L 9 R 2645/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 741/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 2645/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 28. April 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1954 geborene Klägerin kam im Oktober 1990 aus Kasachstan, wo sie - mit Unterbrechungen - als Apothekenhelferin und Näherin gearbeitet hatte, in die Bundesrepublik Deutschland. Sie hat keinen Beruf erlernt und war in Deutschland von Mai 1994 bis Juni 1996 als Haushaltshilfe und ab Juni 1997 - mit Unterbrechungen - als Arbeiterin in einem metallverarbeitenden Betrieb tätig. Seit 14. Oktober 2003 ist bei ihr ein Grad der Behinderung von 50, seit 26. Januar 2006 von 60 und seit 21. Juni 2007 von 70 festgestellt (Schwerbehindertenausweis des Versorgungsamts Rottweil vom 10. März 2004, Bescheid vom 3. August 2007). Ab 1. Oktober 2005 war die Klägerin wegen akuter Schmerzanfälle arbeitsunfähig. Vom 19. Oktober 2005 bis 5. Januar 2006 wurde sie stationär im Vinzenz von Paul Hospital, Abteilung Psychiatrie I, behandelt. Vom 3. Mai bis 14. Juni 2006 befand sich die Klägerin zu einem Heilverfahren in der Psychosomatischen Fachklinik B. D ... Die dortigen Ärzte diagnostizierten bei der Klägerin im Entlassungsbericht vom 14. Juni 2006 eine somatoforme Schmerzstörung, eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, eine Agoraphobie, ein Impingement-Syndrom der rechten Schulter, eine Osteochondrose L5/S1, eine Fingerpolyarthrose, einen Zustand nach Operation eines Schnappfingers rechts und eine Schilddrüsenunterfunktion. Sie entließen die Klägerin als arbeitsunfähig und empfahlen eine stufenweise Wiedereingliederung ab 20. Juni 2006. Als Arbeiterin sei die Klägerin 6 Stunden täglich einsetzbar. Sie könne leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Wechsel- und Nachtschicht sowie ohne Zwangshaltungen 6 Stunden und mehr verrichten. Die Wiedereingliederung der Klägerin scheiterte, weil sie bei jeder Arbeit Schmerzen angab.

Am 25. Juli 2006 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte ließ die Klägerin auf nervenärztlichem und orthopädischem Gebiet begutachten. Die Nervenärztin St. stellte im Gutachten vom 27. Oktober 2006 unter Mitberücksichtigung des Zusatzgutachtens des Orthopäden Dr. B. vom 25. Oktober 2006 bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen fest: • Somatoforme Schmerzstörung • Dysthymia • Kombinierte Persönlichkeitsstörung mit abhängigen, zwanghaften und selbstunsicheren Zügen • Myostatisch bedingtes Lumbalsyndrom • Bewegungseinschränkung der rechten Schulter bei Supraspinatussehnensyndrom • Übergewicht. Die letzte berufliche Tätigkeit (nach erfolgten betrieblichen Anpassungen) sowie leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung ohne häufiges Bücken, Heben und Tragen von Lasten, ohne besonderen Zeitdruck sowie ohne Wechsel- und Nachtschicht könne die Klägerin täglich 6 Stunden und mehr verrichten.

Mit Bescheid vom 31. Oktober 2006 lehnte die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin ab, weil weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vorliege. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte nach einer weiteren Stellungnahme der Nervenärztin St. vom 21. November 2006 mit Widerspruchsbescheid vom 23. Januar 2007 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin unter Vorlage ärztlicher Unterlagen am 22. Februar 2007 Klage zum Sozialgericht (SG) Reutlingen erhoben, mit der sie die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung weiterverfolgt hat.

Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen gehört und Gutachten auf nervenärztlichem bzw. psychiatrischem Gebiet eingeholt.

