Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 6191/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 3042/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 10.06.2008 aufgehoben, soweit dort eine auf Feststellung eines Müdigkeitssyndroms als Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII gerichtete kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage abgewiesen worden ist. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Die Klage auf Aufhebung des Bescheides vom 06.06.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.08.2007 und Feststellung eines Müdigkeitssyndrom als Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Feststellung eines chronischen Müdigkeitssyndroms als Berufskrankheit (BK) bzw. eine BK nach Nr. 1316 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).
Der am 1948 geborene Kläger war - soweit für die geltend gemachten Expositionen relevant - von 1979 bis zum Eintritt von Arbeitsunfähigkeit im Jahre 2005 als Lkw-Fahrer und Maschinist bei einer Baufirma beschäftigt, die auf Dächern Polyurethan(PUR)-Dachspritzschäume aufbrachte. Zu seinen Aufgaben gehörte es auch, die mobile PUR-Spritzanlage zu bedienen, diese Anlage mit den Komponenten des PUR-Schaumes zu versorgen und zu reinigen. Dimethylformamid (DMF) wurde dabei als Reiniger in einem im Freien stehenden Reinigungsbad eingesetzt. Dementsprechend war der Kläger neben den Komponenten des PUR-Schaumes auch diesem Stoff gegenüber exponiert.
Aus einem Nachschaubericht betreffend einen Arbeitsunfall im Juli 2005 erlangte die Beklagte Kenntnis von möglichen allergischen Reaktionen des Klägers und darauf beruhender Arbeitsunfähigkeit zur Vermeidung weiteren Kontaktes mit Berufsstoffen. Im Zuge der weiteren Ermittlungen holte die Beklagte Auskünfte der behandelnden Ärzte, so der Hausärztin Dr. H. (chronisches Müdigkeitssyndrom, Exanthem am ganzen Körper) und des Umweltmediziners Dr. Ba. (schweres Umweltsyndrom, chronisches Müdigkeitssyndrom, Sofortreaktionen auf verschiedene chemische Stoffe und Schimmelpilze) sowie das Gutachten des Facharztes für Arbeitsmedizin Prof. Dr. N. ein. Dieser diagnostizierte eine chronisch obstruktive Atemwegserkrankung bei langjährigem hohen Nikotinkonsum, eine kutane Mastozytose (Anhäufung von Mastzellen in der Haut), eine Wespengiftallergie, einen Verdacht auf belastungsinduzierte arterielle Hypertonie, einen Verdacht auf ein Schlafapnoesyndrom und eine Polyposis nasi (Schleimhautveränderungen in den Nasennebenhöhlen) und gelangte zu dem Ergebnis, dass diese Gesundheitsstörungen nicht durch die berufliche Tätigkeit verursacht worden seien. Hinsichtlich der Exposition gegenüber DMF führte er aus, dieser Stoff könne in hohen Konzentrationen, die deutlich über der Geruchsschwelle lägen, zu Reizerscheinungen an den oberen Atemwegen führen. Bei chronischer Exposition träten primär Leberschädigungen auf, welche nach der BK Nr. 1316 anzuerkennen wären.
Nachdem die Beklagte verschiedene andere BKen in diesem Zusammenhang abgelehnt (s. hierzu das beim Senat anhängige Verfahren L 10 U 3784/09) und der Kläger in seinem Widerspruch hiergegen auf ein chronisches Müdigkeitssyndrom als BK hingewiesen hatte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 06.06.2007 und Widerspruchsbescheid vom 08.08.2007 die Anerkennung des Müdigkeitssyndroms nach Nr. 1316 der Anlage zur BKV und nach § 9 Abs. 2 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) als Wie-BK ab. Am 14.08.2007 hat der Kläger beim Sozialgericht Stuttgart Klage "bezüglich der Anerkennung der Berufskrankheit Nr. 1316" erhoben und mit weiterem Schriftsatz vom 20.09.2007 beantragt, die angefochtenen Bescheide aufzuheben und "die Berufskrankheit nach Nr. 1316 der Anlage zur BKV" festzustellen und auf sein chronisches Müdigkeitssyndrom hingewiesen.
