S 5 BK 45/10

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Münster (NRW)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 5 BK 45/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 12.7.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.8.2010 wird aufgehoben. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin dem Grunde nach. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Rückforderung von Kinderzuschlag für Mai 2010 in Höhe von 420 EUR.

Die Klägerin, geboren 00.00.1970, ist Mutter von drei Kindern, für die sie Kindergeld bezieht. Seit Dezember 2005 hatte die Klägerin für unterschiedliche Zeiträume Kinderzuschlag nach § 6 a BKGG bezogen. Auf den Antrag vom 17. März 2009 auf Gewährung von Kinderzuschlag bewilligte die Beklagte die Klägerin Kinderzuschlag mit Bescheid vom 22. April 2009 für den Zeitraum von April 2009 bis September 2009 in Höhe von 390 EUR monatlich, mit Bescheid vom 21. Dezember 2009 für den Zeitraum Oktober 2009 bis März 2010 Kinderzuschlag in Höhe von 365 EUR monatlich.

Mit Bescheiden vom 21. Januar 2010 und 2. Februar 2010 bewilligte die Bundesagentur für Arbeit dem Ehemann der Klägerin Arbeitslosengeld nach dem SGB III für eine Anspruchsdauer von 180 Tagen, beginnend ab dem 16. Januar 2010 in Höhe von täglich 31,62 EUR. Im Februar 2010 ging bei der Beklagten der Fragebogen zur Prüfung des Anspruchs auf Kinderzuschlag ein. Mit Bescheid vom 12. März 2010 bewilligte die Beklagte der Klägerin für deren drei Kinder Kinderzuschlag unter dem Vorbehalt der Rückforderung (§ 32 SGB X) für die Monate März 2010 bis Juni 2010 in Höhe von monatlich 420 EUR. Der Kinderzuschlag werde für einen Bewilligungsabschnitt bewilligt (§ 6 a Abs. 2 S. 3 BKGG). Die Beklagte führte aus, die erforderlichen Unterlagen zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Zahlung und für eine eventuelle Weiterzahlung würden der Klägerin rechtzeitig vor Ablauf des oben genannten Bewilligungsabschnittes unaufgefordert übersandt. Ergebe die Überprüfung, dass das durchschnittlich erzielte Einkommen tatsächlich höher oder niedriger sei als für den oben genannten Bewilligungsabschnitt zu Grunde gelegt worden sei, könne dies zu einer teilweisen oder vollständigen Rückforderung des gezahlten Kinderzuschlags führen. Bestehe aufgrund des tatsächlich erzielten Einkommens ein Anspruch auf höheren Kinderzuschlag, erhalte sie den ihr zustehenden Differenzbetrag nachgezahlt. In beiden Fällen werde sie schriftlich informiert.

Der Ehemann der Klägerin bezog letztmalig im April 2010 Arbeitslosengeld. Ab Mai 2010 stand dieser in einem neuen Arbeitsverhältnis. Das Arbeitsentgelt für Mai 2010 wurde ihm im Juni 2010 ausgezahlt.

Mit Bescheid vom 12. Juli 2010, überschrieben mit Kinderzuschlag nach § 6 a Bundeskindergeldgesetz, Rückforderung von unter dem Vorbehalt gezahltem Kinderzuschlag, führte die Beklagte aus, aufgrund der von der Klägerin eingereichten Unterlagen errechne sich bei abschließender Prüfung des Bewilligungszeitraumes von März 2010 bis Juni 2010 für Mai 2010 ein Bruttoeinkommen in Höhe von 0,00 EUR monatlich. Das Bruttoeinkommen erreiche nicht die Mindesteinkommensgrenze. Deshalb sei der Anspruch auf Kinderzuschlag ausgeschlossen (§ 6 a Abs. 1 Nr. 1 BKGG). Nach dem Hinweis auf die Möglichkeit der Beantragung von Leistungen nach dem SGB II führte die Beklagte sodann aus, Kinderzuschlag sei deshalb in Höhe von 420 EUR zu Unrecht gezahlt worden. Der unter dem Vorbehalt der Rückforderung gemäß § 32 SGB X gezahlte Kinderzuschlag sei von der Klägerin zu erstatten, er sei grundsätzlich sofort in voller Höhe zur Zahlung fällig.

Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, das Mindesteinkommen sei erreicht. Zutreffend sei es, dass im April noch Arbeitslosengeld I bezogen worden sei. Im Mai 2010 sei das Familieneinkommen wieder durch Einkünfte des Ehemannes sichergestellt. Ein Einkommen sei mithin im Monat Mai gegeben. Dass der Auszahlungszeitpunkt im Juni gelegen habe, sei unerheblich. Darüber hinaus sei hinsichtlich des gewährten Kinderzuschlags Entreicherung eingetreten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20. August 2010 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Sie legte unter anderem dar, zur Erreichung der Mindesteinkommensgrenze müssten Ehepaare ohne Berücksichtigung von Wohngeld und Kindergeld über Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II in Höhe von 900 EUR oder, wenn sie alleinerziehend seien, in Höhe von 600 EUR verfügen. Das Elterneinkommen müsse diese festgesetzten einheitlichen Beträge erreichen. Das Brutto – Elterneinkommen erreiche nicht die Mindesteinkommensgrenze. Bei der Ermittlung des Brutto-Elterneinkommens gelte das Zuflussprinzip nach der Arbeitslosenhilfe-/Sozialgeldverordnung. Diese besage, dass in dem zu beurteilenden Monat nur das Einkommen berücksichtigt werden könne, welches in dem zu beurteilenden Monat dem auf dem Konto der Klägerin oder des Ehegatten eingegangenen Einkommen, gegebenenfalls zuzüglich der Steuern und Sozialversicherungsbeiträge, entspreche. Unstreitig habe die Zahlung des Arbeitslosengeldes im Monat April 2010 geendet. Die Auszahlung des Arbeitseinkommens des Ehegatten der Klägerin sei unstreitig erst im Monat Juni 2010 erfolgt. Nach dem Zuflussprinzip seien weder die Zahlung des Arbeitslosengeldes noch die Auszahlung des Arbeitsentgeltes für die Berechnung des Brutto-Elterneinkommens für die Mindesteinkommensgrenze im Monat Mai 2010 anzusetzen. Ein Anspruch auf den Kinderzuschlag für den Monat Mai 2010 bestehe daher nicht. Tatsächlich sei der Klägerin für den Monat Mai 2010 Kinderzuschlag in Höhe von 420 EUR ausbezahlt worden. Die Auszahlung sei zu Unrecht erfolgt. Die Bewilligung des Kinderzuschlags sei unter dem Vorbehalt der Rückforderung nach § 32 SGB 10 erfolgt. Daher sei der zu Unrecht ausbezahlte Kinderzuschlag zu erstatten. Die Einrede der Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB sei im Bereich der Sozialgesetzbücher nicht anwendbar. Inwieweit ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II bestehe, bedürfe einer gesonderten Antragstellung bei der zuständigen Gemeinde.