Der Arzt für Allgemeinmedizin G. hat am 25. Juni 2007 über die Behandlungen der Klägerin seit Juni 2006 berichtet. Trotz nervenärztlicher Mitbehandlung und eines Reha-Verfahrens im Mai 2006 sowie fortgesetzter ambulanter Psychotherapie träten bei der Klägerin wellenförmig verlaufende Verstärkungen der multiformen psychosomatischen Beschwerden auf, die zu wiederholten Untersuchungen bei zahlreichen Fachärzten geführt hätten, ohne dass gravierende neue Befunde erhoben worden seien. Es werde eine Dauerbehandlung mit Citalopram durchgeführt sowie eine Behandlung mit Schilddrüsenhormonen und Blutdruckmittel. Aus seiner Sicht bestünden keine Bedenken gegen eine leichte berufliche Tätigkeit über 4 bis 6 Stunden täglich.

Der Orthopäde Dr. K. hat am 22. Juni 2007 erklärt, seit Juni 2006 habe sich die Klägerin am 6. Oktober 2006 sowie am 14. Mai 2007 vorgestellt. In der Zeit vom 16. Mai bis 6. Juni 2007 habe eine physikalische Therapie stattgefunden. Aufgrund der auf orthopädischem Gebiet liegenden Gesundheitsstörungen könne die Klägerin leichte Tätigkeiten noch 6 Stunden täglich verrichten.

Die Ärztin für Psychiatrie, Psychotherapie und Sozialmedizin I. hat unter dem 5. Juli 2007 mitgeteilt, sie habe die Klägerin vom 26. September 2003 bis 22. Februar 2007 behandelt. Bei dieser bestünden eine rezidivierende depressive Störung mit mittelgradiger Ausprägung und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Aus ihrer Sicht sei die Klägerin allenfalls in der Lage, leichtere Tätigkeiten 4 Stunden täglich zu verrichten. Es handle sich um ein chronifiziertes Krankheitsbild, wobei sich die Schmerzsymptomatik und die depressive Symptomatik gegenseitig verstärkten.

Der Neurologe und Psychiater Dr. E. hat unter dem 24. Juli 2007 berichtet, die Klägerin habe sich seit März 2007 einmal monatlich in seiner Behandlung befunden. Bei ihr bestehe eine chronische und schwere anhaltende somatoforme Schmerzstörung begleitet von einer depressiven Symptomatik. Er halte die Klägerin nicht für fähig, einer Arbeit mehrere Stunden täglich, insbesondere 6 Stunden täglich, nachzugehen.

Im von Amts wegen eingeholten Gutachten vom 23. April 2008 hat Dr. B., Ärztin für Neurologie und Psychiatrie sowie Sozialmedizin, bei der Klägerin auf ihrem Fachgebiet folgende Diagnosen gestellt: • Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte bis mittelgradige Episode • Anhaltende somatoforme Schmerzstörung • Kombinierte Persönlichkeitsstörung • Sonstige gemischte Angststörungen • Dysthymie. Die psychiatrischen Leiden führten zu qualitativen Leistungseinschränkungen. So seien Arbeiten zu vermeiden, die mit besonderer geistiger Beanspruchung und Verantwortung, mit hoher Aufmerksamkeit und mit Publikumsverkehr verbunden seien, Tätigkeiten, die mit Lärm, Stress, Zeitdruck einhergehen wie Akkord- und Fließbandarbeiten sowie Wechselschicht- und Nachtschichtarbeiten. Nicht mehr zumutbar seien Arbeiten in Nässe, Kälte, Zugluft, unter längerer Einwirkung von Gasen, Dämpfen, Stäuben, mit Zwangshaltungen, besonderer Beanspruchung des rechten Armes sowie Überkopfarbeiten. Unter Mitberücksichtigung der Gesundheitsstörungen auf internistischem, orthopädischem sowie sonstigen Fachgebieten könne die Klägerin körperlich leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 kg noch mindestens 6 Stunden täglich verrichten.

In der ergänzenden Stellungnahme vom 3. August 2008 hat Dr. B. zu Einwendungen der Klägerin Stellung genommen und ausgeführt, gegen ein schweres therapieresistentes Krankheitsbild sprächen unter anderem die laufenden therapeutischen Maßnahmen sowie der derzeitige Tagesablauf der Klägerin.