Mit Gerichtsbescheid vom 10.06.2008 hat das Sozialgericht, ausgehend von einem Antrag, eine BK nach Nr. 1316 und/oder nach § 9 Abs. 2 SGB VII festzustellen, die Klage abgewiesen und im Hinblick auf die BK nach Nr. 1316 der Anlage 1 der BKV ausgeführt, klinisch entspreche das Krankheitsbild der BK 1316 dem einer Leberverfettung oder einer Fettleber. Beim Kläger sei nach dem Gutachten von Prof. Dr. N. und dem ärztlichen Entlassungsbericht von Dr. W. - stationäre Behandlung von Januar bis Februar 2006 im N -Sanatorium M. - keine derartige Erkrankung diagnostiziert worden. Bereits aus diesem Grund komme die Anerkennung der BK nicht in Betracht. Da die Ursachen und Krankheitsmechanismen des chronischen Müdigkeitssyndroms bis heute nicht bekannt seien, sei auch eine Anerkennung einer Wie-BK nicht möglich.
Hiergegen hat der Kläger am 26.06.2008 Berufung eingelegt.
Er beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 10.06.2008 und den Bescheid vom 06.06.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.08.2007 aufzuheben und beim Kläger eine BK nach Nr. 1316 der Anlage 1 zur BKV und/oder ein Müdigkeitssyndrom wie eine BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist nur zu einem geringen Teil begründet. Das Sozialgericht hätte eine Klage hinsichtlich der Feststellung einer Wie-BK nicht abweisen dürfen, weil der Kläger eine solche Klage nicht erhoben hatte. Im Übrigen, hinsichtlich der Feststellung einer BK bleibt das Begehren des Klägers dagegen ohne Erfolg.
Mit seiner innerhalb der Klagefrist erhobenen Klage hat der Kläger lediglich die Ablehnung der BK Nr. 1316 der Anlage 1 zur BKV angegriffen, nicht hingegen die Ablehnung des chronischen Müdigkeitssyndroms als Wie-BK. Dies ergibt sich in wünschenswerter Deutlichkeit zum einen aus der Klageschrift vom 14.08.2007 mit dem Vermerk "Klage bzgl. der Anerkennung der Berufskrankheit Nr. 1316" und wird bestätigt durch den Schriftsatz vom 20.09.2007 und dem dort allein im Hinblick auf die BK Nr. 1316 der Anlage 1 zur BKV gestellten Antrag. Der Kläger hat gegen diese Würdigung seines prozessualen Begehrens erster Instanz (Aufklärungsschreiben des Senats vom 21.11.2008) auch keine Einwände erhoben. Das Sozialgericht hätte somit eine Klage bzgl. einer Wie-BK nicht abweisen dürfen. Der Senat hat bereits entschieden (Urteil vom 24.01.2008, L 10 R 3300/07 unter Hinweis auf BSG, Beschluss vom 16.03.2006, B 4 RA 24/05 B in SozR 4-1500 § 160a Nr. 13 und eine vergleichbare Fallgestaltung), dass in solchen Fällen die erstinstanzliche Entscheidung insoweit aufzuheben ist. Anderes gälte nur dann, wenn der Kläger das erstinstanzliche Urteil insoweit nicht anfechten würde (Urteil des Senats vom 19.02.2009, L 10 R 4537/07). Dies ist jedoch nicht der Fall. Der Kläger begehrt vielmehr unter Anfechtung des klageabweisenden Urteils nunmehr auch auf die Feststellung einer Wie-BK.
Zulässiger Gegenstand des Rechtsstreits ist somit allein die Feststellung einer BK nach Nr. 1316 der Anlage 1 zur BKV. Hierüber entschied die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden, diesbezüglich hat der Kläger vor dem Sozialgericht Stuttgart form- und fristgerecht Klage erhoben, diese Klage hat das Sozialgericht abgewiesen und dieses Begehren verfolgt er in seiner Berufung weiter.
Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und BKen (§ 7 Abs. 1 SGB VII). BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte in Folge einer den Versicherungsschutz nach den § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB VII). Hierzu zählen nach Nr. 1316 der Anlage 1 zur BKV Erkrankungen der Leber durch Dimethylformamid (DMF).