Im Klageverfahren wiederholt die Klägerin ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Sie ist der Auffassung, im Gesetz sei nicht zwingend vorgesehen, das Zuflussprinzip zugrundezulegen. Grundsätzlich werde die Anwendung des Zuflussprinzips vertretbar sein. Im vorliegenden Fall sei jedoch die letzte Arbeitslosengeld-I-Leistung im April bezogen worden. Hintergrund sei, dass Einkünfte im Monat Mai wieder gegeben gewesen seien. Diese seien im Endeffekt zufallsbedingt im Juni erst ausgezahlt worden. Die Einkommenslosigkeit der Klägerin sei mithin im Grunde systemwidrig. Es sei hier ein im Wesentlichen gleichmäßiges Einkommen zugrunde zu legen. Im Übrigen werde bestritten, dass ein Rückforderungsvorbehalt aufgenommen worden sei. Es werde weiterhin davon ausgegangen, dass ein Anspruch gemäß § 32 Abs. 1 SGB X bestehe, so dass die Nebenbestimmung deswegen unzulässig sei. Sofern gemäß § 32 Abs. 2 SGB 10 vorgegangen worden sei, werde ein pflichtgemäßes Ermessen bestritten. Weiterhin laufe ein Rückforderungsvorbehalt dem Zweck des Verwaltungsakts gemäß § 32 Abs. 3 SGB 10 entgegen. Ein gebundener Grund zu einer Rückforderung sei darüber hinaus nicht ersichtlich. Sofern die Rückforderung der Beklagten auf Ermessen basiere, sei die Ermessensausübung fehlerhaft. Leistungen nach dem SGB II seien von ihr, der Klägerin, nicht beantragt worden. Der ebenfalls mit weiterem Bescheid vom 12. Juli 2010 für den Monat Juni 2010 zurückgeforderte Betrag von 40 EUR Kinderzuschlag sei nicht streitig und von ihr bereits erstattet worden.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 12. Juli 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. August 2010 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht sich die Beklagte auf die Ausführungen in den angefochtenen Entscheidungen. Die Rückforderung für den Monat Mai 2010 erfolge aus der nach § 32 SGB X begründeten Vorbehaltsbewilligung. Der Vorbehalt der Rückforderung stelle eine Nebenbestimmung im Sinne des § 32 Abs. 1 Alternative 2 SGB X dar. Ein Kinderzuschlag könne erst ab der Antragstellung bewilligt werden. Die Bewilligung solle, sofern die Voraussetzungen voraussichtlich gegeben seien, für einen Zeitraum von sechs Monaten erfolgen. Dieses bedinge eine Bewilligung für die Zukunft. Da sich das Einkommen durch verschiedene Umstände ändern können, könne es vorkommen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bewilligung des Kinderzuschlags entweder komplett oder auch für einzelne Monate nicht mehr erfüllt würden. Es stehe der Familienkasse daher frei, die Bewilligung mit einem Rückforderungsvorbehalt zu versehen. Dieses sei erfolgt. Der Rückforderungsvorbehalt laufe auch nicht dem Zweck des Verwaltungsakts nach § 32 Abs. 3 SGB 10 entgegen. Mit dem Kinderzuschlag solle allein die sich durch die Kinder ergebene Hilfebedürftigkeit vermieden werden. Hierzu sei von dem Gesetzgeber eine Mindesteinkommensgrenze eingeführt worden, mit der sichergestellt werden solle, dass der Bedarf der Eltern ohne die Kinder gedeckt sei. Sofern jedoch die Mindesteinkommensgrenze nicht erreicht werde, werde gesetzlich unterstellt, dass nicht einmal der Bedarf der Eltern gedeckt sei. In einem derartigen Fall bestehe kein Anspruch auf den Kinderzuschlag.

Das Gericht hat die die Klägerin betreffenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die beigezogenen Akten sowie die im Streitverfahren gewechselten vorbereitende Schriftsätze und die Ausführungen im Verhandlungstermin.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin wird durch den Bescheid der Beklagten vom 12. Juli 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. August 2010 beschwert, der diese rechtswidrig ist und die Klägerin in ihrer subjektiv geschützten Rechtsposition verletzt (§ 54 Abs. 2 SGG).

Zu Unrecht fordert die Beklagte von der Klägerin die Rückzahlung des Kinderzuschlags in Höhe von 420 EUR für den Monat Mai 2010. Ein dahingehender Anspruch steht der Beklagten nicht zu.

