L 3 AS 1718/10 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 1718/10 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsteller wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Kosten der Unterkunft (KdU) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Wege der einstweiligen Anordnung für die Zeit ab Februar 2010 streitig.

Die 1971 geborene Antragstellerin zu 1 mietete zum 01.12.2008 eine 140 qm große Fünfzimmer-Wohnung in W. zu einer Kaltmiete von 1150 EUR zuzüglich 400 EUR Betriebs- und Heizkosten. Am 02.02.2009 stellte sie für sich und ihre mit ihr in Haushaltsgemeinschaft lebenden Kinder M. H., geboren 1990 (Antragstellerin zu 2), H. St., geboren 2000 (Antragsteller zu 3), M. St., geboren 2001 (Antragsteller zu 4) und B. St., geboren 2004 (Antragsteller zu 5) Antrag auf laufende Leistungen für Unterkunft und Heizung. Beigefügt war ein nervenärztliches Attest des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. vom 25.11.2008, wonach die Tochter M. an einer schweren psychischen Erkrankung leide, sehr stressanfällig sei und ein eigenes Zimmer als Rückzugsmöglichkeit benötige. Weiter beigefügt war eine fachärztliche Stellungnahme der Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie K., Medizinisches Versorgungszentrum H., wonach die Kinder H., B. und M. an tiefgreifenden Entwicklungsstörungen aus dem autistischen Formenkreis litten, auf räumliche Enge und Unruhe mit extremer Überforderung reagierten und dringend jeweils ein Einzelzimmer als Rückzugsmöglichkeit benötigten.

Mit Bescheid vom 05.03.2009 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 01.02.2009 bis zum 31.07.2009 in Höhe von monatlich 1446,87 EUR. Im Bescheid wies er darauf hin, die tatsächlichen Kosten der Unterkunft (Kaltmiete) überschritten den nach § 22 SGB II angemessenen berücksichtigungsfähigen Betrag von 603 EUR (Kaltmiete) um 547 EUR. Die angemessene Wohnfläche für einen Fünfpersonenhaushalt betrage 105 qm, die angemessene Kaltmiete 630 EUR. Die Antragsteller wurden weiter darauf hingewiesen, dass die unangemessenen Unterkunftskosten längstens für sechs Monate übernommen würden. Weiter wurden sie aufgefordert, sich um kostenangemessenen Wohnraum zu bemühen. Mit Bescheid vom 14.09.2009 bewilligte der Antragsgegner Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II für den Monat August 2009 in Höhe von 666,03 EUR und für die Zeit vom 01.09.2009 bis 31.01.2010 in Höhe von monatlich 1427,21 EUR. Weiter wurde mitgeteilt, die Zahlung der vollen Miete erfolge letztmalig bis 31.01.2010, danach erfolge eine Kürzung auf die angemessenen Mietkosten.

Am 13.11.2009 sprach ausweislich des hierüber gefertigten Aktenvermerks die Antragstellerin zu 1 mit ihrer Mutter beim Antragsgegner vor und teilte mit, sie beabsichtigten, nach Mannheim zu ziehen, da die behinderten Kinder dort zur Schule gingen und somit Fahrtzeit und Kosten wegfielen. Sie suchten eine Wohnung mit mindestens sieben bis acht Zimmern, da zu der bisher hier wohnhaften Familie noch die Mutter, die Oma und der älteste Sohn zugezogen seien.

Die Antragsteller legten weiter ein Schreiben des Vermieters vom 30.10.2009 vor, worin dieser das Mietverhältnis wegen rückständiger Mieten für Dezember 2008 und Januar 2009 sowie Nichtzahlung der Mietkaution fristlos zum 31.12.2009 kündigte.

Mit Schreiben vom 09.12.2009 beantragte die Antragstellerin zu 1 die weitere Übernahme der vollen Mietkosten über den 31.10.2010 hinaus. Hierzu teilte sie mit, bis heute habe sie leider kein konkretes Wohnungsangebot erhalten.

Am 01.12.2009 zog der 1988 geborene Sohn E. L. der Antragstellerin zu 1 in die Haushaltsgemeinschaft ein.

Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 26.01.2010 bewilligte der Antragsgegner mit Bescheid vom 26.01.2010 Leistungen für Unterkunft und Heizung gem. § 22 Abs. 1 SGB II für die Antragsteller zu 1 bis 5 für die Zeit vom 01.02. bis 31.03.2010 in Höhe von monatlich 728,10 EUR und vom 01.04.2010 bis 31.07.2010 in Höhe von monatlich 726,83 EUR. Hierbei legte er die höchste Mietstufe des R.-N.-Kreises zugrunde. Danach betragen die berücksichtigungsfähigen angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung für sechs Personen monatlich: Für die Kaltmiete 772 EUR Für die (kalten) Nebenkosten: 168 EUR Für die Heizkosten: 105 EUR

Hiervon abzuziehen sei der auf E. L. St. entfallende Mietanteil von 128,67 EUR, Nebenkostenanteil von 28 EUR sowie Heizkostenanteil von 17,50 EUR. Bei B. St. sei zudem Einkommen in Höhe von 142,73 EUR einsetzbar. Hiergegen haben die Antragsteller am 17.02.2010 Widerspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden ist.