In dem auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholten Gutachten vom 1. Dezember 2008 hat der Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie K., Oberarzt der Münsterklinik, Zentrum für Psychiatrie Zwiefalten (die Klägerin hat sich damit einverstanden erklärt, dass dieser an Stelle des zunächst benannten Prof. Dr. L. das Gutachten erstellt hat), ausgeführt, bei der Klägerin liege auf seinem Fachgebiet ein komplexes Störungsbild vor, das aus einer leichten bis mittelgradigen Depression einerseits und einer massiven anhaltenden somatoformen Schmerzstörung andererseits bestehe. Die Klägerin sei nicht mehr in der Lage, täglich 6 Stunden zu arbeiten. Unter Berücksichtigung von qualitativen Einschränkungen sei die Klägerin nur noch fähig, zwischen 4 und 6 Stunden täglich zu arbeiten. Die Einschränkung dürfte mindestens seit Anfang 2007, wenn nicht schon seit Mitte 2006, vorliegen. Grundsätzlich sei das bei der Klägerin vorliegende Störungsbild gut psychiatrisch-psychotherapeutisch behandelbar. Zur Durchführung einer entsprechenden zunächst stationären, später ambulant durchzuführenden Therapie sei jedoch eine gewisse Motivation seitens des Betroffenen Voraussetzung. Bei der Klägerin scheine jedoch die Überzeugung vorzuherrschen, dass sie keinesfalls mehr arbeiten könne und so gewissermaßen ein Anrecht auf die Rente habe.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Klägerin könne noch mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein und dazu sozialmedizinische Stellungnahmen von OMR F. vom 11. Dezember 2007 und 17. März 2009 vorgelegt.

Mit Urteil vom 28. April 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung und auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Die Klägerin sei noch in der Lage, leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes 6 Stunden täglich zu verrichten. Das SG hat diese Beurteilung auf das Gutachten von Frau Dr. B. gestützt. Dem Gutachten des Oberarztes K. von der Münsterklinik und der Beurteilung der behandelnden Nervenärzte Dr. I. und Dr. E. schließe es sich nicht an. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen das am 13. Mai 2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10. Juni 2009 Berufung eingelegt und unter Vorlage von Arztbriefen des Neurologen und Psychiaters Dr. E., den Zeitraum von Mai 2007 bis Mai 2009 betreffend, und des Orthopäden N. vom 9. Juni 2009 vorgetragen, sie verweise auf ihren Vortrag im Klageverfahren und halte daran fest, dass erhebliche Widersprüchlichkeiten im Gutachten von Frau Dr. B. vorlägen, die das SG nicht zutreffend gewürdigt habe. Dem gegenüber belege das gemäß § 109 SGG beim Oberarzt K. eingeholte Gutachten nachvollziehbar und richtig, dass bei ihr erhebliche Gesundheitsstörungen vorlägen, die zu einer quantitativen Leistungseinschränkung führten. Ein leistungsgerechter Teilzeitarbeitsplatz, den sie von ihrer Wohnung aus täglich erreichen könne, könne ihr nicht angeboten werden. Auch ihre behandelnden Ärzte bestätigten das Vorliegen einer vollen bzw. teilweisen Erwerbsminderung.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 28. April 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31. Oktober 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab Antragstellung Rente wegen voller hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren, hilfsweise zum Beweis dafür, dass sie krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage sei, einer mindestens sechsstündigen Tätigkeit nachzugehen und auch krankheitsbedingt nicht die von Frau Dr. B. angegebene notwendige und zumutbare Willensanstrengung aufbringen könne, betriebsunübliche Pausen erforderlich seien und eine Summierung ungewöhnlicher Einschränkungen vorliege, ein ergänzendes psychiatrisch-psychotherapeutisches Sachverständigengutachten bzw. ein ergänzendes medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Sie erwidert, aus der Berufungsbegründung ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte, die eine Änderung ihres bisherigen Standpunktes zuließen.