Zwar hat die Klägerin für Mai 2010 zu Unrecht Kinderzuschlag in Höhe von 420 EUR bezogen, denn bedingt durch die Tatsache, dass weder ihr noch ihrem Ehemann im Monat Mai 2010 Einkommen zugeflossen war, erfüllte die Klägerin die Voraussetzungen für die Gewährung von Kinderzuschlag nicht, da die Mindesteinkommensgrenze nicht gegeben war. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist auch im vorliegenden Fall das sogenannte Zuflussprinzip anzuwenden und nicht darauf abzustellen, in welchem Monat das Erwerbseinkommen der Familie durch den Ehemann der Klägerin erwirtschaftet worden war. Gleichwohl ist die Rückforderung der Beklagten rechtswidrig. Es fehlt an einer rechtlichen Grundlage für die Rückforderung.

Die Beklagte kann sich nicht auf den Vorbehalt der Rückforderung im Bewilligungsbescheid vom 12. März 2010 stützen. Der Vorbehalt der Rückforderung ist rechtswidrig. Er durfte deshalb nicht ausgeübt werden.

Die Rechtmäßigkeit des Vorbehalts der Rückforderung ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht aus § 32 Abs. 1 SGB X. Nach § 32 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, mit einer Nebenbestimmung nur versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden. Bei dem Anspruch auf Kinderzuschlag nach § 6 a BKGG handelt es sich um eine gebundene Entscheidung, das heißt, bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen besteht ein Rechtsanspruch auf Gewährung von Kinderzuschlag. Es gibt keine spezialgesetzliche Rechtsvorschrift, die es vorsieht, die Bewilligung von Kinderzuschlag mit einer Nebenbestimmung zu versehen (§ 32 Abs. 1 Alternative 1 SGB X). Auch die Sicherstellung, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Bescheides über die Bewilligung von Kinderzuschlag erfüllt werden (§ 32 Abs. 1 Alternative 2 SGB X), rechtfertigt vorliegend die Nebenbestimmung des Vorbehalts der Rückforderung nicht. Würde man dieses als zulässig erachten, so würde dieses eine Umgehung der Vorschriften nach den § § 45 ff SGB X, § § 42,43 SGB I beinhalten. Eine solche Umgehung wäre unzulässig, da sie ausdrücklichen gesetzlichen Regelungen zuwiderlaufen würde. Der Gesetzgeber hat durch die § § 42, 43 SGG I im Einzelnen geregelt, unter welchen Voraussetzungen Vorschüsse und vorläufige Leistungen gewährt werden können. Mit den § § 45 ff SGB X hat der Gesetzgeber Regelungen getroffen, die es ermöglichen, Leistungsbewilligungen bei anfänglicher Rechtswidrigkeit oder bei Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse mit Wirkung für die Vergangenheit einerseits und mit Wirkung für die Zukunft andererseits wieder rückgängig zu machen. Er hat dabei Abgrenzungen getroffen und vorgegeben, ob und in welchem Umfang Vertrauensschutzerwägungen sowie Verschuldenselemente zu berücksichtigen sind. Damit ist es Wille des Gesetzgebers geworden, dass der jeweilige Leistungsträger nicht uneingeschränkt und in jedem Fall in einmal bewilligte Leistungen zum Nachteil des Leistungsempfängers eingreifen darf. Abweichend von diesen gesetzlichen Vorgaben hat vorliegend die Beklagte sich die Rückforderung der bewilligten Leistungen uneingeschränkt vorbehalten. Diese Möglichkeit stand ihr nicht zu.

