L 1 U 4216/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 1973/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 4216/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 27.07.2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind weder im erstinstanzlichen Klageverfahren noch im Berufungsverfahren zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 10 vom Hundert (v.H.) im Streit.

Der 1971 geborene Kläger ist gelernter Koch. Er bezieht von der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten aufgrund einer Berufskrankheit (Sensibilisierung gegenüber Fischeiweiß, welche sich in Form einer Neurodermitis äußert) mit Wirkung ab dem 01.03.2004 eine Verletztenrente auf Dauer nach einer MdE um 20 v.H ... Seit dem Auftreten dieser beruflich erworbenen Sensibilisierung arbeitete der Kläger bis Ende Juli 2009 vollschichtig als Garten- und Landschaftsbauer. Seitdem ist er als Hausmeister und Betriebsleiter einer Gebäudereinigungsfirma tätig. Bei seiner aktuellen Tätigkeit sind ihm nach seinen Angaben acht Mitarbeiterinnen unterstellt, er müsse im Rahmen der Hausmeistertätigkeiten alle anfallenden Arbeiten verrichten. Zusätzlich kümmere er sich auch noch um die Außenanlagen. Die derzeitige Tätigkeit umfasse einen täglichen Arbeitsumfang von acht und mehr Stunden, er lege an jedem Arbeitstag eine Strecke von vier bis sechs Kilometern zu Fuß zurück.

Der Kläger erlitt am 21.09.2005 einen bei der Beklagten versicherten Arbeitsunfall, als er beim Ausladen von Arbeitsgeräten mit dem linken Fuß umknickte. Nach dem Durchgangsarztbericht von Prof. Dr. R. vom 21.09.2005, der als Diagnose eine Außenbandruptur des linken oberen Sprunggelenks (OSG) angab, seien eine ausgeprägte Schwellung und ein Hämatom am linken Außenknöchel festgestellt worden, zudem ein vermehrter Talusvorschub im Seitenvergleich links.

Am 04.05.2006 erstellte Prof. Dr. R. im Auftrag der Beklagten ein erstes Rentengutachten. Hierin ist angegeben, dass bei dem Kläger nachgewiesene radiologische Veränderungen, eine endgradige Bewegungslimitierung am linken Sprunggelenk bei der Extension / Flexion, eine endgradige Limitierung der Funktion des unteren Sprunggelenks, subjektive Beschwerden und ein Druckschmerz am Malleolus medialis vorlägen. Die MdE werde ab dem 02.05.2006 bis auf weiteres auf 10 v.H. geschätzt; bis zur Beendigung des 3. Jahres nach dem Unfall sei eine MdE von kleiner als 10 v.H. zu erwarten.

Der Beratungsarzt Dr. M. vertrat am 29.05.2006 die Ansicht, dass der Unfallzusammenhang einer aus einer Magnetresonanztomographie (MRT) vom 03.04.2006 hervorgehenden beginnenden Osteochondrosis dissecans der lateralen Talusschulter zweifelhaft sei. Da der Bandapparat gemäß der (MRT) vom 11.10.05 nachweislich nicht verletzt worden sei, bestehe insoweit noch weiterer Aufklärungsbedarf

In einer Stellungnahme des Zentrums für Teleradiologie nach Übersendung der von der Verletzung des Klägers angefertigten Aufnahmen teilte Dr. L. am 13.07.2006 mit, dass beim Kläger anhand der Bildgebung ein ausgedehntes Bone Bruise des Talus (definiert als Mikrofrakturierung der Trabekelstruktur des Knochens mit knöcherner Einblutung - also Bruchvorstufe), eine umschriebene osteochondrale Läsion der lateralen Talusschulter und eine Außenbandteilruptur (Lig. fibulotalare anterior) als Folgen des Unfalls vom 21.09.2005 vorlägen.

Daraufhin sah Dr. M. mit weiterer Stellungnahme vom 01.08.2006 eine sich anbahnende Osteochondrosis dissecans als Unfallfolge nachgewiesen an, wodurch sich die MdE- Beurteilung gemäß dem 1. Rentengutachten rechtfertigen lasse.

