Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Münster (NRW)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 5 BK 22/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Kinderzuschlag ab Juli 2010.
Die Klägerin, geboren 00.00.1978, ist die Mutter des am 00.00.1997 geborenen Kindes E ... Sie und ihr Sohn bezogen Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 23.12.2009 bewilligte die Stadt N., Amt für Kinder, Jugendliche und Familien, für den Sohn E. Hilfe zur Erziehung in Form von Heimerziehung ab dem 10.1.2010. Für diese Hilfe entstünden Kosten, an denen unterhaltspflichtige Personen entsprechend den Bestimmungen des § 10 SGB VIII nach Maßgabe der § § 91-97b SGB VIII zu beteiligen seien. Es folgten Erläuterungen zur Kostenbeteiligung. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 23.12.2009 , Seite 392 der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des SGB II-Trägers, Bezug genommen. Soweit die Klägerin kindergeldberechtigt sei, werde der Kostenbeitrag mindestens in Höhe des Kindergeldes festgesetzt werden. Die Zahlung des Kindergeldes an das Amt für Kinder, Jugendliche und Familien sei bei der Familienkasse bereits beantragt worden. Als Rechtsgrundlage nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) wurden angeführt die § § 27,34 ,86 ,91 ff SGB VIII sowie § 32 Abs. 2 Nummer 1 und 3 SGB X. Der Sohn der Klägerin hält sich seit 10.1.2010 in dem Landschulheim T. C. auf. Leistungen nach dem SGB II wurden für die Zeit ab 11.1.2010 sodann nur noch für die Klägerin bewilligt. Aufgrund einer Änderung der Einkommensverhältnisse der Klägerin aus Erwerbseinkommen und des Bezuges von Wohngeld, das der Klägerin zuletzt durch Bescheid vom 1.4.2011 für die Zeit von April 2011 bis März 2012 in Höhe von monatlich 300 EUR unter wohngeldrechtlicher Berücksichtigung auch des Sohnes E. bewilligt worden war, wurden Leistungen nach dem SGB II nicht weiter bezogen. Sie waren von der Klägerin auch nicht mehr beantragt worden. Die Klägerin erhält vom Amt für Kinder, Jugendliche und Familien monatlich einen Betrag von 177 EUR überwiesen.
Die Klägerin hatte bereits am 30.7.2010 bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Kinderzuschlag gestellt unter Vorlage von Belegen über ihre Einkommenssituation. Die Beklagte lehnte diesen Antrag ab durch Bescheid vom 7.12.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.2.2011. Sie führte unter anderem aus, Voraussetzung für den Kinderzuschlag sei, dass das Kind im Haushalt der Klägerin lebe. Unter Haushaltszugehörigkeit sei das örtlich verbundene Zusammenleben in einer gemeinsamen Familienwohnung zu verstehen, in der das Kind seine persönliche Versorgung und Betreuung finde und sich nicht nur zeitweise, sondern durchgängig im Haushalt aufhalte. Bei räumlicher Trennung lebe das Kind weiter im Haushalt der Klägerin, wenn die auswärtige Unterbringung nur von vorübergehender Natur sei. Im allgemeinen könne von einem vorübergehenden Zustand ausgegangen werden, wenn das Kind im Rahmen seiner Möglichkeiten regelmäßig in den Haushalt zurückkehre. Durch eine zeitweilige auswärtige Unterbringung zur Schul - oder Berufsausbildung werde die Haushaltszugehörigkeit in der Regel nicht unterbrochen. Das Kind der Klägerin sei in der Zeit von montags bis freitags in einem Internat untergebracht und nur an den Wochenenden, Feiertagen und in den Ferien im Haushalt der Klägerin. Durch die auswärtige Unterbringung zur Schulausbildung werde die Zugehörigkeit des Kindes zum Haushalt der Klägerin in der Regel nicht unterbrochen. Für die Gewährung des Kinderzuschlags müsse das Kind darüber hinaus auch derselben Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 SGB II wie die Klägerin angehören. Daher sei im Einzelfall zu prüfen, ob das Kind noch dem Haushalt der Klägerin sowie derselben Bedarfsgemeinschaft angehöre. Das Kind sei auf Kosten des Jugendamtes in dem Internat untergebracht. Bei einem Aufenthalt in einem Internat, bei dem das Kind lediglich an den Wochenenden und in den Ferien zu der Wohnung der Klägerin zurückkehre und die Kosten der auswärtigen Unterbringung nicht von der Klägerin getragen würden, gehöre das Kind zwar weiter zum Haushalt, aber nicht mehr zur Bedarfsgemeinschaft der Klägerin. Insoweit bestehe nur eine untergeordnete Wirtschaftsgemeinschaft zwischen dem Kind und der Klägerin.
