Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SB 5182/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 2488/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) streitig.
Der 1978 in Deutschland geborene und aufgewachsene Kläger türkischer Nationalität stürzte am 14.07.2004 bei Gerüstbauarbeiten aus etwa 5 Metern in die Tiefe und ist seitdem querschnittsgelähmt. Nach Erstversorgung und anschließender Verlegung in die Universitätsklinik F. befand sich der Kläger vom 27.07.2004 bis 18.02.2005 in stationärer Behandlung in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T ... Bei Entlassung aus derselben hatte er eine für sein Lähmungsniveau hervorragende Selbständigkeit erreicht und beherrschte den Umgang mit seinem Rollstuhl sowie nahezu sämtliche Transfers sicher (Entlassbericht vom 18.02.2005, Bl. 14 d. Bekl.-Akt.).
Mit Bescheid vom 18.05.2005 (Bl. 18 d. Bekl.-Akt.) stellte der Beklagte daraufhin einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 wegen der Funktionsbeeinträchtigung Querschnittslähmung sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen bei einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr (Merkzeichen "G"), für die Notwendigkeit einer ständigen Begleitung (Merkzeichen "B"), für Hilflosigkeit (Merkzeichen "H") und für eine außergewöhnliche Gehbehinderung (Merkzeichen "aG") fest, lehnte es aber u.a. ab, das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" anzuerkennen.
Mit einem am 27.05.2005 beim Beklagten eingegangenen Änderungsantrag (Bl. 24 d. Bekl.-Akt.) begehrte der Kläger erneut die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs zur Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht (Merkzeichen "RF").
Der Beklagte holte daraufhin einen Befundbericht des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. E. vom 15.06.2005 ein (Bl. 26 d. Bekl.-Akt.). Danach besteht beim Kläger eine inkomplette Tetraplegie sub C-VII nach HWK-VII- Kompressions-Berstungsfraktur mit traumatischer Zerreißung der Bandscheiben C-VI/VII sowie C-VII/TH-1 und Blasen-Mastdarmlähmung. Für sein Lähmungsniveau habe der Kläger eine relativ gute Selbständigkeit und den einigermaßen sicheren Umgang mit dem Rollstuhl erreicht. Er beherrsche nahezu sämtliche Transfers. Der Gebrauch der Hände sei bei Teilspastik nur eingeschränkt, deren feinmotorischer Einsatz nicht möglich. Weiterhin bedürfe es einer Selbstkatheterisierung des Klägers bei Blasenlähmung. Zusätzlich bestehe eine Mastdarmlähmung. Der Kläger wirke seelisch herabgestimmt und neige zur sozialen Isolierung. Sein Befinden werde darüber hinaus durch häufige Spasmen, vor allem im Bereich der Bauchmuskulatur, beeinträchtigt, die zu häufigem Rückzug in die Liegeposition führten.
Mit Bescheid vom 02.08.2005 (Bl. 32 d. Bekl.-Akt.) lehnte der Beklagte nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 27.05.2005 von Dr. K. (Bl. 27/28 d. Bekl.-Akt.) die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" erneut ab und bezeichnete die Funktionsbeeinträchtigung weiterhin als Querschnittslähmung (GdB 100).
Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch trug der Kläger vor, ab der Brust abwärts gelähmt zu sein, spastische Anfälle zu haben und ohne fremde Hilfe sich weder selbst versorgen noch an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen zu können (Bl. 34 d. Bekl.-Akt.).
Unter Berücksichtigung einer gutachterlichen Stellungnahme von Dr. B. vom 15.09.2005 (Bl. 36 d. Bekl.-Akt.) und einer zuvor von diesem eingeholten fernmündlichen Auskunft von Dr. E. vom 13.09.2005 (Bl. 35 d. Bekl.-Akt.) wies der Beklagte den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 09.11.2005, Bl. 38 d. Bekl.-Akt.).
Hiergegen hat der Kläger am 07.12.2005 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, er könne nicht über eine längere Zeit im Rollstuhl sitzen, den er eigenständig nicht fahren könne. Zudem leide er an spastischen Anfällen, die auf die Umgebung abstoßend oder störend wirken könnten. Darüber hinaus leide er an einer Blasen- und Mastdarmlähmung, die bei anderen Teilnehmern von öffentlichen Veranstaltungen zu Ekelgefühlen führen könnten. Selbst wenn davon auszugehen sei, dass er an einigen wenigen öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen könne, reiche dies nicht aus, um ihm das Merkzeichen "RF" zu versagen. Schließlich sei es ihm aufgrund der eingeschränkten deutschen Sprachkenntnisse seiner Eltern nicht möglich, an öffentlichen Veranstaltungen, soweit diese deutschsprachig seien, teilzunehmen.
Das SG hat Dr. E. als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat unter dem 01.03.2006 (Bl. 23f. d. SG-Akt.) ausgeführt, der Kläger leide an 1. inkompletter Tetraplegie, Sub C-VII nach HWK-VII Kompressions-/Berstungsfraktur mit traumatischer Zerreißung der Bandscheibe C-VI/VII und C-VII/TH-I, 2. Blasen-Mastdarmlähmung, 3. Zustand nach Orbitawand-Fraktur links sowie 4. Zustand nach dorsaler Stabilisierung von C-VI auf TH-I mit Ausräumung des VII. Halswirbelkörpers beider benachbarter Bandscheiben und Wirbelkörperersatz. Öffentliche Veranstaltungen könne der Kläger in Begleitung einer Hilfsperson in rollstuhlgerechten Räumlichkeiten besuchen. Wegen immer wieder auftretender Bauchdeckenspasmen sei häufig ein zu langer Aufenthalt im Rollstuhl unmöglich. Der Kläger vermeide den Kontakt mit der Öffentlichkeit und bewege sich überwiegend im familiären Kreis.
Im Anschluss daran hat das SG Dr. F., Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, mit der Erstattung eines Gutachtens von Amts wegen beauftragt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 30.08.2006 (Bl. 34f. d. SG-Akt.) beim Kläger 1. depressive Anpassungsstörung mit leichter Ausprägung, 2. inkomplette Tetraplegie nach Halswirbelkörper-7-Kompressions-/Berstungs-fraktur mit traumatischer Zerreißung der Bandscheiben C6/7 und C7/Th1, 3. Blasen-Mastdarm-Lähmung, 4. autonome Neuropathie, 5. Polyneuropathie, und 6. Zustand nach Orbitawand-Fraktur medial linksseitig diagnostiziert. Es bestehe eine inkomplette Lähmung der oberen und eine komplette Lähmung der unteren Extremitäten. Freies Gehen oder Stehen sei dem Kläger nicht möglich, zur Fortbewegung sei er auf einen Rollstuhl angewiesen. Er könne seine Hände nur eingeschränkt gebrauchen. Seine Blasenlähmung bedinge eine Selbstkatheterisierung, die Mastdarm-Lähmung eine regelmäßige Einnahme von Abführmitteln. Beim Besuch von öffentlichen Veranstaltungen sei zu befürchten, dass es im Rahmen der Tetraplegie zu nicht kontrollierbaren opisthonusartigen Krämpfen in der Rückenmuskulatur sowie zu Kloni beider Füße komme; gleichfalls seien Bauchdeckenspasmen vorbeschrieben. Der Kläger reagiere bedingt durch die schmerzhaften Parästhesien bei ruhigem Sitzen mit Unruhezuständen an Oberkörper und Kopf. Auch unter Berücksichtigung, dass ein Transfer vom Rollstuhl ins Auto selbständig nicht durchführbar sei und viel Unterstützung durch eine Hilfsperson erfordere, gehe er davon aus, dass der Kläger öffentliche Veranstaltungen nicht mehr besuchen könne. Bei der Untersuchung habe der Kläger angegeben, in einer 1,5 Zimmer-Wohnung im Erdgeschoß in einer Einrichtung für betreutes Wohnen zu leben. Drei Monate nach seinem Unfall habe seine damalige Freundin Zwillinge bekommen; mittlerweile lebten sie getrennt, seine Kinder habe er noch nie gesehen. Früher sei er sehr sportlich gewesen und regelmäßig ins Fitnessstudio gegangen. Nunmehr sehe er viel fern und beschäftige sich mit seinem Computer. Nach draußen gehe er kaum noch, weil der Aufwand für seine Mutter zu groß sei. Hauptsächlich leide er nunmehr an schmerzbedingten Schlafproblemen. Er bewege sich mittels eines mechanischen Rollstuhls fort, den er auf ebener Fläche selbständig bedienen könne. Auffällig seien intermittierende motorische Unruhezustände an Kopf und Armen. Der Kläger habe gepflegt und ordentlich bekleidet gewirkt. Weder bestünden Beeinträchtigungen des Gedächtnisses oder der Merkfähigkeit, ein Interessenverlust oder eine Antriebsminderung noch Wahrnehmungsstörungen. Allerdings habe seine Stimmungslage etwas gedrückt gewirkt. Die vorbeschriebenen Bauchdeckenspasmen seien bei der Begutachtung nicht aufgefallen.