Zwar war der Kläger nach der Sachaufklärung der Beklagten gegenüber diesem Listenstoff DMF exponiert. Dies genügt indessen nicht für die Feststellung der BK Nr. 1316 der Anlage 1 zur BKV. Denn Voraussetzung für eine solche Feststellung ist auch das Vorliegen einer Erkrankung der Leber. Diesbezüglich hat das Sozialgericht im angefochtenen Gerichtsbescheid ausführlich und zutreffend dargelegt, aus welchen Gründen beim Kläger keine derartige Lebererkrankung angenommen werden kann. Der Senat sieht deshalb gem. § 153 Abs. 2 SGG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch die den Kläger ambulant behandelnden Ärzte, insbesondere die Hausärztin Dr. H. und der Umweltmediziner Dr. Ba. keine Lebererkrankung diagnostiziert haben. Der Kläger behauptet noch nicht einmal das Vorliegen einer derartigen Erkrankung.
Soweit er vorträgt, der Stand der medizinischen Wissenschaft habe sich gewandelt und es müsse nicht alleine eine Lebererkrankung vorausgesetzt werden, folgt ihm der Senat nicht. Denn der Wortlaut der streitigen BK Nr. 1316 der Anlage 1 zur BKV ist insoweit eindeutig.
Soweit der Kläger in der Berufung und damit erstmalig im Rechtsstreit die Feststellung einer Wie-BK beantragt, handelt es sich um eine Klageerweiterung und damit eine Klageänderung i.S. des § 99 SGG, über die der Senat auf Klage entscheidet. Es bedarf keiner weiteren Ausführungen zur Zulässigkeit dieser Klageänderung durch eine rügelose Einlassung der Beklagten (§ 99 Abs. 1 und 2 SGG) und zur fehlenden erstinstanzlichen Zuständigkeit des Landessozialgerichts (siehe BSG, Urteil vom 31.07.2002, B 4 RA 20/01 R in SozR 3-1500 § 29 Nr. 1). Denn die geänderte Klage ist jedenfalls unzulässig und vom Senat abzuweisen, weil der angefochtene Bescheid mangels rechtzeitiger Anfechtung im Hinblick auf die geltend gemachte Wie-BK bestandskräftig (§ 77 SGG) geworden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Bei bloß formalem Teilerfolg der Berufung und Erfolglosigkeit des Rechtsstreits im Hinblick auf das eigentliche materielle Begehren des Klägers hält der Senat eine auch nur teilweise Kostenerstattung nicht für angemessen.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Die Klage auf Aufhebung des Bescheides vom 06.06.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.08.2007 und Feststellung eines Müdigkeitssyndrom als Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Feststellung eines chronischen Müdigkeitssyndroms als Berufskrankheit (BK) bzw. eine BK nach Nr. 1316 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).
Der am 1948 geborene Kläger war - soweit für die geltend gemachten Expositionen relevant - von 1979 bis zum Eintritt von Arbeitsunfähigkeit im Jahre 2005 als Lkw-Fahrer und Maschinist bei einer Baufirma beschäftigt, die auf Dächern Polyurethan(PUR)-Dachspritzschäume aufbrachte. Zu seinen Aufgaben gehörte es auch, die mobile PUR-Spritzanlage zu bedienen, diese Anlage mit den Komponenten des PUR-Schaumes zu versorgen und zu reinigen. Dimethylformamid (DMF) wurde dabei als Reiniger in einem im Freien stehenden Reinigungsbad eingesetzt. Dementsprechend war der Kläger neben den Komponenten des PUR-Schaumes auch diesem Stoff gegenüber exponiert.
Aus einem Nachschaubericht betreffend einen Arbeitsunfall im Juli 2005 erlangte die Beklagte Kenntnis von möglichen allergischen Reaktionen des Klägers und darauf beruhender Arbeitsunfähigkeit zur Vermeidung weiteren Kontaktes mit Berufsstoffen. Im Zuge der weiteren Ermittlungen holte die Beklagte Auskünfte der behandelnden Ärzte, so der Hausärztin Dr. H. (chronisches Müdigkeitssyndrom, Exanthem am ganzen Körper) und des Umweltmediziners Dr. Ba. (schweres Umweltsyndrom, chronisches Müdigkeitssyndrom, Sofortreaktionen auf verschiedene chemische Stoffe und Schimmelpilze) sowie das Gutachten des Facharztes für Arbeitsmedizin Prof. Dr. N. ein. Dieser diagnostizierte eine chronisch obstruktive Atemwegserkrankung bei langjährigem hohen Nikotinkonsum, eine kutane Mastozytose (Anhäufung von Mastzellen in der Haut), eine Wespengiftallergie, einen Verdacht auf belastungsinduzierte arterielle Hypertonie, einen Verdacht auf ein Schlafapnoesyndrom und eine Polyposis nasi (Schleimhautveränderungen in den Nasennebenhöhlen) und gelangte zu dem Ergebnis, dass diese Gesundheitsstörungen nicht durch die berufliche Tätigkeit verursacht worden seien. Hinsichtlich der Exposition gegenüber DMF führte er aus, dieser Stoff könne in hohen Konzentrationen, die deutlich über der Geruchsschwelle lägen, zu Reizerscheinungen an den oberen Atemwegen führen. Bei chronischer Exposition träten primär Leberschädigungen auf, welche nach der BK Nr. 1316 anzuerkennen wären.
