L 6 U 669/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 3334/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 669/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24.11.2009 aufgehoben und wird die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Verkehrsunfall des 1957 geborenen Klägers vom 13.02.2008 als Arbeitsunfall festzustellen ist.

Der Kläger ist Werkstattmeister bei der Firma L. P. GmbH in St., einer Vertragsfirma des Autoherstellers F. mit angeschlossener Reparaturwerkstatt und spezialisiertem Kundenkreis. Am 13.02.2008 legte der Kläger nach Arbeitsende den Heimweg nach Sch. mit dem F. eines Kunden zurück. Die Mitnahme des Fahrzeugs geschah im Einvernehmen mit dem Firmenleiter. Zum Zeitpunkt der Mitnahme des Fahrzeugs war dessen Bodenschutz unter der Öl- beziehungsweise Getriebewanne bereits teilweise entfernt worden. Auch war dort bereits ein Auftrag mit Talkumpulver erfolgt, um Ölspuren und Leckstellen besser feststellen zu können, da erst danach der entsprechend erforderliche Reparaturaufwand ermittelbar war. Nach dem Abendessen fuhr der Kläger mit seiner Lebensgefährtin in dem F. zur Familie ihres Vetters (V) nach L.-W., um den dort angeschafften neuen Hund ansehen zu können. Beabsichtigt war, nach dem Besuch des V mit dem F. eine längere Testfahrt durchzuführen. Da sich bei der Fahrt zu V am Fahrzeug ein Geräusch bemerkbar gemacht hatte, klemmte der Kläger am Zielort ein locker gewordenes Kabel wieder an. Daraufhin unternahm er mit dem 16jährigen Sohn (S) des V eine kurze Testfahrt auf der B 29 von der Auffahrt in L.-W. bis zur Ausfahrt in L.-W ... Beabsichtigt war, dann innerorts durch das parallel zur B 29 verlaufende Industriegebiet zurückzufahren und S in L.-W. wieder abzusetzen. Allerdings fuhr der Kläger für den Rückweg nochmals in L.-W. auf die B 29 mit dem Ziel, diese eine Ausfahrt später in L.-W. zu verlassen. Bei dieser Fahrt ereignete sich gegen 20:19 Uhr ein Verkehrsunfall. Der Kläger fuhr bei einer Ausgangsgeschwindigkeit zwischen 195 bis 250 km/h in einer leichten Linkskurve auf ein vor ihm fahrendes Fahrzeug auf, kam von der Fahrbahn ab und prallte gegen einen Baum, wobei ein Fahrzeugbrand entstand. Dabei erlitt der Kläger eine Rippenserienfraktur, einen Hämatopneumothorax, eine Lungenkontusion, eine Scapulaspitzenfraktur und eine HWS-/BWS-Distorsion; S kam zu Tode.

Am 18.03.2008 erfolgte die Unfallanzeige des Arbeitgebers. Die Beklagte zog die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft E. bei. In dem dort enthaltenen Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 12.03.2008 wird ausgeführt, zunächst sei der Kläger auf der B29 in Fahrtrichtung St. die Strecke von der Auffahrt in L.-W. bis zur Ausfahrt in L.-W. gefahren. Eigentlich habe er dann innerorts durch das parallel zur B 29 verlaufende Industriegebiet zurückfahren und S in L.-W. wieder absetzen wollen. Auf dessen Wunsch hin sei er aber für den Rückweg nochmals in L.-W. auf die B 29 mit dem Ziel gefahren, diese eine Ausfahrt später in L.-W. wieder zu verlassen. Sodann sei es zu dem Verkehrsunfall gekommen. Ferner enthält die Ermittlungsakte den Bericht des Polizeiobermeisters B. und das verkehrstechnische Gutachten der D. A. GmbH. Ergänzende Angaben zu den Geschehnissen am Unfalltag machte der Kläger unter dem 15.08.2008. Ferner befragte die Beklagte am 11.11.2008 den Eigentümer des F.s.