In der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Arztes D. vom 29.11.2006 (Bl. 55 d. SG-Akt.) hat dieser das Gerichtsgutachten kritisch gewürdigt. Abgesehen davon, dass Bauchdeckenspasmen in der Untersuchungssituation nicht hätten beobachtet werden können und "auch die Möglichkeit von Krämpfen der Rückenmuskulatur wenig konkret" sei, existierten eine Reihe öffentlicher Veranstaltungen, an denen der Kläger mit Hilfe eines Krankenfahrstuhles oder mit Hilfe einer Begleitperson teilnehmen könne. Insbesondere gebe es eine Reihe öffentlicher Veranstaltungen, an denen die intermittierend auftretende, ansonsten aber nicht näher beschriebene Unruhe an Kopf und Armen nicht wesentlich stören würde. Bei vielen Veranstaltungen, besonders auch im Freien, bestehe auch unter den Zuschauern in gewissem Sinne eine "motorische Unruhe".
Mit Urteil vom 08.03.2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, Bauchdecken- und Rückenmuskelspasmen seien in der Untersuchungssituation bei Dr. F. nicht aufgetreten. Die bestehende Blasen- und Mastdarm-Lähmung hinderten den Kläger nicht daran, öffentliche Veranstaltungen aufzusuchen. Es bestehe nämlich weder eine Harn- noch eine Stuhlinkontinenz mit unwillkürlichem Harn- oder Stuhlabgang, da der Kläger sich selbst katheterisiere und den Stuhl zwei Mal wöchentlich abführe. Auch unter Berücksichtigung seiner depressiven Anpassungsstörung mit leichter Ausprägung diene es gerade seiner Integration in die Gesellschaft, dass er trotz und mit seiner Behinderung an öffentlichen Veranstaltungen teilnehme. Ein gewisses Maß an motorischer Unruhe hätten dabei die anderen Teilnehmer zu tolerieren. Mangelnde Sprachkenntnisse der Eltern seien jedenfalls kein behinderungsbedingter Grund, nicht an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Letztlich schließe sich das SG insoweit der Auskunft von Dr. E. an.
Gegen das am 02.05.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17.05.2007 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiter verfolgt. Er führt im Wesentlichen aus, wegen seiner Harnentleerungsstörungen und seiner Mastdarm-Lähmung müsse er Einmalwindeln gebrauchen. Aufgrund einer Gesamtschau seiner Leiden lägen bei ihm die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" vor.
Mit einem am 29.04.2008 beim Beklagten eingegangenen weiteren Änderungsantrag hat der Kläger erneut die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs zur Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht begehrt (Bl. 103 d. Bekl.-Akt.).
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme von Dr. F ... Dieser hat unter dem 15.08.2008 (Bl. 28 d. LSG-Akt.) mitgeteilt, bei den während der Untersuchung beobachteten Krämpfen der Rückenmuskulatur handele es sich um unwillkürliche Bewegungen von Oberkörper und Kopf, die sich störend sowohl für den Kläger als auch in entsprechenden Situationen für die Umgebung auswirken könnten. Ebenso verhalte es sich bei den Spasmen der Bauchmuskulatur, die allerdings - wie schon im Gutachten beschrieben - während der Untersuchungssituation nicht aufgetreten seien. Im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung hätten bei längerem Sitzen motorische Unruhezustände mit mäßiggradigen rhythmischen Bewegungen an Oberkörper und Kopf bestanden. Aufgrund seiner sehr eingeschränkten Mobilität sowie aufgrund der Krämpfe der Rücken- bzw. der Bauchmuskulatur sei er behinderungsbedingt daran gehindert, einen nennenswerten Teil der üblichen Veranstaltung zu besuchen (wie z.B. Kino-, Theater-, Konzert- und Vortragsveranstaltungen sowie öffentliche Feste).
Darüber hinaus hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung von sachverständigen Zeugenauskünften bei Dr. E. sowie bei den Dres. B. und B., Ärzte für Orthopädie, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik T ...
Dr. E. hat unter dem 10.06.2009 (Bl. 46 d. LSG-Akt.) berichtet, den Kläger lediglich in großen Zeitabständen behandelt zu haben. Da er ihn außerhalb seines häuslichen Bereichs nicht angetroffen habe, könne er nicht beurteilen, ob und inwieweit dieser auf die Umgebung "abstoßend" wirke. Der Kläger könne kaum dazu bewogen werden, seine Wohnung zu verlassen. Er schäme sich nämlich seines veränderten Körpers - vor dem Hintergrund, dass er früher über einen "athletischen" Körper verfügt habe, der in seinem Selbstwertgefühl eine wichtige Rolle inne gehabt habe.
Dr. B. und Dr. B. haben unter dem 01.10.2009 (Bl. 57 d. LSG-Akt.) mitgeteilt, den Kläger zuletzt am 20.02.2008, 23.03. und 28.05.2009 behandelt zu haben. An öffentlichen Veranstaltungen könne er teilnehmen, da er sich mit seinem Elektrorollstuhl selbständig fortbewegen könne. Bei ihm träten Spastiken auf, die mittlerweile gut eingestellt seien, auch wenn es jederzeit wieder vorkommen könne, dass er seine Gliedmaßen unwillkürlich bewege. Aus ihrer Sicht wirke er auf die Umgebung "weder abstoßend noch störend".
