L 7 SO 1189/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 12 SO 4596/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 1189/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 25. Februar 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung höherer Sozialhilfe vom 1. August 2003 bis 31. Dezember 2004.

Mit Bescheid vom 16. Juni 2003 bewilligte der Beklagte in Abänderung vorheriger Leistungsgewährungen dem Kläger und seiner Ehefrau "ab dem 1. Juli 2003 geänderte Sozialhilfeleistungen" i.H.v. insgesamt EUR 837,68. Widerspruch hiergegen wurde nicht eingelegt. Mit Bescheid vom 23. Juni 2003 bestimmte der Beklagte, dass die Leistungen in dieser Höhe "bis auf weiteres" erbracht würden und traf lediglich eine abweichende Zahlungsbestimmung dahingehend, dass ab dem 1. August 2003 der monatliche Stromabschlag unmittelbar an das Energieversorgungsunternehmen ausgezahlt wurde. Auch dieser Bescheid werde nicht angefochten. Danach ergingen keine Bescheide mehr über die Höhe der laufenden Leistungen bis zum Bescheid vom 29. November 2004 über die Einstellung der Leistungen wegen des Außerkrafttretens des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) Verwaltungsakte wurden hingegen über einmalige Leistungen erlassen sowie über die Ablehnung von Krankenbehandlungskosten, über die auch ein Widerspruchsverfahren geführt worden war.

Am 10. September 2009 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) gegen den Bescheid vom 23. Juni 2003 und einen "Widerspruchsbescheid unbekannten Datums" erhoben und die Verurteilung des Beklagten beantragt, ihm Sozialhilfe nach dem BSHG zu gewähren. Zur Begründung hat er auf Regelungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) verwiesen, wonach ihm ein monatlicher Regelsatz i.H.v. EUR 351.- und ein ernährungsbedingter Mehrbedarf i.H.v. EUR 120.- monatlich zustehe. Seit Längerem würden zu Unrecht von der Hilfe EUR 277,12 abgebucht, obwohl weder er noch seine Ehefrau jemals einen Mietvertrag unterschrieben hätten, in die sie eingewiesen worden seien. Der Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Der genannte Bescheid sei nie mit Widerspruch angefochten und somit bestandskräftig geworden. Mit Gerichtsbescheid vom 25. Februar 2010 (S 12 SO 4596/09) hat das SG die Klage abgewiesen. Diese sei unbegründet, da der Bescheid vom 23. Juni 2003 mangels fristgerechter Anfechtung bestandskräftig und damit in der Sache bindend geworden sei.

Am 17. September 2009 hat der Kläger eine weitere Klage beim SG erhoben mit dem Antrag, den Bescheid vom 16. Juni 2003 aufzuheben und den Beklagte zu verpflichten, ihm die Sozialhilfe "nach dem richtigen Gesetz" zu gewähren. Die Begründung entspricht der im Parallelverfahren. Des Weiteren hat der Kläger ausgeführt, er werde seit 30 Jahren in Deutschland verfolgt, habe zu Unrecht seine Arbeit verloren und sei später durch einen Bauvertrag in eine hohe Verschuldung geraten. Mit Gerichtsbescheid vom 25. Februar 2010 wies das SG die Klage ab. Die dagegen beim Senat anhängige Berufung wird unter dem Aktenzeichen L 7 SO 1143/10 geführt.

Am 10. März 2010 hat der Kläger gegen den Gerichtsbescheid (S 12 SO 4596/09) Berufung beim Landessozialgericht eingelegt, zu deren Begründung er über sein bisheriges Vorbringen hinaus vorgetragen hat, er habe eine Woche nach Erhalt des Bescheides Widerspruch eingelegt und dies wiederholt, nachdem er längere Zeit keinen Bescheid hierüber erhalten habe.

Schriftliche Hinweise des Berichterstatters an den Kläger und dessen Ehefrau, dass wegen der Unterschriften unter der Berufungsschrift auch eine - unzulässige - Berufung der im Gerichtsbescheid nicht genannten Ehefrau vorliegen könnte, wurden u.a. mit dem Zusatz zurückgesandt "Sie haben alles verdreht".

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 25. Februar 2010 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 23. Juni 2003 zu verurteilen, ihm vom 1. August 2003 bis 31. Dezember 2004 höhere Sozialhilfe als Hilfe zum Lebensunterhalt zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung hat er auf sein erstinstanzliches Vorbringen verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten, der Verfahrensakten des SG und des Senats sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch sonst zulässig, insbesondere statthaft nach § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG.