Die Klägerin ist der Auffassung, Anspruch auf Kinderzuschlag zu haben. Kindergeld-rechtlich lebten auch Kinder, die während der Woche sich in einem Internat aufhielten, im Haushalt der Eltern. Hinsichtlich ihres Sohnes sei diesbezüglich auszuführen, dass dieser lediglich montags bis freitags eine Wohngruppe des schuleigenen Internats bewohne. Er werde freitagsmittags von ihr abgeholt und verbringe das gesamte Wochenende zuhause, die Ferien und Feiertage verbringe ihr Sohn ebenfalls zuhause. Theoretisch berechnet unter Berücksichtigung von Ferien, Wochenenden und Feiertagen seien es circa 60 % des Jahres, die für einen Aufenthalt zuhause in Betracht kämen. Hinzu kämen noch die Tage, an denen das Kind sich etwa krankheitsbedingt zuhause aufhalte. Ihr Sohn gehöre weiter zur Bedarfsgemeinschaft im Sinne des SGB II. Dieses zeige schon die Vorschrift des § 7 Abs. 3 Ziffer 2 SGB II. Es komme lediglich darauf an, dass in einer Wirtschafts - und Wohngemeinschaft zusammen gelebt werde. Dieses ändere sich auch nicht dadurch, dass ein weiterer Leistungsträger, das Jugendamt der Stadt, die Schul- und Internatskosten trage. Weitere Einschränkungen kenne das SGB II nicht. Selbst wenn die Bedarfsgemeinschaft nur temporär wäre, so wäre sie doch existent. Sie, die Klägerin, sei auf die Gewährung des Kinderzuschlages angewiesen, da sie gern selbstständig leben möchte und vom Arbeitsamt nicht abhängig sein möchte. Das wäre ihr aber nur möglich mit dem Kinderzuschlag vor dem Hintergrund, dass sonst die Kosten für sie zu hoch seien. In der Vergangenheit habe wiederholt ihre Mutter eingreifen müssen und für das Kind Kleidung gekauft oder auch die ein oder andere Rechnung bezahlt. Die 177 EUR des Jugendamtes, die Fahrtkosten, Kleidung usw. abdecken sollten, reichten auf keinen Fall aus. Sie habe auch noch Anschaffungen tätigen müssen, zum Beispiel als ihr Sohn ins Internat gekommen sei. Schließlich würden vom Landschulheim die verschiedensten Veranstaltungen unternommen. Für diese Freizeiten sei keine Regelung getroffen worden. So müsse sie für das Taschengeld und Kostenbeiträge selbst aufkommen. Wenn sie dieses nicht leisten würde, dann könnte ihr Sohn, ähnlich wie bei Klassenfahrten, an diesen Veranstaltungen wahrscheinlich nicht teilnehmen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 7.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.2.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin für ihren Sohn E. Kinderzuschlag gemäß § 6a BKGG nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sich die Beklagte auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid. Demgegenüber hätten sich im Klageverfahren keine neuen rechtserheblichen Gesichtspunkte ergeben. Die Beklagte bezieht sich ferner auf die auszugsweise beigefügte Verwaltungsanweisung DA 106a.1.
Das Gericht hat die die Klägerin betreffenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie die Verwaltungsvorgänge nach dem SGB II beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die beigezogenen Akten. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die Klägerin wird durch den Bescheid der Beklagten vom 7.12.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.2.2011 nicht beschwert, da dieser nicht rechtswidrig ist (§ 54 Abs. 2 SGG).