Mit Bescheid vom 20.01.2009 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Unfalls vom 13.02.2008 als Arbeitsunfall und die Gewährung von Leistungen ab. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Mitnahme des S auf dessen Wunsch sowie die Verlängerung dieser Fahrt auf dessen Drängen hin erfüllten nicht mehr das Kriterium einer Probefahrt. Vielmehr habe hier der persönliche Wunsch eines Teenagers im Vordergrund gestanden, in einem F. mitzufahren. Eine Betriebsbezogenheit lasse sich aus den Gesamtumständen der zum Unfall führenden Tätigkeit nicht ableiten. Die Tendenz des Handelns sei hier dem rein privaten Bereich zuzuordnen. Eine versicherte Tätigkeit als anspruchsbegründende Tatsache sei daher nicht anzunehmen.

Hiergegen legte der Kläger am 17.02.2009 Widerspruch ein. Es habe sich vorliegend um eine Probefahrt gehandelt. Bestandteil seiner Tätigkeit für seinen Arbeitgeber sei, dass er Kundenfahrzeuge nach Feierabend zu Probefahrten mit nach Hause nehme. Da das Mitnachhausenehmen eines Fahrzeuges keinen anderen Zweck habe, als es in zahlreichen Situationen und unter unterschiedlichen Bedingungen zu testen, ende die Erprobungsfahrt genau genommen ohnehin erst mit der Wiederankunft in der Werkstatt. Dass er dem Wunsch des S nachgegeben habe und diesen auf eine eben solche Fahrt mitgenommen habe, ändere an der Eigenschaft auch dieser Fahrt als Probefahrt nichts, zumal unter dem Gesichtspunkt, dass er durchaus auch auf Hinweise eines Mit- beziehungsweise Beifahrers angewiesen sei, wenn es um das Feststellen von möglichen Fehlern gehe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23.04.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die konkret zum Unfall führende Fahrt sei allein auf Grund des Wunsches des S unternommen worden. Die Erprobung des Fahrzeuges habe hierbei nicht im Vordergrund gestanden. Diese Fahrt wäre ohne den Wunsch des S nicht vorgenommen worden. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass die Erprobung des Fahrzeuges nur nebenbei miterledigt worden sei. Zum Zeitpunkt des Unfalles habe sie nur einen unwesentlichen Nebenzweck dargestellt. Insofern fehle es an einem inneren ursächlichen Zusammenhang zur betrieblichen Tätigkeit.

Hiergegen erhob der Kläger am 13.05.2009 Klage zum Sozialgericht Stuttgart. Er führte aus, jedwede von ihm unternommene Fahrt mit dem Kundenfahrzeug nach Feierabend diene in erster Linie beziehungsweise ausschließlich der insoweit gewissermaßen gewidmeten Erprobung. Alle anderen Motive träten dahinter zurück. Sie dienten am Ende lediglich der Vollständigkeit der Erprobung des Fahrzeuges in möglichst zahlreichen und auch alltäglichen Verkehrssituationen, egal also ob es sich hierbei um eine Fahrt zum Bäcker, auf der Land- oder Bundesstraße, auf der Autobahn oder mit einem Begleiter handle.

