei. Auch dem ist nichts hinzuzufügen.

Die Berufung ist damit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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