Nachdem die Beklagte verschiedene andere BKen in diesem Zusammenhang abgelehnt (s. hierzu das beim Senat anhängige Verfahren L 10 U 3784/09) und der Kläger in seinem Widerspruch hiergegen auf ein chronisches Müdigkeitssyndrom als BK hingewiesen hatte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 06.06.2007 und Widerspruchsbescheid vom 08.08.2007 die Anerkennung des Müdigkeitssyndroms nach Nr. 1316 der Anlage zur BKV und nach § 9 Abs. 2 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) als Wie-BK ab. Am 14.08.2007 hat der Kläger beim Sozialgericht Stuttgart Klage "bezüglich der Anerkennung der Berufskrankheit Nr. 1316" erhoben und mit weiterem Schriftsatz vom 20.09.2007 beantragt, die angefochtenen Bescheide aufzuheben und "die Berufskrankheit nach Nr. 1316 der Anlage zur BKV" festzustellen und auf sein chronisches Müdigkeitssyndrom hingewiesen.
Mit Gerichtsbescheid vom 10.06.2008 hat das Sozialgericht, ausgehend von einem Antrag, eine BK nach Nr. 1316 und/oder nach § 9 Abs. 2 SGB VII festzustellen, die Klage abgewiesen und im Hinblick auf die BK nach Nr. 1316 der Anlage 1 der BKV ausgeführt, klinisch entspreche das Krankheitsbild der BK 1316 dem einer Leberverfettung oder einer Fettleber. Beim Kläger sei nach dem Gutachten von Prof. Dr. N. und dem ärztlichen Entlassungsbericht von Dr. W. - stationäre Behandlung von Januar bis Februar 2006 im N -Sanatorium M. - keine derartige Erkrankung diagnostiziert worden. Bereits aus diesem Grund komme die Anerkennung der BK nicht in Betracht. Da die Ursachen und Krankheitsmechanismen des chronischen Müdigkeitssyndroms bis heute nicht bekannt seien, sei auch eine Anerkennung einer Wie-BK nicht möglich.
Hiergegen hat der Kläger am 26.06.2008 Berufung eingelegt.
Er beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 10.06.2008 und den Bescheid vom 06.06.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.08.2007 aufzuheben und beim Kläger eine BK nach Nr. 1316 der Anlage 1 zur BKV und/oder ein Müdigkeitssyndrom wie eine BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist nur zu einem geringen Teil begründet. Das Sozialgericht hätte eine Klage hinsichtlich der Feststellung einer Wie-BK nicht abweisen dürfen, weil der Kläger eine solche Klage nicht erhoben hatte. Im Übrigen, hinsichtlich der Feststellung einer BK bleibt das Begehren des Klägers dagegen ohne Erfolg.