Zu Recht hat die Beklagte es abgelehnt, der Klägerin auf ihren Antrag vom 30.7.2010 Kinderzuschlag zu gewähren. Die Voraussetzungen des § 6a BKGG sind nicht erfüllt. Die Gewährung von Kinderzuschlag setzt unter anderem voraus, dass durch diesen Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II vermieden wird (§ 6a Abs. 1 Ziffer 4 BKGG). Dieses ist vorliegend indes nicht der Fall. Die Klägerin und ihr Sohn E. bilden keine Bedarfsgemeinschaft im Sinne der § § 9,7 SGB II. Zwar gehören nach § 7 Abs. 3 Ziffer 4 SGB II zur Bedarfsgemeinschaft die dem Haushalt angehörigen unverheirateten Kinder der in den Nrn. 1-3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können. Der Sohn E. ist zur Bestreitung seines Lebensunterhalts jedoch nicht auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II angewiesen, im Gegenteil. Er ist von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Dieses ergibt sich aus § 10 Abs. 3 S. 1 SGB VIII.
Nach § 10 Abs. 3 S. 1 SGB VIII gehen die Leistungen nach dem SGB VIII Leistungen nach dem Zweiten Buch vor. Abweichend davon gehen Leistungen nach § 3 Abs. 2, den § § 14-16g, § 19 Abs. 2 in Verbindung mit § 28 Abs. 6 des Zweiten Buches sowie Leistungen nach § 6b Abs. 2 des Bundeskindergeldgesetzes in Verbindung mit § 28 Abs. 6 des Zweiten Buches den Leistungen nach diesem Buch vor (§ 10 Abs. 3 S. 2 SGB VIII). Letztere Vorschrift kommt vorliegend jedoch nicht zur Anwendung, da dessen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Vorliegend greift der in § 10 Abs. 3 S. 1 SGB VIII geregelte Vorrang des Kinder - und Jugendhilfegesetzes, denn der Sohn der Klägerin erhält Leistungen nach § 34 SGB VIII. Er erhält Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung über Tag und Nacht (Heimerziehung) oder in einer sonstigen betreuten Wohnform. Er ist internatsmäßig untergebracht zu Lasten des Jugendhilfeträgers im Landschulheim T. C ... Sein Lebensunterhalt wird in vollem Umfang vom Jugendhilfeträger getragen. Im Rahmen der Hilfen nach dem SGB VIII ist der bürgerlich - rechtlich Unterhaltsanspruch des Kindes gedeckt, als unterhaltspflichtiger Elternteil wird die Klägerin lediglich über eine Kostenbeteiligungspflicht unter Berücksichtigung ihrer Einkommensverhältnisse in Anspruch genommen. Sie hat tatsächlichen finanziellen Unterhalt gegenüber ihrem Kind für die Dauer der Heimerziehung nicht mehr zu erbringen. Für die Kosten, die der Klägerin durch die besuchsweisen Aufenthalte ihres Sohnes entstehen, erhält sie vom Jugendamt einen monatlichen Betrag von 177 EUR.
Erfolgt die Finanzierung des Unterhalts des Sohnes der Klägerin nach den Regelungen des SGB VIII und erhält die Klägerin während des Aufenthaltes ihres Sohnes bei ihr hierfür vom Jugendamt monatlichen Aufwendungsersatz, so zeigt dieses auch, dass die Klägerin und ihr Sohn eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des SGB II tatsächlich nicht bilden. Im Gesetz wird im Einzelnen nicht definiert, was genau unter einer Bedarfsgemeinschaft zu verstehen ist. Sie ist keine Einsatzgemeinschaft, auch nicht nur eine Haushaltsgemeinschaft. Der Rechtsbegriff der Bedarfsgemeinschaft soll ein Zwischending sein, das anspruchs - und pflichtenbegründende Funktion für die Mitglieder der Gemeinschaft hat jeweils vermittelt über - mindestens - einen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, der seinerseits die Bedarfsgemeinschaft konstituiert (Eicher/Spellbrink, SGB II, § 7 Rz. 27). In diesem Sinne werden - finanzielle, nämlich unterhaltsrechtliche - Pflichten zwischen der Klägerin und ihrem Sohn nicht begründet.