L 6 U 4239/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 3415/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 4239/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 15.07.2009 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls vorliegen.

Der 1990 geborene Kläger, der zunächst von Juli 2006 bis Februar 2007 einen Motorroller der Marke Peugeot gefahren hatte, erlitt am 12.03.2007 mit seinem am 03.03.2007 gekauften und seit 06.03.2007 geführten Moped der Marke Honda, das über eine Tankanzeige mit Zeiger und Tankleuchte sowie einen maximalen Tankinhalt von 10 l verfügte, zwischen seiner Ausbildungsstätte und seinem Wohnort einen Unfall. Er begann die Fahrt an seiner Ausbildungsstätte in St. mit dem Ziel seines auf direktem Weg circa 11 km entfernten Wohnortes L ... Wegen des Aufleuchtens seiner Tankanzeige und des Umstandes, dass sich auf dem direkten Weg zu seinem Wohnort keine Tankstelle befindet, verließ er nach circa 5 km den direkten Weg, um in dem von St. circa 9 km und von L. circa 8 km entfernten Z. zu tanken. Nachdem er dort getankt hatte, verunfallte er auf der Weiterfahrt nach L ... Er zog sich dabei eine Fraktur des rechten oberen Sprunggelenks, eine Defektwunde am rechten Unterschenkel, eine tiefe, stark blutende Wunde an der rechten Ferse sowie Prell- und Schürfmarken zu (Durchgangsarztbericht der Chirurgie der H.-H.-B.-Kliniken GmbH in S. vom 12.03.2007).

Am 03.04.2007 erfolgte die Unfallanzeige. Auf Anfrage der Beklagten teilte der Kläger am 05.06.2007 unter anderem mit, er nutze die Tankstelle in Z. ein- bis zweimal wöchentlich, habe wegen des Aufleuchtens der Tankanzeige tanken wollen und habe circa 5 l getankt.

Mit Bescheid vom 25.07.2007 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Entschädigung aus Anlass des Ereignisses vom 12.03.2007 ab. Dieses Ereignis erfülle nicht die Voraussetzungen eines Versicherungsfalls im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung. Dem Unfall sei mit dem Tanken des Mopeds im Wesentlichen eine privatwirtschaftliche Tätigkeit vorausgegangen. Unter Würdigung der Gesamtumstände hätten sich keine Anzeichen für eine unvorhersehbare Betankung gefunden. Unter Würdigung dessen, dass der Kläger regelmäßig sein Moped ein- bis zweimal wöchentlich an der Tankstelle in Z. betanke und die Strecke von seinem Wohnort zur Ausbildungsstätte regelmäßig befahre, habe er bereits vor Fahrtantritt am Morgen zur Ausbildungsstätte, jedoch spätestens bei Antritt der Heimfahrt von der Ausbildungsstätte die Notwendigkeit des Betankens erkennen können. Dabei habe für ihn auch grundsätzlich schon die Möglichkeit bestanden, an einer Tankstelle innerhalb des Stadtgebiets in der Nähe der Ausbildungsstätte zu tanken, anstatt den nicht unerheblichen Umweg über Z. zu fahren. Vorliegend könne unterstellt werden, dass der Kläger wisse, wann er sein Moped betanken müsse, so dass ein plötzliches Überraschtwerden ausscheide. Obgleich die Tankanzeige geleuchtet habe, bestehe die widerlegbare Vermutung, dass es dem Kläger bei Inanspruchnahme der Tankreserve sicherlich noch möglich gewesen wäre, die verbleibende Strecke zu seinem Wohnort nach L. zurückzulegen. Die Notwendigkeit des Tankens in Z. ergebe sich hieraus nicht.