Mit seiner innerhalb der Klagefrist erhobenen Klage hat der Kläger lediglich die Ablehnung der BK Nr. 1316 der Anlage 1 zur BKV angegriffen, nicht hingegen die Ablehnung des chronischen Müdigkeitssyndroms als Wie-BK. Dies ergibt sich in wünschenswerter Deutlichkeit zum einen aus der Klageschrift vom 14.08.2007 mit dem Vermerk "Klage bzgl. der Anerkennung der Berufskrankheit Nr. 1316" und wird bestätigt durch den Schriftsatz vom 20.09.2007 und dem dort allein im Hinblick auf die BK Nr. 1316 der Anlage 1 zur BKV gestellten Antrag. Der Kläger hat gegen diese Würdigung seines prozessualen Begehrens erster Instanz (Aufklärungsschreiben des Senats vom 21.11.2008) auch keine Einwände erhoben. Das Sozialgericht hätte somit eine Klage bzgl. einer Wie-BK nicht abweisen dürfen. Der Senat hat bereits entschieden (Urteil vom 24.01.2008, L 10 R 3300/07 unter Hinweis auf BSG, Beschluss vom 16.03.2006, B 4 RA 24/05 B in SozR 4-1500 § 160a Nr. 13 und eine vergleichbare Fallgestaltung), dass in solchen Fällen die erstinstanzliche Entscheidung insoweit aufzuheben ist. Anderes gälte nur dann, wenn der Kläger das erstinstanzliche Urteil insoweit nicht anfechten würde (Urteil des Senats vom 19.02.2009, L 10 R 4537/07). Dies ist jedoch nicht der Fall. Der Kläger begehrt vielmehr unter Anfechtung des klageabweisenden Urteils nunmehr auch auf die Feststellung einer Wie-BK.
Zulässiger Gegenstand des Rechtsstreits ist somit allein die Feststellung einer BK nach Nr. 1316 der Anlage 1 zur BKV. Hierüber entschied die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden, diesbezüglich hat der Kläger vor dem Sozialgericht Stuttgart form- und fristgerecht Klage erhoben, diese Klage hat das Sozialgericht abgewiesen und dieses Begehren verfolgt er in seiner Berufung weiter.
Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und BKen (§ 7 Abs. 1 SGB VII). BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte in Folge einer den Versicherungsschutz nach den § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB VII). Hierzu zählen nach Nr. 1316 der Anlage 1 zur BKV Erkrankungen der Leber durch Dimethylformamid (DMF).
Zwar war der Kläger nach der Sachaufklärung der Beklagten gegenüber diesem Listenstoff DMF exponiert. Dies genügt indessen nicht für die Feststellung der BK Nr. 1316 der Anlage 1 zur BKV. Denn Voraussetzung für eine solche Feststellung ist auch das Vorliegen einer Erkrankung der Leber. Diesbezüglich hat das Sozialgericht im angefochtenen Gerichtsbescheid ausführlich und zutreffend dargelegt, aus welchen Gründen beim Kläger keine derartige Lebererkrankung angenommen werden kann. Der Senat sieht deshalb gem. § 153 Abs. 2 SGG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch die den Kläger ambulant behandelnden Ärzte, insbesondere die Hausärztin Dr. H. und der Umweltmediziner Dr. Ba. keine Lebererkrankung diagnostiziert haben. Der Kläger behauptet noch nicht einmal das Vorliegen einer derartigen Erkrankung.
Soweit er vorträgt, der Stand der medizinischen Wissenschaft habe sich gewandelt und es müsse nicht alleine eine Lebererkrankung vorausgesetzt werden, folgt ihm der Senat nicht. Denn der Wortlaut der streitigen BK Nr. 1316 der Anlage 1 zur BKV ist insoweit eindeutig.
Soweit der Kläger in der Berufung und damit erstmalig im Rechtsstreit die Feststellung einer Wie-BK beantragt, handelt es sich um eine Klageerweiterung und damit eine Klageänderung i.S. des § 99 SGG, über die der Senat auf Klage entscheidet. Es bedarf keiner weiteren Ausführungen zur Zulässigkeit dieser Klageänderung durch eine rügelose Einlassung der Beklagten (§ 99 Abs. 1 und 2 SGG) und zur fehlenden erstinstanzlichen Zuständigkeit des Landessozialgerichts (siehe BSG, Urteil vom 31.07.2002, B 4 RA 20/01 R in SozR 3-1500 § 29 Nr. 1). Denn die geänderte Klage ist jedenfalls unzulässig und vom Senat abzuweisen, weil der angefochtene Bescheid mangels rechtzeitiger Anfechtung im Hinblick auf die geltend gemachte Wie-BK bestandskräftig (§ 77 SGG) geworden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Bei bloß formalem Teilerfolg der Berufung und Erfolglosigkeit des Rechtsstreits im Hinblick auf das eigentliche materielle Begehren des Klägers hält der Senat eine auch nur teilweise Kostenerstattung nicht für angemessen.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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