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der sogenannten temporären Bedarfsgemeinschaft. Diese Rechtsfigur wurde von dem Bundessozialgericht entwickelt im Hinblick auf die Ausübung des Umgangsrechts getrennt lebender Eltern. Dessen Anwendung scheitert bereits daran, dass - wie oben ausgeführt - eine Bedarfsgemeinschaft zwischen Mutter und Kind nicht gegeben ist. Es ist auch nicht erforderlich, die Klägerin und ihren Sohn einer sogenannten temporären Bedarfsgemeinschaft gleichzustellen, denn der aus dem Grundgesetz, Art. 6, sich ergebende Schutz von Mutter und Kind ist gewährleistet. Der Unterhalt des Kindes ist durch Leistungen nach dem SGB VIII gesichert, während der Aufenthalte des Kindes bei der Mutter erhält diese vom Jugendhilfeträger finanzielle Unterstützung. Dieses ist anders als in den Fällen der Ausübung des Umgangsrechts getrennt lebender Eltern, die finanziell ansonsten nicht in der Lage wären, den Umgangskontakt zum Kind zu pflegen. Das Gericht weicht aus den vorstehenden Erwägungen heraus ab von anderen sozialgerichtlichen Entscheidungen, die von einer zeitweiligen Bedarfsgemeinschaft im Sinne des SGB II auch dann ausgehen, wenn das Kind stationär in einer Jugendhilfeeinrichtung untergebracht ist und sich besuchsweise bei den Eltern aufhält (SG Karlsruhe, Urteil vom 27.7.2009, S 16 AS 1115/08; SG Koblenz, Urteil vom 8.2.2010, S 16 AS 1168/09; SG Reutlingen, Urteil vom 16.10.2008, S 3 AS 3528/07; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.5.2010, L 7 AS 5263/08).
Die Kostenentscheidung beruht auf den § § 183,193 SGG.
Das Gericht hat - vorsorglich - die Berufung nach § 144 Abs. 2 SGG zugelassen, da es der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimisst. Da schon ein Anspruch dem Grunde nach nach § 6a BKGG verneint wurde, konnte dahingestellt bleiben, ob überhaupt sich aufgrund der Einkommens - und Vermögensverhältnisse der Klägerin ein Anspruch auf Kinderzuschlag errechnen würde, mithin offen ist, ob der Berufungsstreitwert von mehr als 750 EUR nach § 144 Abs. 1 S. 1 Ziffer 1 SGG erreicht wird.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Kinderzuschlag ab Juli 2010.
Die Klägerin, geboren 00.00.1978, ist die Mutter des am 00.00.1997 geborenen Kindes E ... Sie und ihr Sohn bezogen Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 23.12.2009 bewilligte die Stadt N., Amt für Kinder, Jugendliche und Familien, für den Sohn E. Hilfe zur Erziehung in Form von Heimerziehung ab dem 10.1.2010. Für diese Hilfe entstünden Kosten, an denen unterhaltspflichtige Personen entsprechend den Bestimmungen des § 10 SGB VIII nach Maßgabe der § § 91-97b SGB VIII zu beteiligen seien. Es folgten Erläuterungen zur Kostenbeteiligung. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 23.12.2009 , Seite 392 der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des SGB II-Trägers, Bezug genommen. Soweit die Klägerin kindergeldberechtigt sei, werde der Kostenbeitrag mindestens in Höhe des Kindergeldes festgesetzt werden. Die Zahlung des Kindergeldes an das Amt für Kinder, Jugendliche und Familien sei bei der Familienkasse bereits beantragt worden. Als Rechtsgrundlage nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) wurden angeführt die § § 27,34 ,86 ,91 ff SGB VIII sowie § 32 Abs. 2 Nummer 1 und 3 SGB X. Der Sohn der Klägerin hält sich seit 10.1.2010 in dem Landschulheim T. C. auf. Leistungen nach dem SGB II wurden für die Zeit ab 11.1.2010 sodann nur noch für die Klägerin bewilligt. Aufgrund einer Änderung der Einkommensverhältnisse der Klägerin aus Erwerbseinkommen und des Bezuges von Wohngeld, das der Klägerin zuletzt durch Bescheid vom 1.4.2011 für die Zeit von April 2011 bis März 2012 in Höhe von monatlich 300 EUR unter wohngeldrechtlicher Berücksichtigung auch des Sohnes E. bewilligt worden war, wurden Leistungen nach dem SGB II nicht weiter bezogen. Sie waren von der Klägerin auch nicht mehr beantragt worden. Die Klägerin erhält vom Amt für Kinder, Jugendliche und Familien monatlich einen Betrag von 177 EUR überwiesen.