Der Kläger, der zumindest im Sommer 2008 einen längeren Urlaub in der Türkei verbracht hat (Bl. 27 d. LSG-Akt.), hat klargestellt, das anhängige Berufungsverfahren fortführen zu wollen. Den neuerlichen Änderungsantrag beim Beklagten habe er nur deshalb gestellt, weil er irrtümlich vom Ende des Rechtsstreits ausgegangen sei. Dr. F. habe zutreffend den Sachverhalt wiedergegeben, der auch heute noch in vollem Umfang mit den wahren Gegebenheiten übereinstimme (Bl. 34 d. LSG-Akt.). Dr. E. habe bereits in seiner Aussage vom 15.06.2005 ausgeführt, dass er an häufigen Spasmen leide, welche vor allem im Bereich der Bauchmuskulatur aufträten und ihn zwängen, sich hinzulegen. Ein "zu langer" Aufenthalt im Rollstuhl sei ihm häufig nicht möglich. Dass die Dres. B. und B. weder mit seinem äußeren Erscheinungsbild noch mit seinem Verhalten Probleme gehabt hätten, sei "mit Vorsicht zu genießen", da die beiden alltäglich mit vergleichbaren Patienten in Berührung kämen. Es sei erforderlich, Dr. F. ergänzend gutachterlich zu hören, da dieser sich im Berufungsverfahren ohne erneute Untersuchung geäußert habe. Aufgrund der Schwindelsymptomatik sowie der Schweißsekretionsstörung (mit der Gefahr einer Hyperthermie) erscheine auch die Einholung von Gutachten im HNO-ärztlichen bzw. internistischen Bereich "sinnvoll". Da er sich bei hypotoniebedingtem Schwindel in Schocklage ins Bett legen müsse und diese Gefahr stets bestehe, sei ihm eine Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen nicht möglich (Bl. 65 d. LSG-Akt.).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 08. März 2007 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 02. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. November 2005 zu verurteilen, die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht (Merkzeichen "RF") festzustellen, hilfsweise Dr. F. ergänzend nach § 109 SGG hinsichtlich des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" zu hören, höchst hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt unter Hinweis auf eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. R. vom 18.11.2008 (Bl. 37 d. LSG-Akt.), wonach weiterhin nicht ausreichend belegt sei, dass der Kläger an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen könne,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Einholung des beantragten Gutachtens durch Dr. F. gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat der Senat mit Schreiben vom 12.02.2010 (Bl. 67 d. LSG-Akt.) davon abhängig gemacht, dass der Kläger die voraussichtlichen Kosten in Höhe von 1800 EUR bis 10.03.2010 vorschießt und die beigefügte Kostenverpflichtungserklärung ausgefüllt und unterschrieben zurücksendet. Hierauf hat der Kläger weder den angeforderten Betrag eingezahlt noch sonst reagiert.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist gemäß § 143, 144 SGG zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Zu Recht hat das SG mit dem angefochtenen Urteil vom 08.03.2007 die Klage abgewiesen, weil die angefochtenen Bescheide rechtmäßig sind und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "RF".
Streitgegenstand des Verfahrens ist insoweit nicht die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht, sondern die Feststellung ihrer gesundheitlichen Voraussetzungen, die dann für die Rundfunkanstalt, die über eine Befreiung zu entscheiden hat, bindend ist (BSG, Urteil vom 06.10.1981 - Az.: 9 RVs 3/81 -, zit. nach juris).
Nach § 69 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen diese Behörden auch die insoweit erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 4 SGB IX). Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 5 der Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) ist im Ausweis auf der Rückseite das Merkzeichen RF einzutragen, wenn der schwerbehinderte Mensch die landesrechtlich festgelegten gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht erfüllt. Zur Beurteilung des GdB im Einzelfall wendet der Senat die seit 01.01.2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VMG) an. Nach Artikel 5 § 6 Abs. 1 Nr. 7 und 8 des Achten Staatsvertrags zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 08. bis 15.10.2004 in der Fassung des Baden-Württembergischen Gesetzes vom 17.03.2005 werden aus gesundheitlichen Gründen auf Antrag von der Rundfunkgebührenpflicht folgende natürliche Personen und deren Ehegatten befreit: Blinde oder nicht nur vorübergehend wesentlich sehbehinderte Menschen mit einem GdB von 60 allein wegen der Sehbehinderung; hörgeschädigte Menschen, die gehörlos sind oder denen eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich ist; behinderte Menschen, deren GdB nicht nur vorübergehend wenigstens 80 beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können.
Der Kläger gehört nicht zu dem vorstehend bezeichneten Personenkreis. Er ist zweifelsohne weder schwer seh- noch hörgeschädigt, und er ist trotz Vorliegens eines Behinderungsgrades von 100 auch nicht ständig gehindert, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen.
Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist bei der Beurteilung, welche Personen aus gesundheitlichen Gründen von der Rundfunkgebührenpflicht befreit werden können, ein enger Maßstab anzulegen. Unter öffentlichen Veranstaltungen sind alle Zusammenkünfte politischer, künstlerischer, wissenschaftlicher, kirchlicher, sportlicher, unterhaltender und wirtschaftlicher Art zu verstehen (BSG, Urteile vom 10.08.1993 - Az.: 9/9a RVs 7/91 - und 12.02.1997 - Az.: 9 RVs 2/96 -, jeweils zit. nach juris). Die Unmöglichkeit der Teilnahme an solchen Veranstaltungen ist nur dann gegeben, wenn der Schwerbehinderte wegen seines Leidens ständig, d.h. allgemein und umfassend, vom Besuch ausgeschlossen ist, also allenfalls an einem nicht nennenswerten Teil der Gesamtheit solcher Veranstaltungen teilnehmen kann. Dabei ist es unerheblich, ob diejenigen Veranstaltungen, an denen der Behinderte noch teilnehmen kann, seinen persönlichen Bedürfnissen, Neigungen und Interessen entsprechen. Solange der Behinderte mit technischen Hilfsmitteln und mit Hilfe einer Begleitperson in zumutbarer Weise öffentliche Veranstaltungen aufsuchen kann, ist er an der Teilnahme am öffentlichen Geschehen nicht gehindert. Die Unfähigkeit des Behinderten, grundsätzlich an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen, steht damit praktisch der Bindung an das Haus gleich. Aus dem subjektiven Empfinden eines Behinderten, an öffentlichen Veranstaltungen nicht mehr partizipieren zu können, folgt nicht, dass ein Besuch unzumutbar ist (vgl. BSG a.a.O.).
Das BSG hält es zunehmend für zweifelhaft, ob durch den Nachteilsausgleich "RF" überhaupt ein behinderungsbedingter Mehraufwand ausgeglichen wird und ob es tatsächlich sozial geboten erscheint, bestimmten und (auch) finanziell nicht bedürftigen Personengruppen die Benutzung solcher gewöhnlichen Geräte zu finanzieren. Diese Frage - so das BSG - bedürfe keiner abschließenden Klärung, verdeutliche aber, dass an einer engen Auslegung für das Merkzeichen "RF" festgehalten werde (BSG, Urteil vom 10.08.1993, a.a.O.).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme leidet der Kläger vor allem an den Folgen eines im Jahr 2004 erlittenen Sturzes aus 5m Höhe mit anschließender Querschnittslähmung. Zur Zurücklegung einer Gehstrecke benötigt der Kläger einen (elektrischen) Rollstuhl. Hinweise, dass dem Kläger außerhalb seiner Wohnung selbst mit Hilfe seines Rollstuhls und einer Begleitperson eine Fortbewegung ständig nicht möglich wäre, gehen aus den vorliegenden ärztlichen Unterlagen nicht hervor. Mit Hilfe einer Begleitperson, die ihm mit Bescheid vom 18.05.2005 zuerkannt wurde, und unter Benutzung technischer Hilfsmittel (Rollstuhl) kann der Kläger in zumutbarer Weise öffentliche Veranstaltungen aufsuchen und ihnen auch beiwohnen. Aus dem subjektiven Empfinden des Klägers, dies aufgrund seines - aus seiner Sicht - nicht mehr athletisch gebauten Körpers nicht mehr zu vermögen und aufgrund dessen seine Wohnung kaum mehr verlassen zu können, folgt - wie oben unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG ausgeführt - nichts anderes. Im Übrigen hat der Kläger jedenfalls im Sommer 2008 einen längeren Urlaub in der Türkei verbracht, mithin für einen längerem Zeitraum das häusliche Umfeld verlassen.