Am 18.10.2006 teilte Prof. Dr. R. einen deutlich gebesserten rückläufigen Befund mit. Es liege eine klinisch reizlose Sprunggelenksregion links mit freier Funktion und stabiler Bandführung vor, eine Druckdolenz über dem Maleolus lateralis bzw. Innenknöchel lasse sich nicht verifizieren, es bestehe keine Hauttrophikstörung und die periphere Sensibilität sowie die Durchblutung seien intakt. Es bestünden noch belastungsabhängige Beschwerden je nach begangenem Bodenbelag und Belastungsintensität.

Mit Bescheid vom 14.11.2007 wies die Beklagte dem Kläger auf die ihm zustehenden Geldleistungen für die Zeit vom 27.12.2005 bis 30.10.2007 einen Vorschuss in Höhe von 1500,- EUR an.

Prof. Dr. R. erstellte am 21.01.2008 auch das zweite Rentengutachten. Der Kläger habe angegeben, dass bei besonderen Belastungen wie dem Tragen schwerer Lasten, dem Setzen von Pflastersteinen oder dem Gehen auf unebenem Untergrund immer wieder Schmerzen im Bereich des linken Sprunggelenkes aufträten. Ansonsten bemerke er den Schmerz jeden Tag am Ende der Arbeit, wenn er seine Arbeitsschuhe ausziehe. Eine Schwellneigung sei nicht mehr vorhanden. Bei der Begutachtung sei eine seitengleiche freie Beweglichkeit der unteren Sprunggelenke und Zehengelenke festgestellt worden. Der Kläger habe den Untersuchungsraum in Arbeitsschuhen mit regelrechtem Gangbild betreten, das Entkleiden der unteren Extremitäten sei unauffällig und zügig erfolgt. Dem Messblatt für untere Gliedmaßen nach der Neutral-0-Methode ist eine gering verminderte Beweglichkeit des unteren Sprunggelenkes links gegenüber rechts von 26 (gegenüber 26,5 im Knöchel), 23,5 (gegenüber 24,5 im Rist über dem Kahnbein) und 22,5 (gegenüber 23,5 im Vorfußballen) zu entnehmen. Als Unfallfolgen wurden eine kernspintomographisch nachgewiesene posttraumatische Osteochondrosis dissecans im Bereich der lateralen Talusrolle mit persistierendem Knochenödem (Bone bruise) sowie subjektive belastungsabhängige Beschwerden im linken Sprunggelenk angegeben. Die MdE wurde mit dauerhaft 10 v.H. angegeben. Nach dem Verstreichen von fast zweieinhalb Jahren seit dem Unfall sei nicht damit zu rechnen, dass sich die unfallbedingte MdE bessere, sofern der Kläger weiter seine relativ belastende Tätigkeit im Garten- und Landschaftsbau ausführe.

Mit Bescheid vom 17.03.2008 bewilligte die Beklagte eine Verletztenrente für die Zeit vom 27.12.2005 bis zum 17.10.2006 nach einer MdE um 10 v.H. in Höhe von insgesamt 1.341,88 EUR und forderte insoweit vom Kläger wegen der höheren geleisteten Vorauszahlung einen Betrag von 158,12 EUR zurück. Als Unfallfolgen wurden anerkannt: Vorübergehende endgradige Bewegungseinschränkung des oberen und unteren Sprunggelenkes, vorübergehende Muskelminderung, röntgenologisch nachweisbare Veränderungen im Sinne eines Knochenödems und einer Osteochondrosis dissecans an der seitlichen Sprungbeinschulter nach Umknicktrauma mit Außenbandteilriss. Der Bescheid stützte sich ausdrücklich auf die Ausführungen von Prof. Dr. R., ohne jedoch zu erläutern, weshalb lediglich eine zeitlich begrenzte Verletztenrente gewährt wurde.