Mit Verfügung vom 30. September 2009 hat die Berichterstatterin den Beteiligten mitgeteilt, dass sie den Sachverhalt aufgrund der zahlreich vorliegenden ärztlichen Befunde und Gutachten für umfassend geklärt ansehe.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von der Klägerin beanspruchte Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit - §§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) - dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung oder teilweiser Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht besteht, weil die Klägerin noch wenigstens sechs Stunden täglich leistungsfähig ist und auch keinen Berufsschutz genießt. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren uneingeschränkt an, sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.

Ergänzend ist auszuführen, dass sich eine Erwerbsminderung der Klägerin, das heißt ein Absinken ihrer beruflichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als 6 Stunden täglich auch zur Überzeugung des Senats nicht belegen lässt. Dies ergibt sich aus der Gesamtwürdigung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen, insbesondere des Entlassungsberichts der Psychosomatischen Fachklinik B. D. vom 14. Juni 2006, des Gutachtens der Nervenärztin St. vom 27. Oktober 2006 nebst Zusatzgutachten des Orthopäden Dr. B. vom 25. Oktober 2006 sowie der Sachverständigengutachten der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie sowie Sozialmedizin Dr. B. vom 23. April 2008 nebst ergänzender Stellungnahme vom 3. August 2008, der als qualifizierten Beteiligtenvortrag verwertbaren von der Beklagten vorgelegten Stellungnahmen von OMR F. vom 11. Dezember 2007 sowie 17. März 2009 und der weiteren von der Klägerin, auch im Berufungsverfahren, vorgelegten ärztlichen Äußerungen.

Die zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats 55-jährige Klägerin, die seit Eintritt ihrer Arbeitsunfähigkeit zum 1. Oktober 2005 - mit Ausnahme eines gescheiterten Arbeitsversuchs - nicht mehr gearbeitet hat, leidet im Wesentlichen unter Gesundheitsstörungen auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet. Im Vordergrund stehen dabei eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie eine rezidivierende depressive Symptomatik mit unterschiedlich stark ausgeprägten Episoden sowie eine Dysthymie. Dies stellt der Senat aufgrund der insoweit übereinstimmenden Beurteilungen der Ärzte der Psychosomatischen Fachklinik B. D., der Nervenärztin St., der Sachverständigen Frau Dr. B. und Oberarzt K. sowie der behandelnden Neurologen und Psychiater der Klägerin I. und Dr. E. fest.

Diese Gesundheitsstörungen sowie die weiteren Krankheiten der Klägerin (kombinierte Persönlichkeitsstörung, sonstige gemischte Angststörungen, Impingementsyndrom der rechten Schulter, degenerative LWS-Veränderungen, beginnende Heberden-Arthrose der Fingergelenke, Hypertonie, Ohrgeräusche rechts, Schwäche der linken großen Beinvene, Schilddrüsenunterfunktion) führen zu qualitativen Leistungseinschränkungen, hindern die Klägerin jedoch nicht, körperlich leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung in normal temperierten Räumen in Normalarbeitszeit 6 Stunden täglich zu verrichten. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat aufgrund der nachvollziehbaren und übereinstimmenden Beurteilungen der Ärzte der Psychosomatischen Fachklinik B. D. im Entlassungsbericht vom 14. Juni 2006, die die Klägerin über 6 Wochen beobachten konnten, der Nervenärztin St. im Gutachten vom 27. Oktober 2006 sowie der Neurologin und Psychiaterin Dr. B. im Sachverständigengutachten vom 23. April 2008 nebst ergänzender Stellungnahme vom 3. August 2008. Ferner ergibt sich dies aus den von der Beklagten dem SG vorgelegten Stellungnahmen von OMR F ...

