Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 VG 773/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VG 4046/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 14.07.2009 wird zurückgewiesen
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger erstrebt die Gewährung von Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG)
Der im Jahre 1959 geborene Kläger wurde am 18.07.2004 ebenso wie seine ihn begleitende Lebensgefährtin von deren ehemaligem Freund geschlagen. Dadurch sowie infolge der weiteren körperlichen Auseinandersetzung bis zum Eintreffen der Polizei erlitt der Kläger im Wesentlichen eine oberflächliche Wunde an der Innenseite seiner Oberlippe, Schürfwunden an der rechten Tibia und am linken Unterarm sowie eine Nackenprellung; seine Lebensgefährtin zog sich verschiedene Prellungen zu. Noch am selben Tage erfolgte eine ärztliche Versorgung im Kreiskrankenhaus E ... Ab dem Folgetage befand sich der Kläger wegen in den Vordergrund tretender psychischer Beeinträchtigungen bei dem Allgemeinmediziner T. sowie dem Heilpraktiker für Psychotherapie P. in Behandlung. Darüber hinaus stellte er sich am 23.08.2004 in der Psychosomatischen Klinik des Universitätsklinikums H. vor, wo ein depressiv-ängstliches Beschwerdebild bei Stalking diagnostiziert wurde. Auch seine Lebensgefährtin wurde wegen psychischer Beschwerden behandelt.
Am 12.11.2004 beantragte der Kläger die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG. Mit Bescheid vom 25.06.2007 stellte das Landratsamt Rh.-N.-Kreis fest, dass zwischen den erlittenen, inzwischen aber folgenlos abgeheilten Gesundheitsstörungen "multiple Prellungen und nervöse Unruhe" und der Schädigung im Sinne des § 1 OEG ein ursächlicher Zusammenhang bestanden hatte; Folgen dieser Verletzung lägen jedoch mit Ablauf des 19.09.2004 nicht mehr vor. Die Zahlung einer Beschädigtenrente könne nicht erfolgen, da sich eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um wenigstens 25 vom Hundert (v. H.) für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten nicht begründen lasse, jedoch bestehe ein Anspruch auf Heilbehandlung für die Zeit bis zum 19.09.2004. In Ausführung dieser Entscheidung erstattete das Landratsamt Rh.-Ne.-Kreis dem Kläger die bis zum 19.09.2004 angefallenen Kosten der von ihm auch noch nach Ablauf dieses Zeitraums durchgeführten Heilbehandlung bei dem Heilpraktiker für Psychotherapie P ... Den gegen den Bescheid vom 25.06.2007 erhobenen Widerspruch wies das Regierungspräsidium St. mit Widerspruchsbescheid vom 11.02.2008 zurück.
Am 07.03.2008 erhob der Kläger beim Sozialgericht Mannheim Klage und machte geltend, die von ihm erlittenen Verletzungen erstreckten sich über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten.
Das Sozialgericht holte schriftliche sachverständige Zeugenaussagen des Heilpraktikers für Psychotherapie P. vom 22.06.2008 (Behandlung über deutlich mehr als sechs Monate wegen akuter Belastungsstörung [körperliche Attackierung]) und des Allgemeinmediziners T. vom 17.07.2008 (Behandlung zuletzt am 05.05.2008 wegen depressiver Episode; nach seiner Einschätzung Vorliegen einer bereits früher vorhandenen neurotisch depressiven Störung) ein. Darüber hinaus erstattete der Arzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Sch. das nervenfachärztliche Gutachten vom 28.10.2008 (durch den tätlichen Angriff verursachtes prolongiertes agitiert-verbittertes Syndrom nach einer körperlichen Auseinandersetzung bei prädisponierender Persönlichkeitsstruktur ohne eine permanente psychische Symptomatik, MdE für acht Wochen nach dem Vorfall 30 v. H., danach 10 v. H). Der Beklagte wandte hiergegen unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. B. vom 20.11.2008 ein, ursächlich auf das schädigende Ereignis zurückzuführende Gesundheitsstörungen lägen nicht vor; darüber hinaus erscheine ein Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 10 überhöht. Der Kläger machte geltend, ein GdS von 10 erscheine etwas niedrig.