Mit seinem Widerspruch vom 26.03.2008 machte der Kläger geltend, eine Begrenzung der Rentenzahlung sei nach dem Gutachten von Prof. Dr. R. nicht vorzunehmen.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.06.2008 als unbegründet zurück. Nach den im Schönberger/Mertens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl., S. 746 niedergeschriebenen Erfahrungswerten sei beispielsweise die Versteifung des oberen Sprunggelenkes im Winkel von 90 - 110 Grad zum Unterschenkel mit einer MdE um 20 v.H. zu bewerten, eine Versteifung des unteren Sprunggelenkes in Funktionsstellung mit einer MdE um 15 v.H., und eine Versteifung des vorderen unteren Sprunggelenkes mit einer MdE um 10 v.H. Diese Einschränkungen lägen beim Kläger nicht vor. Beim Kläger bestehe eine weitgehend freie Beweglichkeit des oberen und unteren Sprunggelenkes ohne weitergehende Beeinträchtigungen. Eine Entschädigung in Form der Gewährung einer Verletztenrente über den 17.10.2006 hinaus sei nicht möglich, da ab diesem Zeitpunkt eine messbare MdE (wenigstens 10 v.H.) nicht mehr vorgelegen habe.

Am 03.07.2008 hat der Kläger über seine Bevollmächtigten beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben, die wesentlich auf die Ausführungen von Prof. Dr. R. gestützt worden ist.

Im Auftrag des SG hat Prof. Dr. R. am 03.11.2008 ein weiteres Gutachten nach Aktenlage erstellt. Die ablehnende Auffassung der Beklagten sei nicht nachvollziehbar, da im eigenen Gutachten nach Untersuchen des Klägers vom 21.01.2008 nicht in erster Linie subjektive Befunde des Klägers, sondern vor allem die bildgebenden Befunde der MRT- Untersuchungen bewertet worden seien. Ausdrücklich sei in dem Gutachten auf die festgestellten radiologischen Veränderungen, die endgradigen Einschränkungen der Beweglichkeit im oberen und unteren Sprunggelenk links sowie subjektive Beschwerden hingewiesen worden. Nicht nachvollziehbar sei außerdem, dass die Beklagte sich in ihrem ablehnenden Bescheid auf das Gutachten vom 18.01.2008 gestützt habe, dem jedoch inhaltlich widersprochen habe.

Die Beklagte hat eine Stellungnahme des Chirurgen Dr. Sch. vom 31.01.2009 vorgelegt, wonach im ersten Rentengutachten zutreffend Funktionsstörungen im USG und OSG (unteres Sprunggelenk und oberes Sprunggelenk) festgestellt worden seien, welche noch eine MdE um 10 v.H. bedingt hätten. Im nachfolgenden Gutachten sei der MRT- Befund unverändert gewesen, was auch die belastungsabhängigen Beschwerden erkläre. Die Funktion im USG und OSG sei jedoch besser gewesen, verblieben sei eine geringe Umfangsminderung am linken Bein, welche für eine gewisse Schonung spreche. Zusammen mit den MRT- Befunden sei die MdE aufgrund der Besserung des Befunds im Vergleich zum ersten Rentengutachten nunmehr unter 10 v.H. einzuschätzen.

Das SG hat hierzu wiederum eine Stellungnahme von Prof. Dr. R. eingeholt. Dieser hat am 16.04.2009 mitgeteilt, dass er erneut die zwischen 2006 und 2008 angefertigten Kernspintomographien eingesehen habe; dabei habe sich gezeigt, dass 2008 im Vergleich zu 2006 eine Zunahme der Durchblutungsstörung am Talus mit konsekutiver Veränderung der Knorpeloberfläche eingetreten sei. Die Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk habe bei der zweiten Begutachtung lediglich eine Verbesserung um 10 Grad gezeigt, die belastungsabhängigen Beschwerden hätten weiter bestanden, insbesondere bei Belastung und Einnehmen einer hockenden Tätigkeit. Die lediglich geringfügige Verbesserung der Beweglichkeit im Behandlungsverlauf rechtfertige nicht die Annahme einer MdE von weniger als 10 v.H ...