Von der Teilnahme im angeführten Sinn ausgeschlossen ist jedoch auch der Behinderte, dem das Aufsuchen fast aller öffentlichen Veranstaltungen mit Rücksicht auf die Störung anderer Teilnehmer nicht zugemutet werden kann. Das ist immer dann der Fall, wenn es den anderen Teilnehmern an öffentlichen Veranstaltungen unzumutbar ist, Behinderte wegen Auswirkungen ihrer Behinderungen zu ertragen, insbesondere, wenn diese durch ihre Behinderungen auf ihre Umgebung unzumutbar abstoßend oder störend wirken, z.B. durch Entstellung, Geruchsbelästigung bei unzureichend verschließbarem Anus praeter, häufige hirnorganische Anfälle, grobe unwillkürliche Kopf- und Gliedmaßenbewegungen bei Spastikern, laute Atemgeräusche, wie sie etwa bei Asthmaanfällen und nach Tracheotomie vorkommen können, oder bei ekelerregenden oder ansteckenden Krankheiten (BSG, Urteil vom 12.02.1997 - Az.: 9 RVs 2/96 -, Rdnr. 13 m.w.N., zit. nach juris; vgl. die früheren Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2004, Nr. 33 Nr. 2c).
Vorliegend vermag der Kläger nach den Ausführungen der Dres. Baron und B. nicht längere Zeit ruhig zu sitzen; auch bei medikamentös derzeit gut eingestellter Spastik kann es vorkommen, dass er unwillkürlich seine Gliedmaßen bewegt. Dies wäre - wie oben dargestellt - nur dann relevant, wenn es den anderen Teilnehmern an öffentlichen Veranstaltungen unzumutbar wäre, den Kläger wegen der Auswirkungen seiner Behinderungen zu ertragen, insbesondere, wenn er auf seine Umgebung durch seine Behinderung unzumutbar abstoßend oder störend wirken würde. Dies geht jedoch aus den ärztlichen Unterlagen nicht hervor. Auftretende Lagewechsel und ggfs. auch unwillkürliches "Durchbewegen" von Armen und Beinen machen dem Kläger den Besuch zahlreicher öffentlicher Veranstaltungen nicht unzumutbar, selbst wenn seine motorischen Bewegungen - wie das BSG in seinem Urteil vom 12.02.1997 (a.a.O.) als typischen Beispielsfall angeführt hat - als "grobe unwillkürliche Kopf- und Gliedmaßenbewegungen" anzusehen wären. Insbesondere ist er nach Überzeugung des Senats nicht gehindert, an Veranstaltungen teilzunehmen, die vorwiegend im Freien stattfinden, wie Sportveranstaltungen, Festen und Märkten, mithin an Veranstaltungen, die bereits mit einer erheblichen "motorischen Unruhe" der Teilnehmer verbunden sind. Mag bei einzelnen kulturellen Veranstaltungen, wie z.B. einem Festvortrag oder einem klassischen Konzert, von den Teilnehmern ein ruhiges oder gar "statisches" Verhalten erwünscht sein, so trifft dies auf zahlreiche andere öffentliche Veranstaltungen wie z.B. auf ein Fußballspiel oder ein Rockkonzert nicht zu. Dort ist es als Zuschauer geradezu üblich, in erheblichem Maße auch "körperlich aktiv" teilzunehmen, sei es durch spontane oder bewusst gesteuerte Bewegungen (z.B. Aufstehen, Klatschen, erhebliches Gestikulieren) oder auch durch lautes Rufen, Singen u.ä ... Dass der Kläger an solchen Veranstaltungen nicht bzw. nicht sozial adäquat teilnehmen könnte, vermag der Senat schon deshalb nicht zu erkennen, weil der Öffentlichkeit ein hohes Maß an "Belastung" durch behinderungsbedingte Auffälligkeiten zuzumuten ist (so schon BSG, Urteil vom 10.08.1993, a.a.O.). Darüber hinaus fällt ins Gewicht, dass im letzten Jahrzehnt ein Wechsel in der Sichtweise für behinderte Menschen stattgefunden hat, der dem gesellschaftlichen Wandel und der vermehrten Integration behinderter Menschen Rechnung trägt (Bericht der Bundesregierung über die Lage behinderter Menschen und die Entwicklung ihrer Teilhabe vom 16.12.2004 - Bundestags-Drucks. 15/4575, S. 2f.). Auch wenn die Nachfrage an integrativen Erziehungsangeboten größer ist als das derzeitige Angebot, treffen heutzutage bereits in der Schule - als ein Ort von Rehabilitation und Teilhabe - vermehrt Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung zusammen (Bericht der Bundesregierung, a.a.O., S. 7). So gehen mittlerweile fast 16 % der behinderten Kinder und Jugendlichen gemeinsam mit nichtbehinderten Kindern und Jugendlichen in die Schule (Bericht der Bundesregierung über die Lage von Menschen mit Behinderungen für die 16. Legislaturperiode, 2009, S. 9). Ausgehend von dem Grundsatz, dass Menschen mit Behinderungen "in die Mitte der Gesellschaft" gehören (Bericht der Bundesregierung, a.a.O., S. 1), werden Behinderte insbesondere seit dem Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes im Jahre 2006 (BGBl. I 1897) ausdrücklich vor eventuellen Benachteiligungen im Alltag, mithin auch bei der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen, geschützt. Dies betrifft insbesondere den Abschluss von Geschäften des täglichen Lebens; betroffen sind standardisierte Verträge u.a. mit dem Einzelhandel, in der Gastronomie und im Transportwesen, wie etwa Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Besuche von Restaurants, Diskotheken und Sportveranstaltungen (Bericht der Bundesregierung, a.a.O., S. 23).
Nach der Rechtsprechung des BSG sind Behinderte, die wie der Kläger Einmalwindeln gebrauchen, die den Harn bis zu zwei Stunden ohne Geruchsbelästigung für andere Menschen aufnehmen, nicht allein aus diesem Grunde gehindert, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Dies verstößt weder gegen die Würde des Menschen (Art. 1 Grundgesetz (GG)) noch gegen den Sozialstaatsgrundsatz (Art. 20 Abs. 1 GG). Der Behinderte wird dadurch auch nicht zum Objekt des Staates gemacht oder einer Behandlung ausgesetzt, die seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt (BSG, Urteil vom 12.02.1997, a.a.O., Rdnr. 14 m.w.N.).
Bei dem vorliegenden Verfahrensergebnis war das SG schließlich nicht gehalten, weitere Ermittlungen von Amts wegen nach § 103 SGG vorzunehmen. Dem Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG braucht nicht nachgegangen zu werden. Insbesondere ist kein (erneutes) Gutachten von Dr. F. einzuholen. Der Kläger hat nämlich trotz Fristsetzung den Vorschuss auf die Gutachtenskosten nicht eingezahlt. Auch bei einem möglicherweise unbemittelten Kläger, der die Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG begehrt, darf das Gericht die Einholung davon abhängig machen, dass der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt (BSG, Beschlüsse vom 26.08.1998 - Az.: B 9 VS 7/98 B - und vom 21.01.1958 - Az. 2 RU 256/55 -, jeweils zit. nach juris).
Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) streitig.
Der 1978 in Deutschland geborene und aufgewachsene Kläger türkischer Nationalität stürzte am 14.07.2004 bei Gerüstbauarbeiten aus etwa 5 Metern in die Tiefe und ist seitdem querschnittsgelähmt. Nach Erstversorgung und anschließender Verlegung in die Universitätsklinik F. befand sich der Kläger vom 27.07.2004 bis 18.02.2005 in stationärer Behandlung in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T ... Bei Entlassung aus derselben hatte er eine für sein Lähmungsniveau hervorragende Selbständigkeit erreicht und beherrschte den Umgang mit seinem Rollstuhl sowie nahezu sämtliche Transfers sicher (Entlassbericht vom 18.02.2005, Bl. 14 d. Bekl.-Akt.).
Mit Bescheid vom 18.05.2005 (Bl. 18 d. Bekl.-Akt.) stellte der Beklagte daraufhin einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 wegen der Funktionsbeeinträchtigung Querschnittslähmung sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen bei einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr (Merkzeichen "G"), für die Notwendigkeit einer ständigen Begleitung (Merkzeichen "B"), für Hilflosigkeit (Merkzeichen "H") und für eine außergewöhnliche Gehbehinderung (Merkzeichen "aG") fest, lehnte es aber u.a. ab, das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" anzuerkennen.
Mit einem am 27.05.2005 beim Beklagten eingegangenen Änderungsantrag (Bl. 24 d. Bekl.-Akt.) begehrte der Kläger erneut die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs zur Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht (Merkzeichen "RF").
Der Beklagte holte daraufhin einen Befundbericht des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. E. vom 15.06.2005 ein (Bl. 26 d. Bekl.-Akt.). Danach besteht beim Kläger eine inkomplette Tetraplegie sub C-VII nach HWK-VII- Kompressions-Berstungsfraktur mit traumatischer Zerreißung der Bandscheiben C-VI/VII sowie C-VII/TH-1 und Blasen-Mastdarmlähmung. Für sein Lähmungsniveau habe der Kläger eine relativ gute Selbständigkeit und den einigermaßen sicheren Umgang mit dem Rollstuhl erreicht. Er beherrsche nahezu sämtliche Transfers. Der Gebrauch der Hände sei bei Teilspastik nur eingeschränkt, deren feinmotorischer Einsatz nicht möglich. Weiterhin bedürfe es einer Selbstkatheterisierung des Klägers bei Blasenlähmung. Zusätzlich bestehe eine Mastdarmlähmung. Der Kläger wirke seelisch herabgestimmt und neige zur sozialen Isolierung. Sein Befinden werde darüber hinaus durch häufige Spasmen, vor allem im Bereich der Bauchmuskulatur, beeinträchtigt, die zu häufigem Rückzug in die Liegeposition führten.
Mit Bescheid vom 02.08.2005 (Bl. 32 d. Bekl.-Akt.) lehnte der Beklagte nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 27.05.2005 von Dr. K. (Bl. 27/28 d. Bekl.-Akt.) die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" erneut ab und bezeichnete die Funktionsbeeinträchtigung weiterhin als Querschnittslähmung (GdB 100).
Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch trug der Kläger vor, ab der Brust abwärts gelähmt zu sein, spastische Anfälle zu haben und ohne fremde Hilfe sich weder selbst versorgen noch an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen zu können (Bl. 34 d. Bekl.-Akt.).
Unter Berücksichtigung einer gutachterlichen Stellungnahme von Dr. B. vom 15.09.2005 (Bl. 36 d. Bekl.-Akt.) und einer zuvor von diesem eingeholten fernmündlichen Auskunft von Dr. E. vom 13.09.2005 (Bl. 35 d. Bekl.-Akt.) wies der Beklagte den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 09.11.2005, Bl. 38 d. Bekl.-Akt.).
Hiergegen hat der Kläger am 07.12.2005 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, er könne nicht über eine längere Zeit im Rollstuhl sitzen, den er eigenständig nicht fahren könne. Zudem leide er an spastischen Anfällen, die auf die Umgebung abstoßend oder störend wirken könnten. Darüber hinaus leide er an einer Blasen- und Mastdarmlähmung, die bei anderen Teilnehmern von öffentlichen Veranstaltungen zu Ekelgefühlen führen könnten. Selbst wenn davon auszugehen sei, dass er an einigen wenigen öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen könne, reiche dies nicht aus, um ihm das Merkzeichen "RF" zu versagen. Schließlich sei es ihm aufgrund der eingeschränkten deutschen Sprachkenntnisse seiner Eltern nicht möglich, an öffentlichen Veranstaltungen, soweit diese deutschsprachig seien, teilzunehmen.
Das SG hat Dr. E. als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat unter dem 01.03.2006 (Bl. 23f. d. SG-Akt.) ausgeführt, der Kläger leide an 1. inkompletter Tetraplegie, Sub C-VII nach HWK-VII Kompressions-/Berstungsfraktur mit traumatischer Zerreißung der Bandscheibe C-VI/VII und C-VII/TH-I, 2. Blasen-Mastdarmlähmung, 3. Zustand nach Orbitawand-Fraktur links sowie 4. Zustand nach dorsaler Stabilisierung von C-VI auf TH-I mit Ausräumung des VII. Halswirbelkörpers beider benachbarter Bandscheiben und Wirbelkörperersatz. Öffentliche Veranstaltungen könne der Kläger in Begleitung einer Hilfsperson in rollstuhlgerechten Räumlichkeiten besuchen. Wegen immer wieder auftretender Bauchdeckenspasmen sei häufig ein zu langer Aufenthalt im Rollstuhl unmöglich. Der Kläger vermeide den Kontakt mit der Öffentlichkeit und bewege sich überwiegend im familiären Kreis.
Im Anschluss daran hat das SG Dr. F., Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, mit der Erstattung eines Gutachtens von Amts wegen beauftragt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 30.08.2006 (Bl. 34f. d. SG-Akt.) beim Kläger 1. depressive Anpassungsstörung mit leichter Ausprägung, 2. inkomplette Tetraplegie nach Halswirbelkörper-7-Kompressions-/Berstungs-fraktur mit traumatischer Zerreißung der Bandscheiben C6/7 und C7/Th1, 3. Blasen-Mastdarm-Lähmung, 4. autonome Neuropathie, 5. Polyneuropathie, und 6. Zustand nach Orbitawand-Fraktur medial linksseitig diagnostiziert. Es bestehe eine inkomplette Lähmung der oberen und eine komplette Lähmung der unteren Extremitäten. Freies Gehen oder Stehen sei dem Kläger nicht möglich, zur Fortbewegung sei er auf einen Rollstuhl angewiesen. Er könne seine Hände nur eingeschränkt gebrauchen. Seine Blasenlähmung bedinge eine Selbstkatheterisierung, die Mastdarm-Lähmung eine regelmäßige Einnahme von Abführmitteln. Beim Besuch von öffentlichen Veranstaltungen sei zu befürchten, dass es im Rahmen der Tetraplegie zu nicht kontrollierbaren opisthonusartigen Krämpfen in der Rückenmuskulatur sowie zu Kloni beider Füße komme; gleichfalls seien Bauchdeckenspasmen vorbeschrieben. Der Kläger reagiere bedingt durch die schmerzhaften Parästhesien bei ruhigem Sitzen mit Unruhezuständen an Oberkörper und Kopf. Auch unter Berücksichtigung, dass ein Transfer vom Rollstuhl ins Auto selbständig nicht durchführbar sei und viel Unterstützung durch eine Hilfsperson erfordere, gehe er davon aus, dass der Kläger öffentliche Veranstaltungen nicht mehr besuchen könne. Bei der Untersuchung habe der Kläger angegeben, in einer 1,5 Zimmer-Wohnung im Erdgeschoß in einer Einrichtung für betreutes Wohnen zu leben. Drei Monate nach seinem Unfall habe seine damalige Freundin Zwillinge bekommen; mittlerweile lebten sie getrennt, seine Kinder habe er noch nie gesehen. Früher sei er sehr sportlich gewesen und regelmäßig ins Fitnessstudio gegangen. Nunmehr sehe er viel fern und beschäftige sich mit seinem Computer. Nach draußen gehe er kaum noch, weil der Aufwand für seine Mutter zu groß sei. Hauptsächlich leide er nunmehr an schmerzbedingten Schlafproblemen. Er bewege sich mittels eines mechanischen Rollstuhls fort, den er auf ebener Fläche selbständig bedienen könne. Auffällig seien intermittierende motorische Unruhezustände an Kopf und Armen. Der Kläger habe gepflegt und ordentlich bekleidet gewirkt. Weder bestünden Beeinträchtigungen des Gedächtnisses oder der Merkfähigkeit, ein Interessenverlust oder eine Antriebsminderung noch Wahrnehmungsstörungen. Allerdings habe seine Stimmungslage etwas gedrückt gewirkt. Die vorbeschriebenen Bauchdeckenspasmen seien bei der Begutachtung nicht aufgefallen.
