Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 6 LW 292/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 LW 1343/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26.02.2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG).
Die am 1950 geborene Klägerin ist seit Februar 1973 mit einem bei der Beklagten versicherungspflichtigen Nebenerwerbslandwirt verheiratet. Der landwirtschaftliche Betrieb ist seit dem 01.01.2007 auf zehn Jahre verpachtet. Zur näheren Feststellung des Inhalts des Pachtvertrages wird auf die in den Gerichtsakten des Sozialgerichts Freiburg befindliche Kopie verwiesen.
Den im Mai 2005 wegen Wirbelsäulenbeschwerden gestellten Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 09.08.2005 und Widerspruchsbescheid vom 27.12.2005 gestützt auf das von ihr beim Orthopäden Dr. R. eingeholte Gutachten ab (leichte bis mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes seien sechs Stunden und mehr zumutbar, zu vermeiden seien überwiegend einseitige Körperhaltungen, häufiges Bücken, langdauernde, beidseitige Überkopfarbeiten).
Das hiergegen am 18.01.2006 angerufene Sozialgericht Freiburg hat u.a. den Hausarzt Dr. V. schriftlich als sachverständigen Zeugen vernommen. Dr. V. hat die Leistungsfähigkeit der Klägerin auf weniger als sechs Stunden eingeschätzt, trotz fehlender orthopädischer Befunde seien die Angaben der Klägerin über Schmerzzustände glaubhaft, es bestehe ein Verdacht auf ein Fibromyalgiesyndrom.
Auf Veranlassung des Sozialgerichts hat der Orthopäde Dr. H. ein Gutachten erstattet und ein chronisches Schmerzsyndrom, ein Cervikalsyndrom bei Fehlhaltung bzw. ungünstiger Bewegung des Kopfes und degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, eine Fraktur des Humerusschaftes links im Dezember 2006, ein Thorakalsyndrom bei degenerativen Veränderungen der unteren und oberen Brustwirbelsäule, ein Lumbalsyndrom bei degenerativen Veränderungen, Fehlhaltung und Muskeldysbalancen, einen Hallux valgus beidseits und einen Senkspreizfuß beidseits diagnostiziert. Im Vordergrund stehe der Dauerschmerz der Halswirbelsäule mit Verstärkung beim Sitzen und Einstrahlung in die linke Gesichtshälfte, sekundär entwickelten sich auch Schmerzattacken und Bewegungseinschränkungen der Halswirbelsäule. Zusätzlich bestehe eine Bewegungseinschränkung und Schmerzhaftigkeit der linken Schulter. Die Verschleißerscheinungen der Brustwirbelsäule sowie die Auffälligkeiten im Bereich der Füße hätten keine nennenswerte Relevanz für die Erwerbsfähigkeit. Körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten im Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen einschließlich von Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis etwa 10 kg bis zur Horizontale könne die Klägerin noch täglich mindestens sechs Stunden verrichten. Zu vermeiden seien Arbeiten über Kopf, auf Leitern und Gerüsten, unter ungünstigen Witterungseinflüssen, im Knien, mit häufigem Bücken. Das Aufstehen solle alle Stunde möglich sein, auch für einen Zeitraum von etwa 20 Minuten.
In seinem ebenfalls auf Veranlassung des Sozialgerichts erstatteten psychosomatischen Gutachten ist Dr. K. , Universitätsklinikum F. , zu dem Ergebnis gelangt, bei der Klägerin liege eine rezidivierende depressive Störung, aktuell leichtgradige depressive Episode sowie eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit funktionellen Anteilen, fakultativ ein Fibromyalgiesyndrom vor. Leichte körperliche Arbeiten ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, ohne Zwangshaltungen, ohne Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeit, ohne Arbeiten in Kälte oder Nässe und Einwirkung von Staub, Gasen, Dämpfen und ohne größere nervliche Beanspruchung seien je Arbeitstag "noch 3-6 Stunden" möglich. Eine Tätigkeit von mehr als sechs Stunden sei nicht zumutbar, da ansonsten von einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes ausgegangen werden müsse.
