Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 3611/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 R 3764/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung hat.
Der 1960 geborene Kläger hat von 1974 bis 1978 eine Ausbildung als Schreiner und von 1990 bis 1993 eine Umschulung zum Gerätemechaniker absolviert. Zuletzt war er bis 2004 als Montageschreiner versicherungspflichtig beschäftigt.
Vom 01.07. bis 22.07.2004 absolvierte er eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme in der Rheumaklinik B ... Dort wurde er mit den Diagnosen Coxarthrose beidseits, Lumboischialgien bei degenerativen Lendenwirbelsäulen-Veränderungen, Impingementsyndrom beider Schultern, Zustand nach Handgelenksfrakturen beidseits 1988 und Zustand nach Unterarmfraktur links 1999 entlassen. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Auslieferungsmöbelmonteur könne er nur noch in einem zeitlichen Umfang von 3 bis unter 6 Stunden ausüben. Leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen seien ihm noch 6 Stunden täglich zumutbar.
Auf seinen Antrag vom 27.04.2004 bewilligte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 22.11.2004 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Zeit vom 01.09.2004 bis 31.08.2006. Nachdem der Kläger hiergegen Widerspruch eingelegt hatte ließ ihn die Beklagte durch Dr. R. gutachterlich untersuchen, der im Gutachten vom 18.04.2005 zu der Beurteilung gelangte, der Kläger könne noch körperlich mittelschwere Arbeiten mindestens sechs Stunden täglich ausüben. Auch gegen die Ausübung des bereits früher erlernten Umschulungsberufes als Nachrichtengerätemechaniker ergäben sich keine Bedenken. Nicht die medizinischen, sondern die sozialen Verhältnisse stünden für die Akzentuierung im Vordergrund. Nicht die medizinischen Krankheitsbilder, sondern der Führerscheinverlust verhinderten gegenwärtig die Ausübung der Tätigkeit als Auslieferungsmöbelmonteur. Daraufhin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.08.2005, auf den Bezug genommen wird, zurück.
Hiergegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Konstanz - SG - (S 4 R 268/06), das die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen hörte. Der Allgemeinmediziner Dr. N. vertrat die Auffassung, der Kläger könne nur leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter drei Stunden täglich verrichten. Die maßgeblichen Beschwerden lägen auf orthopädischem Gebiet. Der Orthopäde Dr. F. vertrat in der sachverständigen Zeugenaussage vom 03.04.2006 die Auffassung, der Kläger könne zwar nicht mehr seine bisherige Tätigkeit als Schreiner, jedoch noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich ausüben.
Die Beklagte anerkannte daraufhin das Vorliegen von teilweise Erwerbsminderung über den 31.08.2006 hinaus und bewilligte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer. Am 14.08.2006 nahm der Kläger das Anerkenntnis an und erklärte den Rechtsstreit für erledigt.
Bereits zuvor hatte der Kläger am 03.07.2006 bei der Beklagten den Antrag auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung gestellt. Mit Bescheid vom 09.08.2006 lehnte diese den Antrag ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 20.11.2006, auf den Bezug genommen wird, zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 20.12.2006 Klage zum SG erhoben. Dieses hat die behandelnden Ärzte Dr. D., Dr. N. und Dr. F. als sachverständige Zeugen gehört. Der Neurologe Dr. D. hat in der Stellungnahme vom 17.09.2007 angegeben, der Kläger habe sich erstmals am 21.02.2006 und sodann zur Verlaufskontrolle am 08.08.2006 vorgestellt. Der Kläger leide unter einer chronifizierten Schmerzerkrankung, die zwischenzeitlich zu einer depressiven Stimmungslage geführt habe, sowie an Tinnitus. Bei laufendem Rentenverfahren mit negativer Selbstprognose scheine eine berufliche Wiedereingliederung nicht aussichtsreich. In der ergänzenden Stellungnahme vom 12.10.2007 hat er ausgeführt, der Kläger habe sich am 09.10.2007 und 12.10.2007 erneut zur Verlaufskontrolle vorgestellt. Zu einer ausgeprägten Lumboischialgie links kämen eine generalisierte Schmerzsymptomatik; die Gehstrecke sei eingeschränkt auf etwa 50 m, dann komme es zu Blockaden im Bereich der Hüfte. Der Kläger sei beruflich nicht mehr belastbar, der Schwerpunkt einer Begutachtung sollte auf psychiatrisch-psychotherapeutischem Fachgebiet durchgeführt werden. Konkrete Behandlungsmaßnahmen hat Dr. D. nicht mitgeteilt. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. N. hat unter dem 27.09.2007 die Auffassung vertreten, der Kläger sei maßgeblich wegen seiner Erkrankungen auf orthopädischem und neurologischem Fachgebiet nicht mehr beruflich belastbar. Der Orthopäde Dr. F. hat unter dem 24.10.2007 mitgeteilt, er habe den Kläger erneut am 28.04.2006 und 04.07.2007 behandelt, hieraus ergäben sich keine Änderungen hinsichtlich der Befunde und der Leistungseinschätzung gegenüber der Auskunft vom 03.04.2006.
Das SG hat sodann bei Dr. H. ein nervenärztlich-sozialmedizinisches Gutachten eingeholt. Im Gutachten vom 08.01.2008 hat Dr. H. folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: 1. Undifferenzierte Somatisierungsstörung 2. Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen 3. Mäßig ausgeprägte Coxarthrose beidseits 4. Mäßige Bewegungseinschränkungen beider Schultergelenke 5. Mäßig ausgeprägte degenerative Veränderungen der HWS und LWS ohne radikuläre Symptomatik 6. Tinnitus aurium.
Der Kläger könne schwere körperliche Arbeit sowie Arbeiten in Zwangshaltung, mit ständigem Heben und Tragen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel, ständigem Bücken, Steigen auf Treppen und Leitern, Über-Kopf-Arbeiten, starken Temperaturschwankungen sowie überwiegend im Freien unter Einwirkung von Kälte, Zugluft und Nässe nicht mehr verrichten. Die seelischen Störungen rechtfertigten weder eine darüber hinausgehende qualitative noch eine quantitative Leistungseinschränkung. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit eines Auslieferungsschreiners könne zwar nicht mehr verrichtet werden. Der Kläger sei jedoch noch in der Lage, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mit den genannten qualitativen Einschränkungen vollschichtig auszuüben. Es liege auch keine Einschränkung der Wegefähigkeit vor.