Mit Urteil vom 14.07.2009 wies das Sozialgericht die Klage mit der Begründung ab, bleibende gesundheitliche Schäden des Klägers lägen nicht vor. Diese Entscheidung wurde dem Kläger am 06.08.2009 zugestellt.
Am 03.09.2009 hat der Kläger Berufung eingelegt.
Der Senat hat die ergänzende gutachterliche Stellungnahme des Sachverständigen Dr. Sch. vom 16.11.2009 (im Vergleich zu dem Angriff vom 18.07.2004 übergeordnete Bedeutung der individuellen Vulnerabilität im Sinne von narzisstischen Persönlichkeitszügen für das agitiert-verbitterte Syndrom; gering einzustufende psychische Symptomatik, GdS von 25 bzw. 30 sicherlich nicht angemessen) eingeholt.
Der Kläger wendet sich gegen die Annahme, bei ihm habe eine vorbestehende Vulnerabilität vorgelegen und trägt vor, insbesondere psychiatrische Diagnosen und Gutachten seien häufig fehlerhaft.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 14.07.2009 aufzuheben sowie den Bescheid des Landratsamts Rh.-N.-Kreis vom 25.06.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums St. vom 11.02.2008 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm Heilbehandlung über den 19.09.2004 hinaus sowie Beschädigtenrente zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des Sozialgerichts Mannheim sowie die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.
Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Bescheid des Landratsamts Rh.-N.-Kreis vom 25.06.2007 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums St. vom 11.02.2008 verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn er hat keinen Anspruch auf Gewährung weiterer Leistungen nach dem OEG, da hierfür erforderliche (§ 1 Abs. 1 OEG) Folgen der Schädigung vom 18.07.2004 über den 19.09.2004 hinaus nicht vorliegen. Das insoweit maßgebliche psychische Störungsbild ist nämlich nicht rechtlich wesentlich auf den Angriff vom 18.07.2004 zurückzuführen:
Zwar hat der gerichtliche Sachverständige Dr. Sch. im Gutachten vom 28.10.2008 zutreffend ausgeführt, dass das von ihm diagnostizierte prolongierte agitiert-verbitterte Syndrom nach einer körperlichen Auseinandersetzung bei prädisponierender Persönlichkeitsstruktur ohne eine permanente psychische Symptomatik durch den Angriff vom 18.07.2004 verursacht worden ist. Auch nach Einschätzung des Senats liegt danach die sog. naturwissenschaftliche Kausalität zwischen dem Angriff und den nach dem 19.09.2004 fortbestehenden (allerdings geringen) psychischen Beeinträchtigungen des Klägers vor.
Indes war der Angriff keine im Rechtssinne wesentliche, d. h. - im Recht der Opferentschädigung (vgl. BSG, Urteil vom 20.07.2005 - B 9a V 1/05 R - zit. nach juris) - neben anderen Ursachen annähernd gleichwertige Bedingung für die besagten fortbestehenden Folgen. Hierzu hat Dr. Sch. in der vom Senat eingeholten ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 16.11.2009 überzeugend dargelegt, dass der individuellen Vulnerabilität des Klägers im Sinne von narzisstischen Persönlichkeitszügen im Vergleich zu dem Angriff vom 18.07.2004 übergeordnete Bedeutung für das agitiert-verbitterte Syndrom zukommt. Zur Begründung dieser Einschätzung hat der Sachverständige unter Hinweis auf die Ausführungen im Gutachten vom 28.10.2008 schlüssig dargelegt, dass bestimmte Persönlichkeitscharakteristika im weiteren Verlauf der vorliegenden Erkrankung eine größere Rolle spielen als das erlittene Trauma an sich. Insoweit hat er auf beim Kläger bestehende narzisstische Persönlichkeitszüge mit hieraus resultierender erhöhter Vulnerabilität bei Ablehnungen oder Verletzungen hingewiesen und ausgeführt, dass für die fortbestehende Symptomatik konkurrierende Faktoren - hier das auch durch den Narzissmus beeinflusste Anliegen nach Anerkennung und Entschädigung für die Straftat - im Sinne einer Veränderung der Wesensgrundlage angenommen werden müssen.