In der Folge ist es zu einer kontroversen Diskussion zwischen der Beklagten und dem Sozialgericht über die Auslegung dieser Leistungseinschätzung, insbesondere darüber gekommen, ob der Sachverständige eine gerade noch sechsstündige tägliche Arbeitszeit für zumutbar erachtet habe. Mit Urteil vom 26.02.2010 hat das Sozialgericht nach Anhörung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.01.2007 zu gewähren. In den Entscheidungsgründen hatte es ausgeführt, die Interpretation der Beklagten, der Sachverständige würde die Klägerin noch für mindestens sechs Stunden leistungsfähig halten, sei abwegig. Seine Leistungsbeurteilung ordne sich in die durch die Beweisfrage vorgegebene Systematik (drei bis weniger als sechs Stunden, mindestens sechs Stunden) ein.
Gegen das ihr am 11.03.2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19.03.2010 Berufung eingelegt und darauf hingewiesen, der Sachverständige Dr. K. habe eine Tätigkeit von über sechs Stunden ausgeschlossen, sodass die Klägerin nach dieser Einschätzung noch mindestens sechs Stunden arbeiten könne und deshalb nicht erwerbsgemindert sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26.02.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und legt ärztliche Atteste der Allgemeinmedizinerin Dr. E. vor, wonach sie nicht in der Lage sei, sechs Stunden täglich auch nur leichte körperliche Arbeiten zu verrichten.
Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme von Dr. K. eingeholt, in der dieser mitgeteilt hat, dass das im Gutachten beurteilte Leistungsvermögen der Klägerin drei bis sechs Stunden umfasse, das heiße, die Klägerin könne sechs Stunden leichte Arbeiten täglich unter Berücksichtigung der genannten Einschränkungen ausüben.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Landwirte haben nach § 13 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert nach § 43 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) sind, sie in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung mindestens drei Jahre Pflichtbeiträge zur landwirtschaftlichen Alterskasse gezahlt haben, sie vor Eintritt der Erwerbsminderung die Wartezeit von fünf Jahren erfüllt haben und das Unternehmen der Landwirtschaft abgegeben ist. Die näheren Voraussetzungen der Abgabe des Unternehmens der Landwirtschaft regelt § 21 ALG.
Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingung des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Landwirte haben nach § 13 Abs. 1 Satz 2 ALG Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert nach § 43 SGB VI sind und die sonstigen Voraussetzungen nach Satz 1 erfüllt sind. Voll erwerbsgemindert sind gem. § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Hiervon besteht eine Ausnahme, wenn wegen einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung oder bei einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen und bei Vorliegen bestimmter, so genannter Katalogfälle die Benennung einer Verweisungstätigkeit nicht möglich ist. In diesen Fällen führen rein qualitative Einschränkungen selbst im Falle sechsstündigen Leistungsvermögens zur Annahme voller Erwerbsminderung (Großer Senat, Beschluss vom 19.12.1996, GS 2/95 in SozR 3-2600 § 44 Nr. 8).
Die anspruchsbegründenden Tatsachen müssen erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Ist ein solcher Nachweis nicht möglich, geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Die Voraussetzungen für die begehrte Rente erfüllt die Klägerin nicht. Denn sie ist weder teilweise noch voll erwerbsgemindert. Vielmehr kann sie noch zumindest sechs Stunden täglich Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausüben.
Die auf orthopädischem Fachgebiet vorliegenden degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, insbesondere der Halswirbelsäule, führen nach übereinstimmender Auffassung von Dr. R. in seinem für die Beklagte erstatteten Gutachten und von Dr. H. in seinem für das Sozialgericht erstatteten Gutachten zu keiner quantitativen Leistungsminderung. Vielmehr kann die Klägerin unter Beachtung der von Dr. H. aufgeführten qualitativen Einschränkungen noch zumindest sechs Stunden täglich leichte bis mittelschwere Arbeiten ausüben. Der Senat schließt sich somit dieser Leistungsbeurteilung an, an der auch das Sozialgericht - für dieses Fachgebiet - keine Zweifel geäußert hat.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts folgt aus dem Gutachten von Dr. K. keine rentenrelevante Leistungsminderung. Zwar ist das Sozialgericht im Rahmen der Auslegung der Ausführungen von Dr. K. in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, der Sachverständige schätze das zeitliche Leistungsvermögen der Klägerin für die aus seiner Sicht noch zumutbaren Tätigkeiten auf unter sechs Stunden ein. Indessen trifft dies nicht zu, wie sich aus der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen selbst, die der Senat im Berufungsverfahren eingeholt hat, zweifelsfrei ergibt. Danach ist der Sachverständige Dr. K. der Auffassung, die Klägerin könne noch drei bis sechs Stunden und damit auch sechs Stunden die von ihm aufgeführten leichten körperlichen Tätigkeiten ausüben.
