L 10 U 971/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 14 U 4279/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 971/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17.01.2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung einer atypischen chronischen myeoloischen Leukämie (CML) als Berufskrankheit (BK) nach der Nr. 1303 bzw. 1318 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) streitig.

Der am 1954 geborene Kläger war in der Zeit von 1971 bis 1983 - unterbrochen durch Ableistung des Wehrdienstes in seinem Herkunftsland, J. - als Maschinenarbeiter, Bauarbeiter, Gebäudereiniger, Transportarbeiter und LKW-Fahrer beschäftigt. Umgang mit Chemikalien hatte er in dem gesamten Zeitraum von 1971 bis 1983 nicht.

Vom 15.01.1984 bis 31.01.1987 war der Kläger als Kraftfahrer und Lagerarbeiter bei der Firma F. H. , S. , einer Schrottverwertungsfirma, beschäftigt. In diesem Betrieb wurden ältere Elektromotoren bzw. Teile von Elektromotoren aufgearbeitet, um Kupferschrott zu gewinnen. Bei seiner Tätigkeit hatte der Kläger einerseits mit dem LKW Materialien zu transportieren und andererseits die Elektromotoren zu zerlegen, um aus diesen Kupfer zu gewinnen. Zur Gewinnung des Kupfers aus den Elektromotoren wurden die Motoren zunächst mechanisch zerlegt und die Elektrowicklung freigelegt. Um die Lack- und sonstigen Überzüge der Kupferwicklung zu entfernen, wurde diese in einem Ofen erhitzt, was zunächst nicht bei der Firma H. , sondern bei der Firma K. , E. , geschah. An diesem Ofen war der Kläger selbst nicht tätig. Etwa ab Juli 1985 betrieb die Firma H. einen eigenen Ofen zur Aufarbeitung des Kupferschrotts, der zunächst ohne, etwa ab November/Dezember 1985 mit einer Abgasreinigungsanlage betrieben wurde. Nach Anschaffung des firmeneigenen Ofens führte der Kläger Tätigkeiten an diesem aus, indem er das aus den zerlegten Motoren gewonnene Material in den Ofen ein- und ausbrachte, wobei er Dämpfen ausgesetzt war, die beim Erhitzen freigesetzt wurden. Nach dem Herausholen der Teile aus dem Ofen wurde mit Hilfe eines Ziehgeräts die Kupferwicklung herausgelöst. Der Betrieb des Ofens bei der Firma H. wurde Ende des Jahres 1986/Anfang des Jahres 1987 eingestellt. Zum 31.01.1987 wurde der Kläger wegen Betriebsverkleinerung entlassen, wobei er nach Stilllegung des Ofens neben dem An- und Abtransport von nun verarbeiteten Erdkabeln auch zum Entfetten des aus diesen Kabeln gewonnenen Kupfers mittels Benzin eingesetzt war. Dabei wurde das Kupfer in einen oben offenen Tank gelegt, der mit Benzin gefüllt war. Anschließend wurden die Stücke aus dem Tank entnommen und zur Trocknung in ein 200-Literfass gestellt. Der Tank befand sich in einem Schuppen, bei Ausübung der Tätigkeiten wurden bis zum Ellenbogen reichende Gummihandschuhe getragen.

Bereits während seiner Tätigkeit an dem Verbrennungsofen traten bei dem Kläger Weichteilschwellungen im Gesicht auf, die allerdings nach Kühlung mittels Wasser rückläufig waren. Am 05.08.1987 stellte sich der Kläger zur Kontrolle der Operationsfähigkeit bei einer geplanten Nasenoperation in der Universitätsklinik H. vor (Befundbericht des Prof. Dr. H. , Direktor der Medizinischen Klinik und Polyklinik V der Universitätsklinik H. ). Zum damaligen Zeitpunkt bestanden - so Prof. Dr. H. - eine Deformierung der Nase sowie paranasale Weichteilschwellungen, die hno-ärztlicherseits als organisierte Hämatome nach zweifacher Nasenbeinfraktur interpretiert wurden. Bei der körperlichen Untersuchung fiel - so Prof. Dr. H. - zum damaligen Zeitpunkt bereits eine vergrößerte Milz und im Routinelabor eine Leukozytose von 14.000 mit einem Eosinophilen-Anteil von 56 %, eine Anämie mit einem Hb von 10,7 g% sowie eine Thrombopenie von 67.000 auf. Die weitere Abklärung ergab die Diagnose einer CML mit Hypereosionophilie (bei Translokation 4/16), einhergehend mit einer eosinophilen Fascilitis am Stamm und den unteren Extremitäten sowie äthiologisch unklarer subkutaner Weichteilschwellungen im Gesicht (Befundbericht des Prof. Dr. H. ). Die Erkrankung befindet sich nach allogener Knochenmarktranspantation im September 1989 (Befundbericht des Prof. Dr. K. , L.-Universität M. ) in Remission. Ab 01.09.1988 erhielt der Kläger von der Landesversicherungsanstalt Baden (heute Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg) eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit. Seit 1993 ist der Kläger erneut als LKW-Fahrer für einen Getränkehandel beschäftigt.