In der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Arztes D. vom 29.11.2006 (Bl. 55 d. SG-Akt.) hat dieser das Gerichtsgutachten kritisch gewürdigt. Abgesehen davon, dass Bauchdeckenspasmen in der Untersuchungssituation nicht hätten beobachtet werden können und "auch die Möglichkeit von Krämpfen der Rückenmuskulatur wenig konkret" sei, existierten eine Reihe öffentlicher Veranstaltungen, an denen der Kläger mit Hilfe eines Krankenfahrstuhles oder mit Hilfe einer Begleitperson teilnehmen könne. Insbesondere gebe es eine Reihe öffentlicher Veranstaltungen, an denen die intermittierend auftretende, ansonsten aber nicht näher beschriebene Unruhe an Kopf und Armen nicht wesentlich stören würde. Bei vielen Veranstaltungen, besonders auch im Freien, bestehe auch unter den Zuschauern in gewissem Sinne eine "motorische Unruhe".
Mit Urteil vom 08.03.2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, Bauchdecken- und Rückenmuskelspasmen seien in der Untersuchungssituation bei Dr. F. nicht aufgetreten. Die bestehende Blasen- und Mastdarm-Lähmung hinderten den Kläger nicht daran, öffentliche Veranstaltungen aufzusuchen. Es bestehe nämlich weder eine Harn- noch eine Stuhlinkontinenz mit unwillkürlichem Harn- oder Stuhlabgang, da der Kläger sich selbst katheterisiere und den Stuhl zwei Mal wöchentlich abführe. Auch unter Berücksichtigung seiner depressiven Anpassungsstörung mit leichter Ausprägung diene es gerade seiner Integration in die Gesellschaft, dass er trotz und mit seiner Behinderung an öffentlichen Veranstaltungen teilnehme. Ein gewisses Maß an motorischer Unruhe hätten dabei die anderen Teilnehmer zu tolerieren. Mangelnde Sprachkenntnisse der Eltern seien jedenfalls kein behinderungsbedingter Grund, nicht an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Letztlich schließe sich das SG insoweit der Auskunft von Dr. E. an.
Gegen das am 02.05.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17.05.2007 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiter verfolgt. Er führt im Wesentlichen aus, wegen seiner Harnentleerungsstörungen und seiner Mastdarm-Lähmung müsse er Einmalwindeln gebrauchen. Aufgrund einer Gesamtschau seiner Leiden lägen bei ihm die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" vor.
Mit einem am 29.04.2008 beim Beklagten eingegangenen weiteren Änderungsantrag hat der Kläger erneut die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs zur Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht begehrt (Bl. 103 d. Bekl.-Akt.).
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme von Dr. F ... Dieser hat unter dem 15.08.2008 (Bl. 28 d. LSG-Akt.) mitgeteilt, bei den während der Untersuchung beobachteten Krämpfen der Rückenmuskulatur handele es sich um unwillkürliche Bewegungen von Oberkörper und Kopf, die sich störend sowohl für den Kläger als auch in entsprechenden Situationen für die Umgebung auswirken könnten. Ebenso verhalte es sich bei den Spasmen der Bauchmuskulatur, die allerdings - wie schon im Gutachten beschrieben - während der Untersuchungssituation nicht aufgetreten seien. Im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung hätten bei längerem Sitzen motorische Unruhezustände mit mäßiggradigen rhythmischen Bewegungen an Oberkörper und Kopf bestanden. Aufgrund seiner sehr eingeschränkten Mobilität sowie aufgrund der Krämpfe der Rücken- bzw. der Bauchmuskulatur sei er behinderungsbedingt daran gehindert, einen nennenswerten Teil der üblichen Veranstaltung zu besuchen (wie z.B. Kino-, Theater-, Konzert- und Vortragsveranstaltungen sowie öffentliche Feste).
Darüber hinaus hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung von sachverständigen Zeugenauskünften bei Dr. E. sowie bei den Dres. B. und B., Ärzte für Orthopädie, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik T ...
Dr. E. hat unter dem 10.06.2009 (Bl. 46 d. LSG-Akt.) berichtet, den Kläger lediglich in großen Zeitabständen behandelt zu haben. Da er ihn außerhalb seines häuslichen Bereichs nicht angetroffen habe, könne er nicht beurteilen, ob und inwieweit dieser auf die Umgebung "abstoßend" wirke. Der Kläger könne kaum dazu bewogen werden, seine Wohnung zu verlassen. Er schäme sich nämlich seines veränderten Körpers - vor dem Hintergrund, dass er früher über einen "athletischen" Körper verfügt habe, der in seinem Selbstwertgefühl eine wichtige Rolle inne gehabt habe.
Dr. B. und Dr. B. haben unter dem 01.10.2009 (Bl. 57 d. LSG-Akt.) mitgeteilt, den Kläger zuletzt am 20.02.2008, 23.03. und 28.05.2009 behandelt zu haben. An öffentlichen Veranstaltungen könne er teilnehmen, da er sich mit seinem Elektrorollstuhl selbständig fortbewegen könne. Bei ihm träten Spastiken auf, die mittlerweile gut eingestellt seien, auch wenn es jederzeit wieder vorkommen könne, dass er seine Gliedmaßen unwillkürlich bewege. Aus ihrer Sicht wirke er auf die Umgebung "weder abstoßend noch störend".