Es bedarf insoweit keiner weiteren Beurteilung, ob die Leistungsbeurteilung des Sachverständigen Dr. K. , der Klägerin seien mehr als sechs Stunden leichte Tätigkeiten nicht zumutbar, zutrifft. Denn mit einem Leistungsvermögen von gerade sechs Stunden sind die Voraussetzungen für die Annahme einer Erwerbsminderung nicht erfüllt.
Auch aus dem von der Klägerin gegenüber dem Sachverständigen Dr. K. geschilderten Tagesablauf lässt sich eine rentenrelevante Leistungsminderung nicht ableiten. Nach den im Gutachten dokumentierten Angaben der Klägerin steht sie um 7.15 Uhr auf, frühstückt mit ihrem Ehemann, liest die Zeitung, versorgt danach vormittags ihr Pferd, macht dann den Haushalt und geht mehrmals pro Monat ins Thermalbad. Kurz nach 12.00 Uhr nimmt sie mit dem Ehemann das Mittagessen ein, das sie selbst gekocht hat. Sie hält Mittagsschlaf, bei Beschwerden auch länger, verrichtet danach weiter die Hausarbeit, wenn auch langsam und mit Pausen. Gelegentlich geht sie spazieren, nach dem Abendessen begleitet sie ihren Ehemann noch zu den Tieren, danach sieht sie fern und gegen 21.30 Uhr geht sie ins Bett.
Diese durchaus erhaltene Tagesstruktur mit der Verrichtung von - nicht unbedingt als leicht zu qualifizierenden - Hausarbeiten sowie der Versorgung des Pferdes zeigt keine rentenrelevant geminderte Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit. Nichts anderes gilt in Bezug auf die Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht. Auch danach macht die Klägerin das Frühstück und nimmt es zusammen mit ihrem Ehemann ein, sie liest die Zeitung, kocht das Mittagessen und macht die Hausarbeiten. Lediglich bei größeren Arbeiten - die Klägerin hat Bettwäsche wechseln angeführt - hilft ihr Mann. In der Freizeit macht sie manchmal einen Spaziergang, rund eine Stunde lang, sie geht mit ihrem Mann zwei- bis dreimal im Monat ins Thermalbad, sie nimmt an Sitzungen, insbesondere an Vorträgen des Landfrauenvereins teil. Auch hieraus lässt sich keine rentenrelevante Einschränkung des Leistungsvermögens ableiten. Insbesondere verfolgt die Klägerin weiterhin ihre Interessen, beispielsweise durch Lektüre der Zeitung und Teilnahme an Vorträgen des Landfrauenvereins, sowie der Versorgung ihres Pferdes. Von einem relevanten sozialen Rückzug kann daher entgegen der Auffassung des Sozialgerichts keine Rede sein. Insoweit hat sich das Sozialgericht zu Unrecht auf die Angaben der Klägerin, sie empfange keinen Besuch mehr, berufen. Hierzu hat die Klägerin - ohnehin widersprüchlich - angegeben, Besuch empfange sie nicht, weil sie keinen Kuchen mehr backen könne. Danach hat sie angegeben, sie könne sogar zwei Kuchen noch backen, aber sie könne das Gewirr der Leute nicht mehr ertragen. Schließlich hat sie angegeben, Besuch bestelle sie lieber ab, weil ihr die Arbeit zu viel sei, wenn Besuch komme. Insgesamt ergibt sich aus diesen Angaben jedenfalls kein Hinweis darauf, dass die Klägerin wegen Interessenverlustes einen sozialen Rückzug gegenüber ihrem Bekannten- oder Verwandtenkreis angetreten hat. Sie scheut vielmehr den Aufwand für die Bewirtung des Besuches. Rentenrelevanz kommt dieser Haltung indessen nicht zu.