Weiter vorgelegt wurde ein im Verfahren S 6 SB 2641/05 erstattetes Gutachten des Arztes für Anästhesie und Allgemeinmedizin, Spezielle Schmerztherapie Dr. S. vom 11.11.2007, auf das Bezug genommen wird.
Mit Urteil vom 26.06.2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es sich auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr. H. bezogen und ausgeführt, die negativen Leistungseinschätzungen von Dr. N. und Dr. D. erachte es durch das nachfolgend eingeholte Gutachten als widerlegt. Für die Beurteilung des klägerischen Leistungsvermögens durch Dr. H. spreche insbesondere, dass der Kläger hinsichtlich seiner Schmerzerkrankung keinen wesentlichen Leidensdruck zeige und sich deswegen weder in stationärer oder schmerztherapeutischer noch in konsequent fachärztlicher (nervenärztlicher) Behandlung befinde. Dr. D. habe den Kläger im Jahr 2006 lediglich zwei Mal und danach erst im Oktober 2007 wieder gesehen. Der Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG sei vom Kläger in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich nicht mehr aufrechterhalten worden.
Gegen das am 10.07.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 06.08.2008 Berufung eingelegt. Er trägt vor, er habe im Dezember 2003 einen Arbeitsunfall erlitten, wobei ihm eine ca. 80 kg schwere Vitrine beim Entladen eines LKW auf die Hüfte gefallen sei. Dieser Arbeitsunfall und nicht ein von Dr. H. unterstellter schädlicher Alkoholkonsum sei Ursache dafür, dass er seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht mehr fortführen könne. Zudem habe der Sachverständige Dr. H. die von ihm gemachten Angaben nicht zutreffend wiedergegeben.
Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG ist Dr. S. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt worden. Im Gutachten vom 17.06.2009 hat diese die Diagnosen eines chronischen unbeeinflussbaren Schmerzsyndroms Stadium 3 nach Gerbershagen, einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, eines Fibromyalgiesyndroms, einer mittelgradigen depressiven Episode, einer Anpassungsstörung, einer Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerz, chronischer Schlafstörung mit allgemeiner Müdigkeit und Mattigkeit, übermäßigen Schwitzens sowie eines Verdachts auf Läsion der Rotatorenmanschette und auf ein neuropathisches Schmerzsyndrom gestellt. Am Beispiel "nicht erholsamer Schlaf" könne die Wechselwirkung von Schlaf- und Leistungsfähigkeit dargestellt werden. Ausreichender Schlaf verschaffe Wohlbefinden, nicht erholsamer Schlaf führe dagegen zu Tagesschläfrigkeit, Müdigkeit und Erschöpfung. Ein langjähriger nicht erholsamer Schlaf könne zwar hinsichtlich der daraus resultierenden Störungen quantitativ nicht erfasst werden, führe jedoch qualitativ zu ausgeprägten Konzentrationsstörungen, Merkfähigkeitsstörungen, depressiven Reaktionen, Erschöpfungszeichen sowie vegetativen Begleitsymptomen. Beim Kläger bestünden seit Jahren nicht erholsame Schlafperioden. Ihm seien auch leichte Tätigkeiten nur noch unter drei Stunden arbeitstäglich zumutbar.
Dieser Beurteilung ist der Prüfarzt der Beklagten Dr. E. in der Stellungnahme vom 23.07.2009, auf die Bezug genommen wird, entgegen getreten.
Das Gericht hat daraufhin Prof. Dr. Dr. W. mit der Erstellung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens beauftragt. Im Gutachten vom 15.02.2010 hat dieser ausgeführt, auf neurologischen Fachgebiet sei keine Gesundheitsstörung zu erkennen. Insbesondere könne eine somatoforme Schmerzstörung von Krankheitswert nicht festgestellt werden. Auf psychiatrischem Fachgebiet bestehe eine Neigung zu hypochondrischer Selbstbeobachtung mit hierdurch bedingter Selbstlimitierung, gleichzeitig jedoch ein erheblicher Versorgungswunsch mit Neigung zu einem Rückzug von den unangenehmen Dingen des Lebens. Auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet lägen insgesamt hinsichtlich der beruflichen Leistungsfähigkeit keine über die durch die Erkrankungen auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet bedingten Einschränkungen hinaus vor. Prof. Dr. Dr. W. hat weiter ausgeführt, aufgrund der zahlreich erkennbaren Inkonsistenzen vermöge er sich nicht davon zu überzeugen, dass die vom Kläger geschilderten Beeinträchtigungen tatsächlich auch in diesem Umfang bestünden. Es seien keine Gründe ersichtlich, weshalb der Kläger nicht ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt 6 Stunden arbeitstäglich verrichten könne. Seine Einschätzung stehe in Übereinstimmung mit dem von Dr. H. im Januar 2008 erstatteten Gutachten. Der Beurteilung des Sachverständigen Dr. S. könne er sich nicht anschließen, da sich im Gutachten keine kritische Hinterfragung der Eigenangaben des Klägers fände. Die von diesem benutzten "internationalen, interdisziplinär anerkannten psychometrischen Testver¬fahren" seien für Begutachtungen nicht validiert und lediglich als Baustein in der Beschwer¬denvalidierung zu verwenden.
Dieser Beurteilung ist der Kläger entgegen getreten mit Verweis auf die Beurteilung seiner behandelnden Ärzte, wobei er auf Nachfrage des Senats mitgeteilt hat, bei dem als behandelnder Psychiater benannten Prof. Dr. K. stehe er bereits seit Jahren nicht mehr in Behandlung.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 26. Juni 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 09. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. November 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, denn er hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung anstelle der ihm gewährten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, da er zur Überzeugung des Senates noch leichte Tätig¬keiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mit gewissen qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden arbeitstäglich verrichten kann.
Gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI - haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie
1. voll erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach der Überzeugung des Senats ist der Kläger seit Rentenantragstellung durchgehend noch in der Lage, leichte Tätigkeiten in geschlossenen Räumen überwiegend im Sitzen, teilweise im Gehen und Stehen ohne Zwangshaltung für die Wirbelsäule, ohne Über-Kopf-Arbeiten und Steigen auf Leitern oder Gerüste, ohne häufiges Bücken oder Treppensteigen sechs Stunden täglich zu verrichten. Damit ist er nicht voll erwerbsgemindert.