Die Klägerin hatte bereits am 30.7.2010 bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Kinderzuschlag gestellt unter Vorlage von Belegen über ihre Einkommenssituation. Die Beklagte lehnte diesen Antrag ab durch Bescheid vom 7.12.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.2.2011. Sie führte unter anderem aus, Voraussetzung für den Kinderzuschlag sei, dass das Kind im Haushalt der Klägerin lebe. Unter Haushaltszugehörigkeit sei das örtlich verbundene Zusammenleben in einer gemeinsamen Familienwohnung zu verstehen, in der das Kind seine persönliche Versorgung und Betreuung finde und sich nicht nur zeitweise, sondern durchgängig im Haushalt aufhalte. Bei räumlicher Trennung lebe das Kind weiter im Haushalt der Klägerin, wenn die auswärtige Unterbringung nur von vorübergehender Natur sei. Im allgemeinen könne von einem vorübergehenden Zustand ausgegangen werden, wenn das Kind im Rahmen seiner Möglichkeiten regelmäßig in den Haushalt zurückkehre. Durch eine zeitweilige auswärtige Unterbringung zur Schul - oder Berufsausbildung werde die Haushaltszugehörigkeit in der Regel nicht unterbrochen. Das Kind der Klägerin sei in der Zeit von montags bis freitags in einem Internat untergebracht und nur an den Wochenenden, Feiertagen und in den Ferien im Haushalt der Klägerin. Durch die auswärtige Unterbringung zur Schulausbildung werde die Zugehörigkeit des Kindes zum Haushalt der Klägerin in der Regel nicht unterbrochen. Für die Gewährung des Kinderzuschlags müsse das Kind darüber hinaus auch derselben Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 SGB II wie die Klägerin angehören. Daher sei im Einzelfall zu prüfen, ob das Kind noch dem Haushalt der Klägerin sowie derselben Bedarfsgemeinschaft angehöre. Das Kind sei auf Kosten des Jugendamtes in dem Internat untergebracht. Bei einem Aufenthalt in einem Internat, bei dem das Kind lediglich an den Wochenenden und in den Ferien zu der Wohnung der Klägerin zurückkehre und die Kosten der auswärtigen Unterbringung nicht von der Klägerin getragen würden, gehöre das Kind zwar weiter zum Haushalt, aber nicht mehr zur Bedarfsgemeinschaft der Klägerin. Insoweit bestehe nur eine untergeordnete Wirtschaftsgemeinschaft zwischen dem Kind und der Klägerin.
Die Klägerin ist der Auffassung, Anspruch auf Kinderzuschlag zu haben. Kindergeld-rechtlich lebten auch Kinder, die während der Woche sich in einem Internat aufhielten, im Haushalt der Eltern. Hinsichtlich ihres Sohnes sei diesbezüglich auszuführen, dass dieser lediglich montags bis freitags eine Wohngruppe des schuleigenen Internats bewohne. Er werde freitagsmittags von ihr abgeholt und verbringe das gesamte Wochenende zuhause, die Ferien und Feiertage verbringe ihr Sohn ebenfalls zuhause. Theoretisch berechnet unter Berücksichtigung von Ferien, Wochenenden und Feiertagen seien es circa 60 % des Jahres, die für einen Aufenthalt zuhause in Betracht kämen. Hinzu kämen noch die Tage, an denen das Kind sich etwa krankheitsbedingt zuhause aufhalte. Ihr Sohn gehöre weiter zur Bedarfsgemeinschaft im Sinne des SGB II. Dieses zeige schon die Vorschrift des § 7 Abs. 3 Ziffer 2 SGB II. Es komme lediglich darauf an, dass in einer Wirtschafts - und Wohngemeinschaft zusammen gelebt werde. Dieses ändere sich auch nicht dadurch, dass ein weiterer Leistungsträger, das Jugendamt der Stadt, die Schul- und Internatskosten trage. Weitere Einschränkungen kenne das SGB II nicht. Selbst wenn die Bedarfsgemeinschaft nur temporär wäre, so wäre sie doch existent. Sie, die Klägerin, sei auf die Gewährung des Kinderzuschlages angewiesen, da sie gern selbstständig leben möchte und vom Arbeitsamt nicht abhängig sein möchte. Das wäre ihr aber nur möglich mit dem Kinderzuschlag vor dem Hintergrund, dass sonst die Kosten für sie zu hoch seien. In der Vergangenheit habe wiederholt ihre Mutter eingreifen müssen und für das Kind Kleidung gekauft oder auch die ein oder andere Rechnung bezahlt. Die 177 EUR des Jugendamtes, die Fahrtkosten, Kleidung usw. abdecken sollten, reichten auf keinen Fall aus. Sie habe auch noch Anschaffungen tätigen müssen, zum Beispiel als ihr Sohn ins Internat gekommen sei. Schließlich würden vom Landschulheim die verschiedensten Veranstaltungen unternommen. Für diese Freizeiten sei keine Regelung getroffen worden. So müsse sie für das Taschengeld und Kostenbeiträge selbst aufkommen. Wenn sie dieses nicht leisten würde, dann könnte ihr Sohn, ähnlich wie bei Klassenfahrten, an diesen Veranstaltungen wahrscheinlich nicht teilnehmen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 7.