Die von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegten Atteste von Dr. E. lassen keine andere Entscheidung zu. Zwar bescheinigt Dr. E. unter Aufzählung von Diagnosen, die Klägerin sei auf Grund des Schmerzsyndroms nicht in der Lage, sechs Stunden täglich auch nur leichte körperliche Arbeiten zu verrichten. Eine Begründung dieser, von der Einschätzung der gerichtlichen Sachverständigen abweichenden Beurteilung gibt Dr. E. aber nicht. Soweit Dr. E. - ebenso wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung - auf einen akuten Schmerzzustand im Zusammenhang mit Blockierungen hinweist, folgt auch hieraus keine dauerhaft rentenrelevant geminderte zeitliche Leistungseinschränkung. Insoweit wäre allenfalls von Arbeitsunfähigkeit auszugehen.
Im Ergebnis gelangt der Senat somit zu der Überzeugung, dass die Klägerin durchaus noch zumindest sechs Stunden leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen mit den weiteren, von den gerichtlichen Sachverständigen aufgeführten qualitativen Einschränkungen (Dr. H.: ohne Arbeiten über Kopf, auf Leitern und Gerüsten, unter ungünstigen Witterungseinflüssen, im Knien, mit häufigem Bücken; Dr. K.: ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, ohne Zwangshaltungen, ohne Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeit, ohne Arbeiten in Kälte oder Nässe und Einwirkung von Staub, Gasen, Dämpfen und ohne größere nervliche Beanspruchung) verrichten kann. Sie ist deshalb nicht erwerbsgemindert. Dabei ist es unerheblich, ob ein dem Leistungsvermögen entsprechender Arbeitsplatz vermittelt werden kann, weil nach § 43 Abs. 3 zweiter Halbsatz SGB VI die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist in einem solchen Fall regelmäßig nicht erforderlich (BSG, Urteil vom 14.09.1995, 5 RJ 50/94 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50, auch zum Nachfolgenden). Denn nach der Rechtsprechung des BSG steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist. Nur ausnahmsweise ist für einen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Versicherten wie die Klägerin mit zumindest sechsstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes sind bestimmte Fälle anerkannt (z.B. Einarmigkeit, vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.), zu denen der vorliegende Fall aber nicht gehört. Vielmehr braucht eine Verweisungstätigkeit erst benannt zu werden, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG, a.a.O.; Urteil vom 27.04.1982, 1 RJ 132/80 in SozR 2200 § 1246 Nr. 90). Denn ein Teil dieser Einschränkungen stimmt bereits mit den Tätigkeitsmerkmalen einer körperlich leichten Arbeit überein; dies gilt insbesondere für die geminderte Fähigkeiten, Lasten zu bewältigen und die geringe Belastbarkeit der Wirbelsäule (BSG, SozR 3 a.a.O.) mit den hierauf beruhenden Einschränkungen. Nicht anders liegt der Fall der Klägerin. Auch bei ihr wird den qualitativen Einschränkungen im Wesentlichen bereits dadurch Rechnung getragen, dass ihr nur noch leichte Arbeiten zugemutet werden.
Soweit Dr. H. ein Aufstehen alle Stunde für erforderlich sieht, auch für einen Zeitraum von etwa 20 Minuten, handelt es sich um keine zusätzliche qualitative Einschränkung zum Erfordernis wechselnder Körperhaltung, sondern betrifft ersichtlich nur Arbeiten in überwiegendem oder ständigem Sitzen, nicht aber Tätigkeiten im regelmäßigen Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen. Dem entsprechend hat der Sachverständige insbesondere auch Büroarbeiten für zumutbar angesehen.
Der Klägerin steht somit kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung zu. Auf die Berufung der Beklagten ist deshalb das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG).