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 27.07.2009 den Bescheid der Beklagten vom 17.03.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 18.06.2008 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger eine Stützrente nach einer MdE um 10 v.H. ab dem 27.12.2005, abzüglich eines bereits bezahlten Vorschusses von 1.500,- EUR, zu zahlen. Das SG hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass nach dem Gutachten und den weiteren Stellungnahmen von Prof. Dr. R. ausgehend von der ursprünglich zutreffend festgestellten MdE um 10 v.H. zwischenzeitlich lediglich eine geringfügige Verbesserung im Bewegungsmaß des oberen Sprunggelenkes von 10 Grad festgestellt worden sei. Außerdem habe Prof. Dr. R.l auf die Zunahme der Durchblutungsstörung am Talus mit konsekutiver Veränderung der Knorpeloberfläche hingewiesen. Bei Zusammenbetrachtung dieser Befunde halte das Gericht die Verbesserung der Beweglichkeit um 10 Grad im oberen Sprunggelenk insgesamt nicht für so gravierend, dass der Auffassung von Dr. S. bzw. der Beklagten zu folgen sei, eine MdE liege nur noch um weniger als 10 v.H. vor. Der Gerichtsbescheid wurde der Beklagten am 20.08.2009 zugestellt.

Am 14.09.2009 hat die Beklagte beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie eine Stellungnahme des Chirurgen und Beratungsarztes der Beklagten Dr. T. vom 07.09.2009 vorgelegt. Danach hätten Prof. Dr. R. und das SG nicht ausreichend beachtet, dass die MdE sich maßgeblich nach den verbliebenen Funktionsdefiziten und nicht nach der Diagnostik zu richten habe. Die bei dem Kläger festgestellte monodirektionale Funktionseinschränkung im linken oberen Sprunggelenk sei unwesentlich; die geschätzte Funktionsstörung des linken unteren Sprunggelenkes um ein Fünftel sei irrelevant und ebenso wie der Funktionsbefund des linken oberen Sprunggelenkes ohne Auswirkung auf das körperliche Leistungsvermögen des Klägers bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Diese Auffassung werde durch das beim Kläger festgestellte unauffällige Gangverhalten zum Zeitpunkt der ersten Rentenbegutachtung und die Angaben des Klägers bestätigt, wonach er in seinem Beruf und dem Alltag aufgrund der Verletzungsfolgen nur minimal eingeschränkt sei. Nach diesen Feststellungen lasse sich eine MdE um 10 v.H. nach Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit unter Berücksichtigung einer Phase der Anpassung und der Gewöhnung längstens bis zu einem Zeitraum von 6 Monaten begründen. Zum Zeitpunkt der zweiten Rentenbegutachtung durch Prof. Dr. R. am 18.01.2008 hätten weder im linken unteren noch oberen Sprunggelenk Funktionsstörungen nachgewiesen werden können. Soweit der Gutachter Prof. Dr. R. weiterhin für eine MdE um 10 v.H. eintrete, geschehe das ausschließlich mit den subjektiv beklagten Beschwerden des Klägers und dem Kernspintomographiebefund. Die beim Kläger weiterhin vorhandene gleichbleibende geringe Muskelverschmächtigung des linken Oberschenkels spreche gegen eine Belastungsstörung des linken Beines aufgrund der kernspintomographisch nachgewiesenen Veränderung.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 27.07.2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für rechtmäßig und beruft sich auf sein erstinstanzliches Vorbringen sowie das im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten. In der bildgebenden Diagnostik sei inzwischen sogar eine Verschlechterung der Befunde eingetreten, was auf der sekundär-entzündlichen Veränderung mit Begleitödem beruhe.