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.2.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin für ihren Sohn E. Kinderzuschlag gemäß § 6a BKGG nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sich die Beklagte auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid. Demgegenüber hätten sich im Klageverfahren keine neuen rechtserheblichen Gesichtspunkte ergeben. Die Beklagte bezieht sich ferner auf die auszugsweise beigefügte Verwaltungsanweisung DA 106a.1.
Das Gericht hat die die Klägerin betreffenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie die Verwaltungsvorgänge nach dem SGB II beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die beigezogenen Akten. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die Klägerin wird durch den Bescheid der Beklagten vom 7.12.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.2.2011 nicht beschwert, da dieser nicht rechtswidrig ist (§ 54 Abs. 2 SGG).
Zu Recht hat die Beklagte es abgelehnt, der Klägerin auf ihren Antrag vom 30.7.2010 Kinderzuschlag zu gewähren. Die Voraussetzungen des § 6a BKGG sind nicht erfüllt. Die Gewährung von Kinderzuschlag setzt unter anderem voraus, dass durch diesen Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II vermieden wird (§ 6a Abs. 1 Ziffer 4 BKGG). Dieses ist vorliegend indes nicht der Fall. Die Klägerin und ihr Sohn E. bilden keine Bedarfsgemeinschaft im Sinne der § § 9,7 SGB II. Zwar gehören nach § 7 Abs. 3 Ziffer 4 SGB II zur Bedarfsgemeinschaft die dem Haushalt angehörigen unverheirateten Kinder der in den Nrn. 1-3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können. Der Sohn E. ist zur Bestreitung seines Lebensunterhalts jedoch nicht auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II angewiesen, im Gegenteil. Er ist von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Dieses ergibt sich aus § 10 Abs. 3 S. 1 SGB VIII.
Nach § 10 Abs. 3 S. 1 SGB VIII gehen die Leistungen nach dem SGB VIII Leistungen nach dem Zweiten Buch vor. Abweichend davon gehen Leistungen nach § 3 Abs. 2, den § § 14-16g, § 19 Abs. 2 in Verbindung mit § 28 Abs. 6 des Zweiten Buches sowie Leistungen nach § 6b Abs. 2 des Bundeskindergeldgesetzes in Verbindung mit § 28 Abs. 6 des Zweiten Buches den Leistungen nach diesem Buch vor (§ 10 Abs. 3 S. 2 SGB VIII). Letztere Vorschrift kommt vorliegend jedoch nicht zur Anwendung, da dessen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Vorliegend greift der in § 10 Abs. 3 S. 1 SGB VIII geregelte Vorrang des Kinder - und Jugendhilfegesetzes, denn der Sohn der Klägerin erhält Leistungen nach § 34 SGB VIII. Er erhält Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung über Tag und Nacht (Heimerziehung) oder in einer sonstigen betreuten Wohnform. Er ist internatsmäßig untergebracht zu Lasten des Jugendhilfeträgers im Landschulheim T. C ... Sein Lebensunterhalt wird in vollem Umfang vom Jugendhilfeträger getragen. Im Rahmen der Hilfen nach dem SGB VIII ist der bürgerlich - rechtlich Unterhaltsanspruch des Kindes gedeckt, als unterhaltspflichtiger Elternteil wird die Klägerin lediglich über eine Kostenbeteiligungspflicht unter Berücksichtigung ihrer Einkommensverhältnisse in Anspruch genommen. Sie hat tatsächlichen finanziellen Unterhalt gegenüber ihrem Kind für die Dauer der Heimerziehung nicht mehr zu erbringen. Für die Kosten, die der Klägerin durch die besuchsweisen Aufenthalte ihres Sohnes entstehen, erhält sie vom Jugendamt einen monatlichen Betrag von 177 EUR.