Die Klage richtet sich gegen den Bescheid vom 23. Juni 2003, mit dem die bereits mit Bescheid vom 16. Juni 2003 ab 1. Juli 2003 bewilligten Leistungen der Sozialhilfe in Form der Hilfe zum Lebensunterhalt in gleicher Höhe "ab dem 1. August 2003" "bis auf Weiteres" gewährt wurden. Danach ist das Begehren des Klägers so zu verstehen, dass er für diesen Zeitraum höhere Leistungen erstrebt. Denn eine zeitliche Einschränkung des Begehren ist dem Vorbringen des Klägers nicht zu entnehmen. Aus den in der Klage angeführten Vorschriften des erst ab dem 1. Januar 2005 geltenden SGB II kann nicht entnommen werden, dass der Kläger mit der Klage zukunftsgerichtete Ansprüche geltend machen wollte. Denn hierzu war bereits ab dem 26. Mai 2009 ein sozialgerichtliches Verfahren anhängig (S 12 SO 2878/09; nunmehr Berufungsverfahren vor dem Senat L 7 SO 1348/10). Des Weiteren begehrt der Kläger ausdrücklich Sozialhilfe nach dem bis 31. Dezember 2004 geltenden BSHG.

Der Senat hegt trotz der - pauschalen und nicht individuell personenbezogenen - Beschimpfungen und Verfolgungsvorwürfe in den Schreiben des Klägers keinen Zweifel an dessen Prozessfähigkeit. Zwar ergibt sich zumindest aus dem in der Verwaltungsakte befindlichen allgemeinärztlichen Attest vom 5. Februar 2003 u.a. die Diagnose einer schizoid-querulatorischen Entwicklung. Dennoch ist der Kläger, wie insbesondere auch der Ablauf des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens im Rechtsstreit L 7 SO 1348/10 zeigt, in der Lage, sein Begehren noch sachgerecht geltend zu machen und inhaltlich zu begründen.

Gegenstand des Verfahrens ist lediglich ein Leistungsanspruch des Klägers selbst. Soweit sich aus den Formulierungen in der Berufungsschrift Anhaltspunkte dafür ergaben, dass auch eine Berufung der Ehefrau vorliegen könnte, sind diese nach Auffassung des Senats durch die Antwort auf das Anschreiben des Berichterstatters ausgeräumt.

Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klage ist bereits unzulässig, da entgegen der Vorschrift des § 78 Abs. 2 SGG die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Bescheides vom 23. Juni 2003 nicht in einem Vorverfahren geprüft worden sind. Ein solches Vorverfahren ist Sachentscheidungsvoraussetzung, ohne die eine gerichtliche Entscheidung in der Sache nicht ergehen kann. Vielmehr wird der Verwaltungsakt nach § 77 SGG bestandskräftig und in der Sache bindend.

Entgegen der Behauptung des Klägers wurde der Bescheid vom 23. Juni 2003 nicht mit Widerspruch angefochten. Anders als beispielsweise der Widerspruch gegen die Ablehnung von Krankenbehandlungskosten ist ein solcher Widerspruch nicht in den Verwaltungsakten enthalten, die auch sonst keine erkennbaren Lücken aufweisen. Der Senat hält es auch nicht für glaubwürdig, dass der Kläger spätestens im Juli 2003 Widerspruch eingelegt haben will und dann trotz fehlender Entscheidung über diesen über fünf Jahre lang nichts unternommen hat. Eine Anfechtung innerhalb der einmonatigen Widerspruchsfrist nach § 70 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung, der Streitigkeiten der Sozialhilfe bis zum 31. Dezember 2004 unterfielen, ist somit nicht erfolgt. Ein Widerspruchsbescheid ist in dieser Sache auch nie ergangen.

Nichts anderes ergibt sich aus dem Regelungsgehalt des Bescheides vom 16. Juni 2003. Bereits mit diesem wurde die Sozialhilfeleistung ab dem 1. Juli 2003 bestandskräftig geregelt; insoweit wird auf die Entscheidungsgründe im Urteil des Senats vom heutigen Tag im Verfahren L 7 SO 1143/10 verwiesen.

Ein Zugunstenverfahren nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch war nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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