Die berufliche Leistungsfähigkeit des Klägers wird maßgeblich eingeschränkt durch Erkrankungen auf orthopädischem Fachgebiet. Hier bestehen eine mäßig ausgeprägte Coxarthrose beidseits, mäßige Bewegungseinschränkungen beider Schultergelenke, mäßig ausgeprägte degenerative Veränderungen der HWS und LWS ohne radikuläre Symptomatik. Darüber hinaus besteht ein Zustand nach Handgelenksfrakturen beidseits 1988 und nach Unterarmfraktur links 1999. Der Kläger kann deshalb keine schweren körperlichen Arbeiten mehr verrichten. Auch Arbeiten mit häufigem Bücken, häufigen einseitigen Wirbelsäulenzwangshaltungen, dauerndem Stehen, Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten sowie unter starken Witterungseinflüssen sind deshalb zu vermeiden.
Beim Kläger besteht darüber hinaus ein Tinnitus, der jedoch das Hörvermögen nicht nachweisbar beeinträchtigt. So kann dem Arztbrief der Fachärztin für Hals- Nase-Ohren Dr. Ü. vom 30.01.2006 entnommen werden, dass sich der Kläger lediglich zweimal am 17.01.2005 und 23.01.2006 in fachärztlicher Behandlung befunden hat, wobei ein Akustikusneurinom ausgeschlossen und lediglich eine diskrete Schallempfindungsschwerhörigkeit im Hochtonbereich links festgestellt werden konnte. Der von Dr. Ü. ausgesprochenen Empfehlung zur Vorstellung in der Tinnitussprechstunde der Universitätsklinik Ulm ist der Kläger nicht nachgekommen.
Auf psychiatrischem Fachgebiet besteht beim Kläger eine Neigung zu hypochondrischer Selbstbeobachtung verbunden mit einem Versorgungswunsch. Eine somatoforme Schmerzstörung von Krankheitswert liegt nicht vor. Auch auf neurologischem Fachgebiet liegen keine für das berufliche Leistungsvermögen relevanten gesundheitlichen Beeinträchtigungen vor. Der Senat stützt sich hierbei auf die Beurteilung des behandelnden Orthopäden Dr. F., der in seiner sachverständigen Zeugenaussage mitgeteilt hat, seit seiner letzten Aussage im Verfahren S 4 R 268/06 hätten sich keine richtungsweisenden Befundänderungen und auch keine Änderung in der Beurteilung der Leistungseinschätzung ergeben, der Kläger könne noch leichtere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens 6 Stunden verrichten, sowie der Sachverständigen Dr. H. im Gutachten vom 08.01.2008 und Prof. Dr. Dr. W. vom 15.02.2010.
Der Senat folgt nicht der von Dr. S. im Gutachten vom 17.06.2009 getroffenen Beurteilung, und zwar weder hinsichtlich der Diagnosen noch der Beurteilung des Leistungsvermögens. Gegen diese spricht bereits, dass das Gutachten keine Beschreibung der aktuellen Tätigkeiten bzw. eines Tagesablaufs des Klägers enthält. Bezüglich der biographischen Anamnese wird lediglich auf das im Verfahren L 6 SB 2641/05 erstattete Gutachten vom 11.11.2007 verwiesen. Die darin wiedergegebene Anamnese endet jedoch mit dem Betriebsunfall (Sturz vom LKW) im Dezember 2003. Zur aktuellen Situation wird lediglich die Angabe des Klägers wiedergegeben, er fühle sich hilflos, könne sich ohne Hilfe seiner Frau nicht alleine an- bzw. ausziehen und sich auch nicht alleine die Haare richten. Diesem Gutachten kann auch entnommen werden, dass der Kläger zum damaligen Zeitpunkt ein Wirbelsäulenkorsett getragen hat mit der Begründung, er sei sonst "nicht stabil", das jedoch bei nachfolgenden Untersuchungen nicht mehr dokumentiert worden ist. Während der Kläger gegenüber Dr. S. ausgeführt hat, seine Ehefrau sei nach dem Tod des familieneigenen Hundes in eine schwere Krise geraten, die ihn psychisch und körperlich belastet habe, hat er gegenüber Prof. Dr. Dr. W. angegeben, er habe bis zum letzten Jahr einen Hund gehabt. Seine Frau wolle nicht, dass er einen neuen Hund kaufe. Der Kläger hat weiter angegebenen, dass er zusammen mit ein paar Bekannten seit einem halben Jahr einen Fischweiher gemietet habe, um eine Forellenzucht zu etablieren.
Auch die von Dr. S. unter Hinweis auf Arztbriefe von Dr. D. vertretene Auffassung, über eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung hinaus bestünden beim Kläger Angstzustände, kann den vorliegenden Unterlagen so nicht entnommen werden. Im Arztbrief vom 21.02.2006 hat Dr. D. angegeben, der Kläger sei bewusstseinsklar und orientiert. Im Gespräch seien keine Denk- und Merkfähigkeitsstörungen erkennbar, es läge keine depressive Symptomatik im eigentlichen Sinne vor. Im Arztbrief vom 08.08.2006 wird ausgeführt, im Verlauf habe der Kläger eine Zunahme der Schmerzsymptomatik mit Ganzkörperschmerzen erlebt. Er habe eine sehr eng anliegende Handgelenksstütze rechts getragen, die bei vorbekannter Kompression des Mittelhandnervens noch zusätzliche Probleme gebracht und die er gelockert habe. Die psychosoziale Situation sei ein ausgeprägter Chronifizierungsfaktor. Das laufende Rentenverfahren habe den Nachweis der Erkrankung zum Ziel und biete somit wenig Potenzial für Besserungsmöglichkeiten. Im Schreiben vom 12.10.2007 an das SG hat Dr. D. sodann mitgeteilt, der Kläger habe sich am 09.10. und 12.10.2007 zu Verlaufskontrollen (nach letztmaliger Vorstellung am 08.08.2006 !) vorgestellt und um Befundmitteilung in Ergänzung zu den vorherigen Ausführungen gebeten. Inzwischen fühle sich der Kläger in sämtlichen Aktivi¬täten infolge der Schmerzerkrankung eingeschränkt, es sei zu depressiven Stimmungs¬schwankungen und Ängsten mit Panikgefühlen, begleitet und Müdigkeit, Schlafstörungen, Schwitzen und Magenbeschwerden gekommen. Im psychischen Befund hat Dr. D. diese Angaben des Klägers jedoch nicht bestätigt und lediglich angegeben, der Kläger sei bewusstseinsklar und orientiert, niedergestimmt und erschöpft wirkend. Der Kläger leide unter einer generalisierten Schmerzerkrankung im Stadium III nach Gerbershagen, die Schmerz¬symptomatik sei im Rahmen der Chronifizierung im Sinne einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung überlagert. Die Diagnose einer Angststörung kann den von Dr. D. mitgeteilten Befunden somit nicht entnommen werden.