Erfolgt die Finanzierung des Unterhalts des Sohnes der Klägerin nach den Regelungen des SGB VIII und erhält die Klägerin während des Aufenthaltes ihres Sohnes bei ihr hierfür vom Jugendamt monatlichen Aufwendungsersatz, so zeigt dieses auch, dass die Klägerin und ihr Sohn eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des SGB II tatsächlich nicht bilden. Im Gesetz wird im Einzelnen nicht definiert, was genau unter einer Bedarfsgemeinschaft zu verstehen ist. Sie ist keine Einsatzgemeinschaft, auch nicht nur eine Haushaltsgemeinschaft. Der Rechtsbegriff der Bedarfsgemeinschaft soll ein Zwischending sein, das anspruchs - und pflichtenbegründende Funktion für die Mitglieder der Gemeinschaft hat jeweils vermittelt über - mindestens - einen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, der seinerseits die Bedarfsgemeinschaft konstituiert (Eicher/Spellbrink, SGB II, § 7 Rz. 27). In diesem Sinne werden - finanzielle, nämlich unterhaltsrechtliche - Pflichten zwischen der Klägerin und ihrem Sohn nicht begründet.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der sogenannten temporären Bedarfsgemeinschaft. Diese Rechtsfigur wurde von dem Bundessozialgericht entwickelt im Hinblick auf die Ausübung des Umgangsrechts getrennt lebender Eltern. Dessen Anwendung scheitert bereits daran, dass - wie oben ausgeführt - eine Bedarfsgemeinschaft zwischen Mutter und Kind nicht gegeben ist. Es ist auch nicht erforderlich, die Klägerin und ihren Sohn einer sogenannten temporären Bedarfsgemeinschaft gleichzustellen, denn der aus dem Grundgesetz, Art. 6, sich ergebende Schutz von Mutter und Kind ist gewährleistet. Der Unterhalt des Kindes ist durch Leistungen nach dem SGB VIII gesichert, während der Aufenthalte des Kindes bei der Mutter erhält diese vom Jugendhilfeträger finanzielle Unterstützung. Dieses ist anders als in den Fällen der Ausübung des Umgangsrechts getrennt lebender Eltern, die finanziell ansonsten nicht in der Lage wären, den Umgangskontakt zum Kind zu pflegen. Das Gericht weicht aus den vorstehenden Erwägungen heraus ab von anderen sozialgerichtlichen Entscheidungen, die von einer zeitweiligen Bedarfsgemeinschaft im Sinne des SGB II auch dann ausgehen, wenn das Kind stationär in einer Jugendhilfeeinrichtung untergebracht ist und sich besuchsweise bei den Eltern aufhält (SG Karlsruhe, Urteil vom 27.7.2009, S 16 AS 1115/08; SG Koblenz, Urteil vom 8.2.2010, S 16 AS 1168/09; SG Reutlingen, Urteil vom 16.10.2008, S 3 AS 3528/07; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.5.2010, L 7 AS 5263/08).
Die Kostenentscheidung beruht auf den § § 183,193 SGG.
Das Gericht hat - vorsorglich - die Berufung nach § 144 Abs. 2 SGG zugelassen, da es der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimisst. Da schon ein Anspruch dem Grunde nach nach § 6a BKGG verneint wurde, konnte dahingestellt bleiben, ob überhaupt sich aufgrund der Einkommens - und Vermögensverhältnisse der Klägerin ein Anspruch auf Kinderzuschlag errechnen würde, mithin offen ist, ob der Berufungsstreitwert von mehr als 750 EUR nach § 144 Abs. 1 S. 1 Ziffer 1 SGG erreicht wird.
Rechtskraft
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