Wegen des Verdachts der Verursachung der CML durch die Exposition gegenüber mutagenen Gasen bei der Erhitzung der Elektromotoren während der Tätigkeit bei der Firma H. erstattete Dr. M. , Universitätsklinik H. , am 04.02.1989 bei der Beklagten eine ärztliche Anzeige über eine BK. Aus dem in diesem Zusammenhang von der Beklagten von der damaligen A. krankenkasse (A ) K. beigezogenen Kontoauszug aus dem Leistungswesen gehen Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers vom 07.08.1986 bis 05.09.1986, 17.11.1986 bis 12.12.1986 und 30.12.1986 bis 30.01.1987 hervor. Bei der erstmaligen Befragung des Klägers im Juli 1989 durch den Präventionsdienst der Beklagten, Dr. W. , gab der Kläger hinsichtlich der bei der Firma H. verrichteten Tätigkeiten an, hauptsächlich als Lagerarbeiter zur Aufarbeitung, zum Sortieren und Verladen von Schrott und gelegentlich als Kraftfahrer eingesetzt gewesen zu sein. Dabei hätten Elektromotoren teilweise zerlegt werden, die Kupferwicklungen mittels eines Trennschleifergeräts aufgeschnitten werden und bei Getriebemotoren auch das Getriebeöl entleert werden müssen. Nach Anschaffung des Ofens durch die Firma H. sei dieser zu bestücken gewesen, wobei gewöhnlich zwei Wochen lang 20 bis 30 Tonnen Material aufgearbeitet worden sei (Zerlegen von Motoren, Zerschneiden von Elektrowicklungen), um danach weitere zwei Wochen täglich den Ofen zu betreiben. An diesem seien insgesamt vier Personen eingesetzt gewesen, wobei er am meisten am Ofen eingesetzt gewesen sei.

Die von der Beklagten wegen des Verdachts auf eine Exposition gegenüber Dioxinen veranlassten Ermittlungen (Untersuchung von Proben aus dem Ofen bei der Firma H. durch Prof. Dr. Ha. , Institut für organische Chemie der Universität T. und Bestimmung von Polychlordibenzodioxinen und -furanen - PCDD/PCDF - in Fett-, Knochenmark- und Blutproben des Klägers durch Dr. B. , E. Forschungsgesellschaft mbH, H. ) ergaben keinen Hinweis auf eine Belastung des Klägers durch PCDD/PCDF. Nach Einholung eines Gutachtens durch Prof. Dr. T. , Direktor des Instituts und der Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin der Universität H. (die CML sei mit Wahrscheinlichkeit nicht Folge der beruflichen Tätigkeit des Klägers bei der Firma H. , eine BK nach Nr. 1310 der Anlage 1 zur BKV - Erkrankungen durch halogenierte Alkyl, Aryl- oder Alkylaryloxide - liege nicht vor) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14.02.1991 und Widerspruchsbescheid vom 16.07.1991 die Anerkennung einer BK nach der Nr. 1310 der Anlage 1 zur BKV ab.

In dem hiergegen vor dem Sozialgericht Karlsruhe durchgeführten Klageverfahren (S 4 U 2125/91) erstattete u.a. Dr. M. , Universitätsklinik H. , auf Antrag des Klägers nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) das Gutachten vom Juli 1993, in welchem er ausführte, ein Zusammenhang der Erkrankung des Klägers mit der beruflichen Belastung könne nicht schlüssig bewiesen werden, empfehlenswert sei allerdings auch im Hinblick auf eine im Juli 1986 diagnostizierte Erkrankung eines Arbeitskollegen des Klägers an einer Philadelphia-Chromosomen-positiven CML eine Simulation und nähere Untersuchung der Arbeitssituation an dem Verschwelungsofen im Rahmen einer Laborversuchsanordnung zur Ermittlung der dabei frei werdenden Stoffklassen. Seinem Gutachten legte Dr. M. einen Bericht des Prof. Dr. Bu. , Institut für Arbeitsmedizin der Universität des S. , vom Juni 1989 über eine Analyse des Arbeitsmaterials des Klägers (u.a. kein Nachweis von Benzol in der Kupferwicklung) bei. Nach daraufhin auf Veranlassung der Beklagten durchgeführten Untersuchungen wurde das bis zum Abschluss der Untersuchungen ruhende Verfahren unter dem Aktenzeichen S 4 U 138/96 fortgesetzt. In dem im Auftrag des Sozialgerichts erstatteten Gutachten führte Prof. Dr. Ko. , J. -Universität M. aus, ein Zusammenhang zwischen der CML des Klägers und den Arbeitsbedingungen bei der Firma H. sei unwahrscheinlich, da die drei gesicherten Kanzerogene (radioaktive Strahlung, Benzol, Zytostatika) an dessen Arbeitsplatz nicht nachgewiesen und die Mutagenitätsprüfungen der Zersetzungsprodukte von Kunststoffummantelungen, denen der Kläger möglicherweise ausgesetzt gewesen sei, negativ ausgefallen seien.

In dem im Auftrag des Klägers nach § 109 SGG erstatteten Gutachten führte der Facharzt für Innere Medizin Dr. Be. aus, die CML des Klägers stehe in einem wahrscheinlichen Zusammenhang mit der Exposition gegenüber Benzol am Arbeitsplatz, weshalb zwar keine BK 1310, aber eine BK 1303 vorliege. Dabei hatte der Kläger gegenüber Dr. Be. bei dessen Untersuchung im Februar 2000 - erstmals - angegeben, er habe auch Kupferkabel in einer offenen Wanne in Benzin gewaschen, wobei derartige Arbeiten etwa zwei Mal pro Woche in einem Umfang von jeweils etwa einer Stunde angefallen seien. Bei der daraufhin durch die Beklagte veranlassten persönlichen Anhörung des Klägers durch ihren Technischen Aufsichtsdienst gab der Kläger an, er sei etwa zwei bis drei Mal pro Woche an drei bis vier Stunden am Tag mit dem Reinigen von Kupferkabeln am Benzintank beschäftigt gewesen. Unter Zugrundelegung dieser Angaben des Klägers (Tätigkeiten in einem Zeitraum von Januar 1984 bis Dezember 1986 in einem Umfang von zwölf Stunden pro Woche am Entfettungsbad mit Benzoldämpfen, Benzolgehaltgehalt des Benzins maximal 10 %, Zugrundelegung einer Benzolkonzentration in Anlehnung an Tätigkeiten von Tankreinigern von 5 ppm = parts per million = ml/m³) ermittelte der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten, Dr. Schm. , für die Beschäftigungszeit des Klägers bei der Firma H. eine Dosis von 9 ppm-Jahren.