Ebenso wenig kann ein von Dr. S. angenommener sozialer Rückzug in allen Belangen des Lebens festgestellt werden. Im Gegensatz zu dessen Beurteilung, der Kläger sei nicht mehr fähig, normale Alltagsaktivität, normale soziale Kontakte, normale Freizeitaktivitäten, normale kulturelle Gepflogenheiten zu absolvieren bzw. zu pflegen, stehen die von Prof. Dr. Dr. W. erhobenen Alltagsbeschäftigungen des Klägers, wonach dieser noch seinem Hobby Münzen¬sammeln nachgehen kann und seit einem halben Jahr mit Bekannten einen Fischweiher zur Forellenzucht gemietet hat. Anders als Dr. S. hat Prof. Dr. Dr. W. die Angaben des Klägers auch einer kritischen Prüfung unterzogen und hierbei Inkonsistenzen festgestellt. So hat der Kläger beispielsweise angegeben, er habe am Untersuchungstag noch kein Tramadol eingenommen, am Vortag jedoch 3 x 40 Tropfen, was einer Dosierung von 3 x 100 mg entspricht. Gemäß den Angaben zur Bioverfügbarkeit und Metabolisierung wird ca. 2 Stunden nach Einnahme von 100 mg Tramadol ein Serumspiegel von 100 mg/ml erreicht. Angesichts der biologischen Halbwertszeit von 6 bis 8 Stunden wäre zum Zeitpunkt der Blutabnahme um 14.00 Uhr des Folgetages noch ein Blutspiegel von wenigstens 30 bis 50 mg/ml zu erwarten gewesen. Tatsächlich hat die Bestimmung des Tramadol-Spiegels im Labor lediglich einen Wert unterhalb der Bestimmungsgrenze ergeben. Dies deutet darauf hin, dass die angegebenen 3 x 100 mg entgegen den Angaben des Klägers in dieser Form nicht eingenommen worden sind. Die Einwendung des Klägers hiergegen, er habe gegenüber Prof. Dr. Dr. W. angegeben, das Medikament Tramadol letztmals zwei Tage vor der Begutachtung eingenommen zu haben, hält der Senat nicht für zutreffend. Im Gutachten werden die Angaben des Klägers zur Medikamentenanamnese wie folgt wiedergegeben: "Täglich nehme er Tramadol Tropfen in einer Dosierung von 3 x 40 Tropfen ein. Auf Frage, warum er Tropfen und keine Tabletten einnehme, meint er, diese würden schneller wirken. Er bekomme sie vom Hausarzt verschrieben. Er habe heute noch kein Tramadol eingenommen, zuletzt gestern Abend". Im Hinblick auf die Bedeutung dieser Aussage für die Auswertung der Laborbefunde hält der Senat die Beurteilung des Sachverständigen für zutreffend. Auch ist die Begründung des Klägers, er habe das Medikament Tramadol im Hinblick auf den Begutachtungstermin nicht eingenommen, da dieses Mittel zu Konzentrationsverlust und Schläfrigkeit führe, angesichts der von ihm geklagten permanenten Schmerzen auf höchster Stufe kaum nachvollziehbar.
Inkonsistent sind auch die Angaben des Klägers zur Schmerzintensität. Während er im Jahr 2006 noch einen Ganzkörperschmerz mit einer Schmerzintensität von 8 von 10 und einer Gehstrecke von 50 Metern angegeben hatte, gab er gegenüber Dr. H. an, er gehe viel mit seinem Hund spazieren und helfe im Haushalt mit. Auch sonstige Untersuchungsbefunde lassen erhebliche Zweifel an der Authentizität der geklagten Beschwerden aufkommen. So hat der Kläger bei Anheben des gestreckten Bein im Liegen bereits bei 30 Grad ausgeprägte Schmerzen angegeben, was als positives Lasegue-Zeichen zu werten wäre. Bei der Prüfung desselben Zeichens unter anderen Untersuchungsbedingungen im Langsitz wurden demgegenüber keinerlei Beschwerden angegeben. Bei der vigorimetrischen Prüfung des Faustschlusses hat der Kläger nicht messbare Kraftwerte demonstriert, wie sie allenfalls bei geriatrischen, pflegebedürftigen Patienten zu erwarten wären. Hierzu kontrastieren die deutlichen Verarbeitungsspuren an den Händen und das Fehlen jeglicher Muskelatrophien an den oberen Extremitäten. Auch in psychischer Hinsicht hat Prof. Dr. Dr. W. ausgeprägte Inkonsistenzen festgestellt. Während bei der Exploration keinerlei Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen zu erkennen waren und sich auch keine Anhaltspunkte für eine schwerergradige Depression ergaben, hat der Kläger derartige Probleme in ausgeprägtem Umfang in den Selbstbeurteilungsskalen geltend gemacht.
Die Einwendungen des Klägers gegen das Gutachten von Prof. Dr. Dr. W. vermögen den Senat nicht zu überzeugen. Soweit diese biographische Daten betreffen wie z.B. das Datum der Heirat oder den Zeitraum der Ausübung der verschiedenen Tätigkeiten des Klägers (wie z.B. dessen Vortrag, er habe seine zweite Frau nicht 1989, sondern im August 1988 kennengelernt) betreffen diese keine für die medizinische Leistungsbeurteilung relevanten Bereiche. Für diese ist es z.B. auch ohne Belang, ob dem Kläger Wassergymnastiken in B. oder in Bad Waldsee rezeptiert worden sind. Soweit der Kläger geltend macht, es sei nicht zutreffend, dass ihm bei Ablenkung durch andere Tests der Langsitz ohne Probleme möglich gewesen sei, er habe die Fragebögen im Hausgang der Klinik ausgefüllt, ohne dass der Gutachter ihn hierbei gesehen habe, verkennt der Kläger die Bedeutung des Begriffs Langsitz (nämlich Sitzen mit gestreckten Beinen und nicht langes Sitzen). Auch stellt der Kläger eine als Indiz für die Beurteilung des Leistungsvermögens relevante deutliche Beschwielung der Hände, wie sie Prof. Dr. Dr. W. festgestellt hat, nicht in Abrede.
Der Antrag auf Einholung eines weiteren schmerztherapeutischen Gutachtens nach § 109 SGG hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht mehr gestellt.