Im Auftrag des Senats hat der Chirurg PD Dr. P. am 23.03.2010 ein aktuelles Gutachten erstellt. Danach bestehe bei dem Kläger ein chronischer Schmerzzustand des linken oberen Sprunggelenkes in Folge eines chronischen Reizergusses, bedingt durch eine posttraumatische Osteochondrosis dissecans sowie chronische belastungsabhängige Schmerzzustände. Im Vergleich zum Vorgutachten vom 18.1.2008 seien die Bewegungsausmaße messbar gleich geblieben. Im Vergleich zum damaligen Gutachten bestehe inzwischen jedoch eine deutliche Muskelminderung vor allem im Bereich des linken Unterschenkels mit Sensibilitätsstörungen im Dermatom S 1 mit nur schwach auslösbarem Achillessehnenreflex und Einschränkung der Kraft der Fußheber links gegen Widerstand. Diese Veränderungen gingen jedoch nicht zu Lasten des Unfalls vom 21.09.2009, sondern zu Lasten eines unfallunabhängigen operierten Bandscheibenvorfalls. Die unfallbedingte MdE werde vom 02.03.2008 bis auf weiteres auf 10 v.H. geschätzt, wobei den Beurteilungen durch Prof. Dr. R. zugestimmt werde. Aus der Tatsache, dass sich nach dem Unfall des Klägers innerhalb kurzer Zeit ein Hämatom entwickelt habe, sei zu schließen, dass eine erhebliche Traumatisierung erfolgt sei. Während radiologisch keine knöcherne Verletzung nachgewiesen werden konnte, habe die MRT-Untersuchung eine ausgeprägte Bone-bruise-Veränderung des Talus sogar mit Beteiligung des Os naviculare pedis gezeigt. Auch wenn in allen vorliegenden Gutachten und Stellungnahmen schwerpunktmäßig von einem Umknicktrauma ausgegangen werde, sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Rahmen des Unfalls vom 21.09.2005 eine ausgeprägte axiale Stauchung mit einem Umknicktrauma vorgefallen. Dadurch, dass sich die Bone-bruise-Veränderung im Bereich des Talusdomes konstant habe nachweisen lassen, sei diese auch mit der inzwischen festgestellten Osteochondrosis dissecans in Verbindung zu bringen. Den Ausführungen des Beratungsarztes Dr. S. könne insoweit nicht gefolgt werden, da er unzulässigerweise eine freie Beweglichkeit der Gelenke mit einer uneingeschränkten Funktion gleichsetze. Dabei werde außer Acht gelassen, dass Belastungsschmerzen an der unteren Extremität eine erhebliche berufliche Einschränkung darstellen könnten. Im Falle des Klägers sei die Beweglichkeit im Bereich der unteren Extremitäten seitengleich, jedoch bestünden nachvollziehbare chronische schmerzhafte Belastungsschmerzen, die durch einen chronischen Reizerguss im oberen Sprunggelenk und die nachweisbare Osteochondrosis dissecans glaubhaft würden.

Die Beklagte hat hierzu eine weitere Stellungnahme von Dr. T. vom 03.05.2010 vorgelegt, wonach nicht von einer Osteochondrosis dissecans, sondern lediglich einer osteochondralen Läsion auszugehen sei. Dieser Befund lasse keine Verschlechterung erwarten, sondern allenfalls konstante, individuell unterschiedliche belastungsabhängige Beschwerden. Weiterhin sei eine MdE um 10 v.H. nicht anzunehmen. Eine dauerhafte schmerzbedingte Belastungsstörung einer Extremität habe zwangsläufig deren Schonung und als deren Folge einen entsprechenden Muskelschwund zur Folge. Im Hinblick auf die seit der ersten Rentenbegutachtung am 02.06.2006 bis zur Untersuchung durch Herrn Dr. P. nahezu gleichgebliebene Umfangsdifferenz der Beine könne eine Schonung oder Minderbelastbarkeit des linken Beines jedoch zweifelsfrei ausgeschlossen werden. Auch eine Herabsetzung des Kalksalzgehaltes im schonenden Extremitätenabschnitt sei beim Kläger nicht nachweisbar. Der von dem Gutachter Dr. P. beschriebene normale Gang des Klägers sowie das Fehlen einer Behandlungsnotwendigkeit wiesen ebenfalls darauf hin, dass eine MdE um 10 v.H. nicht anzunehmen sei. Nach Schönberger/Mertens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., werde erst eine Funktionsstörung des oberen Sprunggelenkes, bei welcher das Anheben des Fußes lediglich bis zur Neutral-0-Linie möglich sei (0-0-30 Grad) mit einer MdE um 10 v.H. bewertet, wobei ein üblicherweise vorhandener Schmerz mit berücksichtigt werde. Auch wenn durch eine unstrittige osteochondrale Läsion im Bereich des linken Sprungbeines belastungsabhängige Beschwerden nachgewiesen wären, könne dies keinen objektiven Anhaltspunkt für eine dadurch verursachte Minderbelastbarkeit des linken Beines darstellen.

Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143 f. und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung ist begründet. Der Senat hat vorliegend mit dem Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden.

Eine die Gewährung einer Verletztenrente rechtfertigende MdE um wenigstens 10 v.H. liegt aufgrund des Unfalles vom 21.09.2005 jedenfalls seit dem 18.10.2006 nicht vor. Nach § 26 Abs. 1 SGB VII haben Versicherte Anspruch auf Entschädigungsleistungen u. a. in Form von Heilbehandlung (§ 27 SGB VII) oder Geldleistungen (Verletztengeld § 45 SGB VII und Rente § 56 SGB VII ). Insbesondere nach § 56 Abs. 1 SGB VII erhalten Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, eine Rente. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente; die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern, § 56 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB VII.

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 SGB VII). Erforderlich ist, dass sowohl ein kausaler Zusammenhang zwischen der in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung und dem Unfall als auch zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden besteht. Diese so genannte doppelte Kausalität wird nach herkömmlicher Dogmatik bezeichnet als die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität. Für beide Bereiche der Kausalität gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung sowie der Beweismaßstab der - überwiegenden - Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R - , SozR 4-2700 § 8 Nr. 12).

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22). Für die Bewertung einer unfallbedingten MdE kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen oder geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die BK-Folgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet (BSG, Urt. vom 26. Juni 1985 - 2 RU 60/84 -, in: SozR 2200 § 581 RVO Nr. 23 m.w.N.; BSG, Urt. vom 19. Dezember 2000 - B 2 U 49/99 R -, in: HVBG-Info 2001, 499). Die Sachkunde des ärztlichen Sachverständigen bezieht sich in erster Linie darauf, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Folgen der BK beeinträchtigt sind. Schlüssige ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind zwar bedeutsame Anhaltspunkte, besitzen aber keine bindende Wirkung, auch wenn sie eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE darstellen (BSG, Beschluss vom 22. August 1989, - 2 BU 101/89 -, in: HVBG-Info 1989 S. 2268). Bei der Bewertung der MdE sind schließlich auch die in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung und dem versicherungsrechtlichen oder versicherungsmedizinischen Schrifttum ausgearbeiteten Erfahrungssätze zu beachten, um eine gerechte und gleiche Bewertung der zahlreichen Parallelfälle der täglichen Praxis zu gewährleisten.

Die funktionellen Beeinträchtigungen des Klägers aufgrund des Unfalles vom 21.09.2005, nämlich eine ganz geringfügige endgradige Bewegungseinschränkung des linken unteren und oberen Sprunggelenkes, erlauben auch unter Berücksichtigung der vom Kläger empfundenen Schmerzen nicht die Annahme einer MdE um 10 v.H., wozu auf die überzeugenden Ausführungen von Dr. S. und Dr. T. verwiesen wird. Die beiden Beratungsärzte der Beklagten weisen überzeugend darauf hin, dass die von Prof. Dr. R. maßgeblich für seine Beurteilung herangezogene bildgebende Diagnostik insoweit nachrangig ist. Diese Argumentation des Prof. Dr. R. lässt sich insbesondere dem für das SG am 03.11.2008 erstellte Gutachten nach Aktenlage entnehmen; der Gutachter führt darin aus, dass die ablehnende Auffassung der Beklagten nicht nachvollziehbar sei, da im eigenen Gutachten nach Untersuchung des Klägers vom 21.01.2008 nicht in erster Linie subjektive Befunde des Klägers, sondern vor allem (sic) die bildgebenden Befunde der MRT-Untersuchungen bewertet worden seien. Ausdrücklich sei in dem Gutachten auf die festgestellten radiologischen Veränderungen, die endgradigen Einschränkungen der Beweglichkeit im oberen und unteren Sprunggelenk links sowie subjektive Beschwerden hingewiesen worden.