Mit Urteil vom 23.01.2001 wies das Sozialgericht die auf die Feststellung einer BK 1310 gerichtete Klage ab. Die hiergegen erhobene Berufung wies das Landessozialgericht Baden-Württemberg mit Urteil vom 17.10.2003 (L 1 U 996/01) zurück. In dem im Berufungsverfahren erstatteten Gutachten mit ergänzender Stellungnahme führte die Sachverständige Prof. Dr. He. , D krankenhaus S. , hinsichtlich eines Zusammenhangs der bei dem Kläger bestehenden CML mit einer Exposition gegenüber Benzol am Arbeitsplatz aus, Benzine seien Risikofaktoren für akute nicht lymphatische Leukämien. Die meisten Studien zeigten hauptsächlich eine Risikozunahme für die akute myeloische Leukämie (AML), jedoch keine für die Entwicklung einer CML. Die Schwelle, welche eine Risikozunahme für die Entwicklung einer AML indizieren könne, liege bei mindestens 200 ppm-Jahren Benzolbelastung, in den überwiegenden Fällen sogar deutlich höher. Die Latenz werde im allgemeinen mit 20 Jahren, mindestens jedoch mit zehn Jahren bis zur Entwicklung einer Leukose angesehen. Der von der Beklagten ermittelte Wert von maximal 9 ppm-Jahren für den Kläger liege deutlich unter demjenigen, bei dem eine leukämogene Wirkung erwartet werden müsse. Bei Unterstellung einer benzolinduzierten Leukämie müsste die Latenzzeit bis zur Entwicklung der manifesten Leukämie auf zwei Jahre verkürzt worden sein, eine solch drastische Latenzzeitverkürzung erscheine sehr unwahrscheinlich. In dem auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG erstatteten Gutachten führte hingegen Dr. Be. aus, nach seiner Schätzung sei die Exposition des Klägers bei den Reinigungsarbeiten mit Benzin um ein zig- bis fast hundertfaches über dem von der Beklagen vorgeschlagenen Wert von 5 ppm anzusiedeln. Hinzu komme die Resorption über die Haut trotz der getragenen Handschuhe. Die tatsächliche Benzolbelastung des Klägers sei sicherlich um mindestens den Faktor 100 über dem von der Beklagten vorgeschlagenen anzusiedeln. Die Erkrankung des Klägers sei mit Wahrscheinlichkeit durch seine Berufstätigkeit bei der Firma H. im Sinne einer BK 1303 verursacht.

Mit Bescheid vom 28.05.2001 und Widerspruchsbescheid vom 19.11.2001 lehnte die Beklagte die Feststellung einer BK 1303 ab.

Hiergegen hat der Kläger am 04.12.2001 zum Sozialgericht Karlsruhe Klage erhoben. Er hat geltend gemacht, entgegen der Auffassung der Beklagten sei er während seiner Tätigkeit Benzol in weit höherem Umfang ausgesetzt gewesen, insbesondere könne der von der Beklagten herangezogene Vergleichswert der Benzolbelastung bei der Tankreinigung nicht herangezogen werden. Außerdem habe er Benzol nicht nur intensiv eingeatmet, sondern seine Hände geradezu darin gebadet. Die bei ihm vorgefundene Gen-Translokation sei hoch spezifisch und praktisch Beweis dafür, dass seine Erkrankung durch das Zusammenwirken des Karzinogens Benzol mit cokarzinogenen Dioxinen ausgelöst worden sei. Im Hinblick auf die Ermittlungen in dem Verfahren L 1 U 996/01 hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 07.10.2002 das Ruhen des Verfahrens angeordnet.