Die Berufung war deshalb mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung hat.
Der 1960 geborene Kläger hat von 1974 bis 1978 eine Ausbildung als Schreiner und von 1990 bis 1993 eine Umschulung zum Gerätemechaniker absolviert. Zuletzt war er bis 2004 als Montageschreiner versicherungspflichtig beschäftigt.
Vom 01.07. bis 22.07.2004 absolvierte er eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme in der Rheumaklinik B ... Dort wurde er mit den Diagnosen Coxarthrose beidseits, Lumboischialgien bei degenerativen Lendenwirbelsäulen-Veränderungen, Impingementsyndrom beider Schultern, Zustand nach Handgelenksfrakturen beidseits 1988 und Zustand nach Unterarmfraktur links 1999 entlassen. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Auslieferungsmöbelmonteur könne er nur noch in einem zeitlichen Umfang von 3 bis unter 6 Stunden ausüben. Leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen seien ihm noch 6 Stunden täglich zumutbar.
Auf seinen Antrag vom 27.04.2004 bewilligte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 22.11.2004 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Zeit vom 01.09.2004 bis 31.08.2006. Nachdem der Kläger hiergegen Widerspruch eingelegt hatte ließ ihn die Beklagte durch Dr. R. gutachterlich untersuchen, der im Gutachten vom 18.04.2005 zu der Beurteilung gelangte, der Kläger könne noch körperlich mittelschwere Arbeiten mindestens sechs Stunden täglich ausüben. Auch gegen die Ausübung des bereits früher erlernten Umschulungsberufes als Nachrichtengerätemechaniker ergäben sich keine Bedenken. Nicht die medizinischen, sondern die sozialen Verhältnisse stünden für die Akzentuierung im Vordergrund. Nicht die medizinischen Krankheitsbilder, sondern der Führerscheinverlust verhinderten gegenwärtig die Ausübung der Tätigkeit als Auslieferungsmöbelmonteur. Daraufhin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.08.2005, auf den Bezug genommen wird, zurück.
Hiergegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Konstanz - SG - (S 4 R 268/06), das die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen hörte. Der Allgemeinmediziner Dr. N. vertrat die Auffassung, der Kläger könne nur leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter drei Stunden täglich verrichten. Die maßgeblichen Beschwerden lägen auf orthopädischem Gebiet. Der Orthopäde Dr. F. vertrat in der sachverständigen Zeugenaussage vom 03.04.2006 die Auffassung, der Kläger könne zwar nicht mehr seine bisherige Tätigkeit als Schreiner, jedoch noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich ausüben.
Die Beklagte anerkannte daraufhin das Vorliegen von teilweise Erwerbsminderung über den 31.08.2006 hinaus und bewilligte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer. Am 14.08.2006 nahm der Kläger das Anerkenntnis an und erklärte den Rechtsstreit für erledigt.
Bereits zuvor hatte der Kläger am 03.07.2006 bei der Beklagten den Antrag auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung gestellt. Mit Bescheid vom 09.08.2006 lehnte diese den Antrag ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 20.11.2006, auf den Bezug genommen wird, zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 20.12.2006 Klage zum SG erhoben. Dieses hat die behandelnden Ärzte Dr. D., Dr. N. und Dr. F. als sachverständige Zeugen gehört. Der Neurologe Dr. D. hat in der Stellungnahme vom 17.09.2007 angegeben, der Kläger habe sich erstmals am 21.02.2006 und sodann zur Verlaufskontrolle am 08.08.2006 vorgestellt. Der Kläger leide unter einer chronifizierten Schmerzerkrankung, die zwischenzeitlich zu einer depressiven Stimmungslage geführt habe, sowie an Tinnitus. Bei laufendem Rentenverfahren mit negativer Selbstprognose scheine eine berufliche Wiedereingliederung nicht aussichtsreich. In der ergänzenden Stellungnahme vom 12.10.2007 hat er ausgeführt, der Kläger habe sich am 09.10.2007 und 12.10.2007 erneut zur Verlaufskontrolle vorgestellt. Zu einer ausgeprägten Lumboischialgie links kämen eine generalisierte Schmerzsymptomatik; die Gehstrecke sei eingeschränkt auf etwa 50 m, dann komme es zu Blockaden im Bereich der Hüfte. Der Kläger sei beruflich nicht mehr belastbar, der Schwerpunkt einer Begutachtung sollte auf psychiatrisch-psychotherapeutischem Fachgebiet durchgeführt werden. Konkrete Behandlungsmaßnahmen hat Dr. D. nicht mitgeteilt. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. N. hat unter dem 27.09.2007 die Auffassung vertreten, der Kläger sei maßgeblich wegen seiner Erkrankungen auf orthopädischem und neurologischem Fachgebiet nicht mehr beruflich belastbar. Der Orthopäde Dr. F. hat unter dem 24.10.2007 mitgeteilt, er habe den Kläger erneut am 28.04.2006 und 04.07.2007 behandelt, hieraus ergäben sich keine Änderungen hinsichtlich der Befunde und der Leistungseinschätzung gegenüber der Auskunft vom 03.04.2006.
Das SG hat sodann bei Dr. H. ein nervenärztlich-sozialmedizinisches Gutachten eingeholt. Im Gutachten vom 08.01.2008 hat Dr. H. folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: 1. Undifferenzierte Somatisierungsstörung 2. Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen 3. Mäßig ausgeprägte Coxarthrose beidseits 4. Mäßige Bewegungseinschränkungen beider Schultergelenke 5. Mäßig ausgeprägte degenerative Veränderungen der HWS und LWS ohne radikuläre Symptomatik 6. Tinnitus aurium.
Der Kläger könne schwere körperliche Arbeit sowie Arbeiten in Zwangshaltung, mit ständigem Heben und Tragen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel, ständigem Bücken, Steigen auf Treppen und Leitern, Über-Kopf-Arbeiten, starken Temperaturschwankungen sowie überwiegend im Freien unter Einwirkung von Kälte, Zugluft und Nässe nicht mehr verrichten. Die seelischen Störungen rechtfertigten weder eine darüber hinausgehende qualitative noch eine quantitative Leistungseinschränkung. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit eines Auslieferungsschreiners könne zwar nicht mehr verrichtet werden. Der Kläger sei jedoch noch in der Lage, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mit den genannten qualitativen Einschränkungen vollschichtig auszuüben. Es liege auch keine Einschränkung der Wegefähigkeit vor.