Ob und unter welchen Voraussetzungen Leistungsbewilligungsbescheide mit Vorbehaltsklauseln versehen werden dürfen, ist durch die Rechtsprechung nicht abschließend geklärt. Soweit höchstrichterliche Entscheidungen (vergl. hierzu Urteil des BSG vom 25. Juni 1998, B 7 AL 126/95 R m. w. N.) vorliegen, betreffen diese jedenfalls nicht den Anspruch auf Kinderzuschlag nach § 6 a BKGG. Unter bestimmten Voraussetzungen wird unter Heranziehung des sogenannten richterrechtlichen Institutes der Vorwegzahlungen den Leistungsträgern bei noch nicht vollständiger Sachverhaltsaufklärung unabhängig von § 42 SGB I die Kompetenz eingeräumt, Leistungen gleichwohl schon zu erbringen und die Bewilligungsbescheide mit dem Vorbehalt der Rückforderung als Nebenbestimmung zur Sicherstellung der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen zu erlassen (vergl. Professor Dr. jur. Maier, Zur Frage der Gewährung von Rentenleistungen als Vorwegzahlungen mit Rücknahme - und Rückforderungsvorbehalten, ZFS 3/89; Wagner, juris PK-SGB 1, § 42, RZ. 23 ff; Engelmann in von Wulffen, SGB X, Kommentar, 7. Auflage, § 32 Rz. 10). Die Behörde soll über § 42 SGB I hinaus die Möglichkeit haben, einen begünstigenden Verwaltungsakt auch dann zu erlassen, wenn zwar wesentliche, aber noch nicht alle tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt beziehungsweise nachgewiesen sind. Dieses soll auch dann gelten, wenn noch nicht einmal endgültig feststeht, ob der Anspruch dem Grunde nach besteht. Es soll sich hierbei um die Sicherstellung der Erfüllung nur geringfügiger tatbestandlicher Voraussetzungen des Verwaltungsakts handeln. Sofern wesentliche Voraussetzungen fehlen, soll die Behörde einen ablehnenden Bescheid erteilen müssen. Dieses mag in Fällen geboten erscheinen, in denen die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Norm letztlich erst im Nachhinein abschließend feststellbar sind, wie es zum Beispiel zur Frage des Schlechtwettergeldes/Wintergeldes diskutiert beziehungsweise entschieden worden ist. Unabhängig davon, dass es sich bei der Frage der Einkommenshöhe um eine elementare Grundfrage handelt, ob Kinderzuschlag zu bewilligen ist oder nicht, überzeugen die vorstehenden Erwägungen das erkennende Gericht nicht. Insoweit schließt sich das Gericht den Ausführungen von Professor Dr. Maier (a. a. O.) an, der zu Recht darauf hinweist, dass § 31 SGB I für den Sozialleistungsbereich den Grundsatz festgelegt, die Leistungsgewährung bedürfe einer gesetzlichen Grundlage. § 20 SGB X schreibt den Amtsermittlungsgrundsatz auch für das Verwaltungsverfahren vor. Die Zulässigkeit eines Rückforderungsvorbehalts, der in das Ermessen der Behörde gestellt wäre, würde nicht nur den zuvor genannten Regelungen zuwiderlaufen, sondern auch zu einer nicht zu rechtfertigenden und nicht erforderlichen Rechtsunsicherheit führen. Welche tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sein müssen, dass die Behörde einerseits leisten muss, der Leistungsberechtigte andererseits die beantragte Leistung einfordern darf, wäre offen und in jedem Einzelfall zu klären. Gegenstand einer Nebenbestimmung kann deshalb nicht sein, was zu den vom Gesetzgeber bestimmten Voraussetzungen eines Anspruchs gehört. Ohnehin besteht eine rechtliche Notwendigkeit, Kinderzuschlag mit Rückforderungsvorbehalt zu bewilligen, keineswegs. Zwar schreibt § 6 a Abs. 2 S. 3 BKGG vor, der Kinderzuschlag solle jeweils für sechs Monate bewilligt werden. Daraus folgt, dass zwar ein Bewilligungszeitraum von sechs Monaten der Regelfall sein soll, jedoch kürzere Bewilligungszeiträume im Einzelfall durchaus zulässig sind. Ein solcher Einzelfall ist gegeben, wenn - wie zum Beispiel bei schwankendem Einkommen - nicht feststeht, wie hoch das Familieneinkommen monatlich jeweils ist beziehungsweise sein wird. Gemäß § 5 Abs. 1 BKGG werden das Kindergeld und der Kinderzuschlag vom Beginn des Monats an gewährt, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind; sie werden bis zum Ende des Monats gewährt, in dem die Anspruchsvoraussetzungen wegfallen. Lassen sich die Anspruchsvoraussetzungen mithin nur monatsweise hinsichtlich des monatlichen Anspruchs auf Kinderzuschlag feststellen, so ist die Behörde gehalten, die Bewilligungszeiträume entsprechend kurz, gegebenenfalls nur monatsweise, festzulegen. Dieses mag zwar verwaltungsmäßig unpraktikabel und aufwändig sein, ist jedoch erkennbar vom Gesetzgeber so vorgesehen. Andernfalls nämlich hätte der Gesetzgeber entsprechend den Regelungen zum SGB III und SGB II eine Bestimmung dahingehend getroffen, dass auch eine nur vorläufige Leistungsbewilligung möglich sein solle. Der Leistungsberechtigte hat es sodann in der Hand, den Anspruch auf Kinderzuschlag zeitnah geprüft und gegebenenfalls bewilligt zu sehen, indem er die Behörde regelmäßig monatlich unverzüglich über die zugeflossenen Einkünfte in Kenntnis setzt. Diese Betrachtungsweise rechtfertigt sich zudem aus der Tatsache, dass die Gewährung des Kinderzuschlags gerade deshalb vorgesehen ist, weil damit Hilfebedürftigkeit der Bedarfsgemeinschaft vermieden werden soll. Ist nun die Einkommenssituation der Bedarfsgemeinschaft dergestalt, dass Kinderzuschlag nicht zu gewähren ist, so ermöglicht die monatsweise Überprüfung der Einkommenssituation gerade bei zu niedrigem Einkommen und Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II eine unverzügliche Beantragung von Leistungen nach dem SGB II, um so möglichst zeitnah der aktuellen Bedarfssituation der Bedarfsgemeinschaft Rechnung tragen zu können und dieser zeitnah ausreichend Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung zu stellen.