Beim Kläger ließ sich indes nur eine ganz geringfügige endgradige Bewegungseinschränkung des linken unteren und oberen Sprunggelenkes feststellen, welche ihn funktional nicht wesentlich behinderte. Der Kläger konnte noch jahrelang nach seinem Unfall die körperlich belastende Tätigkeit als Garten- und Landschaftsbauer verrichten. Auch die derzeit von ihm mit mehr als acht Stunden täglich verrichtete Tätigkeit als Hausmeister und Betriebsleiter einer Gebäudereinigungsfirma ist mit körperlichen Belastungen und täglichen langen Wegstrecken verbunden, die der Kläger ohne die Einnahme von Schmerzmitteln und auch ohne jegliche begleitende Schmerzbehandlung bewältigen kann.

Der Kläger hat bei der letzten Untersuchung durch Prof. Dr. R. (Gutachten vom 21.01.2008) angegeben, dass bei besonderen Belastungen wie dem Tragen schwerer Lasten, dem Setzen von Pflastersteinen oder dem Gehen auf unebenem Untergrund immer wieder Schmerzen im Bereich des linken Sprunggelenkes aufträten. Ansonsten bemerke er den Schmerz jeden Tag am Ende der Arbeit, wenn er seine Arbeitsschuhe ausziehe. Hieraus ist zu folgern, dass normalerweise kein Schmerz bei der Arbeit auftrat, was auch erklärt, dass der Kläger weiter körperlich belastend arbeitete und bis heute keine besondere Schmerzbehandlung erhält. Prof. Dr. R. hat auch in seinem zweiten Rentengutachten vom 21.01.2008 mitgeteilt, dass der Kläger den Untersuchungsraum in Arbeitsschuhen mit regelrechtem Gangbild betreten habe, das Entkleiden der unteren Extremitäten sei unauffällig und zügig erfolgt.

Bei dem Gutachter des Berufungsverfahrens PD Dr. P. (Gutachten vom 23.03.2010) hat der Kläger auf seine umfangreiche derzeitige Arbeitstätigkeit hingewiesen, die einen täglichen Arbeitsumfang von acht und mehr Stunden und zu Fuß zurückgelegte Wegstrecken von vier bis sechs Kilometern beinhalte. Der Kläger hat bei der Untersuchung durch PD Dr. P. auch bestätigt, dass keine Schwellneigung, keine Umknickneigung, keine Einnahme von Schmerzmitteln und auch keine Schlafprobleme wegen Schmerzen am linken Bein (letztere bestünden nur im Zusammenhang mit dem unfallunabhängigen Wirbelsäulenproblem) vorliegen. PD Dr. P. hat insbesondere keinerlei wesentliche Bewegungseinschränkung des linken Sprunggelenks feststellen können (Beweglichkeit beider oberer Sprunggelenke seitengleich mit 20-0-40 Grad nahe dem Normbereich von 20 bis 30 - 0 - 40 bis 50 Grad); er stellt ausdrücklich fest, dass die Beweglichkeit der unteren Extremitäten des Klägers insgesamt auf beiden Seiten gleich ist. Außerdem hat PD Dr. P. auch die gleichen Bewegungsausmaße wie im Vorgutachten vom 18.01.2008 angegeben. Die zusätzlich festgestellte deutliche Muskelminderung vor allem im Bereich des linken Unterschenkels mit Sensibilitätsstörungen im Dermatom S 1 mit nur schwach auslösbarem Achillessehnenreflex und Einschränkung der Kraft der Fußheber links gegen Widerstand beruht nach der ausdrücklichen Aussage von PD Dr. P. auf dem unfallunabhängig aufgetretenen und inzwischen operierten Bandscheibenvorfall. Sofern PD Dr. P. auf eine erhebliche erfolgte Traumatisierung verweist (Diagnose einer ausgeprägten Bone-bruise-Veränderung des Talus sogar mit Beteiligung des Os naviculare pedis), ist dies für die Beurteilung der MdE nur insoweit relevant, als aufgrund dieser Traumatisierung noch Unfallfolgen und hieraus folgend Funktionseinschränkungen vorliegen. Die von PD Dr. P. aufgeworfene Frage, ob von dem Vorgutachter zu Recht schwerpunktmäßig von einem Umknicktrauma ausgegangen worden sei, oder ob mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Rahmen des Unfalls vom 21.09.2005 eine ausgeprägte axiale Stauchung mit einem Umknicktrauma vorgefallen ist, war insoweit nicht weiter aufzuklären, weil die von ihm als Folge bezeichnete Osteochondrosis dissecans als Unfallfolge nicht in Frage steht. Sofern PD Dr. P. dem Beratungsarztes Dr. S. widerspricht, da dieser unzulässigerweise eine freie Beweglichkeit der Gelenke mit einer uneingeschränkten Funktion gleichsetze, kann dem nicht gefolgt werden, weil die MdE-Beurteilung sich zunächst nach der verbliebenen Funktionsfähigkeit des Organismus richtet.