Weiter vorgelegt wurde ein im Verfahren S 6 SB 2641/05 erstattetes Gutachten des Arztes für Anästhesie und Allgemeinmedizin, Spezielle Schmerztherapie Dr. S. vom 11.11.2007, auf das Bezug genommen wird.
Mit Urteil vom 26.06.2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es sich auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr. H. bezogen und ausgeführt, die negativen Leistungseinschätzungen von Dr. N. und Dr. D. erachte es durch das nachfolgend eingeholte Gutachten als widerlegt. Für die Beurteilung des klägerischen Leistungsvermögens durch Dr. H. spreche insbesondere, dass der Kläger hinsichtlich seiner Schmerzerkrankung keinen wesentlichen Leidensdruck zeige und sich deswegen weder in stationärer oder schmerztherapeutischer noch in konsequent fachärztlicher (nervenärztlicher) Behandlung befinde. Dr. D. habe den Kläger im Jahr 2006 lediglich zwei Mal und danach erst im Oktober 2007 wieder gesehen. Der Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG sei vom Kläger in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich nicht mehr aufrechterhalten worden.
Gegen das am 10.07.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 06.08.2008 Berufung eingelegt. Er trägt vor, er habe im Dezember 2003 einen Arbeitsunfall erlitten, wobei ihm eine ca. 80 kg schwere Vitrine beim Entladen eines LKW auf die Hüfte gefallen sei. Dieser Arbeitsunfall und nicht ein von Dr. H. unterstellter schädlicher Alkoholkonsum sei Ursache dafür, dass er seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht mehr fortführen könne. Zudem habe der Sachverständige Dr. H. die von ihm gemachten Angaben nicht zutreffend wiedergegeben.
Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG ist Dr. S. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt worden. Im Gutachten vom 17.06.2009 hat diese die Diagnosen eines chronischen unbeeinflussbaren Schmerzsyndroms Stadium 3 nach Gerbershagen, einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, eines Fibromyalgiesyndroms, einer mittelgradigen depressiven Episode, einer Anpassungsstörung, einer Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerz, chronischer Schlafstörung mit allgemeiner Müdigkeit und Mattigkeit, übermäßigen Schwitzens sowie eines Verdachts auf Läsion der Rotatorenmanschette und auf ein neuropathisches Schmerzsyndrom gestellt. Am Beispiel "nicht erholsamer Schlaf" könne die Wechselwirkung von Schlaf- und Leistungsfähigkeit dargestellt werden. Ausreichender Schlaf verschaffe Wohlbefinden, nicht erholsamer Schlaf führe dagegen zu Tagesschläfrigkeit, Müdigkeit und Erschöpfung. Ein langjähriger nicht erholsamer Schlaf könne zwar hinsichtlich der daraus resultierenden Störungen quantitativ nicht erfasst werden, führe jedoch qualitativ zu ausgeprägten Konzentrationsstörungen, Merkfähigkeitsstörungen, depressiven Reaktionen, Erschöpfungszeichen sowie vegetativen Begleitsymptomen. Beim Kläger bestünden seit Jahren nicht erholsame Schlafperioden. Ihm seien auch leichte Tätigkeiten nur noch unter drei Stunden arbeitstäglich zumutbar.
Dieser Beurteilung ist der Prüfarzt der Beklagten Dr. E. in der Stellungnahme vom 23.07.2009, auf die Bezug genommen wird, entgegen getreten.
Das Gericht hat daraufhin Prof. Dr. Dr. W. mit der Erstellung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens beauftragt. Im Gutachten vom 15.02.2010 hat dieser ausgeführt, auf neurologischen Fachgebiet sei keine Gesundheitsstörung zu erkennen. Insbesondere könne eine somatoforme Schmerzstörung von Krankheitswert nicht festgestellt werden. Auf psychiatrischem Fachgebiet bestehe eine Neigung zu hypochondrischer Selbstbeobachtung mit hierdurch bedingter Selbstlimitierung, gleichzeitig jedoch ein erheblicher Versorgungswunsch mit Neigung zu einem Rückzug von den unangenehmen Dingen des Lebens. Auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet lägen insgesamt hinsichtlich der beruflichen Leistungsfähigkeit keine über die durch die Erkrankungen auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet bedingten Einschränkungen hinaus vor. Prof. Dr. Dr. W. hat weiter ausgeführt, aufgrund der zahlreich erkennbaren Inkonsistenzen vermöge er sich nicht davon zu überzeugen, dass die vom Kläger geschilderten Beeinträchtigungen tatsächlich auch in diesem Umfang bestünden. Es seien keine Gründe ersichtlich, weshalb der Kläger nicht ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt 6 Stunden arbeitstäglich verrichten könne. Seine Einschätzung stehe in Übereinstimmung mit dem von Dr. H. im Januar 2008 erstatteten Gutachten. Der Beurteilung des Sachverständigen Dr. S. könne er sich nicht anschließen, da sich im Gutachten keine kritische Hinterfragung der Eigenangaben des Klägers fände. Die von diesem benutzten "internationalen, interdisziplinär anerkannten psychometrischen Testver¬fahren" seien für Begutachtungen nicht validiert und lediglich als Baustein in der Beschwer¬denvalidierung zu verwenden.
Dieser Beurteilung ist der Kläger entgegen getreten mit Verweis auf die Beurteilung seiner behandelnden Ärzte, wobei er auf Nachfrage des Senats mitgeteilt hat, bei dem als behandelnder Psychiater benannten Prof. Dr. K. stehe er bereits seit Jahren nicht mehr in Behandlung.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 26. Juni 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 09. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. November 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, denn er hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung anstelle der ihm gewährten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, da er zur Überzeugung des Senates noch leichte Tätig¬keiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mit gewissen qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden arbeitstäglich verrichten kann.
Gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI - haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie
1. voll erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach der Überzeugung des Senats ist der Kläger seit Rentenantragstellung durchgehend noch in der Lage, leichte Tätigkeiten in geschlossenen Räumen überwiegend im Sitzen, teilweise im Gehen und Stehen ohne Zwangshaltung für die Wirbelsäule, ohne Über-Kopf-Arbeiten und Steigen auf Leitern oder Gerüste, ohne häufiges Bücken oder Treppensteigen sechs Stunden täglich zu verrichten. Damit ist er nicht voll erwerbsgemindert.
Die berufliche Leistungsfähigkeit des Klägers wird maßgeblich eingeschränkt durch Erkrankungen auf orthopädischem Fachgebiet. Hier bestehen eine mäßig ausgeprägte Coxarthrose beidseits, mäßige Bewegungseinschränkungen beider Schultergelenke, mäßig ausgeprägte degenerative Veränderungen der HWS und LWS ohne radikuläre Symptomatik. Darüber hinaus besteht ein Zustand nach Handgelenksfrakturen beidseits 1988 und nach Unterarmfraktur links 1999. Der Kläger kann deshalb keine schweren körperlichen Arbeiten mehr verrichten. Auch Arbeiten mit häufigem Bücken, häufigen einseitigen Wirbelsäulenzwangshaltungen, dauerndem Stehen, Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten sowie unter starken Witterungseinflüssen sind deshalb zu vermeiden.
Beim Kläger besteht darüber hinaus ein Tinnitus, der jedoch das Hörvermögen nicht nachweisbar beeinträchtigt. So kann dem Arztbrief der Fachärztin für Hals- Nase-Ohren Dr. Ü. vom 30.01.2006 entnommen werden, dass sich der Kläger lediglich zweimal am 17.01.2005 und 23.01.2006 in fachärztlicher Behandlung befunden hat, wobei ein Akustikusneurinom ausgeschlossen und lediglich eine diskrete Schallempfindungsschwerhörigkeit im Hochtonbereich links festgestellt werden konnte. Der von Dr. Ü. ausgesprochenen Empfehlung zur Vorstellung in der Tinnitussprechstunde der Universitätsklinik Ulm ist der Kläger nicht nachgekommen.
Auf psychiatrischem Fachgebiet besteht beim Kläger eine Neigung zu hypochondrischer Selbstbeobachtung verbunden mit einem Versorgungswunsch. Eine somatoforme Schmerzstörung von Krankheitswert liegt nicht vor. Auch auf neurologischem Fachgebiet liegen keine für das berufliche Leistungsvermögen relevanten gesundheitlichen Beeinträchtigungen vor. Der Senat stützt sich hierbei auf die Beurteilung des behandelnden Orthopäden Dr. F., der in seiner sachverständigen Zeugenaussage mitgeteilt hat, seit seiner letzten Aussage im Verfahren S 4 R 268/06 hätten sich keine richtungsweisenden Befundänderungen und auch keine Änderung in der Beurteilung der Leistungseinschätzung ergeben, der Kläger könne noch leichtere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens 6 Stunden verrichten, sowie der Sachverständigen Dr. H. im Gutachten vom 08.01.2008 und Prof. Dr. Dr. W. vom 15.02.2010.
Der Senat folgt nicht der von Dr. S. im Gutachten vom 17.06.2009 getroffenen Beurteilung, und zwar weder hinsichtlich der Diagnosen noch der Beurteilung des Leistungsvermögens. Gegen diese spricht bereits, dass das Gutachten keine Beschreibung der aktuellen Tätigkeiten bzw. eines Tagesablaufs des Klägers enthält. Bezüglich der biographischen Anamnese wird lediglich auf das im Verfahren L 6 SB 2641/05 erstattete Gutachten vom 11.11.2007 verwiesen. Die darin wiedergegebene Anamnese endet jedoch mit dem Betriebsunfall (Sturz vom LKW) im Dezember 2003. Zur aktuellen Situation wird lediglich die Angabe des Klägers wiedergegeben, er fühle sich hilflos, könne sich ohne Hilfe seiner Frau nicht alleine an- bzw. ausziehen und sich auch nicht alleine die Haare richten. Diesem Gutachten kann auch entnommen werden, dass der Kläger zum damaligen Zeitpunkt ein Wirbelsäulenkorsett getragen hat mit der Begründung, er sei sonst "nicht stabil", das jedoch bei nachfolgenden Untersuchungen nicht mehr dokumentiert worden ist. Während der Kläger gegenüber Dr. S. ausgeführt hat, seine Ehefrau sei nach dem Tod des familieneigenen Hundes in eine schwere Krise geraten, die ihn psychisch und körperlich belastet habe, hat er gegenüber Prof. Dr. Dr. W. angegeben, er habe bis zum letzten Jahr einen Hund gehabt. Seine Frau wolle nicht, dass er einen neuen Hund kaufe. Der Kläger hat weiter angegebenen, dass er zusammen mit ein paar Bekannten seit einem halben Jahr einen Fischweiher gemietet habe, um eine Forellenzucht zu etablieren.
Auch die von Dr. S. unter Hinweis auf Arztbriefe von Dr. D. vertretene Auffassung, über eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung hinaus bestünden beim Kläger Angstzustände, kann den vorliegenden Unterlagen so nicht entnommen werden. Im Arztbrief vom 21.02.2006 hat Dr. D. angegeben, der Kläger sei bewusstseinsklar und orientiert. Im Gespräch seien keine Denk- und Merkfähigkeitsstörungen erkennbar, es läge keine depressive Symptomatik im eigentlichen Sinne vor. Im Arztbrief vom 08.08.2006 wird ausgeführt, im Verlauf habe der Kläger eine Zunahme der Schmerzsymptomatik mit Ganzkörperschmerzen erlebt. Er habe eine sehr eng anliegende Handgelenksstütze rechts getragen, die bei vorbekannter Kompression des Mittelhandnervens noch zusätzliche Probleme gebracht und die er gelockert habe. Die psychosoziale Situation sei ein ausgeprägter Chronifizierungsfaktor. Das laufende Rentenverfahren habe den Nachweis der Erkrankung zum Ziel und biete somit wenig Potenzial für Besserungsmöglichkeiten. Im Schreiben vom 12.10.2007 an das SG hat Dr. D. sodann mitgeteilt, der Kläger habe sich am 09.10. und 12.10.2007 zu Verlaufskontrollen (nach letztmaliger Vorstellung am 08.08.2006 !) vorgestellt und um Befundmitteilung in Ergänzung zu den vorherigen Ausführungen gebeten. Inzwischen fühle sich der Kläger in sämtlichen Aktivi¬täten infolge der Schmerzerkrankung eingeschränkt, es sei zu depressiven Stimmungs¬schwankungen und Ängsten mit Panikgefühlen, begleitet und Müdigkeit, Schlafstörungen, Schwitzen und Magenbeschwerden gekommen. Im psychischen Befund hat Dr. D. diese Angaben des Klägers jedoch nicht bestätigt und lediglich angegeben, der Kläger sei bewusstseinsklar und orientiert, niedergestimmt und erschöpft wirkend. Der Kläger leide unter einer generalisierten Schmerzerkrankung im Stadium III nach Gerbershagen, die Schmerz¬symptomatik sei im Rahmen der Chronifizierung im Sinne einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung überlagert. Die Diagnose einer Angststörung kann den von Dr. D. mitgeteilten Befunden somit nicht entnommen werden.