Nach Abschluss des Berufungsverfahrens ist das Verfahren unter dem Aktenzeichen S 14 U 4279/03 wieder fortgesetzt worden. In dem im Auftrag des Sozialgerichts erstatteten Gutachten führte Prof. Dr. P. , Arzt für Innere Medizin, Arbeitsmedizin, Universitätsklinik E. , aus, kasuistisch würden Leukämien bereits nach beruflichen Expositionszeiten von etwa einem Jahr beobachtet. Auch wenn die CML bei benzolexponierten Kollektiven eher selten beschrieben sei, stehe die grundsätzliche Anerkennungsfähigkeit einer CML durch Benzol außer Frage. Ausgehend von einer Tätigkeit des Klägers am Benzintank über einen Zeitraum von drei Jahren in einem zeitlichen Umfang von zwölf Stunden wöchentlich sei unter Berücksichtigung der Arbeitsbedingungen eine Exposition im Bereich von 50 bis 100 ppm-Jahren anzunehmen, wobei es sich dabei eher um eine untere Schätzung handele. Außerdem müsse eine zusätzliche Benzolaufnahme über die Haut gewürdigt werden. Neuere Studien zeigten, dass hämatogene und damit auch leukämogene Effekte des Benzols bereits bei Arbeitsplatzexpositionen von 1 ppm bzw. kumuliert deutlich unter 40 ppm-Jahren auftreten würden. Bei den als BK 1303 anerkannten Leukämiefällen im Zeitraum von 1978 bis 2000 habe die mittlere Einwirkungsdauer bei 23 Jahren, die mittlere Latenzzeit bei 33 Jahren und das mittlere Alter bei Beginn der Erkrankung bei 61 Jahren gelegen. Im Standardwerk von Mehrtens, Schönberger und Valentin (2003) würden für benzolbedingte Krebserkrankungen minimale Expositionszeiten von sechs Monaten und minimale Latenzzeiten von zwei Jahren angegeben, so dass die Zeiten bei dem Kläger durchaus in Bereichen liegen würden, die für eine Benzol-Genese der Erkrankung in Frage kämen. Schließlich habe am Arbeitsplatz offensichtlich eine Clusterbildung vorgelegen, von vier eingesetzten Arbeitnehmern seien zwei an Leukämie erkrankt. Dies sei ein starker Beleg für eine sehr hohe Benzolexposition am Arbeitsplatz, dem auch Beweiskraft zukomme. Insgesamt ergebe sich eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Leukämieerkrankung des Kläger durch die berufliche Tätigkeit hervorgerufen worden sei.

Die Beklagte hat hierzu unter Vorlage einer Stellungnahme ihres Präventionsdienstes, Dr. Schm. , weiterhin einen Konzentrationswert von 5 ppm Benzol für die Tätigkeiten des Klägers bei der Kabelreinigung für angemessen erachtet; bei der Berechnung von 9 ppm-Jahren sei allerdings ein Fehler unterlaufen, da versehentlich 20 Wochenstunden anstatt 40 Wochenstunden angesetzt worden seien. Bei richtiger Berechnung (drei Jahre x 12: 40 (Zeitfaktor) x 5 ppm [Konzentrationswert für die Exposition]) ergebe sich eine Gesamtbelastung von 4,5 ppm-Jahren. In der hierzu abgegebenen ergänzenden Stellungnahme hat Prof. Dr. P. ausgeführt, die neuen Berechnungen der Beklagten seien rein formal korrekt, würden jedoch nicht die Tatsache berücksichtigen, dass wahrscheinlich Benzine mit einem Benzolgehalt bis zu 10 % zum Einsatz gekommen seien, er halte eine entsprechende Berechnung unter worst-case-Bedingungen für angemessener. Darüber hinaus habe die Beklagte Spitzenexpositionen, insbesondere bei direktem Arbeiten über dem Öltank nicht berücksichtigt.

Bei seiner persönlichen Anhörung im Termin zur mündlichen Verhandlung am 17.01.2006 vor dem Sozialgericht hat der Kläger angegeben, der Anteil seiner Arbeitszeit für das Kabelwaschen habe anfangs bei 60 %, ansteigend bis auf 90 % zum Schluss gelegen.

Mit Urteil vom 17.01.2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.

Gegen das am 30.01.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16.02.2006 Berufung eingelegt. Er macht geltend, richtig sei zwar, wenn das Sozialgericht ausführe, dass die tatsächliche Benzolbelastung nicht bekannt sei. Prof. Dr. P. und Dr. Be. hätten allerdings überzeugend dargelegt, dass die Benzolbelastung ausgehend von den Arbeitsbedingungen deutlich höher gelegen habe, als von der Beklagten mit 4,5 ppm angenommen; sie habe weit über 200 ppm-Jahren gelegen. Im Übrigen habe sich die wissenschaftliche Beurteilung der Gefährlichkeit von Benzol seit Erlass des erstinstanzlichen Urteils wesentlich geändert, wie der wissenschaftlichen Begründung zu der neuen BK "Erkrankungen des Blutbildes, des Blut bildenden und lymphatischen Systems durch Benzol" (GMBl. 2007, Seite 974 ff) zu entnehmen sei. Danach sei bei einer CML eine ausreichende Exposition zu bejahen bei einer extremen Belastungsintensität über einen Zeitraum von in der Regel zwei bis fünf Jahren oder einer hohen Belastungsintensität über einen Zeitraum von sechs und mehr Jahren. Als extreme Belastungsintensität werde das Reinigen von Gegenständen (auch Hände waschen) mit Ottokraftstoffen oder hinsichtlich des Benzolgehalts gleichen Kohlenwasserstoffen bis ca. 1995 angegeben. Seine Tätigkeit erfülle die Bedingungen einer extremen Belastung nach der Definition der wissenschaftlichen Begründung, so dass es auf eine exakte Bestimmung seiner Benzolexposition nach der wissenschaftlichen Begründung nicht mehr ankomme und die bei ihm bestehende CML als BK anzuerkennen und zu entschädigen sei. Soweit die Beklagte zur Berechnung der Exposition weiterhin auf Vergleichswerte der Exposition gegenüber Benzol bei der Tankreinigung mit einer Benzolkonzentration von 5 ppm zurückgreife, entspreche dies nicht der Belastung an seinem Arbeitsplatz, was durch einen Nachbau des ehemaligen Arbeitsplatzes und daran durchzuführenden Messungen zu belegen sei.