Diese Beurteilung wird auch durch die Einschätzung des Facharztes für Allgemeinmedizin T. in der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage von 17.07.2008, der eine bereits früher vorhandene neurotisch depressive Störung, beispielsweise im Sinne einer sozialen Phobie, angenommen hat, bestätigt. Dass und weshalb sich aus den Ausführungen des Heilpraktikers für Psychotherapie P. in der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 22.06.2008 keine hier erheblichen Zweifel an der Einschätzung des Sachverständigen ergeben, hat das Sozialgericht im angegriffenen Urteil ausführlich und zutreffend dargelegt; hierauf wird verwiesen (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
Soweit der Kläger gegen die Einschätzung des Allgemeinmediziners T. eingewandt hat, er habe sich bei diesem vor dem Vorfall nie vorgestellt, weshalb dieser eine entsprechende Beurteilung auch nicht treffen könne, ist darauf hinzuweisen, dass dem Allgemeinarzt T. jedoch der Arztbrief der Psychosomatischen Klinik im Universitätsklinikum H. vom 30.08.2004 über die Vorstellung des Klägers am 23.08.2004 vorgelegen hat, nach der dieser anamnestisch über eine Veränderung seines Lebens seit Dezember 2003 berichtet hat, und er seither ein unbeschwertes Leben wie zuvor nicht mehr habe führen können. Seinerzeit habe er seine neue Lebensgefährtin kennen gelernt, die von ihrem ehemaligen Freund seit längerer Zeit verfolgt und bedroht werde, wovon er seither ebenfalls betroffen sei. Er ärgere sich selbst massiv über diese Person und sorge sich natürlich auch um seine Lebensgefährtin. Darüber hinaus fühle er sich auch selbst bedroht und sei auch schon in eine Prügelei verwickelt worden. Diese Angaben machen nach Überzeugung des Senats hinreichend deutlich, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass gerade das Gewaltereignis vom 18.08.2004 für die psychische Situation des Klägers wesentlich verantwortlich ist, sondern - neben der oben angeführten Vulnerabilität - allenfalls die beschriebene Gesamtsituation, in der sich der Kläger seit dem angegebenen Zeitpunkt Dezember 2003 befindet. Denn das Gewaltereignis vom 18.07.2004 hat im Rahmen der dargelegten anamnestischen Angaben des Klägers keinen besonderen Raum eingenommen; es hat vielmehr lediglich nebenbei mit dem Begriff "Prügelei" Erwähnung gefunden, ohne Hinweis darauf, dass hiermit ein besonderer Einschnitt in der weiteren gesundheitlichen Entwicklung des Klägers verbunden gewesen wäre.