Ebenso wenig kann ein von Dr. S. angenommener sozialer Rückzug in allen Belangen des Lebens festgestellt werden. Im Gegensatz zu dessen Beurteilung, der Kläger sei nicht mehr fähig, normale Alltagsaktivität, normale soziale Kontakte, normale Freizeitaktivitäten, normale kulturelle Gepflogenheiten zu absolvieren bzw. zu pflegen, stehen die von Prof. Dr. Dr. W. erhobenen Alltagsbeschäftigungen des Klägers, wonach dieser noch seinem Hobby Münzen¬sammeln nachgehen kann und seit einem halben Jahr mit Bekannten einen Fischweiher zur Forellenzucht gemietet hat. Anders als Dr. S. hat Prof. Dr. Dr. W. die Angaben des Klägers auch einer kritischen Prüfung unterzogen und hierbei Inkonsistenzen festgestellt. So hat der Kläger beispielsweise angegeben, er habe am Untersuchungstag noch kein Tramadol eingenommen, am Vortag jedoch 3 x 40 Tropfen, was einer Dosierung von 3 x 100 mg entspricht. Gemäß den Angaben zur Bioverfügbarkeit und Metabolisierung wird ca. 2 Stunden nach Einnahme von 100 mg Tramadol ein Serumspiegel von 100 mg/ml erreicht. Angesichts der biologischen Halbwertszeit von 6 bis 8 Stunden wäre zum Zeitpunkt der Blutabnahme um 14.00 Uhr des Folgetages noch ein Blutspiegel von wenigstens 30 bis 50 mg/ml zu erwarten gewesen. Tatsächlich hat die Bestimmung des Tramadol-Spiegels im Labor lediglich einen Wert unterhalb der Bestimmungsgrenze ergeben. Dies deutet darauf hin, dass die angegebenen 3 x 100 mg entgegen den Angaben des Klägers in dieser Form nicht eingenommen worden sind. Die Einwendung des Klägers hiergegen, er habe gegenüber Prof. Dr. Dr. W. angegeben, das Medikament Tramadol letztmals zwei Tage vor der Begutachtung eingenommen zu haben, hält der Senat nicht für zutreffend. Im Gutachten werden die Angaben des Klägers zur Medikamentenanamnese wie folgt wiedergegeben: "Täglich nehme er Tramadol Tropfen in einer Dosierung von 3 x 40 Tropfen ein. Auf Frage, warum er Tropfen und keine Tabletten einnehme, meint er, diese würden schneller wirken. Er bekomme sie vom Hausarzt verschrieben. Er habe heute noch kein Tramadol eingenommen, zuletzt gestern Abend". Im Hinblick auf die Bedeutung dieser Aussage für die Auswertung der Laborbefunde hält der Senat die Beurteilung des Sachverständigen für zutreffend. Auch ist die Begründung des Klägers, er habe das Medikament Tramadol im Hinblick auf den Begutachtungstermin nicht eingenommen, da dieses Mittel zu Konzentrationsverlust und Schläfrigkeit führe, angesichts der von ihm geklagten permanenten Schmerzen auf höchster Stufe kaum nachvollziehbar.
Inkonsistent sind auch die Angaben des Klägers zur Schmerzintensität. Während er im Jahr 2006 noch einen Ganzkörperschmerz mit einer Schmerzintensität von 8 von 10 und einer Gehstrecke von 50 Metern angegeben hatte, gab er gegenüber Dr. H. an, er gehe viel mit seinem Hund spazieren und helfe im Haushalt mit. Auch sonstige Untersuchungsbefunde lassen erhebliche Zweifel an der Authentizität der geklagten Beschwerden aufkommen. So hat der Kläger bei Anheben des gestreckten Bein im Liegen bereits bei 30 Grad ausgeprägte Schmerzen angegeben, was als positives Lasegue-Zeichen zu werten wäre. Bei der Prüfung desselben Zeichens unter anderen Untersuchungsbedingungen im Langsitz wurden demgegenüber keinerlei Beschwerden angegeben. Bei der vigorimetrischen Prüfung des Faustschlusses hat der Kläger nicht messbare Kraftwerte demonstriert, wie sie allenfalls bei geriatrischen, pflegebedürftigen Patienten zu erwarten wären. Hierzu kontrastieren die deutlichen Verarbeitungsspuren an den Händen und das Fehlen jeglicher Muskelatrophien an den oberen Extremitäten. Auch in psychischer Hinsicht hat Prof. Dr. Dr. W. ausgeprägte Inkonsistenzen festgestellt. Während bei der Exploration keinerlei Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen zu erkennen waren und sich auch keine Anhaltspunkte für eine schwerergradige Depression ergaben, hat der Kläger derartige Probleme in ausgeprägtem Umfang in den Selbstbeurteilungsskalen geltend gemacht.
Die Einwendungen des Klägers gegen das Gutachten von Prof. Dr. Dr. W. vermögen den Senat nicht zu überzeugen. Soweit diese biographische Daten betreffen wie z.B. das Datum der Heirat oder den Zeitraum der Ausübung der verschiedenen Tätigkeiten des Klägers (wie z.B. dessen Vortrag, er habe seine zweite Frau nicht 1989, sondern im August 1988 kennengelernt) betreffen diese keine für die medizinische Leistungsbeurteilung relevanten Bereiche. Für diese ist es z.B. auch ohne Belang, ob dem Kläger Wassergymnastiken in B. oder in Bad Waldsee rezeptiert worden sind. Soweit der Kläger geltend macht, es sei nicht zutreffend, dass ihm bei Ablenkung durch andere Tests der Langsitz ohne Probleme möglich gewesen sei, er habe die Fragebögen im Hausgang der Klinik ausgefüllt, ohne dass der Gutachter ihn hierbei gesehen habe, verkennt der Kläger die Bedeutung des Begriffs Langsitz (nämlich Sitzen mit gestreckten Beinen und nicht langes Sitzen). Auch stellt der Kläger eine als Indiz für die Beurteilung des Leistungsvermögens relevante deutliche Beschwielung der Hände, wie sie Prof. Dr. Dr. W. festgestellt hat, nicht in Abrede.
Der Antrag auf Einholung eines weiteren schmerztherapeutischen Gutachtens nach § 109 SGG hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht mehr gestellt.
Die Berufung war deshalb mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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