Angesichts der in Schönberger/Mertens/Valentin (Arbeitsunfall Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010 S. 678 ff.) geschilderten Vergleichsfälle lässt sich aus den geschilderten Beschwerden - bei Abwesenheit einer wesentlichen morphologischen Funktionseinschränkung - wie sie zuletzt PD Dr. P. zutreffend geschildert hat (chronischer Schmerzzustand linkes oberes OSG infolge eines chronischen Reizergusses bedingt durch eine posttraumatische Osteochondrosis dissecans; chronische belastungsabhängige Schmerzzustände) keine MdE um 10 v.H. begründen. Danach ist eine MdE um 10 v.H. erst ab einer Bewegungseinschränkung des oberen Sprunggelenkes von 0-0-30 Grad anzunehmen, oder wenn bei einem Sprunggelenkverrenkungsbruch, der in guter Stellung verheilt ist, eine sekundäre Arthrose oder eine wesentliche Funktionsstörung verblieben sind. Selbst eine völlige Versteifung des unteren Sprunggelenks in Funktionsstellung führt danach lediglich zu einer MdE um 10 v.H ... Angesichts der objektiv beim Kläger wesentlich geringer vorhandenen Verletzungen ist eine Gleichstellung mit diesen Musterbeispielen durch Anerkennung einer MdE um 10 v.H. nicht veranlasst.

Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass die beim Kläger weiterhin vorhandene gleichbleibende geringe Muskelverschmächtigung des linken Oberschenkels gegen eine Belastungsstörung des linken Beines aufgrund der kernspintomographisch nachgewiesenen Veränderung spricht (Dr. T., Ausführungen vom 07.09.2009).

Soweit PD Dr. P. andeutet, dass die Funktion des linken Sprunggelenks des Klägers über die geringfügige messbare Einschränkung darüber hinaus wegen der nachgewiesenen Schmerzen weiter eingeschränkt sei (Diagnose eines chronischen Schmerzzustandes des linken oberen Sprunggelenkes in Folge eines chronischen Reizergusses sowie chronischer belastungsabhängiger Schmerzzustände), ist darauf hinzuweisen, dass die üblicherweise mit den bestimmten Verletzungsfolgen einhergehenden Schmerzen in den genannten MdE-Erfahrungswerten bereits mitberücksichtigt sind (Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O. S. 216 ff., 221 ff). Eine über dieses "übliche Maß" hinausgehende Schmerzhaftigkeit, welche eine höhere MdE-Bewertung stützen könnte, ist im Falle des Klägers ausgeschlossen. Denn der Kläger ist trotz übervollschichtiger belastender Tätigkeit weder auf die Einnahme von Schmerzmitteln noch auf eine spezielle Schmerzbehandlung angewiesen. Auch liegen weder eine Schwellneigung, Umknickprobleme noch Schlafbeschwerden durch den Schmerz vor. Sofern der Kläger bei der Begutachtung durch PD Dr. P. nunmehr anders als bei den vorherigen Begutachtungen einen ständigen Schmerz angegeben hat, ist auf das weiterhin unauffällige Gangbild des Klägers und darauf zu verweisen, dass wegen der weiterhin nur geringfügigen Umfangsminderung der unteren Extremität, soweit sie von PD Dr. P. als unfallbedingt bezeichnet wird, auch ein wesentliches Schonverhalten nicht erkennbar ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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