L 4 KR 1850/09 NZB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 1 KR 1623/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 1850/09 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 10. März 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger ist als Rentner versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen (im Folgenden einheitlich Beklagte). Der Kläger beantragte bei der Beklagten, ihm EUR 136,00 für ein von ihm selbst beschafftes Brillenglas zu erstatten. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 16. Oktober 2007 und Widerspruchsbescheid vom 29. April 2008 ab, weil bei einem Visus von 0,8 rechts und links eine Indikation für die Versorgung mit Sehhilfen nicht vorliege. Die hiergegen vom Kläger erhobene Klage wies das Sozialgericht Ulm (SG) mit Urteil vom 10. März 2009 ab.

Der Kläger hat am 09. April 2009 sinngemäß Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des SG eingelegt und zugleich begehrt, ihm Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen.

II.

Die gemäß § 145 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des SG vom 10. März 2009 kann keinen Erfolg haben. Die Berufung ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch sonstige Gründe für die Zulassung der Berufung vorliegen.

Die Berufung bedarf der Zulassung im Urteil des SG oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts (LSG), wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, EUR 750,00 nicht übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der ab 01. April 2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes [SGG-ArbGÄndG] vom 26. März 2008, BGBl. I, S. 444), es sei denn, die Berufung betrifft wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Dies ist der Fall, da der Beschwerdewert von EUR 136,00 für die Kosten eines Brillenglases den Betrag von EUR 750,00 nicht übersteigt.

Gemäß § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn (1.) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, (2.) das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder (3.) ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Keiner dieser Gründe ist gegeben.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt sich hier nicht. Eine grundsätzliche Bedeutung ist nur gegeben, wenn sich eine Rechtsfrage stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch eine höherinstanzliche Entscheidung zu erwarten ist (Klärungsfähigkeit; vgl. Bundessozialgericht - BSG - SozR 1500 § 160a Nr. 60; SozR 3-1500 § 160a Nr. 16). Eine solche Bedeutung hat die Rechtssache des Klägers nicht. Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) haben Versicherte u.a. Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln. Hierzu gehört das vom Kläger erworbene Brillenglas. Nach § 33 Abs. 2 Satz 2 SGB V in der seit 01. April 2007 geltenden Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsgesetz) vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 378) besteht ein Anspruch auf Sehhilfen für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, (nur) wenn sie aufgrund der Sehschwäche oder Blindheit, entsprechend der von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Klassifikation des Schweregrades der Sehbeeinträchtigung, auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Gemäß der von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Klassifikation liegt eine Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 erst vor, wenn die Sehschärfe (Visus) auf jedem Auge bei bestmöglicher Korrektur trotz Verwendung von Sehhilfen jeglicher Art maximal 0,3 beträgt. Entsprechend bestimmt Abschnitt E Nr. 53.1 2. Spiegelstrich Satz 2 der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Hilfsmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Hilfsmittel-Richtlinien) - aufgrund der am 07. Februar 2009 in Kraft getretenen Neufassung vom 16. Oktober 2008 gleichlautend § 12 Abs. 1 der Hilfsmittel-Richtlinie -, dass dies unter anderem vorliegt, wenn die Sehschärfe (Visus) bei bestmöglicher Korrektur mit einer Brillen- oder möglichen Kontaktlinsenversorgung auf dem besseren Auge &8804; 0,3 beträgt oder das beidäugige Gesichtsfeld &8804; 10 Grad bei zentraler Fixation ist. Die auf der Rechtsgrundlage des § 92 SGB V ergangenen Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses sind auch für die Versicherten verbindlich (§ 91 Abs. 6 SGB V). Demgemäß besteht kein Leistungsanspruch, wenn die zuvor genannten Voraussetzungen nicht gegeben sind. Der Kläger erreicht (vgl. Bescheinigung des behandelnden Augenarztes Dr. P. vom 12. November 2007) bei Korrektur mit Brille auf beiden Augen eine Sehleistung von jeweils 0,8.

An der Verfassungsmäßigkeit der Regelungen bestehen keine Zweifel, so dass eine grundsätzliche Klärung dieser Frage nicht erforderlich ist. Die den Leistungsanspruch bei der Verordnung von Sehhilfen betreffenden Regelungen sind durch den Gedanken der Eigenverantwortung geprägt (§ 1 Satz 2 SGB V). Der Gesetzgeber des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes (GMG) vom 14. November 2003 (BGBl. I, S. 2190) hat hierzu ausgeführt, der Sachleistungsanteil der Krankenkassen bei der Versorgung mit Sehhilfen habe zuletzt durchschnittlich EUR 50,00 betragen, die Versicherten zahlten durchschnittlich aber weitere EUR 150,00 für medizinisch nicht notwendige Leistungen, sodass davon auszugehen sei, dass der Leistungsausschluss erwachsene Versicherte grundsätzlich finanziell nicht überfordere (Bundestags-Drucksache 15/1525 S. 85). Nachdem erwachsene Versicherte schon bisher im Durchschnitt bereit waren, etwa EUR 150,00 für medizinisch nicht notwendige Leistungen (Entspiegelung/oder Tönung von Gläsern) auszugeben, mithin der Sachleistungsanteil der Krankenkassen früher die Versorgung nicht voll abgedeckt hat, geht der Gesetzgeber davon aus, dass die Leistungsausgrenzung erwachsene Versicherte grundsätzlich finanziell nicht überfordert. Dass Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 SGB V weiterhin Anspruch auf Sehhilfen haben, beruht nach der Gesetzesbegründung (vgl. auch hierzu Bundestags-Drucksache 15/1525 S. 85) darauf, dass Fehler, die in der frühen Kindheit nicht korrigiert werden, später auch hinsichtlich der Folgeschäden meist nur noch unvollständig behebbar sind. Hinzu kommt unausgesprochen - die Erwägung, dass Kinder und Jugendliche nicht durch elterliche Sparsamkeit geschädigt werden sollen. Der Gesetzgeber geht schließlich davon aus, dass sich der Wettbewerb auf dem Markt für Sehhilfen durch die vorgenommene Ausgrenzung zum Vorteil der Konsumenten intensivieren werde (vgl. auch hierzu Bundestags-Drucksache 15/1525 S. 85). Verfassungsrechtliche Bedenken dagegen, dass mithin Sehhilfen für Erwachsene regelmäßig den Kosten der Lebenshaltung zuzurechnen sind, wurden, soweit ersichtlich, in Rechtsprechung und Literatur nicht erhoben.

Die Zulassungsgründe Nr. 2 (Divergenz zu ergangener Rechtsprechung) und Nr. 3 (wesentlicher Verfahrensmangel) sind nicht ersichtlich. Auch hat der Kläger weder eine solche Entscheidung genannt noch einen Verfahrensfehler geltend gemacht.

III.

Indem die Rechtsverfolgung mithin keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, war der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren abzulehnen (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Satz 1 der Zivilprozessordnung - ZPO -).

IV.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.

Diese Entscheidung ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG). Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts wird hierdurch rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).
Rechtskraft
Aus
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