Das Sozialgericht beabsichtigte, V und dessen Ehefrau als Zeugen zu vernehmen, sah hiervon jedoch, nachdem Dipl.-Psych. Z. unter dem 05.11.2009 und Dr. G. unter dem 16.11.2009 wegen deren schlechten seelischen Zustandes hiervon abrieten, ab. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung gab der Arbeitgeber des Klägers zeugenschaftlich an, der Kunde habe das Fahrzeug in die Werkstatt gebracht, da er besonders beim schnelleren Fahren einen aus seiner Sicht überhöhten Ölverlust bemerkt habe. Zum Zeitpunkt des Beginns der Unfallfahrt sei werkstattseitig noch nicht ersichtlich gewesen, welche Reparaturmaßnahmen durchzuführen seien, da die entsprechende Schadensursache noch nicht exakt festgestanden habe. Bei dem Unfallfahrzeug sei die durchgängige Unterbodenverkleidung abgenommen worden, um alsdann ohne größere Schwierigkeiten das vermutete Leck ausfindig machen zu können. Theoretisch lasse sich eine derartige Fehlersuche auch durch Auffahren des Fahrzeuges auf eine Bühne und nachher stundenlangem Motorenlaufenlassen durchführen. Dies sei indessen erfahrungsgemäß weniger praktisch, da sich bei einer Ausfahrt mit entsprechender Motorenbelastung schon aus physikalischen Gründen die Ölaustrittstellen wesentlich leichter eruieren ließen. An dem Unfalltag sei der Kläger aufgrund allgemeiner Gestattung durchaus befugt gewesen, das Fahrzeug auch zu Probezwecken mit nach Hause zu nehmen. Denn eine Fahrzeugerprobung mit Hoch- beziehungsweise Höchstgeschwindigkeitsfahrten tagsüber hätte bedeutet, dass der jeweilige Fahrer in der Werkstatt fehle und es zum anderen angesichts der regionalen Verhältnisse im Großraum St. und den dortigen Verkehrsbelastungen auf den Autobahnen beziehungsweise Schnellstraßen faktisch unmöglich sei, die geforderten höheren Geschwindigkeiten fahren zu können. An dem Unfalltag habe man sich darauf geeinigt, dass der Kläger das Fahrzeug mitnehme, um sehen zu können, wo das Öl tropfe. Die Lebensgefährtin des Klägers gab in der mündlichen Verhandlung zeugenschaftlich an, Anlass für die Fahrt zur Familie des V sei der dort neu angeschaffte junge Hund gewesen. Auf der Fahrt von Sch. nach W. habe sie ein Geräusch am Fahrzeug bemerkt. Nach Ankunft habe der Kläger mit einer Taschenlampe die Unterseite des Fahrzeuges in Besicht genommen. Dabei sei auch S anwesend gewesen. Welche Absprachen der Kläger mit S vor Beginn der Fahrt getroffen habe, wisse sie nicht. Der Kläger führte ergänzend aus, der Motor des Fahrzeuges sei schon gewaschen gewesen, so dass man Ölaustrittspunkte nach entsprechendem vorherigen Bestäuben mit Talkumpulver besser habe registrieren können. Auf der Heimfahrt von seinem Arbeitgeber nach Sch. habe er noch keine speziellen Geräusche gehört. Diese seien erst während der Fahrt von Sch. nach W. bemerkbar geworden. Bei der Besichtigung der Fahrzeugunterseite habe er bemerkt, dass sich ein Kabel gelockert habe, welches er dann festgeklemmt habe. Erst hernach sei S hinzugekommen und habe ein Interesse daran geäußert, die von ihm beabsichtigte weitere und zunächst kürzer konzipierte Probefahrt begleiten zu wollen. Alsdann sei er auf die B 29 eingebogen, um diese bei der nächsten Ausfahrt wieder zu verlassen. Bei der Unglücksfahrt habe es sich nur um eine von seiner damaligen Absicht her ganz kurze Probefahrt nach dem Festklemmen des Kabels gehandelt. Hierbei habe er sicherstellen wollen, die restliche beabsichtigte weitere Probefahrt, diese dann aber ohne S mit höherer Geschwindigkeit überhaupt durchführen zu können.