Der Kläger, der zumindest im Sommer 2008 einen längeren Urlaub in der Türkei verbracht hat (Bl. 27 d. LSG-Akt.), hat klargestellt, das anhängige Berufungsverfahren fortführen zu wollen. Den neuerlichen Änderungsantrag beim Beklagten habe er nur deshalb gestellt, weil er irrtümlich vom Ende des Rechtsstreits ausgegangen sei. Dr. F. habe zutreffend den Sachverhalt wiedergegeben, der auch heute noch in vollem Umfang mit den wahren Gegebenheiten übereinstimme (Bl. 34 d. LSG-Akt.). Dr. E. habe bereits in seiner Aussage vom 15.06.2005 ausgeführt, dass er an häufigen Spasmen leide, welche vor allem im Bereich der Bauchmuskulatur aufträten und ihn zwängen, sich hinzulegen. Ein "zu langer" Aufenthalt im Rollstuhl sei ihm häufig nicht möglich. Dass die Dres. B. und B. weder mit seinem äußeren Erscheinungsbild noch mit seinem Verhalten Probleme gehabt hätten, sei "mit Vorsicht zu genießen", da die beiden alltäglich mit vergleichbaren Patienten in Berührung kämen. Es sei erforderlich, Dr. F. ergänzend gutachterlich zu hören, da dieser sich im Berufungsverfahren ohne erneute Untersuchung geäußert habe. Aufgrund der Schwindelsymptomatik sowie der Schweißsekretionsstörung (mit der Gefahr einer Hyperthermie) erscheine auch die Einholung von Gutachten im HNO-ärztlichen bzw. internistischen Bereich "sinnvoll". Da er sich bei hypotoniebedingtem Schwindel in Schocklage ins Bett legen müsse und diese Gefahr stets bestehe, sei ihm eine Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen nicht möglich (Bl. 65 d. LSG-Akt.).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 08. März 2007 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 02. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. November 2005 zu verurteilen, die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht (Merkzeichen "RF") festzustellen, hilfsweise Dr. F. ergänzend nach § 109 SGG hinsichtlich des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" zu hören, höchst hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt unter Hinweis auf eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. R. vom 18.11.2008 (Bl. 37 d. LSG-Akt.), wonach weiterhin nicht ausreichend belegt sei, dass der Kläger an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen könne,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Einholung des beantragten Gutachtens durch Dr. F. gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat der Senat mit Schreiben vom 12.02.2010 (Bl. 67 d. LSG-Akt.) davon abhängig gemacht, dass der Kläger die voraussichtlichen Kosten in Höhe von 1800 EUR bis 10.03.2010 vorschießt und die beigefügte Kostenverpflichtungserklärung ausgefüllt und unterschrieben zurücksendet. Hierauf hat der Kläger weder den angeforderten Betrag eingezahlt noch sonst reagiert.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist gemäß § 143, 144 SGG zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Zu Recht hat das SG mit dem angefochtenen Urteil vom 08.03.2007 die Klage abgewiesen, weil die angefochtenen Bescheide rechtmäßig sind und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "RF".
Streitgegenstand des Verfahrens ist insoweit nicht die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht, sondern die Feststellung ihrer gesundheitlichen Voraussetzungen, die dann für die Rundfunkanstalt, die über eine Befreiung zu entscheiden hat, bindend ist (BSG, Urteil vom 06.10.1981 - Az.: 9 RVs 3/81 -, zit. nach juris).
Nach § 69 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen diese Behörden auch die insoweit erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 4 SGB IX). Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 5 der Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) ist im Ausweis auf der Rückseite das Merkzeichen RF einzutragen, wenn der schwerbehinderte Mensch die landesrechtlich festgelegten gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht erfüllt. Zur Beurteilung des GdB im Einzelfall wendet der Senat die seit 01.01.2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VMG) an. Nach Artikel 5 § 6 Abs. 1 Nr. 7 und 8 des Achten Staatsvertrags zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 08. bis 15.10.2004 in der Fassung des Baden-Württembergischen Gesetzes vom 17.03.2005 werden aus gesundheitlichen Gründen auf Antrag von der Rundfunkgebührenpflicht folgende natürliche Personen und deren Ehegatten befreit: Blinde oder nicht nur vorübergehend wesentlich sehbehinderte Menschen mit einem GdB von 60 allein wegen der Sehbehinderung; hörgeschädigte Menschen, die gehörlos sind oder denen eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich ist; behinderte Menschen, deren GdB nicht nur vorübergehend wenigstens 80 beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können.
Der Kläger gehört nicht zu dem vorstehend bezeichneten Personenkreis. Er ist zweifelsohne weder schwer seh- noch hörgeschädigt, und er ist trotz Vorliegens eines Behinderungsgrades von 100 auch nicht ständig gehindert, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen.
Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist bei der Beurteilung, welche Personen aus gesundheitlichen Gründen von der Rundfunkgebührenpflicht befreit werden können, ein enger Maßstab anzulegen. Unter öffentlichen Veranstaltungen sind alle Zusammenkünfte politischer, künstlerischer, wissenschaftlicher, kirchlicher, sportlicher, unterhaltender und wirtschaftlicher Art zu verstehen (BSG, Urteile vom 10.08.1993 - Az.: 9/9a RVs 7/91 - und 12.02.1997 - Az.: 9 RVs 2/96 -, jeweils zit. nach juris). Die Unmöglichkeit der Teilnahme an solchen Veranstaltungen ist nur dann gegeben, wenn der Schwerbehinderte wegen seines Leidens ständig, d.h. allgemein und umfassend, vom Besuch ausgeschlossen ist, also allenfalls an einem nicht nennenswerten Teil der Gesamtheit solcher Veranstaltungen teilnehmen kann. Dabei ist es unerheblich, ob diejenigen Veranstaltungen, an denen der Behinderte noch teilnehmen kann, seinen persönlichen Bedürfnissen, Neigungen und Interessen entsprechen. Solange der Behinderte mit technischen Hilfsmitteln und mit Hilfe einer Begleitperson in zumutbarer Weise öffentliche Veranstaltungen aufsuchen kann, ist er an der Teilnahme am öffentlichen Geschehen nicht gehindert. Die Unfähigkeit des Behinderten, grundsätzlich an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen, steht damit praktisch der Bindung an das Haus gleich. Aus dem subjektiven Empfinden eines Behinderten, an öffentlichen Veranstaltungen nicht mehr partizipieren zu können, folgt nicht, dass ein Besuch unzumutbar ist (vgl. BSG a.a.O.).
Das BSG hält es zunehmend für zweifelhaft, ob durch den Nachteilsausgleich "RF" überhaupt ein behinderungsbedingter Mehraufwand ausgeglichen wird und ob es tatsächlich sozial geboten erscheint, bestimmten und (auch) finanziell nicht bedürftigen Personengruppen die Benutzung solcher gewöhnlichen Geräte zu finanzieren. Diese Frage - so das BSG - bedürfe keiner abschließenden Klärung, verdeutliche aber, dass an einer engen Auslegung für das Merkzeichen "RF" festgehalten werde (BSG, Urteil vom 10.08.1993, a.a.O.).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme leidet der Kläger vor allem an den Folgen eines im Jahr 2004 erlittenen Sturzes aus 5m Höhe mit anschließender Querschnittslähmung. Zur Zurücklegung einer Gehstrecke benötigt der Kläger einen (elektrischen) Rollstuhl. Hinweise, dass dem Kläger außerhalb seiner Wohnung selbst mit Hilfe seines Rollstuhls und einer Begleitperson eine Fortbewegung ständig nicht möglich wäre, gehen aus den vorliegenden ärztlichen Unterlagen nicht hervor. Mit Hilfe einer Begleitperson, die ihm mit Bescheid vom 18.05.2005 zuerkannt wurde, und unter Benutzung technischer Hilfsmittel (Rollstuhl) kann der Kläger in zumutbarer Weise öffentliche Veranstaltungen aufsuchen und ihnen auch beiwohnen. Aus dem subjektiven Empfinden des Klägers, dies aufgrund seines - aus seiner Sicht - nicht mehr athletisch gebauten Körpers nicht mehr zu vermögen und aufgrund dessen seine Wohnung kaum mehr verlassen zu können, folgt - wie oben unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG ausgeführt - nichts anderes. Im Übrigen hat der Kläger jedenfalls im Sommer 2008 einen längeren Urlaub in der Türkei verbracht, mithin für einen längerem Zeitraum das häusliche Umfeld verlassen.