Der Kläger beantragt (in sachdienlicher Fassung seines sinngemäß schriftsätzlich dargelegten Begehrens),

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17.01.2006 und den Bescheid der Beklagten vom 28.05.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2001 aufzuheben und festzustellen, dass die chronisch-myeloische Leukämie eine Berufskrankheit nach der Nr. 1303 bzw. 1318 der Anlage 1 zur BKV ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Auch unter Berücksichtigung der wissenschaftlichen Begründung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (GMBl. 2007, Seite 974 ff) vom 01.09.2007 lasse sich ein Zusammenhang der Erkrankung des Klägers mit einer Benzolbelastung am Arbeitsplatz nicht begründen. Die danach für die Annahme eines entsprechenden Zusammenhangs erforderliche Exposition in Form einer extremen Belastungsintensität über einen Zeitraum von in der Regel zwei bis fünf Jahren oder einer hohen Belastungsintensität über einen Zeitraum von in der Regel sechs und mehr Jahren sei im Falle des Klägers nicht gegeben.

Auf Nachfrage des Senats hat der Kläger angegeben, er habe mit dem Kabelwaschen erst begonnen, nachdem der Ofen bei der Firma H. stillgelegt worden sei. Hierzu hat er eine handschriftliche Aufzeichnung über den Verlauf seiner Tätigkeiten bei der Firma H. vorgelegt. Danach war er vom 15.01.1984 bis zu dem Zeitpunkt, als die Firma H. selbst einen Ofen anschaffte, mit Fahrertätigkeiten und dem Zerlegen von Motoren beschäftigt. Nach Anschaffung des Ofens durch die Firma H. sei er ebenfalls mit Fahrertätigkeiten und dem Bestücken des Ofens beschäftigt gewesen. Nach Stilllegung des Ofens bei der Firma H. habe er weiterhin Fahrertätigkeiten ausgeübt und Kabel gewaschen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, die vorgelegten Verwaltungsakten sowie die beigezogenen Akten des Sozialgerichts S 4 U 2125/91, S 4 U 2165/94, S 4 U 3448/94 und S 4 U 138/96 sowie die Akten aus dem Verfahren vor dem LSG Baden-Württemberg L 1 U 996/01 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässig.

Der Senat bejaht unter Hintanstellung von Bedenken - und insoweit zugunsten des Klägers - auch ein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers für das Berufungsverfahren, auch wenn sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geweigert hat, einen Sachantrag zu stellen und der Senat der Rechtsauffassung ist, dass in derartigen Fällen - wenn nicht von einer Rücknahme des prozessualen Begehrens auszugehen ist - das Rechtsschutzbedürfnis für die Berufung in der Regel zu verneinen ist (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage, § 112 Rdnr. 8 m.w.N.; OVG Berlin vom 21.07.1967, II B 58.66; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 19.07.1984, 13 A 82 A.2307).

Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Gegenstand des Rechtsstreits ist - dies ergibt sich aus den schriftsätzlich formulierten Anträgen - die Feststellung, dass die CML des Klägers eine durch Benzol verursachte BK ist. Hierüber hat die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden (Bescheid vom 28.05.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2001) zum Vorliegen einer BK 1303 - Erkrankungen durch Benzol, seine Homologe oder Styrol - entschieden. Erkrankungen des Blutes, des Blut bildenden und des lymphatischen Systems durch Benzol wurden allerdings zwischenzeitlich mit der 2. Verordnung zur Änderung der BKV vom 11.06.2009 (BGBl. I S. 1273) vom Verordnungsgeber in die Liste der BKen unter der Nr. 1318 aufgenommen. Die BK 1318 ist keine neue BK, vielmehr sind die besonderen benzolverursachten Erkrankungen des Blutes aus der bisherigen BK 1303 herausgenommen und in einer eigenständigen BK-Nummer (BR-Drs., 242/09, S. 11) - als "lex specialis" (BR-Drs. a.a.O. S. 13) - definiert worden. Daher erfolgte auch keine zeitliche Begrenzung der rückwirkenden Anerkennung bereits bestehender Erkrankungsfälle (BR-DRS, a.a.O., S. 11; vgl. § 6 Abs.1 Satz 3 BKV). Wie eine derartige Sachlage vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach die Entscheidung über das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer bestimmten BK nicht gleichzeitig die Anerkennung oder Ablehnung anderer Listenkrankheiten beinhaltet, die bei dem Krankheitsbild des Versicherten möglicherweise ebenfalls in Betracht kommen können (BSG, Beschluss vom 27.06.2006, B 2 U 77/06 B in SozR 4-1500 § 55 Nr. 4) zu bewerten ist (also ob weiterhin mangels anderweitiger Behördenentscheidung über eine BK 1303 zu entscheiden ist, oder wegen Herausnahme eines Teils dieser BK durch den Verordnungsgeber über eine - die in Rede stehende Erkrankung allein erfassende - BK 1318, wozu der Senat neigt), kann vorliegend offen bleiben. Denn der für beide BKen erforderliche Nachweis einer hinreichenden berufsbedingten Exposition gegenüber Benzol ist im Falle des Klägers nicht erbracht.

Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch richtet sich auch nach Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 01.01.1997 nach den bis dahin geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO); denn nach § 212 SGB VII gilt das neue Recht grundsätzlich erst für Versicherungsfälle, die nach dem 31.12.1996 eingetreten sind. Einer der Ausnahmetatbestände nach §§ 213 ff SGB VII ist nicht gegeben.

Nach § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO gilt als Arbeitsunfall auch eine BK. BKen sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet (versicherte Tätigkeit). Durch § 551 Abs. 1 Satz 3 RVO ist die Bundesregierung ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht worden sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Das geschieht in der BKV, der in der Anlage 1 eine Liste der entschädigungspflichtigen BKen angefügt ist. Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten BKen gehören nach Nr. 1303 der Anlage 1 zur BKV Erkrankungen durch Benzol, seine Homologe oder Styrol und nach Nr. 1318 der Anlage 1 zur BKV Erkrankungen des Blutes, des blutbildenden und des lymphatischen Systems durch Benzol.

Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. BK) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).

Der Kläger leidet an einer Erkrankung im Sinne der BK 1318 und der früheren BK 1303, denn bei ihm wurde im August 1987 ein myeloproleferatives Syndrom mit Hypereosiophilie diagnostiziert, welches auf Grund einer im Januar 1989 durchgeführten Knochenmarksuntersuchung als CML mit Hypereosinophilie und Translokation T(4; 16) beschrieben worden ist (Befundbericht des Prof. Dr. Hu. ). Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht umstritten. Die CML ist, wie sämtliche gehörten Ärzte und Sachverständige übereinstimmend ausgeführt haben, eine klonale, myeloproliferative Erkrankung, die nach der wissenschaftlichen Begründung der Empfehlung des ärztlichen Sachverständigenbeirats "Berufskrankheiten" vom 01.09.2007 (GMBl. 2007, S. 974), zu den von der BK 1318 und damit auch von der früheren BK 1303 erfassten Erkrankungen des Blutes und des Lymphsystems gehört.

Während nach dem in der Empfehlung des ärztlichen Sachverständigenbeirats "Berufskrankheiten" vom 01.09.2007 wiedergegebenen, durch Studien belegten aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft für die akute lymphatische Leukämie, die chronische lymphatische Leukämie, myelodysplastische Syndrome, lymphoplastische Lymphome und aplastische Anämien auf Grund hinreichend gesicherter epidemiologischer Daten ab einer Exposition gegenüber Benzol im Umfang von 10 ppm-Benzoljahren von einem wahrscheinlichen Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber Benzol und der Erkrankung ausgegangen werden kann, lässt - so die Ausführung des Sachverständigenbeirats (a.a.O. Seite 1008) - die gegenwärtige epidemiologische Datenlage für die Verursachung von Non-Hodgkin-Lymphomen und myeloproliferativen Erkrankungen gemäß der WHO-Klassifikation einschließlich der - bei dem Kläger vorliegenden - CML keine präzise Beschreibung des Dosis-Wirkungszusammenhangs zu. Erforderlich ist vielmehr eine einzelfallbezogene Beurteilung der Expositionsbedingungen, wobei bei der CML ungeachtet der unzureichenden epidemiologischen Erkenntnislage eine ausreichende Exposition bei einer extremen Belastungsintensität über einen Zeitraum von in der Regel zwei bis fünf Jahren oder bei einer hohen Belastungsintensität über einen Zeitraum von in der Regel sechs und mehr Jahren bejaht werden kann (a.a.O. Seite 1008). Eine extreme Belastungsintensität liegt - so die Empfehlung des Sachverständigenbeirats (a.a.O. Seite 1007) - beispielsweise vor bei einem offenen Umschlag von Ottokraftstoffen oder hinsichtlich des Benzolgehalts vergleichbaren Kohlenwasserstoffgemischen auf Tankschiffen, Tank- und Kesselwagen sowie Tankkontainern bis 1982, dem Reinigen von Gegenständen (auch Hände waschen) mit Ottokraftstoffen oder hinsichtlich des Benzolgehalts vergleichbaren Kohlenwasserstoffgemischen bis ca. 1985, der Reinigung von Tankanlagen für Ottokraftstoffe bis 1980 und der Innenreinigung von Behältern für Benzol bzw. Ottokraftstoffe oder hinsichtlich des Benzolgehalts vergleichbaren Kohlenwasserstoffgemischen ohne geeignete Schutzmaßnahmen. Eine hohe Belastungsintensität liegt beispielsweise beim Bedienen von Tanks für Ottokraftstoffe durch Pumpen, Peilen, aufmischen, Öffnen von Schiebern, Tankstandsmessungen, Wartung und Ziehen von Labormustern im Tankfeld bis 1999, beim Warten und der Instandhaltung von benzolführenden Rohrleitungsteilen und Pumpen bis 1999 und der Reinigung von Tankanlagen für Ottokraftstoffe bis 1990 vor.

Eine dieser Belastung entsprechende Exposition des Klägers gegenüber Benzol ist jedoch nicht nachgewiesen. Eine Exposition gegenüber Benzol kommt vorliegend allein für die Tätigkeit des Klägers bei der Firma H. in der Zeit vom 15.01.1984 bis 31.01.1987 in Betracht. Denn bei den vor diesem Zeitpunkt ausgeübten Tätigkeiten war der Kläger nach seinen eigenen Angaben gegenüber dem im Verwaltungsverfahren gehörten Sachverständigen Prof. Dr. T. keinen entsprechenden Gefahrstoffen ausgesetzt; eine über den Zeitraum vom 15.01.1984 bis 31.01.1987 hinausgehende Exposition gegenüber Benzol behauptet der Kläger auch weiterhin nicht.