Am 28.01.2010 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Mannheim (SG) beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verurteilen, ihnen ab dem 01.02.2010 Unterkunftskosten in Höhe von 1446,87 EUR monatlich zumindest bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens zu gewähren. Hierzu haben sie u.a. ein Schreiben des Vermieters vom 07.12.2009 vorgelegt, wonach dieser bereit sei, das weitere Wohnen der Antragsteller in der jetzigen Wohnung "fest zu erwägen", wenn die Zahlungsrückstände vollständig getilgt seien und zu erwarten sei, dass sie die ihnen zustehenden staatlichen Mietleistungen pünktlich erhielten.

Dem ist der Antragsgegner mit Schreiben vom 05.02.2010 entgegen getreten.

Mit Beschluss vom 05.03.2010 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, es liege zwar ein Anordnungsgrund vor, denn den Antragstellern würden sei Februar 2010 nur noch die aus Sicht des Antragsgegners angemessenen Kosten der Unterkunft gewährt. Es fehle jedoch an einem Anordnungsanspruch. Denn derzeit könne am Wohnort der Antragsteller zumutbarer Wohnraum mit der vom Antragsgegner für angemessen erachteten Kaltmiete in Höhe von 772 EUR gefunden werden.

Gegen den am 09.03.2010 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller am 01.04.2010 Beschwerde eingelegt und u.a. vorgetragen, die Mutter der Antragstellerin zu 1 lebe seit Dezember 2009 gleichfalls in der Wohnung, da eine von ihr ab Januar 2010 angemietete Wohnung nie bezugsfertig geworden sei. Die Großmutter der Antragstellerin zu 1 habe nie in der streitgegenständlichen Wohnung gewohnt. Der Sohn E. L. beziehe auf Grund seiner Behinderung Leistungen nach dem SGB XII.

Der Antragsgegner hat ein Schreiben der ZDK Gesellschaft Demokratische Kultur gGmbH vom 10.06.2010 vorgelegt, wonach diese im Rahmen eines Programmes des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) die Betreuung der Familie St. übernommen und nunmehr eine passende Wohnung zu einer Kaltmiete von 700,00 EUR gefunden habe, die 650 km vom jetzigen Wohnort der Familie entfernt liege. Das neue Mietverhältnis beginne zum 01.07.2010.

II.

Die Beschwerde der Antragsteller ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragsteller vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1 [sog. Sicherungsanordnung]). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 [sog. Regelungsanordnung]).

Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist dabei nach § 86b Abs. 2 Satz 3 SGG i. V. m. § 920 ZPO sowohl für die Sicherungsanordnung als auch für die Regelungsanordnung, dass der Antragsteller die Gefährdung eines eigenen Individualinteresses (Anordnungsgrund) und das Bestehen eines Rechts (Anordnungsanspruch) glaubhaft macht. Außerdem darf eine stattgebende Entscheidung die Hauptsache grundsätzlich nicht, auch nicht zeitlich befristet, vorwegnehmen, es sei denn, dass dies zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes unerlässlich ist.

In Anwendung dieser Grundsätze haben die Antragsteller keinen Anspruch auf Erlass der begehrten Regelungsanordnung. Es ist bereits fraglich, ob ein Anordnungsanspruch gegeben ist, ob die Antragsteller also Anspruch auf Übernahme der die angemessenen Unterkunftskosten wesentlich übersteigenden tatsächlichen Unterkunftskosten haben, nachdem der Antragsgegner über den in § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II genannten Zeitraum von sechs Monaten hinaus bereits für 13 Monate die tatsächlichen Unterkunftskosten übernommen hat und der Nachweis, dass trotz intensiver Suche eine kostenangemessene Wohnung nicht gefunden werden konnte, nicht geführt sein dürfte.

Dies kann vorliegend jedoch dahingestellt und einer Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben, da jedenfalls kein Anordnungsgrund vorliegt. Ein Anordnungsgrund liegt vor, wenn die Antragsteller bei einem Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache Gefahr liefen, ihre Rechte nicht mehr realisieren zu können, wenn also vollendete Tatsachen geschaffen würden, bevor sie wirksamen Rechtsschutz erlangen konnten (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 86b Rn. 27a; Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, Rn. 297, m.w.N.). Denn die einstweilige Anordnung dient der Abwendung schwerer und unzumutbarer, anders nicht abwendbarer Nachteile, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfG, Beschluss v. 22.11.2002 - 1 BvR 1586/02). Dies wäre vorliegend der Fall, wenn den Antragstellern aufgrund der aktuellen Mietrückstände Wohnungslosigkeit drohte.

Gegen das Vorliegen eines Anordnungsgrundes spricht zum einen, dass der Vermieter die mit Schreiben vom 30.10.2009 aus anderen Gründen (Mietrückstand Dezember 2008 und Januar 2009 sowie Mietkaution) ausgesprochene Kündigung zum 31.12.2009 bereits mit Schreiben vom 07.12.2009 wieder zurückgenommen und eine Kündigung wegen seit Februar 2010 ausstehender Mietrückstände nicht ausgesprochen hat.

Gegen das Vorliegen eines Anordnungsgrundes spricht zum anderen die Mitteilung der die Antragsteller betreuenden ZDK, diese würden zum 01.07.2010 in eine andere - kostenangemessene - Wohnung umzuziehen. Auch danach ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung zum Erhalt der Wohnung nicht mehr erforderlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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