Von der Teilnahme im angeführten Sinn ausgeschlossen ist jedoch auch der Behinderte, dem das Aufsuchen fast aller öffentlichen Veranstaltungen mit Rücksicht auf die Störung anderer Teilnehmer nicht zugemutet werden kann. Das ist immer dann der Fall, wenn es den anderen Teilnehmern an öffentlichen Veranstaltungen unzumutbar ist, Behinderte wegen Auswirkungen ihrer Behinderungen zu ertragen, insbesondere, wenn diese durch ihre Behinderungen auf ihre Umgebung unzumutbar abstoßend oder störend wirken, z.B. durch Entstellung, Geruchsbelästigung bei unzureichend verschließbarem Anus praeter, häufige hirnorganische Anfälle, grobe unwillkürliche Kopf- und Gliedmaßenbewegungen bei Spastikern, laute Atemgeräusche, wie sie etwa bei Asthmaanfällen und nach Tracheotomie vorkommen können, oder bei ekelerregenden oder ansteckenden Krankheiten (BSG, Urteil vom 12.02.1997 - Az.: 9 RVs 2/96 -, Rdnr. 13 m.w.N., zit. nach juris; vgl. die früheren Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2004, Nr. 33 Nr. 2c).
Vorliegend vermag der Kläger nach den Ausführungen der Dres. Baron und B. nicht längere Zeit ruhig zu sitzen; auch bei medikamentös derzeit gut eingestellter Spastik kann es vorkommen, dass er unwillkürlich seine Gliedmaßen bewegt. Dies wäre - wie oben dargestellt - nur dann relevant, wenn es den anderen Teilnehmern an öffentlichen Veranstaltungen unzumutbar wäre, den Kläger wegen der Auswirkungen seiner Behinderungen zu ertragen, insbesondere, wenn er auf seine Umgebung durch seine Behinderung unzumutbar abstoßend oder störend wirken würde. Dies geht jedoch aus den ärztlichen Unterlagen nicht hervor. Auftretende Lagewechsel und ggfs. auch unwillkürliches "Durchbewegen" von Armen und Beinen machen dem Kläger den Besuch zahlreicher öffentlicher Veranstaltungen nicht unzumutbar, selbst wenn seine motorischen Bewegungen - wie das BSG in seinem Urteil vom 12.02.1997 (a.a.O.) als typischen Beispielsfall angeführt hat - als "grobe unwillkürliche Kopf- und Gliedmaßenbewegungen" anzusehen wären. Insbesondere ist er nach Überzeugung des Senats nicht gehindert, an Veranstaltungen teilzunehmen, die vorwiegend im Freien stattfinden, wie Sportveranstaltungen, Festen und Märkten, mithin an Veranstaltungen, die bereits mit einer erheblichen "motorischen Unruhe" der Teilnehmer verbunden sind. Mag bei einzelnen kulturellen Veranstaltungen, wie z.B. einem Festvortrag oder einem klassischen Konzert, von den Teilnehmern ein ruhiges oder gar "statisches" Verhalten erwünscht sein, so trifft dies auf zahlreiche andere öffentliche Veranstaltungen wie z.B. auf ein Fußballspiel oder ein Rockkonzert nicht zu. Dort ist es als Zuschauer geradezu üblich, in erheblichem Maße auch "körperlich aktiv" teilzunehmen, sei es durch spontane oder bewusst gesteuerte Bewegungen (z.B. Aufstehen, Klatschen, erhebliches Gestikulieren) oder auch durch lautes Rufen, Singen u.ä ... Dass der Kläger an solchen Veranstaltungen nicht bzw. nicht sozial adäquat teilnehmen könnte, vermag der Senat schon deshalb nicht zu erkennen, weil der Öffentlichkeit ein hohes Maß an "Belastung" durch behinderungsbedingte Auffälligkeiten zuzumuten ist (so schon BSG, Urteil vom 10.08.1993, a.a.O.). Darüber hinaus fällt ins Gewicht, dass im letzten Jahrzehnt ein Wechsel in der Sichtweise für behinderte Menschen stattgefunden hat, der dem gesellschaftlichen Wandel und der vermehrten Integration behinderter Menschen Rechnung trägt (Bericht der Bundesregierung über die Lage behinderter Menschen und die Entwicklung ihrer Teilhabe vom 16.12.2004 - Bundestags-Drucks. 15/4575, S. 2f.). Auch wenn die Nachfrage an integrativen Erziehungsangeboten größer ist als das derzeitige Angebot, treffen heutzutage bereits in der Schule - als ein Ort von Rehabilitation und Teilhabe - vermehrt Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung zusammen (Bericht der Bundesregierung, a.a.O., S. 7). So gehen mittlerweile fast 16 % der behinderten Kinder und Jugendlichen gemeinsam mit nichtbehinderten Kindern und Jugendlichen in die Schule (Bericht der Bundesregierung über die Lage von Menschen mit Behinderungen für die 16. Legislaturperiode, 2009, S. 9). Ausgehend von dem Grundsatz, dass Menschen mit Behinderungen "in die Mitte der Gesellschaft" gehören (Bericht der Bundesregierung, a.a.O., S. 1), werden Behinderte insbesondere seit dem Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes im Jahre 2006 (BGBl. I 1897) ausdrücklich vor eventuellen Benachteiligungen im Alltag, mithin auch bei der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen, geschützt. Dies betrifft insbesondere den Abschluss von Geschäften des täglichen Lebens; betroffen sind standardisierte Verträge u.a. mit dem Einzelhandel, in der Gastronomie und im Transportwesen, wie etwa Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Besuche von Restaurants, Diskotheken und Sportveranstaltungen (Bericht der Bundesregierung, a.a.O., S. 23).
Nach der Rechtsprechung des BSG sind Behinderte, die wie der Kläger Einmalwindeln gebrauchen, die den Harn bis zu zwei Stunden ohne Geruchsbelästigung für andere Menschen aufnehmen, nicht allein aus diesem Grunde gehindert, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Dies verstößt weder gegen die Würde des Menschen (Art. 1 Grundgesetz (GG)) noch gegen den Sozialstaatsgrundsatz (Art. 20 Abs. 1 GG). Der Behinderte wird dadurch auch nicht zum Objekt des Staates gemacht oder einer Behandlung ausgesetzt, die seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt (BSG, Urteil vom 12.02.1997, a.a.O., Rdnr. 14 m.w.N.).
Bei dem vorliegenden Verfahrensergebnis war das SG schließlich nicht gehalten, weitere Ermittlungen von Amts wegen nach § 103 SGG vorzunehmen. Dem Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG braucht nicht nachgegangen zu werden. Insbesondere ist kein (erneutes) Gutachten von Dr. F. einzuholen. Der Kläger hat nämlich trotz Fristsetzung den Vorschuss auf die Gutachtenskosten nicht eingezahlt. Auch bei einem möglicherweise unbemittelten Kläger, der die Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG begehrt, darf das Gericht die Einholung davon abhängig machen, dass der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt (BSG, Beschlüsse vom 26.08.1998 - Az.: B 9 VS 7/98 B - und vom 21.01.1958 - Az. 2 RU 256/55 -, jeweils zit. nach juris).
Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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