Den hiervon abweichenden Beurteilungen des Arztes für Psychiatrie und Psychotherapie K., Oberarzt der Münsterklinik, sowie der behandelnden Neurologen und Psychiater I. und Dr. E. vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Bei der Psychiaterin I. und dem Neurologen und Psychiater Dr. E. handelt es sich um keine Gutachter oder Sachverständige, sondern um die behandelnden Ärzte der Klägerin, die sich nicht im Einzelnen kritisch mit allen erhobenen Befunden und Verhaltensweisen der Klägerin im Rahmen eines Gutachtens auseinandersetzen mussten und die angegebenen Beschwerden und Einschränkungen auch nicht hinterfragt haben. Oberarzt K. begründet für den Senat nicht nachvollziehbar, warum die Klägerin nicht mehr in der Lage sein soll, leichte Tätigkeiten 6 Stunden täglich zu verrichten, während sie noch fähig sein soll, zwischen 4 und 6 Stunden täglich zu arbeiten. Außerdem berücksichtigt er auch nicht hinreichend, dass die Klägerin über einen strukturierten Tagesablauf mit Versorgung eines Drei- bzw. Zweipersonenhaushalts verfügt (zwischen 8:00 Uhr 8:30 Uhr Aufstehen, Frühstücken, gegen 10:00 Uhr Spaziergang, dann Zubereitung des Mittagessens zusammen mit dem Ehemann, Mittagessen gegen 12:30 Uhr, anschließend Hören von Nachrichten, Fernsehen, Telefonieren, Kreuzworträtsel, zwischen 16:00 Uhr 17:00 Uhr Nachmittagskaffee, anschließend Musik hören oder Fernsehen, manchmal Treffen mit Freundinnen oder zweiter Spaziergang, Erledigung von Hausarbeiten zwischendurch, nach Abendessen Fernsehzeit), dass ihre Interessen erhalten geblieben (zweimal wöchentlich Besuch eines Thermalbads, Spaziergänge, Musik hören und Fernsehen, Versorgung eines Hundes) sowie soziale Kontakte zu Familienangehörigen und Freundinnen vorhanden sind. Ein wesentliches krankheitsbedingtes Rückzugsverhalten ist insofern nicht feststellbar. Angesichts dessen vermag der Senat keine derart gravierenden Gesundheitsstörungen bei der Klägerin festzustellen, die sie daran hindern würden, die oben genannten körperlich leichten Tätigkeiten zu verrichten und die hierfür notwendige und zumutbare Willensanspannung aufzubringen, wie Dr. B. nachvollziehbar dargelegt hat.

Aus den vorgelegten Arztbriefen von Dr. E., die die Zeit von Mai 2007 bis Juni 2009 betreffen, ergibt sich für diese Zeit keine wesentliche Änderung, insbesondere keine Verschlimmerung. Auch die von ihm gestellten Diagnosen, anhaltende somatoforme Schmerzstörung und mittelgradige depressive Episode, haben sich nicht geändert. Die im Mai 2007 zusätzlich gestellte Diagnose einer generalisierten Angststörung hat er dagegen in den späteren Arztbriefen nicht mehr genannt. Da eine wesentliche Änderung seit der Begutachtung durch Dr. B. und Oberarzt K. nicht ersichtlich und der medizinische Sachverhalt umfassend geklärt ist, bestand auch kein Anlass für weitere Beweiserhebungen. Insbesondere ist geklärt und steht nach den Gutachten für den Senat fest, dass die Klägerin zumutbare Tätigkeiten sechs Stunden täglich verrichten kann, die hierfür notwendige und zumutbare Willensanstrengung aufbringen kann, betriebsunübliche Pausen nicht erforderlich sind und auch keine Summierung ungewöhnlicher Einschränkungen vorliegt. Soweit Dr. E. auf familiäre Probleme im Zusammenhang mit den Drogenproblemen eines Sohnes hingewiesen hat, dürften diese nach dessen Auszug aus der Familienwohnung eher rückläufig sein. Im Übrigen hat Dr. E. am 10. Juni 2009 am Ende ausgeführt, es sei im Laufe der langjährigen Behandlung zu keiner nennenswerten Besserung gekommen. Eine wesentliche Verschlechterung ist dem nicht zu entnehmen. Sie ist auch durch keinerlei Befundangaben belegt.