Mit Urteil vom 24.11.2009 hob das Sozialgericht den Bescheid vom 20.01.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.04.2009 auf und verurteilte die Beklagte, das Ereignis vom 13.02.2008 als gesetzlich versicherten Unfall anzuerkennen. Dadurch, dass S bei der Unglücksfahrt als Beifahrer mitgefahren sei, sei die Unglücksfahrt nicht zu einem bloßen Privatereignis geworden. Da sich die an die Befestigung des gelockerten Kabels anschließende und als nach Zeit und Strecke kurz konzipierte Fahrt den Umständen nach auch zur Kontrolle des Erfolges dieser wenngleich geringfügigeren Reparaturbemühungen gedient habe, habe sie durchaus gleichfalls schon im betrieblichen Interesse gelegen. Diese Fahrt wäre auch dann vorgenommen worden, wenn eine private Motivation des Handelnden entfallen wäre. Hierbei habe es sich im wohlverstanden eigenen betriebsbezogenen Interesse des Klägers gelegen, vor Antritt der für später beabsichtigten längeren Testfahrt zunächst den Erfolg seiner kleineren Reparaturbemühungen durch die kürzere Fahrt zu kontrollieren, da möglicherweise andernfalls es keinen Sinn gemacht hätte, gleichwohl noch ausgedehntere Volllastbedingungen durch Zurücklegen einer vergleichsweise deutlich längeren Strecke herbeizuführen. Dass nun bei der konkreten kurzen Ausfahrt der Verunglückte, sei es auf eigenen Wunsch und/oder auf Anbieten des Klägers die Mitfahrt angetreten habe, sei daher unschädlich. Es lasse sich nämlich nicht feststellen, dass der Kläger von der nachfolgend fatal verlaufenden Probefahrt vom Ansatz her Abstand genommen hätte, wenn der Verunglückte nicht mitgefahren wäre. Mithin sei auch diese Fahrt betriebsdienlich gewesen.

Gegen das ihr am 18.01.2010 zugestellte Urteil des Sozialgerichts hat die Beklagte am 09.02.2010 Berufung eingelegt. Zwar dürfte die nach dem Abendessen erfolgte Fahrt des Klägers mit seiner Lebensgefährtin noch unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden haben. Danach sei jedoch eine Zäsur erfolgt, da sich der Kläger während des Aufenthalts bei der Familie des V dazu entschlossen habe, eine zunächst nicht geplante, zusätzliche kurze Probefahrt mit S einzulegen. Es könne nicht nachgewiesen werden, dass diese Fahrt dem Zweck gedient habe, nachzuprüfen, ob bei dem Fahrzeug alles wieder in Ordnung sei. Denn der Kläger habe in der ersten polizeilichen Vernehmung angegeben, er sei sich sicher gewesen, dass ein technischer Defekt nicht ursächlich für den Unfall gewesen sei. Wenn der Kläger sich dessen so sicher gewesen sei, sei fraglich, warum dann diese zusätzliche Fahrt notwendig gewesen sein solle. Gegen die Durchführung dieser zusätzlichen Fahrt wegen technischer Probleme spreche ebenfalls, dass die Geschwindigkeit des Fahrzeuges zum Unfallzeitpunkt mindestens circa 200 km/h betragen habe. Die Fahrt mit einer derart hohen Geschwindigkeit bei der Annahme von gegebenenfalls vorliegenden technischen Problemen am Fahrzeug lasse sich beim besten Willen nicht nachvollziehen. Somit sei unter Würdigung der Gesamtumstände hier vielmehr davon auszugehen, dass diese zusätzliche Fahrt allein auf Wunsch des S durchgeführt worden sei. Aber selbst wenn man davon ausginge, dass diese zusätzliche Fahrt ursprünglich unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden habe, sei während der Fahrt eine zweite Zäsur erfolgt, die dann jedoch endgültig die Lösung vom Versicherungsschutz nach sich gezogen habe. Denn der Kläger habe bei Antritt diese zusätzlichen Probefahrt auf der B 29 von der Auffahrt L.-W. in Fahrtrichtung St. bis zur nächsten Ausfahrt L.-W. fahren und dann innerorts durch das parallel zur B 29 verlaufende Industriegebiet zurückfahren und S absetzen wollen. Erst auf Wunsch desselben sei der Kläger von dieser Absicht abgewichen und auf die B 29 zurückgefahren. Spätestens ab diesem Zeitpunkt sei die Fahrt somit allein auf Wunsch des S und daher aus eigenwirtschaftlichen Gründen erfolgt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts St. vom 24.11.2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Urteil des Sozialgerichts sei in keinerlei Hinsicht zu beanstanden.