Selbst wenn zwar grundsätzlich von der Zulässigkeit eines Rückforderungsvorbehalts ausgegangen würde, wäre dieser gleichwohl im vorliegenden Fall rechtswidrig. Der von der Beklagten formulierte Vorbehalt der Rückforderung ist zu unbestimmt. Er lässt offen, unter welchen konkreten Umständen eine Rückforderung in Betracht kommen soll. Weder gibt die Beklagte im Bewilligungsbescheid vom 12. März 2010 an, welches Einkommen sie der Höhe nach zu Grunde gelegt hat, noch gibt die Beklagte an, unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Kinderzuschlag nicht bestehen bleiben soll.

Schließlich würde auch dann der Anspruch der Beklagten auf Rückzahlung des Kinderzuschlags scheitern, wenn von einem zulässigen und ausreichend bestimmbaren Vorbehalt der Rückforderung ausgegangen würde. Dann nämlich wäre die Entscheidung der Beklagten deshalb rechtswidrig, weil sie jedwede Ermessenserwägungen vermissen lässt. Die Beklagte hat erkennbar kein Ermessen ausgeübt und eine Ermessensbetätigung ausdrücklich auch nicht für notwendig erachtet. Auch dies ist rechtswidrig. Zum einen führt die Beklagte im Bewilligungsbescheid selbst aus, dass eine Überprüfung zu einer teilweisen oder vollständigen Rückforderung des gezahlten Kinderzuschlags führen könne, mithin allein aus dieser Formulierung eine Ermessensbetätigung der Beklagten notwendig wird. Zum anderen ergibt sich aus den Regelungen des SGB X der allgemeine Rechtsgrundsatz, wonach einer Leistungsrückforderung eine Ermessensausübung voranzugehen hat (BSG, Urteil vom 17. Oktober 1990, 11 RAr 3/88, Rz.36).