Die am 1950 geborene Klägerin ist seit Februar 1973 mit einem bei der Beklagten versicherungspflichtigen Nebenerwerbslandwirt verheiratet. Der landwirtschaftliche Betrieb ist seit dem 01.01.2007 auf zehn Jahre verpachtet. Zur näheren Feststellung des Inhalts des Pachtvertrages wird auf die in den Gerichtsakten des Sozialgerichts Freiburg befindliche Kopie verwiesen.
Den im Mai 2005 wegen Wirbelsäulenbeschwerden gestellten Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 09.08.2005 und Widerspruchsbescheid vom 27.12.2005 gestützt auf das von ihr beim Orthopäden Dr. R. eingeholte Gutachten ab (leichte bis mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes seien sechs Stunden und mehr zumutbar, zu vermeiden seien überwiegend einseitige Körperhaltungen, häufiges Bücken, langdauernde, beidseitige Überkopfarbeiten).
Das hiergegen am 18.01.2006 angerufene Sozialgericht Freiburg hat u.a. den Hausarzt Dr. V. schriftlich als sachverständigen Zeugen vernommen. Dr. V. hat die Leistungsfähigkeit der Klägerin auf weniger als sechs Stunden eingeschätzt, trotz fehlender orthopädischer Befunde seien die Angaben der Klägerin über Schmerzzustände glaubhaft, es bestehe ein Verdacht auf ein Fibromyalgiesyndrom.
Auf Veranlassung des Sozialgerichts hat der Orthopäde Dr. H. ein Gutachten erstattet und ein chronisches Schmerzsyndrom, ein Cervikalsyndrom bei Fehlhaltung bzw. ungünstiger Bewegung des Kopfes und degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, eine Fraktur des Humerusschaftes links im Dezember 2006, ein Thorakalsyndrom bei degenerativen Veränderungen der unteren und oberen Brustwirbelsäule, ein Lumbalsyndrom bei degenerativen Veränderungen, Fehlhaltung und Muskeldysbalancen, einen Hallux valgus beidseits und einen Senkspreizfuß beidseits diagnostiziert. Im Vordergrund stehe der Dauerschmerz der Halswirbelsäule mit Verstärkung beim Sitzen und Einstrahlung in die linke Gesichtshälfte, sekundär entwickelten sich auch Schmerzattacken und Bewegungseinschränkungen der Halswirbelsäule. Zusätzlich bestehe eine Bewegungseinschränkung und Schmerzhaftigkeit der linken Schulter. Die Verschleißerscheinungen der Brustwirbelsäule sowie die Auffälligkeiten im Bereich der Füße hätten keine nennenswerte Relevanz für die Erwerbsfähigkeit. Körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten im Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen einschließlich von Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis etwa 10 kg bis zur Horizontale könne die Klägerin noch täglich mindestens sechs Stunden verrichten. Zu vermeiden seien Arbeiten über Kopf, auf Leitern und Gerüsten, unter ungünstigen Witterungseinflüssen, im Knien, mit häufigem Bücken. Das Aufstehen solle alle Stunde möglich sein, auch für einen Zeitraum von etwa 20 Minuten.
In seinem ebenfalls auf Veranlassung des Sozialgerichts erstatteten psychosomatischen Gutachten ist Dr. K. , Universitätsklinikum F. , zu dem Ergebnis gelangt, bei der Klägerin liege eine rezidivierende depressive Störung, aktuell leichtgradige depressive Episode sowie eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit funktionellen Anteilen, fakultativ ein Fibromyalgiesyndrom vor. Leichte körperliche Arbeiten ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, ohne Zwangshaltungen, ohne Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeit, ohne Arbeiten in Kälte oder Nässe und Einwirkung von Staub, Gasen, Dämpfen und ohne größere nervliche Beanspruchung seien je Arbeitstag "noch 3-6 Stunden" möglich. Eine Tätigkeit von mehr als sechs Stunden sei nicht zumutbar, da ansonsten von einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes ausgegangen werden müsse.