Hiergegen legte der Kläger am 07.08.2007 Widerspruch ein. Das Betanken sei vorliegend unvorhergesehen notwendig geworden, damit der restliche Weg habe zurückgelegt werden können. Denn das Moped sei für ihn im Unfallzeitpunkt völlig neu gewesen. Dabei habe er noch nicht recht einschätzen können, ob und bejahendenfalls wie weit er noch fahren könne, wenn die Tankanzeige aufleuchte. Zu beachten sei auch, dass sich in L. und unmittelbarer Umgebung keine Tankstelle befinde. Ihm sei erst kurz vor der Abzweigung nach Z., als er seine Handschuhe angezogen habe, aufgefallen, dass seine Tankanzeige leuchte. Er habe nun die Wahl gehabt, zum Tanken in das 4,5 km entfernte St. zurückzukehren oder zu der ihm bekannten 1,9 km entfernten Tankstelle nach Z. zu fahren. Die Weiterfahrt nach L. sei keine Option gewesen, da sich dort gerade keine Tankstelle befinde. Im Übrigen könne auch der Weg über Z. als unmittelbarer Weg zwischen Ausbildungsstätte und Wohnort angesehen werden. Denn der circa 2 bis 3 km betragende Umweg über Z. werde durch eine Zeitersparnis wieder gut gemacht, da diese Strecke für Laster gesperrt sei. Vorgelegt wurden der auf den 23.05.2006 datierte Führerschein des Klägers, der Kaufvertrag über das Moped vom 03.03.2007 und der Kraftfahrt-Versicherungsschein der H. für die am 06.03.2007 begonnene Kraftfahrtversicherung. Auf Anfrage der Beklagte teilte der Kläger mit, dass er das Moped bei der Übergabe betankt erhalten habe. Ihm sei aber nicht mehr bekannt, wie viele km er seither gefahren sei. Die Beklagte zog die technischen Daten des Mopeds des Klägers bei. Ferner ergab eine telefonische Rücksprache bei dem Hondavertragshändler Sch. und D. GbR, dass sich mit dem vollgetankten Moped des Klägers circa 200 km zurücklegen ließen und dieses Moped bei Erkennen der Tankreserve noch circa 30 km bewegt werden könne.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.11.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Das Leuchten der Tankanzeige rechtfertige für sich allein betrachtet noch nicht die Notwendigkeit des sofortigen Tankens. Sofern der Kläger erst kurz vor dem Abzweig nach Z. das Leuchten der Tankanzeige bemerkt haben sollte, sei ihm das Zurücklegen des restlichen Weges circa 6 km betragenden Weges nach L. zweifelsfrei möglich gewesen. Daneben dürfte dem Kläger bereits am Morgen des Unfalltages bei der Fahrt von seinem Wohnort zur Ausbildungsstätte nach St. der zu neige gehende Tankinhalt aufgefallen sein. Grundsätzlich hätte für ihn somit auch die Möglichkeit bestanden, sein Moped an einer nahegelegenen Tankstelle im Stadtgebiet von St. zu tanken. Da der Kläger circa ein- bis zweimal wöchentlich die Strecke befahre, um zu tanken, könne nicht von einem unvorhergesehenen Tankvorgang ausgegangen werden. Auch treffe es nicht zu, dass es sich bei dem Umweg um einen unmittelbaren Weg von der Ausbildungsstätte zum Wohnort gehandelt habe. Denn der Einwand, hierdurch Zeit zu sparen, sei nicht nachvollziehbar, zumal innerhalb geschlossener Ortschaften grundsätzlich ein Tempolimit bestehe.