Nichts anderes folgt im Ergebnis aus dem Hinweis des Klägers auf eine allgemein hohe Fehleranfälligkeit psychiatrischer Diagnosen und Gutachten. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine solche tatsächlich zu beobachten ist. Denn Derartiges böte allenfalls Anlass zu einer kritischen Würdigung psychiatrischer Sachverständigengutachten im Allgemeinen. Angesichts der - auch bei einer solchen kritischen Prüfung - schlüssigen und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen ergeben sich aus dem Vorbringen des Klägers jedoch keine Anhaltspunkte für Zweifel an der Einschätzung im Gutachten vom 28.10.2008 nebst ergänzender gutachterlicher Stellungnahme vom 16.11.2009.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger erstrebt die Gewährung von Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG)
Der im Jahre 1959 geborene Kläger wurde am 18.07.2004 ebenso wie seine ihn begleitende Lebensgefährtin von deren ehemaligem Freund geschlagen. Dadurch sowie infolge der weiteren körperlichen Auseinandersetzung bis zum Eintreffen der Polizei erlitt der Kläger im Wesentlichen eine oberflächliche Wunde an der Innenseite seiner Oberlippe, Schürfwunden an der rechten Tibia und am linken Unterarm sowie eine Nackenprellung; seine Lebensgefährtin zog sich verschiedene Prellungen zu. Noch am selben Tage erfolgte eine ärztliche Versorgung im Kreiskrankenhaus E ... Ab dem Folgetage befand sich der Kläger wegen in den Vordergrund tretender psychischer Beeinträchtigungen bei dem Allgemeinmediziner T. sowie dem Heilpraktiker für Psychotherapie P. in Behandlung. Darüber hinaus stellte er sich am 23.08.2004 in der Psychosomatischen Klinik des Universitätsklinikums H. vor, wo ein depressiv-ängstliches Beschwerdebild bei Stalking diagnostiziert wurde. Auch seine Lebensgefährtin wurde wegen psychischer Beschwerden behandelt.
Am 12.11.2004 beantragte der Kläger die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG. Mit Bescheid vom 25.06.2007 stellte das Landratsamt Rh.-N.-Kreis fest, dass zwischen den erlittenen, inzwischen aber folgenlos abgeheilten Gesundheitsstörungen "multiple Prellungen und nervöse Unruhe" und der Schädigung im Sinne des § 1 OEG ein ursächlicher Zusammenhang bestanden hatte; Folgen dieser Verletzung lägen jedoch mit Ablauf des 19.09.2004 nicht mehr vor. Die Zahlung einer Beschädigtenrente könne nicht erfolgen, da sich eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um wenigstens 25 vom Hundert (v. H.) für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten nicht begründen lasse, jedoch bestehe ein Anspruch auf Heilbehandlung für die Zeit bis zum 19.09.2004. In Ausführung dieser Entscheidung erstattete das Landratsamt Rh.-Ne.-Kreis dem Kläger die bis zum 19.09.2004 angefallenen Kosten der von ihm auch noch nach Ablauf dieses Zeitraums durchgeführten Heilbehandlung bei dem Heilpraktiker für Psychotherapie P ... Den gegen den Bescheid vom 25.06.2007 erhobenen Widerspruch wies das Regierungspräsidium St. mit Widerspruchsbescheid vom 11.02.2008 zurück.
Am 07.03.2008 erhob der Kläger beim Sozialgericht Mannheim Klage und machte geltend, die von ihm erlittenen Verletzungen erstreckten sich über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten.
Das Sozialgericht holte schriftliche sachverständige Zeugenaussagen des Heilpraktikers für Psychotherapie P. vom 22.06.2008 (Behandlung über deutlich mehr als sechs Monate wegen akuter Belastungsstörung [körperliche Attackierung]) und des Allgemeinmediziners T. vom 17.07.2008 (Behandlung zuletzt am 05.05.2008 wegen depressiver Episode; nach seiner Einschätzung Vorliegen einer bereits früher vorhandenen neurotisch depressiven Störung) ein. Darüber hinaus erstattete der Arzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Sch. das nervenfachärztliche Gutachten vom 28.10.2008 (durch den tätlichen Angriff verursachtes prolongiertes agitiert-verbittertes Syndrom nach einer körperlichen Auseinandersetzung bei prädisponierender Persönlichkeitsstruktur ohne eine permanente psychische Symptomatik, MdE für acht Wochen nach dem Vorfall 30 v. H., danach 10 v. H). Der Beklagte wandte hiergegen unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. B. vom 20.11.2008 ein, ursächlich auf das schädigende Ereignis zurückzuführende Gesundheitsstörungen lägen nicht vor; darüber hinaus erscheine ein Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 10 überhöht. Der Kläger machte geltend, ein GdS von 10 erscheine etwas niedrig.
Mit Urteil vom 14.07.2009 wies das Sozialgericht die Klage mit der Begründung ab, bleibende gesundheitliche Schäden des Klägers lägen nicht vor. Diese Entscheidung wurde dem Kläger am 06.08.2009 zugestellt.
Am 03.09.2009 hat der Kläger Berufung eingelegt.
Der Senat hat die ergänzende gutachterliche Stellungnahme des Sachverständigen Dr. Sch. vom 16.11.2009 (im Vergleich zu dem Angriff vom 18.07.2004 übergeordnete Bedeutung der individuellen Vulnerabilität im Sinne von narzisstischen Persönlichkeitszügen für das agitiert-verbitterte Syndrom; gering einzustufende psychische Symptomatik, GdS von 25 bzw. 30 sicherlich nicht angemessen) eingeholt.
Der Kläger wendet sich gegen die Annahme, bei ihm habe eine vorbestehende Vulnerabilität vorgelegen und trägt vor, insbesondere psychiatrische Diagnosen und Gutachten seien häufig fehlerhaft.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 14.07.2009 aufzuheben sowie den Bescheid des Landratsamts Rh.-N.-Kreis vom 25.06.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums St. vom 11.02.2008 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm Heilbehandlung über den 19.09.2004 hinaus sowie Beschädigtenrente zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des Sozialgerichts Mannheim sowie die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.
Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Bescheid des Landratsamts Rh.-N.-Kreis vom 25.06.2007 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums St. vom 11.02.2008 verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn er hat keinen Anspruch auf Gewährung weiterer Leistungen nach dem OEG, da hierfür erforderliche (§ 1 Abs. 1 OEG) Folgen der Schädigung vom 18.07.2004 über den 19.09.2004 hinaus nicht vorliegen. Das insoweit maßgebliche psychische Störungsbild ist nämlich nicht rechtlich wesentlich auf den Angriff vom 18.07.2004 zurückzuführen:
Zwar hat der gerichtliche Sachverständige Dr. Sch. im Gutachten vom 28.10.2008 zutreffend ausgeführt, dass das von ihm diagnostizierte prolongierte agitiert-verbitterte Syndrom nach einer körperlichen Auseinandersetzung bei prädisponierender Persönlichkeitsstruktur ohne eine permanente psychische Symptomatik durch den Angriff vom 18.07.2004 verursacht worden ist. Auch nach Einschätzung des Senats liegt danach die sog. naturwissenschaftliche Kausalität zwischen dem Angriff und den nach dem 19.09.2004 fortbestehenden (allerdings geringen) psychischen Beeinträchtigungen des Klägers vor.
Indes war der Angriff keine im Rechtssinne wesentliche, d. h. - im Recht der Opferentschädigung (vgl. BSG, Urteil vom 20.07.2005 - B 9a V 1/05 R - zit. nach juris) - neben anderen Ursachen annähernd gleichwertige Bedingung für die besagten fortbestehenden Folgen. Hierzu hat Dr. Sch. in der vom Senat eingeholten ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 16.11.2009 überzeugend dargelegt, dass der individuellen Vulnerabilität des Klägers im Sinne von narzisstischen Persönlichkeitszügen im Vergleich zu dem Angriff vom 18.07.2004 übergeordnete Bedeutung für das agitiert-verbitterte Syndrom zukommt. Zur Begründung dieser Einschätzung hat der Sachverständige unter Hinweis auf die Ausführungen im Gutachten vom 28.10.2008 schlüssig dargelegt, dass bestimmte Persönlichkeitscharakteristika im weiteren Verlauf der vorliegenden Erkrankung eine größere Rolle spielen als das erlittene Trauma an sich. Insoweit hat er auf beim Kläger bestehende narzisstische Persönlichkeitszüge mit hieraus resultierender erhöhter Vulnerabilität bei Ablehnungen oder Verletzungen hingewiesen und ausgeführt, dass für die fortbestehende Symptomatik konkurrierende Faktoren - hier das auch durch den Narzissmus beeinflusste Anliegen nach Anerkennung und Entschädigung für die Straftat - im Sinne einer Veränderung der Wesensgrundlage angenommen werden müssen.
Diese Beurteilung wird auch durch die Einschätzung des Facharztes für Allgemeinmedizin T. in der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage von 17.07.2008, der eine bereits früher vorhandene neurotisch depressive Störung, beispielsweise im Sinne einer sozialen Phobie, angenommen hat, bestätigt. Dass und weshalb sich aus den Ausführungen des Heilpraktikers für Psychotherapie P. in der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 22.06.2008 keine hier erheblichen Zweifel an der Einschätzung des Sachverständigen ergeben, hat das Sozialgericht im angegriffenen Urteil ausführlich und zutreffend dargelegt; hierauf wird verwiesen (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
Soweit der Kläger gegen die Einschätzung des Allgemeinmediziners T. eingewandt hat, er habe sich bei diesem vor dem Vorfall nie vorgestellt, weshalb dieser eine entsprechende Beurteilung auch nicht treffen könne, ist darauf hinzuweisen, dass dem Allgemeinarzt T. jedoch der Arztbrief der Psychosomatischen Klinik im Universitätsklinikum H. vom 30.08.2004 über die Vorstellung des Klägers am 23.08.2004 vorgelegen hat, nach der dieser anamnestisch über eine Veränderung seines Lebens seit Dezember 2003 berichtet hat, und er seither ein unbeschwertes Leben wie zuvor nicht mehr habe führen können. Seinerzeit habe er seine neue Lebensgefährtin kennen gelernt, die von ihrem ehemaligen Freund seit längerer Zeit verfolgt und bedroht werde, wovon er seither ebenfalls betroffen sei. Er ärgere sich selbst massiv über diese Person und sorge sich natürlich auch um seine Lebensgefährtin. Darüber hinaus fühle er sich auch selbst bedroht und sei auch schon in eine Prügelei verwickelt worden. Diese Angaben machen nach Überzeugung des Senats hinreichend deutlich, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass gerade das Gewaltereignis vom 18.08.2004 für die psychische Situation des Klägers wesentlich verantwortlich ist, sondern - neben der oben angeführten Vulnerabilität - allenfalls die beschriebene Gesamtsituation, in der sich der Kläger seit dem angegebenen Zeitpunkt Dezember 2003 befindet. Denn das Gewaltereignis vom 18.07.2004 hat im Rahmen der dargelegten anamnestischen Angaben des Klägers keinen besonderen Raum eingenommen; es hat vielmehr lediglich nebenbei mit dem Begriff "Prügelei" Erwähnung gefunden, ohne Hinweis darauf, dass hiermit ein besonderer Einschnitt in der weiteren gesundheitlichen Entwicklung des Klägers verbunden gewesen wäre.
Nichts anderes folgt im Ergebnis aus dem Hinweis des Klägers auf eine allgemein hohe Fehleranfälligkeit psychiatrischer Diagnosen und Gutachten. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine solche tatsächlich zu beobachten ist. Denn Derartiges böte allenfalls Anlass zu einer kritischen Würdigung psychiatrischer Sachverständigengutachten im Allgemeinen. Angesichts der - auch bei einer solchen kritischen Prüfung - schlüssigen und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen ergeben sich aus dem Vorbringen des Klägers jedoch keine Anhaltspunkte für Zweifel an der Einschätzung im Gutachten vom 28.10.2008 nebst ergänzender gutachterlicher Stellungnahme vom 16.11.2009.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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