Der Rückforderung des Kinderzuschlags steht zudem der Bewilligungsbescheid vom 12. März 2010 entgegen. Auch die Bewilligung mit dem Vorbehalt der Rückforderung stellt eine endgültige Entscheidung dar (BVerwG, Urteil vom 14. April 1983, 3 C 8/82, Rz. 32). Sie ist die rechtliche Grundlage für das Behaltendürfen der auf dieser Grundlage ausgezahlten Geldbeträge als Kinderzuschlag. Diese Bewilligung wurde von der Beklagten nicht zurückgenommen. Eine solche Rücknahme der Bewilligung kann nicht im Wege der Auslegung der angefochtenen Entscheidung angenommen werden. Zum einen geben weder Wortlaut noch Inhalt des Bescheides vom 12. Juli 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. August 2010 Anhaltspunkte dafür her, dass die Beklagte eine Rückgängigmachung der Leistungsbewilligung hätte verfügen wollen. Zum anderen steht dem der ausdrückliche Erklärungswille der Beklagten entgegen. So hat diese unmissverständlich im Termin zur mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gebracht, dass eine Bewilligungsaufhebung nicht gewollt war, die Beklagte diese auch nicht für notwendig erachte. Ohnehin wäre eine solche Bewilligungsaufhebung rechtswidrig, da die Klägerin weder vor Erlass des angefochtenen Bescheides noch während des Widerspruchsverfahrens gemäß § 24 SGB X dazu angehört worden war. Zudem wären die Voraussetzungen der § § 45, 48 SGB X offensichtlich nicht erfüllt. Insbesondere sind die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen für eine Rückgängigmachung der Leistungsbewilligung nicht erfüllt. Unter Berücksichtigung der Komplexität der Materie, der komplizierten Rechenvorgänge, den Ausführungen und Hinweisen der Beklagten im Bewilligungsbescheid - einerseits zu unbestimmt, andererseits widersprüchlich - besteht kein Zweifel daran, dass die Klägerin weder vorsätzlich noch grob fahrlässig Mitteilungspflichten verletzt hatte oder gar hätte erkennen können, dass ihr der Kinderzuschlag aufgrund der Einkommenssituation der Familie nicht zustehe. Zwar war bedingt durch das Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld nach dem SGB III einerseits, andererseits der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit des Ehemannes der Klägerin ab Mai 2010 und mit dem Bezug von Erwerbseinkommen – erst – im Juni 2010 insofern eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen im Sinne des § 48 SGB X eingetreten, als die Familie der Klägerin im Mai 2010 über keinerlei Erwerbseinkommen verfügte. Demgegenüber war die Beklagte bei der Bewilligung des Kinderzuschlags im März 2010 noch davon ausgegangen, dass der Familie aufgrund des Arbeitslosengeldbezuges fortlaufend Einkommen zur Verfügung stehe. Gleichwohl kommt auch eine auf § 48 Absatz 1 S. 2 Nr. 3 SGB X, der bei Erzielung von Einkommen verschuldensunabhängig die Anpassung der Leistungsbewilligung an die geänderten Verhältnisse ermöglicht, gestützte Rückgängigmachung der Bewilligung des Kinderzuschlags für Mai 2010 nicht in Betracht. Einkommen oder Vermögen, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, wurde nicht erzielt.

Die Beklagte kann die Rückzahlung des Kinderzuschlags nicht auf § 50 SGB X stützen. Dessen Voraussetzungen liegen offensichtlich nicht vor. Nach § 50 Abs. 1 SGB X sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Soweit Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, sind sie zu erstatten (§ 50 Abs. 2 SGB X). Die Auszahlung des Kinderzuschlags erfolgte aufgrund des Bewilligungsbescheides vom 12. März 2010, also nicht ohne Erlass eines Verwaltungsakts. Der Bewilligungsbescheid wurde, wie oben bereits ausgeführt, nicht aufgehoben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den § § 183,193 SGG.

Das Gericht hat die Berufung nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. In einer Vielzahl von Verfahren fordert die Beklagte die Rückzahlung von Kinderzuschlag gestützt auf einen von ihr als Nebenbestimmung verfügten Vorbehalt der Rückforderung. Höchstrichterliche Entscheidungen hierzu gibt es nicht.
Rechtskraft
Aus
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