Hiergegen erhob der Kläger am 12.12.2007 Klage zum Sozialgericht Konstanz. Der Kläger vertiefte sein Vorbringen aus dem Vorverfahren und führte ergänzend aus, Schüler seien auf dem Schulweg auch dann unfallversichert, wenn sie nicht die kürzeste Strecke wählten. Bei Kindern und Jugendlichen müssten weniger strenge Maßstäbe angelegt werden. Ferner trug er vor, dass das Moped so neu für ihn gewesen sei, dass er bis zum Unfalltag noch nicht ein einziges Mal selbst habe tanken müssen, und er zuvor lediglich einen Motorroller gefahren habe. Die Beklagte wandte unter anderem ein, dass bei einem Fassungsvermögen des Tanks von 10 l und wegen des Umstands, dass der Kläger lediglich 5 l getankt habe, das Leuchten der Tankanzeige grundsätzlich in Frage zu stellen sei. Auch habe es sich bei dem Umweg über Z. nicht um den kürzesten Weg gehandelt, da für das vom Kläger benutzte Moped bauartbedingt eine Tempobegrenzung bestehe, die eine höhere als für Laster zugelassene Geschwindigkeit kaum zulasse. Das Sozialgericht führte am 11.03.2009 eine mündliche Verhandlung durch.

Mit Urteil vom 15.07.2009 hob das Sozialgericht den Bescheid vom 25.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.11.2007 auf und verpflichtete die Beklagte, den Unfall des Kläger vom 12.03.2007 als Wegeunfall anzuerkennen. Vorliegend sei das Nachtanken des Mopeds während der Fahrt unvorhergesehen notwendig geworden. Es seien dabei die unwiderlegten Angaben des Klägers zu Grunde gelegt worden, wonach die Tankanzeige beim Wegfahren an der Ausbildungsstätte noch nicht geleuchtet habe, sondern erst im Laufe der Fahrt aufgeleuchtet sei. Ferner sei zu berücksichtigten, dass der Kläger ein neues, ihm noch nicht bekanntes Moped verwendet habe, er also noch nicht, wie nach längerem Gebrauch dieses Fahrzeuges, gewusst habe, wie weit der Tankvorrat tatsächlich reiche. Die sich aus den Unterlagen des Moped-Herstellers ergebende Angabe, wonach auch bei Aufleuchten der Tankanzeige noch für circa 30 km Kraftstoff vorhanden sei, sei von weniger starker Bedeutung. Gerade bei Tankuhren seien erfahrungsgemäß große Schwankungsbreiten festzustellen. Solange der Kläger also noch keine ausreichenden Erfahrungen gemacht habe, wie weit konkret der Tankinhalt nach erstmaligem Aufleuchten der Tankanzeige reichen würde, sei davon auszugehen, dass hier ein unvorhergesehenes Ereignis vorgelegen habe. Dem Kläger könne auch nicht entgegengehalten werden, dass er schon vorher hätte bemerken müssen, dass der Zeiger der Tankuhr in Richtung Reserve tendiert haben müsse. Hierbei sei zu bedenken, dass Tankuhren eine vergleichsweise ungenaue Anzeige besäßen.