In der Folge ist es zu einer kontroversen Diskussion zwischen der Beklagten und dem Sozialgericht über die Auslegung dieser Leistungseinschätzung, insbesondere darüber gekommen, ob der Sachverständige eine gerade noch sechsstündige tägliche Arbeitszeit für zumutbar erachtet habe. Mit Urteil vom 26.02.2010 hat das Sozialgericht nach Anhörung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.01.2007 zu gewähren. In den Entscheidungsgründen hatte es ausgeführt, die Interpretation der Beklagten, der Sachverständige würde die Klägerin noch für mindestens sechs Stunden leistungsfähig halten, sei abwegig. Seine Leistungsbeurteilung ordne sich in die durch die Beweisfrage vorgegebene Systematik (drei bis weniger als sechs Stunden, mindestens sechs Stunden) ein.
Gegen das ihr am 11.03.2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19.03.2010 Berufung eingelegt und darauf hingewiesen, der Sachverständige Dr. K. habe eine Tätigkeit von über sechs Stunden ausgeschlossen, sodass die Klägerin nach dieser Einschätzung noch mindestens sechs Stunden arbeiten könne und deshalb nicht erwerbsgemindert sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26.02.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und legt ärztliche Atteste der Allgemeinmedizinerin Dr. E. vor, wonach sie nicht in der Lage sei, sechs Stunden täglich auch nur leichte körperliche Arbeiten zu verrichten.
Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme von Dr. K. eingeholt, in der dieser mitgeteilt hat, dass das im Gutachten beurteilte Leistungsvermögen der Klägerin drei bis sechs Stunden umfasse, das heiße, die Klägerin könne sechs Stunden leichte Arbeiten täglich unter Berücksichtigung der genannten Einschränkungen ausüben.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Landwirte haben nach § 13 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert nach § 43 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) sind, sie in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung mindestens drei Jahre Pflichtbeiträge zur landwirtschaftlichen Alterskasse gezahlt haben, sie vor Eintritt der Erwerbsminderung die Wartezeit von fünf Jahren erfüllt haben und das Unternehmen der Landwirtschaft abgegeben ist. Die näheren Voraussetzungen der Abgabe des Unternehmens der Landwirtschaft regelt § 21 ALG.
Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingung des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Landwirte haben nach § 13 Abs. 1 Satz 2 ALG Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert nach § 43 SGB VI sind und die sonstigen Voraussetzungen nach Satz 1 erfüllt sind. Voll erwerbsgemindert sind gem. § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Hiervon besteht eine Ausnahme, wenn wegen einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung oder bei einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen und bei Vorliegen bestimmter, so genannter Katalogfälle die Benennung einer Verweisungstätigkeit nicht möglich ist. In diesen Fällen führen rein qualitative Einschränkungen selbst im Falle sechsstündigen Leistungsvermögens zur Annahme voller Erwerbsminderung (Großer Senat, Beschluss vom 19.12.1996, GS 2/95 in SozR 3-2600 § 44 Nr. 8).
Die anspruchsbegründenden Tatsachen müssen erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Ist ein solcher Nachweis nicht möglich, geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Die Voraussetzungen für die begehrte Rente erfüllt die Klägerin nicht. Denn sie ist weder teilweise noch voll erwerbsgemindert. Vielmehr kann sie noch zumindest sechs Stunden täglich Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausüben.
Die auf orthopädischem Fachgebiet vorliegenden degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, insbesondere der Halswirbelsäule, führen nach übereinstimmender Auffassung von Dr. R. in seinem für die Beklagte erstatteten Gutachten und von Dr. H. in seinem für das Sozialgericht erstatteten Gutachten zu keiner quantitativen Leistungsminderung. Vielmehr kann die Klägerin unter Beachtung der von Dr. H. aufgeführten qualitativen Einschränkungen noch zumindest sechs Stunden täglich leichte bis mittelschwere Arbeiten ausüben. Der Senat schließt sich somit dieser Leistungsbeurteilung an, an der auch das Sozialgericht - für dieses Fachgebiet - keine Zweifel geäußert hat.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts folgt aus dem Gutachten von Dr. K. keine rentenrelevante Leistungsminderung. Zwar ist das Sozialgericht im Rahmen der Auslegung der Ausführungen von Dr. K. in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, der Sachverständige schätze das zeitliche Leistungsvermögen der Klägerin für die aus seiner Sicht noch zumutbaren Tätigkeiten auf unter sechs Stunden ein. Indessen trifft dies nicht zu, wie sich aus der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen selbst, die der Senat im Berufungsverfahren eingeholt hat, zweifelsfrei ergibt. Danach ist der Sachverständige Dr. K. der Auffassung, die Klägerin könne noch drei bis sechs Stunden und damit auch sechs Stunden die von ihm aufgeführten leichten körperlichen Tätigkeiten ausüben.