Zusammenfassend ist die Klägerin unter Berücksichtigung sämtlicher bei ihr diagnostizierter Gesundheitsstörungen nach alledem noch in der Lage, jedenfalls körperlich leichte Tätigkeiten mit den genannten qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Die Klägerin ist somit nicht erwerbsgemindert, zumal auch die Zusammenschau der einzelnen Gesundheitsstörungen kein Leistungsvermögen von täglich weniger als sechs Stunden begründet. Insbesondere muss für die Verneinung von Erwerbsminderung bei mindestens sechs Stunden täglich leistungsfähigen Versicherten - anders als bei Teilzeitkräften - weder eine konkrete Tätigkeit benannt werden, noch ist die Frage zu prüfen, ob es genügend Arbeitsplätze gibt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für in diesem Umfang leistungsfähige Ungelernte und Angelernte des unteren Bereichs geeignete Arbeitsplätze in ausreichender Anzahl vorhanden sind (Beschlüsse des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996, u.a. SozR 3-2600 § 44 Nr. 8). Dies stimmt mit dem erklärten Willen des Gesetzgebers überein, der durch § 43 Abs. 3 SGB VI klargestellt hat, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Der Klägerin ist somit keine Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren, und zwar unabhängig davon, ob die für sie zuständige Arbeitsagentur einen ihrem Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz anbieten könnte. Denn das Risiko, keinen offenen Arbeitsplatz zu finden, ist nicht von der Renten-, sondern grundsätzlich von der Arbeitslosenversicherung zu tragen (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 137 m.w.N.). Allerdings ist die Frage, ob es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeitsplätze gibt, immer dann zu klären, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 104 und 117) oder wenn Arbeitskräfte i.S.v. § 43 Abs. 3 SGB VI nur noch auf solchen Arbeitsplätzen einsetzbar sind, bei denen wegen ihrer Seltenheit die Gefahr einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes besteht, also z.B. noch in Betracht kommende Tätigkeiten nicht unter betriebsüblichen Bedingungen ausgeübt werden können oder entsprechende Arbeitsplätze aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen von der Wohnung aus nicht erreichbar sind oder nur vereinzelt vorkommen (BSG SozR 2200 §§ 1246 Nrn. 136, 137 und 139 sowie 1247 Nrn. 33 und 53; SozR 3-2200 § 1247 Nrn. 10 und 14).

Ausgehend hiervon sind keine Beschränkungen des zumutbaren Arbeitsweges erkennbar, zumal die Klägerin noch in der Lage ist, über eine Stunde täglich spazieren zu gehen. Außerdem verfügt sie über einen Führerschein und fährt mit den gemeinsamen PKW gelegentlich bis zu 30 km weit. Für die von Oberarzt K. gemachte Ausführung, bei Bedarf sollte die Klägerin die Möglichkeit haben, auch betriebsunübliche Pausen einzulegen, fehlt es an einer nachvollziehbaren Begründung. Ebenso gibt es für das Bestehen der übrigen sog. Katalogfälle keine Anhaltspunkte.

Darüber hinaus liegt auch keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. Denn bei den genannten Einschränkungen handelt es sich im Wesentlichen um solche, denen durch die Begrenzung auf leichte körperliche Arbeit hinreichend Rechnung getragen wird. So sind die der Klägerin noch zumutbaren leichten körperlichen Arbeiten nicht mit Heben und Tragen von Lasten über 10 kg sowie Zwangshaltungen verbunden. Für Arbeiten mit besonderer geistiger Beanspruchung und Verantwortung sowie hoher Aufmerksamkeit kommt die Klägerin schon aufgrund einer fehlenden Ausbildung nicht in Betracht. Der Ausschluss von Arbeiten in Nässe, Kälte, Zugluft, mit Lärm, Stress, Zeitdruck und unter Einwirkung von inhalativen Noxen führt zu keiner Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen, da die der Klägerin noch zumutbaren Arbeiten (Verpacken von Kleinteilen, Sortier-, Montier-, Etikettier- und Klebearbeiten) überwiegend im Sitzen bzw. in wechselnder Körperhaltung zu ebener Erde in Normalarbeitszeit in geschlossenen wohltemperierten-Räumen verrichtet werden und keine besondere Beanspruchung des rechten Armes sowie Überkopfarbeiten erfordern. Schließlich liegt auch keine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor.

Nach alledem war das angefochtene Urteil des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung der Klägerin musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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