Gegen das ihr am 25.08.2009 zugestellte Urteil des Sozialgerichts hat die Beklagte am 15.09.2009 Berufung eingelegt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 11.03.2009 habe der Kläger auf Nachfrage angegeben, er habe schauen wollen, wie weit er mit einer Tankfüllung kommen könne, da er das Motorrad erst gekauft habe und dieses beim Kauf vollgetankt gewesen sei. Des Weiteren habe er angegeben, dass er bei der Abfahrt an der Ausbildungsstätte noch auf die Tankuhr geschaut habe und dabei ein Aufleuchten der Tankanzeige noch nicht festgestellt habe. Berücksichtige man diese Aussage, so sei sicherlich davon auszugehen, dass der Kläger in regelmäßigen Abständen auf die Tankuhr geschaut habe, zumal das Moped für ihn neu gewesen sei. Auch müsse sich der Kläger darüber bewusst gewesen sein, dass ein baldiges Tanken erforderlich sein werde, da er während der mündlichen Verhandlung angegeben habe, dass der Zeiger am Morgen vor Antritt der Fahrt kurz vor dem roten Bereich gewesen sei. Ferner könne der Meinung des Sozialgerichts, dass Tankuhren grundsätzlich eine vergleichsweise ungenaue Anzeige besäßen, nicht ohne Weiteres zugestimmt werden. Wenn sich die Tankuhr morgens vor Fahrtantritt kurz vor dem roten Bereich befunden habe und bei Fahrtantritt an der Ausbildungsstätte die Tankanzeige noch nicht geleuchtet habe, müsse davon auszugehen sein, dass in kürzester Zeit die Tankanzeige tatsächlich auch aufleuchten werde, so dass von einem unvorhergesehenem Tankvorgang im Sinne eines Überraschtseins nicht ausgegangen werden könne. Ferner sei es unter Berücksichtigung des verbliebenen Tankinhalts problemlos möglich gewesen, wieder nach Hause zu kommen. Der Unkenntnis des restlichen Tankinhalts beziehungsweise der Reichweite könne sicherlich entgegengehalten werden, dass jeder Führer eines Kraftfahrzeugs verpflichtet sei, sich vor Inbetriebnahme des Kraftfahrzeuges mit den wesentlichen technischen Daten in der Betriebsanleitung vertraut zu machen. Das Testen, wie weit man mit einer Tankfüllung komme, stelle ein eigenwirtschaftliches und somit unversichertes Handeln dar, welches nicht vom Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung erfasst sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 15.07.2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er bestreite, dass er im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 11.03.2009 angegeben habe, er habe schauen wollen, wie weit er mit einer Tankfüllung kommen könne. Ferner wird ausgeführt, soweit keine digitale Anzeige über die mögliche Reststrecke angezeigt werde, sei es nahezu unmöglich, anhand einer Tankuhr zu erkennen, wie lange es noch dauere, bis die Tankanzeige aufleuchte und/oder der letzte Sprit verbraucht sei. Indem die Beklagte ausführe, er sei verpflichtet gewesen, sich vor der Inbetriebnahme des Mopeds mit den wesentlichen technischen Daten vertraut zu machen, stelle sie ganz offensichtlich völlig überzogene Anforderungen an einen zum Unfallzeitpunkt 16-jährigen Schüler.

Der Kläger hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 17.06.2010 angegeben, er sei bis zum Unfalltag mit dem Moped zur Schule in St., mehrmals nachmittags zu einer Firma im 8 bis 10 km von seinem Heimatort entfernten W. sowie gelegentlich zu Freunden in der näheren Umgebung gefahren. Bis zum Unfalltag habe er seit dem Erwerb des Mopeds nicht tanken müssen. Er habe erst tanken wollen, wenn die Tankanzeige aufleuchten würde. Er habe keine Vorstellung gehabt, wie lange er noch hätte fahren können, nachdem die Tankanzeige aufgeleuchtet habe. Am Unfalltag habe er lediglich 5 EUR bei sich geführt und deshalb nur für diesen Betrag tanken können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Feststellung des Ereignisses vom 12.03.2007 als Arbeitsunfall.

Rechtsgrundlage sind die §§ 2, 7 und 8 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII).

Kraft Gesetzes sind unter anderem Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen versichert (§ 2 Abs. 1 Nr. 8 b SGB VII). Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Versicherte Tätigkeit ist auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII)

Aus diesen gesetzlichen Vorgaben hat die Rechtsprechung (zuletzt in BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R) die folgenden Grundsätze entwickelt:

Für die Feststellung eines Arbeitsunfalls ist erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer beziehungsweise sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem Unfallereignis als einem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkendem Ereignis geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität).

Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Art und das Ausmaß des Unfallereignisses und der Gesundheitserstschaden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Für die haftungsbegründende Kausalität, welche nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, ist grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreichend, aber auch erforderlich. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht, so dass auf diesen Grad der Wahrscheinlichkeit vernünftiger Weise die Entscheidung gestützt werden kann und ernste Zweifel ausscheiden. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben.

Der sachliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht.