Während der Tätigkeit bei der Firma H. war der Kläger zunächst nach seiner ausführlichen Schilderung im Berufungsverfahren als Fahrer für Fahrten zur Firma K. zur Abholung von Material (Motoren) und mit dem Entfernen von Kupfer aus Motoren beschäftigt. Eine Exposition gegenüber Benzol bei diesen Tätigkeiten ist nicht ersichtlich; eine solche behauptet auch der Kläger nicht. Nach Anschaffung eines eigenen Ofens durch die Firma H. , die nach den Ermittlungen des Präventionsdienstes der Beklagten etwa im Juli 1985 erfolgte, war der Kläger - so seine eigenen Angaben - wiederum als Fahrer für Transportarbeiten von und zur Firma K. und bei Arbeiten am Ofen (Beschicken des Ofens) und dem Herausziehen von Kupfer aus den Motoren mittels eines Ziehgerätes eingesetzt. Eine Exposition gegenüber Benzol während dieser Tätigkeit ist ebenfalls nicht ersichtlich. Insbesondere konnte bei Untersuchung von entsprechenden Kupferwickelungen aus alten Elektromotoren - so Prof. Dr. Bu. - mit einer Erhitzung über eine bis eineinhalb Stunden mit 290 ° Celsius kein Benzol innerhalb der Nachweisgrenze gefunden werden. Auch der Kläger behauptet eine Exposition gegenüber Benzol während dieser Tätigkeit nicht.

Soweit der Kläger eine Exposition gegenüber Benzol durch eine Tätigkeit in Form des Waschens von aus Erdkabeln gewonnenem Kupfer behauptet, geht der Senat auf Grund dieser Angaben zwar von einer extremen Exposition aus. Diese bestand aber - auch dies ergibt sich aus den eigenen Angaben des Klägers im Berufungsverfahren - nur kurze Zeit.

So gab der Kläger bei der erstmaligen und zeitnahen Befragung durch den Präventionsdienst der Beklagten, Dr. W. , am 14.07.1989 zu seinen Arbeitsplatzverhältnissen an, er sei hauptsächlich als Lagerarbeiter zur Aufarbeitung, Sortierung und zum Verladen von Schrott eingesetzt worden, wobei Handwerkzeuge, Trennschleifmaschinen und andere Geräte eingesetzt worden seien, gelegentlich sei er auch als Kraftfahrer tätig gewesen. Eine Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Waschen von Kupfer an einem Benzinbecken gab der Kläger gegenüber Dr. W. nicht an, sondern legte vielmehr dar, er habe Motoren zu zerlegen gehabt und die Elektrowicklung zu zerschneiden und außerdem, nach Anschaffung des Ofens durch die Firma H. , diesen beschickt, wobei von den vier am Ofen eingesetzten Arbeitern er am meisten am Ofen eingesetzt worden sei. Des Weiteren gab der Kläger an, der Ofen sei im Januar 1987 außer Betrieb genommen und gleichzeitig alle Beschäftigten entlassen worden. Erst nachdem sich die zunächst als schädigende Ursache angenommene Dioxinbelastung durch die aus dem Ofen austretenden Gase nicht nachweisen ließ, gab der Kläger 13 Jahre nach Aufgabe der Tätigkeit und Entstehen der Erkrankung gegenüber dem nach § 109 SGG gehörten Sachverständigen Dr. Be. im Februar 2000 an, auch Kupfer in Benzin, welches sich in einer offenen Wanne befunden habe, gewaschen zu haben, wobei derartige Arbeiten etwa zweimal pro Woche mit einer Dauer von jeweils etwa einer Stunde, also etwa zwei Stunden wöchentlich, angefallen seien. Nachdem auf Grund des im April 2000 von Dr. Be. erstatteten Gutachtens bekannt war, dass auch dieser nicht vom Vorliegen einer BK 1310 ausging, gab der Kläger bei der Befragung durch den Präventionsdienst der Beklagten am 01.08.2000 Reinigungsarbeiten am Benzintank in einem Umfang von ca. zwei- bis dreimal pro Woche an drei bis vier Stunden am Tag, also sechs bis zwölf Stunden wöchentlich an. Bei seiner persönlichen Anhörung vor dem Sozialgericht im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 17.01.2006 hat er sodann angegeben, zu Anfang seiner Tätigkeit bei der Firma H. während 60% seiner Arbeitszeit (also 24 Stunden wöchentlich) und später 90% seiner Arbeitszeit (also 36 Stunden wöchentlich) Kupfer gewaschen zu haben, wohingegen er im vorangegangenen Verfahren bezüglich der Feststellung einer BK 1310 noch vorgetragen hatte, im Wesentlichen an dem bis im Januar 1987 betriebenen Ofen gearbeitet zu haben. Aus diesen widersprüchlichen Angaben des Klägers lässt sich nur der Schluss ziehen, dass er, nachdem der Nachweis einer Verursachung seiner Erkrankung durch die Tätigkeit am Ofen nicht gelungen war, den Nachweis einer durch die berufliche Tätigkeit verursachten Erkrankung auf andere Weise zu begründen suchte. Insoweit sind die Angaben des Klägers daher nicht glaubhaft.

Auf Hinweis des Senats bezüglich der Widersprüchlichkeit seiner Angaben hat der Kläger diese sodann im Berufungsverfahren dann insoweit auch revidiert, als er Arbeiten am Benzintank in Form vom Waschen von Kupfer tatsächlich erst nach Stilllegung des Ofens bei der Firma H. durchführte. Ausgehend von den eigenen Angaben des Klägers, wonach der Ofen im Januar 1987 stillgelegt wurde und unter Berücksichtigung des von der Beklagten von der A K. beigezogenen Kontoauszugs aus dem Leistungswesen mit einer darin gespeicherten Zeit der Arbeitsunfähigkeit des Klägers vom 30.12.1986 bis 30.01.1987 wäre eine tatsächliche Exposition des Klägers gegenüber Benzol in Form von Tätigkeiten an einem mit Benzin gefüllten Öltank nicht denkbar. Denn ausgehend von den Angaben des Klägers über einen Betrieb des Ofens bis im Januar 1987 und seinen Angaben im Berufungsverfahren, mit dem Kabelwaschen erst nach Stilllegung des Ofens angefangen zu haben, käme eine Tätigkeit des Klägers mit einer Exposition gegenüber Benzol nur im Januar 1987 in Betracht. Im Januar 1987 war der Kläger allerdings arbeitsunfähig krank und arbeitete somit tatsächlich nicht. Selbst wenn allerdings, ausgehend von den Angaben des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers, F. H. , gegenüber dem Präventionsdienst der Beklagten, Dr. W. , am 09.08.1989 davon ausgegangen würde, dass die Firma H. den Ofen nur bis November 1986 betrieb, ist eine erhebliche, den oben dargelegten Kriterien auch nur ansatzweise nahekommende Exposition des Klägers gegenüber Benzol an seinem früheren Arbeitsplatz nicht nachgewiesen. Denn der Kläger war nicht nur vom 30.12.1986 bis 30.01.1987 arbeitsunfähig krank, sondern auch vom 17.11.1986 bis 12.12.1986. Ausgehend von einem Betrieb des Ofens bis in den November 1986 und unter Berücksichtigung der Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers käme eine Tätigkeit des Klägers in Form des Waschens von Kupfer an dem mit Benzin gefüllten Öltank nur in der Zeit vom 15.12. bis 24.12.1986 und gegebenenfalls am 29.12.1986 (neun Arbeitstage) sowie möglicherweise noch an einigen Tagen im November 1986 vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 17.11.1986 (also allenfalls von Montag, 03.11. bis Freitag, 14.11.1986 = zehn Arbeitstage) in Betracht. Damit liegt die maximal anzunehmende Exposition des Klägers gegenüber Benzol am Arbeitsplatz weit unter dem selbst ausgehend von einer extremen Belastungsintensität als ausreichend anzusehenden Zeitraums von in der Regel zwei bis fünf Jahren. Dies gälte selbst dann, wenn man seine letzte, allerdings nicht näher begründete und angesichts des vorgehend dargestellten anderen Tatsachenvortrags nicht nachvollziehbare Angabe zu Grunde legen würde, wonach er "ein halbes Jahr oder fast ein ganzes Jahr Kabel gewaschen" habe.

Ist somit bereits die auf Grund der eigenen Angaben des Klägers anzunehmende zeitliche Exposition gegenüber Benzol nach dem derzeitigen Stand der medizinischen Wissenschaft, wie er in der erwähnten Empfehlung des Sachverständigenbeirats dargelegt ist (in der Regel zwei bis fünf Jahre bei extremer Belastungsintensität), nicht geeignet, die beim Kläger bestehende Erkrankung selbst bei Annahme einer extremen Belastungsintensität hervorzurufen, kommt es auf die genaue (qualitative) Intensität der Exposition nicht an. Dem entsprechend hat der Senat die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge, die sich allesamt nicht auf die quantitative (zeitliche), sondern allein auf die qualitative Exposition bezogen haben, abgelehnt; die unter Beweis gestellten Tatsachen (qualitatives Ausmaß der Exposition) sind nicht entscheidungserheblich.

Lediglich ergänzend ist anzumerken, dass im Hinblick auf die allenfalls kurzzeitige Exposition des Klägers gegenüber Benzol auch die Gutachten des Dr. Be. und des Prof. Dr. P. nicht geeignet sind, einen Zusammenhang der Erkrankung des Klägers mit der beruflichen Tätigkeit bei der Firma H. zu begründen. Denn sowohl Dr. Be. als auch Prof. Dr. P. sind von einer Exposition des Klägers gegenüber Benzol in einem Umfang von insgesamt drei Jahren ausgegangen. Eine derartige Exposition des Klägers ist hingegen - wie dargelegt - nicht nachgewiesen. Selbst die von Prof. Dr. P. zur Entstehung benzolbedingter Krebserkrankungen genannte minimale Expositionszeit von sechs Monaten erfüllt der Kläger bei Weitem nicht. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass Veränderungen im Blutbild des Klägers bereits im August 1987 nachgewiesen wurden, sodass auch die von Prof. Dr. P. in Bezug genommene minimale Latenzzeit von zwei Jahren nicht eingehalten ist. Zudem hat Prof. Dr. He. in ihrem für das Landessozialgericht Baden-Württemberg im Verfahren L 1 U 996/01 erstatteten Gutachten zutreffend darauf hingewiesen, dass nicht bekannt ist, wie lange die Erkrankung vor August 1987 bereits bestanden hatte, da die CML im Anfangsstadium asymptomatisch verläuft. Damit kann bereits nicht festgestellt werden, dass die CML bei dem Kläger tatsächlich erst nach der allenfalls in Betracht kommenden Exposition gegenüber Benzol im Dezember 1986 entstanden ist. Soweit Prof. Dr. P. den Umstand, dass am Arbeitsplatz des Klägers ein weiterer Arbeitnehmer an Leukämie erkrankte, als Beweis für eine sehr hohe Exposition gegenüber Benzol am Arbeitsplatz des Klägers angesehen hat, handelt es sich um einen unzulässigen Zirkelschluss. Denn Prof. Dr. He. hat in dem im Verfahren L 1 U 996/01 erstatteten Gutachten nachvollziehbar dargelegt, dass in den meisten Fällen einer CML ein äthiologischer Faktor nicht identifiziert werden kann. Daraus ergibt sich, dass eine CML nicht allein bei einer Exposition gegenüber Benzol entsteht, sondern häufig - wie auch vorliegend - die Ursache für das Entstehen der Erkrankung nicht geklärt werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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