Es bedarf insoweit keiner weiteren Beurteilung, ob die Leistungsbeurteilung des Sachverständigen Dr. K. , der Klägerin seien mehr als sechs Stunden leichte Tätigkeiten nicht zumutbar, zutrifft. Denn mit einem Leistungsvermögen von gerade sechs Stunden sind die Voraussetzungen für die Annahme einer Erwerbsminderung nicht erfüllt.
Auch aus dem von der Klägerin gegenüber dem Sachverständigen Dr. K. geschilderten Tagesablauf lässt sich eine rentenrelevante Leistungsminderung nicht ableiten. Nach den im Gutachten dokumentierten Angaben der Klägerin steht sie um 7.15 Uhr auf, frühstückt mit ihrem Ehemann, liest die Zeitung, versorgt danach vormittags ihr Pferd, macht dann den Haushalt und geht mehrmals pro Monat ins Thermalbad. Kurz nach 12.00 Uhr nimmt sie mit dem Ehemann das Mittagessen ein, das sie selbst gekocht hat. Sie hält Mittagsschlaf, bei Beschwerden auch länger, verrichtet danach weiter die Hausarbeit, wenn auch langsam und mit Pausen. Gelegentlich geht sie spazieren, nach dem Abendessen begleitet sie ihren Ehemann noch zu den Tieren, danach sieht sie fern und gegen 21.30 Uhr geht sie ins Bett.
Diese durchaus erhaltene Tagesstruktur mit der Verrichtung von - nicht unbedingt als leicht zu qualifizierenden - Hausarbeiten sowie der Versorgung des Pferdes zeigt keine rentenrelevant geminderte Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit. Nichts anderes gilt in Bezug auf die Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht. Auch danach macht die Klägerin das Frühstück und nimmt es zusammen mit ihrem Ehemann ein, sie liest die Zeitung, kocht das Mittagessen und macht die Hausarbeiten. Lediglich bei größeren Arbeiten - die Klägerin hat Bettwäsche wechseln angeführt - hilft ihr Mann. In der Freizeit macht sie manchmal einen Spaziergang, rund eine Stunde lang, sie geht mit ihrem Mann zwei- bis dreimal im Monat ins Thermalbad, sie nimmt an Sitzungen, insbesondere an Vorträgen des Landfrauenvereins teil. Auch hieraus lässt sich keine rentenrelevante Einschränkung des Leistungsvermögens ableiten. Insbesondere verfolgt die Klägerin weiterhin ihre Interessen, beispielsweise durch Lektüre der Zeitung und Teilnahme an Vorträgen des Landfrauenvereins, sowie der Versorgung ihres Pferdes. Von einem relevanten sozialen Rückzug kann daher entgegen der Auffassung des Sozialgerichts keine Rede sein. Insoweit hat sich das Sozialgericht zu Unrecht auf die Angaben der Klägerin, sie empfange keinen Besuch mehr, berufen. Hierzu hat die Klägerin - ohnehin widersprüchlich - angegeben, Besuch empfange sie nicht, weil sie keinen Kuchen mehr backen könne. Danach hat sie angegeben, sie könne sogar zwei Kuchen noch backen, aber sie könne das Gewirr der Leute nicht mehr ertragen. Schließlich hat sie angegeben, Besuch bestelle sie lieber ab, weil ihr die Arbeit zu viel sei, wenn Besuch komme. Insgesamt ergibt sich aus diesen Angaben jedenfalls kein Hinweis darauf, dass die Klägerin wegen Interessenverlustes einen sozialen Rückzug gegenüber ihrem Bekannten- oder Verwandtenkreis angetreten hat. Sie scheut vielmehr den Aufwand für die Bewirtung des Besuches. Rentenrelevanz kommt dieser Haltung indessen nicht zu.
Die von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegten Atteste von Dr. E. lassen keine andere Entscheidung zu. Zwar bescheinigt Dr. E. unter Aufzählung von Diagnosen, die Klägerin sei auf Grund des Schmerzsyndroms nicht in der Lage, sechs Stunden täglich auch nur leichte körperliche Arbeiten zu verrichten. Eine Begründung dieser, von der Einschätzung der gerichtlichen Sachverständigen abweichenden Beurteilung gibt Dr. E. aber nicht. Soweit Dr. E. - ebenso wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung - auf einen akuten Schmerzzustand im Zusammenhang mit Blockierungen hinweist, folgt auch hieraus keine dauerhaft rentenrelevant geminderte zeitliche Leistungseinschränkung. Insoweit wäre allenfalls von Arbeitsunfähigkeit auszugehen.
Im Ergebnis gelangt der Senat somit zu der Überzeugung, dass die Klägerin durchaus noch zumindest sechs Stunden leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen mit den weiteren, von den gerichtlichen Sachverständigen aufgeführten qualitativen Einschränkungen (Dr. H.: ohne Arbeiten über Kopf, auf Leitern und Gerüsten, unter ungünstigen Witterungseinflüssen, im Knien, mit häufigem Bücken; Dr. K.: ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, ohne Zwangshaltungen, ohne Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeit, ohne Arbeiten in Kälte oder Nässe und Einwirkung von Staub, Gasen, Dämpfen und ohne größere nervliche Beanspruchung) verrichten kann. Sie ist deshalb nicht erwerbsgemindert. Dabei ist es unerheblich, ob ein dem Leistungsvermögen entsprechender Arbeitsplatz vermittelt werden kann, weil nach § 43 Abs. 3 zweiter Halbsatz SGB VI die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist in einem solchen Fall regelmäßig nicht erforderlich (BSG, Urteil vom 14.09.1995, 5 RJ 50/94 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50, auch zum Nachfolgenden). Denn nach der Rechtsprechung des BSG steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist. Nur ausnahmsweise ist für einen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Versicherten wie die Klägerin mit zumindest sechsstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes sind bestimmte Fälle anerkannt (z.B. Einarmigkeit, vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.), zu denen der vorliegende Fall aber nicht gehört. Vielmehr braucht eine Verweisungstätigkeit erst benannt zu werden, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG, a.a.O.; Urteil vom 27.04.1982, 1 RJ 132/80 in SozR 2200 § 1246 Nr. 90). Denn ein Teil dieser Einschränkungen stimmt bereits mit den Tätigkeitsmerkmalen einer körperlich leichten Arbeit überein; dies gilt insbesondere für die geminderte Fähigkeiten, Lasten zu bewältigen und die geringe Belastbarkeit der Wirbelsäule (BSG, SozR 3 a.a.O.) mit den hierauf beruhenden Einschränkungen. Nicht anders liegt der Fall der Klägerin. Auch bei ihr wird den qualitativen Einschränkungen im Wesentlichen bereits dadurch Rechnung getragen, dass ihr nur noch leichte Arbeiten zugemutet werden.
Soweit Dr. H. ein Aufstehen alle Stunde für erforderlich sieht, auch für einen Zeitraum von etwa 20 Minuten, handelt es sich um keine zusätzliche qualitative Einschränkung zum Erfordernis wechselnder Körperhaltung, sondern betrifft ersichtlich nur Arbeiten in überwiegendem oder ständigem Sitzen, nicht aber Tätigkeiten im regelmäßigen Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen. Dem entsprechend hat der Sachverständige insbesondere auch Büroarbeiten für zumutbar angesehen.
Der Klägerin steht somit kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung zu. Auf die Berufung der Beklagten ist deshalb das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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