Beweisrechtlich ist Folgendes zu beachten: Lässt sich ein Nachweis der versicherten Tätigkeit nicht führen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten. Verunglückt aber ein Versicherter unter ungeklärten Umständen an seinem Arbeitsplatz, an dem er zuletzt betriebliche Arbeit verrichtet hat, so entfällt der Versicherungsschutz nur dann, wenn bewiesen wird, dass er die versicherte Tätigkeit im Unfallzeitpunkt für eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit unterbrochen hat (BSG, Urteil vom 09.04.2007 - B 2 U 28/06 R; BSG, Urteil vom 26.10.2004 - B 2 U 24/03 R).

Als der Kläger am 12.03.2007 im Anschluss an den Schulunterricht mit seinem Moped den Weg von der Ausbildungsstätte nach Hause antrat, stand er unter Versicherungsschutz. Der Versicherungsschutz wurde nicht dadurch unterbrochen, dass der Kläger in die Zurücklegung des Weges von der Ausbildungsstätte einen zusätzlichen Weg einschob, um an einer Tankstelle sein Moped aufzutanken. Denn der Zweck des zusätzlichen Weges war nicht ausschließlich dem unversicherten persönlichen Lebensbereich des Klägers zuzurechnen, sondern stand auch mit der Fahrt nach Hause in einem ursächlichen Zusammenhang, weil das Tanken notwendig war, um das Ziel der Fahrt zu erreichen.

Zwar ist, ebenso wie zahlreiche andere Verrichtungen des täglichen Lebens, die notwendig sind, damit die versicherte Tätigkeit verrichtet werden kann, das Auftanken eines Kraftfahrzeuges auch dann grundsätzlich dem unversicherten persönlichen Lebensbereich des Versicherten zuzurechnen, wenn das Kraftfahrzeug für den Weg zur Arbeits- beziehungsweise Ausbildungsstätte verwendet werden soll. Eine andere rechtliche Beurteilung ist aber gerechtfertigt, wenn das Tanken während der Fahrt notwendig wird. Das Nachfüllen des Tanks steht - ebenso wie andere zur Wiederherstellung oder Erhaltung der Fahrbereitschaft notwendige Maßnahmen - mit der Zurücklegung des Weges nach oder von der Arbeits- beziehungsweise Ausbildungsstätte in einem auch rechtlich wesentlichen Zusammenhang, wenn es unvorhergesehen notwendig wird, damit der restliche Weg zurückgelegt werden kann. An diese Voraussetzungen dürfen jedoch keine zu strengen Anforderungen gestellt werden. Ein brauchbarer Anhaltspunkt für die Notwendigkeit des Tankens ist, dass sich entweder während der Fahrt oder aber auch schon bei Antritt der Fahrt die Notwendigkeit ergibt, den Inhalt des Reservetanks in Anspruch zu nehmen (BSG, Urteil vom 24.05.1984 - 2 RU 3/83; BSG, Urteil vom 14.12.1978 - 2 RU 59/78; BSG, Urteil vom 30.01.1970 - 2 RU 198/67; BSG, Urteil vom 30.01.1968 - 2 RU 51/65; BSG, Urteil vom 28.02.1964 - 2 RU 22/61).

Da der Kläger vorliegend während der Rückfahrt keine unmittelbar am Weg liegende Möglichkeit zum Tanken gehabt hatte, entsprach es sachgemäßem Handeln, auf dem Weg von der Ausbildungsstätte nach Hause eine Tankstelle aufzusuchen, um nicht das Risiko einzugehen, unterwegs liegen zu bleiben. Der Umweg über die Tankstelle ist vorliegend nicht als unverhältnismäßig weit anzusehen, zumal nichts dafür ersichtlich ist, dass eine andere Tankstelle als die vom Kläger aufgesuchte, näher lag. Daher standen das Aufsuchen der Tankstelle und die Weiterfahrt nach dem Tankvorgang mit der Zurücklegung des Weges von der Ausbildungsstätte zum Wohnort in einem rechtlich wesentlichen ursächlichen Zusammenhang.

Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es nicht darauf an, ob der Kläger wegen der Zeigerstellung auf der Tankuhr die Notwendigkeit eines Tankvorgangs bereits zu Hause vor Antritt der Fahrt zur Ausbildungsstätte oder in St. vor Antritt der Heimfahrt hätte erkennen können. Ebenso ist es unerheblich, ob der Kläger infolge eines Studiums der Betriebsanleitung hätte erkennen können, dass er selbst bei Aufleuchten der Tankanzeige die Heimfahrt auf direktem Weg ohne Einschub eines Tankvorgangs hätte durchführen können. Denn der Versicherungsschutz ist nicht davon abhängig, dass der Versicherte nicht fahrlässig die Notwendigkeit des Auftankens herbeigeführt, sondern sich als verantwortungsbewusster Fahrer vor Antritt der Fahrt davon überzeugt hat, dass der Treibstoffvorrat für die Hin- und Rückfahrt ausreicht (BSG, Urteil vom 14.12.1978 - 2 RU 59/78).

Es kommt auch nicht entscheidend darauf an, ob der im Reservetank noch enthaltene Kraftstoff ausgereicht hätte, um den Wohnort auf direktem Weg ohne Einschub eines Tankvorgangs zu erreichen. Denn nach ständiger Rechtsprechung beurteilt sich die Frage, ob eine Tätigkeit dem Unternehmen dienlich ist, nicht danach, ob sie dem Unternehmen objektiv dienlich war, sondern es ist ausreichend, dass der Versicherte von seinem Standpunkt aus der Auffassung sein konnte, die Tätigkeit sei geeignet, den Interessen des Unternehmens zu dienen. Maßgebliches Kriterium für die wertende Entscheidung über den Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und Verrichtung zur Zeit des Unfalls ist also die Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird. Aufgrund der Handlungstendenz kann beurteilt werden, ob der versicherte Arbeitnehmer mit seiner konkreten Verrichtung zur Zeit des Unfalls eine auf seinem Arbeitsvertrag beruhende, dem Unternehmen dienende und damit unter Versicherungsschutz stehende Tätigkeit ausüben wollte (BSG, Urteil vom 09.04.2007 - B 2 U 28/06 R - unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 10.10.2006 - B 2 U 20/05 R - und BSG, Urteil vom 26.10.2004 - B 2 U 24/03 R). Dies gilt auch für die Beurteilung der Frage, ob das Tanken eines Kraftfahrzeuges unvorhergesehen notwendig war, damit der weitere Weg nach oder von dem Ort der Tätigkeit zurückgelegt werden kann. Grundsätzlich kann ein Kraftfahrer davon ausgehen, dass das Auftanken notwendig ist, wenn er den Reservetank in Anspruch nehmen muss. Die optische Anzeige, dass die Treibstoffreserve in Anspruch genommen wird, dient dem Kraftfahrer als Warnung und Aufforderung, neuen Kraftstoff zu tanken. Die Inanspruchnahme des Reservekraftstoffes ist deshalb ein brauchbarer Anhaltspunkt für die Notwendigkeit des Tankens. Das unverzügliche Auftanken nach Inanspruchnahme des Reservekraftstoffes soll unter anderem vermeiden, dass durch unvorhergesehene Ereignisse der tatsächlich noch vorhandene Kraftstoff dann doch nicht ausreicht, um an das nach einer vorangegangenen Schätzung an sich erreichbare Ziel zu kommen. Es müsste sonst versicherungsrechtlich wieder zwischen einer Vielzahl möglicher Fallgestaltungen unterschieden werden, um die Besonderheiten des Einzelfalles zu beachten. Dies würde nicht der Rechtssicherheit dienen. Die Inanspruchnahme des Reservekraftstoffes bildet dagegen einen allgemeinen Maßstab, der zu einer Verminderung einer Kasuistik führen kann. Diesem objektiven Kriterium ist verstärkte Bedeutung beizumessen (BSG, Urteil vom 14.12.1978 - 2 RU 59/78).