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung am 17.06.2010 unter anderem angegeben, er habe auch für den Rückweg zur Wohnung des V die B29 gewählt und zwar nicht auf den Wunsch des S, sondern weil er das Fahrzeug nochmals auf der B29 habe testen wollen, da auf der Hinfahrt auf der B29 relativ viel Verkehr gewesen sei und er daher nicht sehr schnell habe fahren können, so dass er nicht genau habe einschätzen können, ob das zuvor bei höherer Geschwindigkeit festgestellte Geräuschproblem behoben gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung des Ereignisses vom 13.02.2008 als Arbeitsunfall.

Rechtsgrundlage sind die §§ 7 und 8 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII).

Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Versicherte Tätigkeit ist auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII).

Aus diesen gesetzlichen Vorgaben hat die Rechtsprechung (zuletzt in BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R) die folgenden Grundsätze entwickelt:

Für die Feststellung eines Arbeitsunfalls ist erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer beziehungsweise sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem Unfallereignis als einem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkendem Ereignis geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität).

Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Art und das Ausmaß des Unfallereignisses und der Gesundheitserstschaden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Für die haftungsbegründende Kausalität, welche nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, ist grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreichend, aber auch erforderlich. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht, so dass auf diesen Grad der Wahrscheinlichkeit vernünftigerweise die Entscheidung gestützt werden kann und ernste Zweifel ausscheiden. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben.

Der sachliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht. Bei einem wie hier nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII grundsätzlich versicherten Beschäftigten sind Verrichtungen im Rahmen des dem Beschäftigungsverhältnis zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisses Teil der versicherten Tätigkeit und stehen mit ihr im erforderlichen sachlichen Zusammenhang. Dies bedeutet nicht, dass alle Verrichtungen eines grundsätzlich versicherten Arbeitnehmers im Laufe eines Arbeitstages auf der Arbeitsstätte versichert sind, weil nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII nur Unfälle "infolge" der versicherten Tätigkeit Arbeitsunfälle sind und es einen so genannten Betriebsbann nur in der Schifffahrt gemäß § 10 SGB VII, nicht aber in der übrigen gesetzlichen Unfallversicherung gibt. Typischerweise und in der Regel unversichert sind höchstpersönliche Verrichtungen wie beispielsweise Essen, oder eigenwirtschaftliche, wie beispielsweise Einkaufen. Sie führen zu einer Unterbrechung der versicherten Tätigkeit und damit regelmäßig auch zu einer Unterbrechung des Versicherungsschutzes (BSG, Urteil vom 09.04.2007 - B 2 U 28/06 R; BSG, Urteil vom 26.10.2004 - B 2 U 24/03 R).

Maßgebliches Kriterium für die wertende Entscheidung über den Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und Verrichtung zur Zeit des Unfalls ist die Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird. Aufgrund der Handlungstendenz kann beurteilt werden, ob der versicherte Arbeitnehmer mit seiner konkreten Verrichtung zur Zeit des Unfalls eine auf seinem Arbeitsvertrag beruhende, dem Unternehmen dienende und damit unter Versicherungsschutz stehende Tätigkeit ausüben wollte (BSG, Urteil vom 09.04.2007 - B 2 U 28/06 R - unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 10.10.2006 - B 2 U 20/05 R - und BSG, Urteil vom 26.10.2004 - B 2 U 24/03 R).

Beweisrechtlich ist Folgendes zu beachten: Lässt sich ein Nachweis der versicherten Tätigkeit nicht führen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten. Verunglückt aber ein Versicherter unter ungeklärten Umständen an seinem Arbeitsplatz, an dem er zuletzt betriebliche Arbeit verrichtet hat, so entfällt der Versicherungsschutz nur dann, wenn bewiesen wird, dass er die versicherte Tätigkeit im Unfallzeitpunkt für eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit unterbrochen hat (BSG, Urteil vom 09.04.2007 - B 2 U 28/06 R; BSG, Urteil vom 26.10.2004 - B 2 U 24/03 R).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze handelt es sich bei der Fahrt zwischen der Auffahrt auf die B 29 in L.-W. in Richtung des Wohnortes des V in L.-W. nicht um eine versicherte Tätigkeit.

Selbst wenn die vorherige Fahrt von der Wohnung des V in L.-W. bis zur Ausfahrt von der B 29 in L.-W. dem Zweck gedient haben sollte, zu prüfen, ob die bei V vorgenommene Befestigung eines Kabels erfolgreich war, um so sicherzustellen, dass die Durchführung der für den späteren Abend geplanten längeren Testfahrt möglich war und es sich deshalb bei dieser (kürzeren) Fahrt um eine versicherte Testfahrt gehandelt haben sollte, handelte es sich jedenfalls bei der Rückfahrt nicht mehr um eine versicherte Testfahrt, sondern eine auf Wunsch des S durchgeführte Privatfahrt.

Der Senat ist davon überzeugt, dass die Rückfahrt zur Wohnung des V auf Wunsch des S erneut auf der B29 erfolgte. Dies ergibt sich aus den Angaben des Prozessbevollmächtigten in seinem im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gefertigten Schreiben vom 12.03.2008, in dem dieser angab, eigentlich habe der Kläger innerorts durch das parallel zur B 29 verlaufende Industriegebiet zurückfahren und S in L.-W. wieder absetzen wollen. Auf dessen Wunsch hin sei er aber für den Rückweg nochmals in L.-W. auf die B 29 mit dem Ziel gefahren, diese eine Ausfahrt später in L.-W. wieder zu verlassen. Die erstmals in der mündlichen Verhandlung am 17.06.2010 gemachten Ausführungen des Klägers, es sei seine Entscheidung gewesen, den Rückweg über die B 29 zu wählen, da er das Fahrzeug nochmals auf der B29 habe testen wollen, ist nicht glaubhaft. Denn die zeitnahen ersten Angaben des zum damaligen Zeitpunkt noch nicht um die rechtlichen Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls wissenden Klägers haben eine höhere Beweiskraft als dessen spätere Angaben. Zwar kennen weder das SGG noch die Zivilprozessordnung (ZPO) eine Beweisregel in dem Sinne, dass frühere Aussagen oder Angaben grundsätzlich einen höheren Beweiswert besitzen als spätere. Im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG beziehungsweise § 202 SGG in Verbindung mit 286 ZPO kann aber das Gericht den zeitlich früheren Aussagen aufgrund des Gesichtspunktes, dass sie von irgendwelchen versicherungsrechtlichen Überlegungen gegebenenfalls noch unbeeinflusst waren, einen höheren Beweiswert als den späteren Aussagen zumessen (BSG, Urteil vom 11.11.2003 - B 2 U 41/02 R). Ferner hat sich der Kläger, obwohl die Beklagte ihre Rechtsansicht bereits in ihren Bescheiden darauf gestützt hatte, dass die Testfahrt auf Wunsch des S verlängert worden sei, hierzu erst in der mündlichen Verhandlung gegenteilig geäußert. Auch überzeugen den Senat die im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 17.06.2010 gemachten Erläuterungen des Prozessbevollmächtigten des Klägers, das Schreiben vom 12.03.2008 sei im Anschluss an eine relativ kurze Besprechung mit dem Kläger im Krankenhaus erfolgt, so dass es sein könne, diesem Schreiben liege eine fehlerhafte Formulierung zu Grunde, nicht. Denn ein Formulierungsfehler liegt angesichts des eindeutigen Wortlauts des Schriftsatzes nicht vor. Dagegen, dass der Kläger, etwa weil er sich hieran nicht mehr erinnert hat oder es ihm im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens hierauf nicht ankam, seinerzeit keine Angaben dazu gemacht hat, auf wessen Wunsch hin entschieden wurde, den Rückweg über die B 29 zurückzulegen, spricht der Umstand, dass in dem Anwaltsschreiben zu diesem Punkt überhaupt und zudem detaillierte Ausführungen gemacht wurden. Deshalb verfängt auch der Begründungsversuch des Prozessbevollmächtigten des Klägers, der Kläger habe sich bei dem relativ kurz nach dem Unfall stattgefundenen Gespräch nicht an alles erinnern können, nicht.

Ab dem Zeitpunkt, in dem sich der Kläger aufgrund des Wunsches des S entschieden hatte, nicht wie geplant innerorts durch das parallel zur B 29 verlaufende Industriegebiet, sondern erneut auf der B 29 zurück in Richtung L.-W. zu fahren, stand nicht mehr der versicherte Zweck einer Testfahrt, sondern der Wunsch des S, in einem F. mit hoher Geschwindigkeit mitzufahren, im Vordergrund. Dies ergibt sich daraus, dass der Kläger ursprünglich über das parallel zur B 29 verlaufende Industriegebiet zurückfahren wollte und er es mithin nicht mehr für notwendig erachtet hat, auch die Rückfahrt auf der B 29 mit hoher Geschwindigkeit durchzuführen.

Auch handelt es sich bei der Fahrt zwischen der Auffahrt auf die B 29 in L.-W. in Richtung des Wohnortes des V in L.-W. nicht um einen versicherten Wegeunfall.

Der Versicherungsschutz auf dem Weg nach und von der Arbeitsstätte oder einer anderen versicherten Tätigkeit wird damit begründet, dass diese Wege nicht aus privaten Interessen, sondern wegen der versicherten Tätigkeit unternommen werden und somit eine Art Vor- oder Nachbereitungshandlung zur eigentlichen versicherten Tätigkeit darstellen. Andererseits sind diese Wege noch nicht Teil der eigentlichen versicherten Tätigkeit und rein tatsächlich werden mit solchen Wegen häufig auch private Verrichtungen und Zwecke verbunden. Die in § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII gebrauchte Formulierung "Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit" kennzeichnet den sachlichen Zusammenhang des unfallbringenden Weges mit der eigentlichen versicherten Tätigkeit. Dieser besteht, wenn der Weg wesentlich zu dem Zweck zurückgelegt wird, den Ort der Tätigkeit oder nach deren Beendigung im typischen Fall die eigene Wohnung zu erreichen. Die darauf gerichtete Handlungstendenz muss durch die objektiven Umstände bestätigt werden. Da der Gesetzgeber die Grundentscheidung "Versicherungsschutz auf dem Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit" in § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII getroffen hat, ist von der Rechtsprechung nur zu klären, ob der Versicherte, als er verunglückte, einen solchen versicherten Weg zurückgelegt und infolge dessen einen Gesundheitsschaden erlitten hat. Dieser Unfallversicherungsschutz setzt voraus, dass der Weg mit der versicherten Haupttätigkeit zusammenhängt, weil er nur versichert ist, solange und soweit er eng mit der Aufnahme oder der Beendigung der Haupttätigkeit verbunden ist. Maßgebliches Kriterium hierfür ist, ob die anhand objektiver Umstände zu beurteilende Handlungstendenz des Versicherten beim Zurücklegen des Weges darauf gerichtet war, die Haupttätigkeit aufzunehmen oder nach deren Beendigung in seinen Privatbereich zurückzukehren. Denn nur dann hängt sein Handeln mit der versicherten betrieblichen Tätigkeit zusammen. Fehlt es an diesem Zusammenhang, ist das Zurücklegen des Weges auch dann keine versicherte Tätigkeit, wenn der Versicherte dieselbe Strecke zurücklegt, die er als Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit gewöhnlich benutzt. Eine Beendigung des Versicherungsschutzes setzt voraus, dass der ursprüngliche Weg zum Ort der Tätigkeit aus eigenwirtschaftlichen Gründen unterbrochen wird. Erst hierdurch entfällt nämlich der innere Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit und damit der Versicherungsschutz (BSG, Urteil vom 02.12.2008 - B 2 U 17/07 R). Dabei liegt eine Änderung der Handlungstendenz in Richtung auf eine unversicherte private Tätigkeit nur dann vor, wenn sie einen klaren und damit objektivierbaren Ausdruck gefunden hat. Hierfür trägt die Beklagte die objektive Beweislast, wenn sich der Unfall auf einem grundsätzlich versicherten Wegeabschnitt ereignet hat (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.07.2008 - L 9 U 2815/06). Ist nämlich eine versicherte Tätigkeit als anspruchsbegründende Voraussetzung für einen Arbeitsunfall nachgewiesen, handelt es sich bei der Unterbrechung oder Beendigung derselben um eine anspruchshindernde Tatsache, deren Nichterweislichkeit in Abweichung von der üblichen Beweislastverteilung zu Lasten des Unfallversicherungsträgers geht (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.04.2010 - L 6 U 3210/09).

Zwar wäre vorliegend denkbar, den Rückweg von der kürzeren Testfahrt beziehungsweise den Hinweg zu der für den späteren Abend geplanten längeren Testfahrt als versicherten Weg im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII anzunehmen. Allerdings handelt es sich bei der vom Kläger auf Wunsch des S nunmehr gewählten Strecke nicht um solchen Rückweg. Ursprünglich plante der Kläger, nach der Ausfahrt von der B 29 in L.-W. über das parallel zur B29 verlaufende Industriegebiet, also über die Sch.er Straße, die L. Straße und sodann über die T.straße, die T.straße, die R.straße, die R.straße, die St.gasse und den Th.weg zu dem im W.weg 29 in L.-W. wohnenden V zu fahren. Stattdessen entschied sich der Kläger aber auf Wunsch des S, dorthin nach der Auffahrt auf die B 29 in L.-W. über die B 29 bis zur Ausfahrt der B 29 in L.-W. und sodann über die M.straße, die T.straße, die T.straße, die R.straße, die R.straße, die St.gasse und den Th.weg zu fahren. Dieser Weg war nicht nur länger, sondern barg aufgrund dessen, dass der Kläger das Teilstück der B 29 ausweislich des im strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens eingeholten verkehrstechnischen Gutachtens der D. A. GmbH mit einer Geschwindigkeit zwischen 195 und 225 km/h, möglicherweise 250 km/h, befuhr, auch erhöhte Risiken.

Zwar ist der Versicherte in der Wahl des Weges grundsätzlich frei. Die Wahl eines anderen oder weiteren Weges stellt aber den Versicherungsschutz in Frage, wenn für diese Wahl andere Gründe maßgebend waren als die Absicht, den Ort der Tätigkeit zu erreichen und die dadurch bedingte Veränderung oder Verlängerung unter Berücksichtigung aller Umstände als erheblich anzusehen ist (BSG, Urteil vom 31.01.1984 - 2 RU 15/83). So aber war es vorliegend, da der Kläger wegen des Wunsches des S nochmals die B 29 und diese auch noch mit hoher Geschwindigkeit befuhr.

Nach alledem hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung des Ereignisses vom 13.02.2008 als Arbeitsunfall.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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