Besondere Umstände, die dieses Kriterium bei der Beurteilung des grundsätzlich bestehenden Versicherungsschutzes beim unvorhergesehen notwendigen Auftanken auf dem grundsätzlich versicherten Weg zurücktreten lassen können, sind vorliegend nicht gegeben. Der Kläger konnte aufgrund des Aufleuchtens der Tankanzeige davon ausgehen, dass er die nächste Tankstelle aufzusuchen und damit den Umweg über Z. zu nehmen hatte. Die der Beklagten erteilte Auskunft, dass der Kläger mit dem Inhalt des Reservetanks noch mindestens 30 km hätte zurücklegen können, rechtfertigt entgegen der Auffassung der Beklagten keine andere Entscheidung. Dass ein Moped mit dem Reservetank noch circa 30 km fahren können soll, hat der Kläger nach seinen glaubhaften Angaben nicht gewusst und hat sich dem zum Unfallzeitpunkt 16-jährigen Kläger, der zudem das Moped erst knapp eine Woche zuvor in Betrieb genommen hatte, nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch nicht aufdrängen müssen. Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es daher auch nicht darauf an, ob der Kläger auf der Heimfahrt tatsächlich hat testen wollen, wie weit er mit einer Tankfüllung kommen könne. Dies würde nach Ansicht des Senats gerade dafür sprechen, dass der Kläger im Unfallzeitpunkt weder Kenntnis über die Reichwerte einer Tankfüllung noch der Restfüllung nach Aufleuchten der Tankanzeige gehabt hat.

Ohne Einfluss auf den Versicherungsschutz ist auch der Umstand, dass der Kläger ein- bis zweimal wöchentlich in Z. tankt. Hieraus zu schließen, die durchweg konsistenten Angaben des Klägers, er habe wegen des Aufleuchtens der Tankanzeige getankt, seien unwahr, hält der Senat angesichts des Bildes, das sich der Senat in der mündlichen Verhandlung von dem Kläger gemacht hat, nicht für zutreffend. Dasselbe gilt für den Einwand der Beklagten, der Kläger habe immerhin 5 l getankt. Denn dies erklärt sich dadurch, dass der Kläger - wie bei Jugendlichen dieses Alters durchaus nicht unüblich - lediglich 5 EUR mit sich führte und daher nicht in der Lage war, das Moped voll zu tanken. Dass tatsächlich - so wie vom Kläger angegeben - die Tankanzeige aufleuchtete, ergibt sich für den Senat daraus, dass der Kläger - wie sich aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung ergibt - seit dem Erwerb des vollgetankten Mopeds fünfmal vormittags und ein weiteres Mal nachmittags zur Schule im 11 km von seinem Heimatort entfernten St., viermal nachmittags zu einer Firma im 8 bis 10 km von seinem Heimatort entfernten W. sowie gelegentlich zu Freunden in der näheren Umgebung jeweils hin und zurück gefahren ist und mithin bis zum Unfalltag rund 200 km - also genau die einer Tankfüllung entsprechende Strecke - zurückgelegt hat.

Mithin handelt es sich bei dem Ereignis vom 12.03.2007 um einen Versicherungsfall. Da der Kläger bei dem Unfall eine Fraktur des rechten oberen Sprunggelenks, eine Defektwunde am rechten Unterschenkel, eine tiefe, stark blutende Wunde an der rechten Ferse sowie Prell- und Schürfmarken erlitten hat, liegt auch ein unfallbedingter Gesundheitserstschaden vor.

Nach alledem hat der Kläger einen Anspruch auf Feststellung des Ereignisses vom 12.03.2007 als Arbeitsunfall.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved