Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AS 5442/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 245/10 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
Die 1987 geborene Antragstellerin kroatischer Staatsangehörigkeit heiratete am 26. Juni 2008 in den USA, wo sie seit 1999 lebte, den 1984 geborenen deutschen Staatsangehörigen P. R ... Am 14. November 2008 reiste sie zusammen mit ihrem Ehemann visumfrei mit ihrem kroatischen Pass in die Bundesrepublik Deutschland ein. Zuletzt erhielt sie zusammen mit ihrem Ehemann als Bedarfsgemeinschaft vom Antragsgegner Leistungen für die Zeit vom 1. Juli bis 30. November 2009 in Höhe von insgesamt 983,78 EUR monatlich (Änderungsbescheide vom 17. und 22. September 2009).
Mit Schreiben vom 16. September 2009 forderte der Antragsgegner den Ehemann der Antragstellerin zur Vorlage des Passes sowie des Aufenthaltsstatus seiner Ehefrau auf. Mit Schreiben vom 17. September 2009 forderte er die Antragstellerin u.a. zur Stellung eines Antrags auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) auf. Die Antragstellerin legte eine Kopie ihres Passes vor, woraus sich ein Vermerk der Ausländerbehörde der Stadt Karlsruhe ersehen ließ, wonach die Antragstellerin nach § 50 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) aufgefordert worden war, die Bundesrepublik Deutschland bis zum 25. Juli 2009 zu verlassen.
In der Folgezeit bewilligte der Antragsgegner allein dem Ehemann der Antragstellerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts - unter Übernahme der gesamten Unterkunftskosten - (Bescheid vom 1. Dezember 2009), da der Aufenthaltsstatus der Antragstellerin unklar sei. Hiergegen erhob die Antragstellerin Widerspruch.
Mit Verfügung vom 20. November 2009 forderte die Ausländerbehörde der Stadt Karlsruhe die Antragstellerin auf, das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland bis spätestens 9. Dezember 2009, 24:00 Uhr zu verlassen und drohte für den Fall der Nichtausreise die Abschiebung an. Darüber hinaus lehnte sie den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab. Hiergegen erhob die Antragstellerin Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 2010 zurückgewiesen wurde. Ein Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe ist anhängig.
Am 9. Dezember 2009 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt und vorgetragen, sie habe bisher Leistungen nach dem SGB II bezogen, es sei für sie nicht nachvollziehbar, weshalb sie als Teil der Bedarfsgemeinschaft nicht berücksichtigt werde. Ihr Aufenthaltsstatus sei nach wie vor unklar, dieser Zustand werde noch einige Monate andauern. Aufgrund der Formulierung im Bescheid vom 17. September 2009 habe sie auf die Weiterbewilligung vertrauen können.
Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 22. Dezember 2009 abgelehnt, da die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch i.S.v. § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht glaubhaft gemacht habe. Der Antragstellerin stehe ein Anspruch auf Leistungen nach § 7 ff. SGB II nicht zu, da sie weder erwerbsfähig nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 8 Abs. 2 SGB II sei, noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland habe (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II). Im Hinblick auf § 8 Abs. 2 Alt. 1 SGB II sei eine Erwerbsfähigkeit der Antragstellerin schon deshalb zu verneinen, weil sie über keinen Aufenthaltstitel verfüge, der ihr die Aufnahme einer Beschäftigung gestatte. Des Weiteren sei auch die Frage, ob der Antragstellerin die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt werden könnte, zu verneinen. Zwar sei hinsichtlich dieser Alternative das Vorliegen eines Aufenthaltstitels nicht erforderlich. § 8 Abs. 2 Alt. 2 SGB II lasse jedoch die lediglich abstrakt-generelle Möglichkeit der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis nicht ausreichen; es sei erforderlich, dass Aussicht auf eine Beschäftigungserlaubnis bestehe, da nur dann eine Integration in den Arbeitsmarkt als realistisch bezeichnet werden könne. Hier sei zu berücksichtigen, dass die Ausländerbehörde einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bereits abgelehnt habe, dem Widerspruch dagegen komme keine aufschiebende Wirkung zu. Auf Vertrauensschutz auf der Grundlage des Bescheids vom 17. September 2009 könne sich die Antragstellerin nicht berufen. Diesem Bescheid sei eindeutig nur die vorläufige Leistungsbewilligung zu entnehmen. Der Hinweis, rückwirkend Leistungen bis zur endgültigen Entscheidung über die Aufenthaltsberechtigung zu bewilligen, stelle keine Zusicherung einer Weiterbewilligung über den 30. November 2009 hinaus dar. Die Antragsgegnerin habe diese Aussage erkennbar nur im Zusammenhang mit dem vorliegenden Bewilligungsabschnitt und der vorläufigen Bewilligung getroffen. Letztlich sei der Anspruch der Antragstellerin auch deshalb zu verneinen, sie nicht über einen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland verfüge. Zwar sei hierfür der tatsächlich Aufenthalt maßgebend; Ausländer hätten nur dann ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, wenn sie über einen Aufenthaltstitel verfügten, der den persönlichen Aufenthalt zulasse (unter Hinweis auf Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 16. Mai 2007 - B 11b AS 37/06 R - (juris)). Hieran fehle es, weil die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bereits am 20. November 2009 abgelehnt worden sei.
Hiergegen richtet sich die am 5. Januar 2010 eingelegte Beschwerde der Antragstellerin. Die Frage der Erwerbsfähigkeit stelle sich für Ehefrauen, die kraft Gesetzes anspruchsberechtigt seien (§ 7 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 3a SGB II) nicht; die Antragstellerin habe, auch wenn sie nicht erwerbsfähig sei, Anspruch auf Sozialgeld. Die vom SG genannte Entscheidung des BSG betreffe Kläger, die beide Ausländer seien und sei deshalb nicht einschlägig. Zudem hätten sich Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Versagung der Aufenthaltserlaubnis verdichtet. Die Widerspruchsbehörde habe die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens ausgesetzt. Inzwischen habe das Regierungspräsidium Karlsruhe einen Vergleichsvorschlag gemacht, der so nicht akzeptabel sei, aber zeige, dass die Widerspruchsbehörde selbst Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Versagung einer Aufenthaltserlaubnis habe. Die Antragstellerin sei bei ihrer Vorsprache bei der Ausländerbehörde zu einem Zeitpunkt, als sie sich legal im Bundesgebiet aufgehalten habe, nicht im Rahmen einer gebotenen Aufklärung zur Stellung eines Antrags auf Aufenthaltserlaubnis veranlasst worden. Dieser Beratungsfehler führe zur Rechtswidrigkeit der Versagung der Aufenthaltserlaubnis. Selbst wenn man dies im Hinblick auf Beweisschwierigkeiten außer Acht ließe, ergebe sich die Rechtswidrigkeit aus folgenden Erwägungen. Die Antragstellerin könne kein Visum für eine Einreise aus Kroatien erhalten, da die Deutsche Botschaft in Z. es (zu Recht) ablehne, ihr, da sie keinen Wohnsitz in Kroatien habe, ein solches zu erteilen. Die Beschaffung eines möglichen Visums für eine Einreise aus den USA, dem letzten Aufenthalt vor der Einreise in die Bundesrepublik, sei für die Antragstellerin aus finanziellen Gründen unzumutbar. Damit seien die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Ausnahmebestimmung des § 5 Abs. 2 AufenthG erfüllt, da angesichts der Umstände von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen sei. Die entscheidungserhebliche ausländerrechtliche Vorfrage, ob die Antragstellerin vollziehbar ausreisepflichtig sei, müsse dahin beantwortet werden, dass dies nicht der Fall sei und die Antragstellerin daher keine Leistungen nach dem AsylbLG beanspruchen könne.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22. Dezember 2009 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, der Antragstellerin vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ab Antragstellung zu zahlen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verweist auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses.
Die im Beschwerdeverfahren beigeladene Stadt Karlsruhe gewährt der Antragstellerin seit 30. Dezember 2009 Leistungen nach dem AsylbLG. Die Beigeladene hat im vorliegenden Verfahren keinen Antrag gestellt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§ 173 Satz 1 SGG) ist statthaft, da auch in der Hauptsache die Berufung zulässig wäre (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG). Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Weder hat die Antragstellerin einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II glaubhaft gemacht, noch bedarf es einer Verpflichtung der Beigeladenen zur Erbringung von Leistungen nach dem AsylbLG, da entsprechende Leistungen zwischenzeitlich bereits erbracht werden.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).
Vorliegend kommt, wie das SG zutreffend erkannt hat, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der angestrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NVwZ 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927 = Breithaupt 2005, 803). Im Hinblick auf die Schwere der drohenden Rechtsverletzung der Antragstellerin bei Versagung der existenznotwendigen Mittel (Art. 1 Grundgesetz) sind die Anforderungen an das Vorliegen des Anordnungsanspruchs im Sinne einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Erfolgs in der Hauptsache zu modifizieren (vgl. BVerfGE 51, 268; Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Aufl., Rdnr. 300b ff.). Im Rahmen einer Folgenabwägung sind die Folgen bei Gewährung von Eilrechtsschutz und Unterliegen in der Hauptsache mit denen bei Versagung von Eilrechtsschutz und Erfolg in der Hauptsache zu vergleichen (vgl. Krodel, a.a.O., Rdnr. 305b). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 86b Rdnr. 42). Die Eilbedürftigkeit der erstrebten Regelung ist im Übrigen regelmäßig zu verneinen, soweit Ansprüche für bereits vor Stellung des einstweiligen Rechtsschutzantrags abgelaufene Zeiträume erhoben werden (vgl. Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 1. und 17. August 2005 - FEVS 57, 72 und 164).
Ein Anordnungsgrund kann vorliegend im Hinblick auf die von der Beigeladenen gewährten Leistungen nicht verneint werden, denn bei Glaubhaftmachung eines Anspruchs auf SGB II-Leistungen steht der Eilbedürftigkeit die Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG schon wegen des niedrigeren Leistungsniveaus nicht entgegen (vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 11. Juli 2006 - L 7 SO 19/06 ER - FEVS 58, 157).
Ein derartiger Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II ist indes hier nicht überwiegend wahrscheinlich und somit nicht glaubhaft gemacht. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die (1.) das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, (2.) erwerbsfähig sind, (3.) hilfebedürftig sind und (4.) ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige). Zur Erwerbsfähigkeit gehört bei Ausländern aus rechtlicher Sicht nach § 8 Abs. 2 SGB II, dass ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II sind Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen für Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG.
Die Antragstellerin ist vorliegend schon nicht erwerbsfähig i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 8 Abs. 2 SGB II, denn sie ist weder im Besitz eines die Erwerbsfähigkeit gestattenden Aufenthaltstitels, noch einer Beschäftigungserlaubnis, da sie sich derzeit illegal im Bundesgebiet aufhält. Zwar hat sie die Erteilung eines Aufenthaltserlaubnis nach § 28 AufenthG (Familiennachzug zu Deutschen) beantragt, welche nach § 28 Abs. 5 AufenthG grundsätzlich zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigen würde. Dieser Antrag ist von der Ausländerbehörde abgelehnt, der Widerspruch zurückgewiesen worden. Ob die beim Verwaltungsgericht Karlsruhe anhängige Klage Erfolg haben wird, ist noch offen. Allein die Möglichkeit, den begehrten Aufenthaltstitel im Rahmen des ausländerrechtlichen Verfahrens noch zu erlangen, reicht indes nicht aus, die Erwerbsfähigkeit i.S.d. § 8 Abs. 2 SGB II zu begründen, denn eine konkrete Aussicht besteht derzeit noch nicht. Vielmehr steht die Antragstellerin dem deutschen Arbeitsmarkt noch derart fern, dass es nicht gerechtfertigt wäre, sie dem arbeitsmarktbezogenen Existenzsicherungssystem des SGB II zuzuordnen (vgl. Blüggel in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2.Aufl., § 8 Rdnr. 65 ff. m.w.N.). Letztlich kommt es hierauf jedoch nicht an, denn bereits der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II steht dem geltend gemachten Anspruch entgegen.
Danach sind von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen Anspruchsberechtigte nach § 1 AsylbLG. Nach § 1 AsylbLG sind leistungsberechtigt nach diesem Gesetz Ausländer, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten und (Nr. 3) u.a. eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG besitzen oder (Nr. 5) vollziehbar ausreisepflichtig sind, auch wenn eine Abschiebungsandrohung noch nicht oder nicht mehr vollziehbar ist. Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG hat die Antragstellerin zwar nicht, da sie auf den entsprechenden Vergleichsvorschlag der Widerspruchsbehörde, ihr eine solche zu erteilen, nicht eingegangen ist. Allerdings ist sie vollziehbar ausreisepflichtig, denn sie hält sich ohne Aufenthaltstitel im Bundesgebiet bzw. hält sich länger als die nach dem Schengener Durchführungsübereinkommen i.V.m. der Verordnung EG Nr. 539/2001 zulässigen drei Monate hier auf und hat auch kein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei (§§ 50 Abs. 1, 58 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG; Verfügung der Ausländerbehörde vom 20. November 2009; Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 2010). Dass "die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht insoweit ausgesetzt" wurde nach Mitteilung des Regierungspräsidiums K. vom 24. Februar 2010, spielt - unabhängig davon, wie diese Regelung zu verstehen ist - vorliegend keine Rolle, da ihr nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens keine Rechtswirkungen mehr zukommen.
Schließlich kann sich die Antragstellerin auch nicht darauf berufen, als Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft mit einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen habe sie einen eigenen Leistungsanspruch nach § 7 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Nr. 3a SGB II. Der Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II für Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II gilt auch für nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige, die mit einem Leistungsempfänger nach dem SGB II in Bedarfsgemeinschaft leben (vgl. BSG, Urteil vom 21. Dezember 2009 - B 14 AS 66/08 R - (juris) m.w.N.).
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Ausschluss der Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende bestehen nicht (vgl. BSGE 102, 60 = SozR 4-4200 § 7 Nr. 10; BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 4 AS 40/07 R -; BSG, Urteil vom 7. Mai 2009 - B 14 AS 41/07 R - (juris)).
Auch aus der vorangegangenen Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II kann die Antragstellerin nicht unter Vertrauensschutzgesichtspunkten die Weitergewährung verlangen. Die (vorläufige) Bewilligung bezog sich allein auf den Bewilligungsabschnitt bis 30. November 2009, darüber hinaus enthält sie keine Regelungen und auch keine Aussagen, die eine Bindungswirkung für nachfolgende Zeiträume entfalten könnten.
Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung kann daher angesichts der fehlenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache nicht von überwiegenden Interessen der Antragstellerin ausgegangen werden, so dass die Beschwerde im Ergebnis ohne Erfolg bleiben muss.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
Die 1987 geborene Antragstellerin kroatischer Staatsangehörigkeit heiratete am 26. Juni 2008 in den USA, wo sie seit 1999 lebte, den 1984 geborenen deutschen Staatsangehörigen P. R ... Am 14. November 2008 reiste sie zusammen mit ihrem Ehemann visumfrei mit ihrem kroatischen Pass in die Bundesrepublik Deutschland ein. Zuletzt erhielt sie zusammen mit ihrem Ehemann als Bedarfsgemeinschaft vom Antragsgegner Leistungen für die Zeit vom 1. Juli bis 30. November 2009 in Höhe von insgesamt 983,78 EUR monatlich (Änderungsbescheide vom 17. und 22. September 2009).
Mit Schreiben vom 16. September 2009 forderte der Antragsgegner den Ehemann der Antragstellerin zur Vorlage des Passes sowie des Aufenthaltsstatus seiner Ehefrau auf. Mit Schreiben vom 17. September 2009 forderte er die Antragstellerin u.a. zur Stellung eines Antrags auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) auf. Die Antragstellerin legte eine Kopie ihres Passes vor, woraus sich ein Vermerk der Ausländerbehörde der Stadt Karlsruhe ersehen ließ, wonach die Antragstellerin nach § 50 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) aufgefordert worden war, die Bundesrepublik Deutschland bis zum 25. Juli 2009 zu verlassen.
In der Folgezeit bewilligte der Antragsgegner allein dem Ehemann der Antragstellerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts - unter Übernahme der gesamten Unterkunftskosten - (Bescheid vom 1. Dezember 2009), da der Aufenthaltsstatus der Antragstellerin unklar sei. Hiergegen erhob die Antragstellerin Widerspruch.
Mit Verfügung vom 20. November 2009 forderte die Ausländerbehörde der Stadt Karlsruhe die Antragstellerin auf, das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland bis spätestens 9. Dezember 2009, 24:00 Uhr zu verlassen und drohte für den Fall der Nichtausreise die Abschiebung an. Darüber hinaus lehnte sie den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab. Hiergegen erhob die Antragstellerin Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 2010 zurückgewiesen wurde. Ein Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe ist anhängig.
Am 9. Dezember 2009 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt und vorgetragen, sie habe bisher Leistungen nach dem SGB II bezogen, es sei für sie nicht nachvollziehbar, weshalb sie als Teil der Bedarfsgemeinschaft nicht berücksichtigt werde. Ihr Aufenthaltsstatus sei nach wie vor unklar, dieser Zustand werde noch einige Monate andauern. Aufgrund der Formulierung im Bescheid vom 17. September 2009 habe sie auf die Weiterbewilligung vertrauen können.
Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 22. Dezember 2009 abgelehnt, da die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch i.S.v. § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht glaubhaft gemacht habe. Der Antragstellerin stehe ein Anspruch auf Leistungen nach § 7 ff. SGB II nicht zu, da sie weder erwerbsfähig nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 8 Abs. 2 SGB II sei, noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland habe (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II). Im Hinblick auf § 8 Abs. 2 Alt. 1 SGB II sei eine Erwerbsfähigkeit der Antragstellerin schon deshalb zu verneinen, weil sie über keinen Aufenthaltstitel verfüge, der ihr die Aufnahme einer Beschäftigung gestatte. Des Weiteren sei auch die Frage, ob der Antragstellerin die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt werden könnte, zu verneinen. Zwar sei hinsichtlich dieser Alternative das Vorliegen eines Aufenthaltstitels nicht erforderlich. § 8 Abs. 2 Alt. 2 SGB II lasse jedoch die lediglich abstrakt-generelle Möglichkeit der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis nicht ausreichen; es sei erforderlich, dass Aussicht auf eine Beschäftigungserlaubnis bestehe, da nur dann eine Integration in den Arbeitsmarkt als realistisch bezeichnet werden könne. Hier sei zu berücksichtigen, dass die Ausländerbehörde einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bereits abgelehnt habe, dem Widerspruch dagegen komme keine aufschiebende Wirkung zu. Auf Vertrauensschutz auf der Grundlage des Bescheids vom 17. September 2009 könne sich die Antragstellerin nicht berufen. Diesem Bescheid sei eindeutig nur die vorläufige Leistungsbewilligung zu entnehmen. Der Hinweis, rückwirkend Leistungen bis zur endgültigen Entscheidung über die Aufenthaltsberechtigung zu bewilligen, stelle keine Zusicherung einer Weiterbewilligung über den 30. November 2009 hinaus dar. Die Antragsgegnerin habe diese Aussage erkennbar nur im Zusammenhang mit dem vorliegenden Bewilligungsabschnitt und der vorläufigen Bewilligung getroffen. Letztlich sei der Anspruch der Antragstellerin auch deshalb zu verneinen, sie nicht über einen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland verfüge. Zwar sei hierfür der tatsächlich Aufenthalt maßgebend; Ausländer hätten nur dann ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, wenn sie über einen Aufenthaltstitel verfügten, der den persönlichen Aufenthalt zulasse (unter Hinweis auf Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 16. Mai 2007 - B 11b AS 37/06 R - (juris)). Hieran fehle es, weil die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bereits am 20. November 2009 abgelehnt worden sei.
Hiergegen richtet sich die am 5. Januar 2010 eingelegte Beschwerde der Antragstellerin. Die Frage der Erwerbsfähigkeit stelle sich für Ehefrauen, die kraft Gesetzes anspruchsberechtigt seien (§ 7 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 3a SGB II) nicht; die Antragstellerin habe, auch wenn sie nicht erwerbsfähig sei, Anspruch auf Sozialgeld. Die vom SG genannte Entscheidung des BSG betreffe Kläger, die beide Ausländer seien und sei deshalb nicht einschlägig. Zudem hätten sich Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Versagung der Aufenthaltserlaubnis verdichtet. Die Widerspruchsbehörde habe die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens ausgesetzt. Inzwischen habe das Regierungspräsidium Karlsruhe einen Vergleichsvorschlag gemacht, der so nicht akzeptabel sei, aber zeige, dass die Widerspruchsbehörde selbst Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Versagung einer Aufenthaltserlaubnis habe. Die Antragstellerin sei bei ihrer Vorsprache bei der Ausländerbehörde zu einem Zeitpunkt, als sie sich legal im Bundesgebiet aufgehalten habe, nicht im Rahmen einer gebotenen Aufklärung zur Stellung eines Antrags auf Aufenthaltserlaubnis veranlasst worden. Dieser Beratungsfehler führe zur Rechtswidrigkeit der Versagung der Aufenthaltserlaubnis. Selbst wenn man dies im Hinblick auf Beweisschwierigkeiten außer Acht ließe, ergebe sich die Rechtswidrigkeit aus folgenden Erwägungen. Die Antragstellerin könne kein Visum für eine Einreise aus Kroatien erhalten, da die Deutsche Botschaft in Z. es (zu Recht) ablehne, ihr, da sie keinen Wohnsitz in Kroatien habe, ein solches zu erteilen. Die Beschaffung eines möglichen Visums für eine Einreise aus den USA, dem letzten Aufenthalt vor der Einreise in die Bundesrepublik, sei für die Antragstellerin aus finanziellen Gründen unzumutbar. Damit seien die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Ausnahmebestimmung des § 5 Abs. 2 AufenthG erfüllt, da angesichts der Umstände von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen sei. Die entscheidungserhebliche ausländerrechtliche Vorfrage, ob die Antragstellerin vollziehbar ausreisepflichtig sei, müsse dahin beantwortet werden, dass dies nicht der Fall sei und die Antragstellerin daher keine Leistungen nach dem AsylbLG beanspruchen könne.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22. Dezember 2009 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, der Antragstellerin vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ab Antragstellung zu zahlen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verweist auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses.
Die im Beschwerdeverfahren beigeladene Stadt Karlsruhe gewährt der Antragstellerin seit 30. Dezember 2009 Leistungen nach dem AsylbLG. Die Beigeladene hat im vorliegenden Verfahren keinen Antrag gestellt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§ 173 Satz 1 SGG) ist statthaft, da auch in der Hauptsache die Berufung zulässig wäre (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG). Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Weder hat die Antragstellerin einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II glaubhaft gemacht, noch bedarf es einer Verpflichtung der Beigeladenen zur Erbringung von Leistungen nach dem AsylbLG, da entsprechende Leistungen zwischenzeitlich bereits erbracht werden.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).
Vorliegend kommt, wie das SG zutreffend erkannt hat, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der angestrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NVwZ 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927 = Breithaupt 2005, 803). Im Hinblick auf die Schwere der drohenden Rechtsverletzung der Antragstellerin bei Versagung der existenznotwendigen Mittel (Art. 1 Grundgesetz) sind die Anforderungen an das Vorliegen des Anordnungsanspruchs im Sinne einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Erfolgs in der Hauptsache zu modifizieren (vgl. BVerfGE 51, 268; Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Aufl., Rdnr. 300b ff.). Im Rahmen einer Folgenabwägung sind die Folgen bei Gewährung von Eilrechtsschutz und Unterliegen in der Hauptsache mit denen bei Versagung von Eilrechtsschutz und Erfolg in der Hauptsache zu vergleichen (vgl. Krodel, a.a.O., Rdnr. 305b). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 86b Rdnr. 42). Die Eilbedürftigkeit der erstrebten Regelung ist im Übrigen regelmäßig zu verneinen, soweit Ansprüche für bereits vor Stellung des einstweiligen Rechtsschutzantrags abgelaufene Zeiträume erhoben werden (vgl. Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 1. und 17. August 2005 - FEVS 57, 72 und 164).
Ein Anordnungsgrund kann vorliegend im Hinblick auf die von der Beigeladenen gewährten Leistungen nicht verneint werden, denn bei Glaubhaftmachung eines Anspruchs auf SGB II-Leistungen steht der Eilbedürftigkeit die Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG schon wegen des niedrigeren Leistungsniveaus nicht entgegen (vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 11. Juli 2006 - L 7 SO 19/06 ER - FEVS 58, 157).
Ein derartiger Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II ist indes hier nicht überwiegend wahrscheinlich und somit nicht glaubhaft gemacht. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die (1.) das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, (2.) erwerbsfähig sind, (3.) hilfebedürftig sind und (4.) ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige). Zur Erwerbsfähigkeit gehört bei Ausländern aus rechtlicher Sicht nach § 8 Abs. 2 SGB II, dass ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II sind Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen für Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG.
Die Antragstellerin ist vorliegend schon nicht erwerbsfähig i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 8 Abs. 2 SGB II, denn sie ist weder im Besitz eines die Erwerbsfähigkeit gestattenden Aufenthaltstitels, noch einer Beschäftigungserlaubnis, da sie sich derzeit illegal im Bundesgebiet aufhält. Zwar hat sie die Erteilung eines Aufenthaltserlaubnis nach § 28 AufenthG (Familiennachzug zu Deutschen) beantragt, welche nach § 28 Abs. 5 AufenthG grundsätzlich zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigen würde. Dieser Antrag ist von der Ausländerbehörde abgelehnt, der Widerspruch zurückgewiesen worden. Ob die beim Verwaltungsgericht Karlsruhe anhängige Klage Erfolg haben wird, ist noch offen. Allein die Möglichkeit, den begehrten Aufenthaltstitel im Rahmen des ausländerrechtlichen Verfahrens noch zu erlangen, reicht indes nicht aus, die Erwerbsfähigkeit i.S.d. § 8 Abs. 2 SGB II zu begründen, denn eine konkrete Aussicht besteht derzeit noch nicht. Vielmehr steht die Antragstellerin dem deutschen Arbeitsmarkt noch derart fern, dass es nicht gerechtfertigt wäre, sie dem arbeitsmarktbezogenen Existenzsicherungssystem des SGB II zuzuordnen (vgl. Blüggel in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2.Aufl., § 8 Rdnr. 65 ff. m.w.N.). Letztlich kommt es hierauf jedoch nicht an, denn bereits der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II steht dem geltend gemachten Anspruch entgegen.
Danach sind von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen Anspruchsberechtigte nach § 1 AsylbLG. Nach § 1 AsylbLG sind leistungsberechtigt nach diesem Gesetz Ausländer, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten und (Nr. 3) u.a. eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG besitzen oder (Nr. 5) vollziehbar ausreisepflichtig sind, auch wenn eine Abschiebungsandrohung noch nicht oder nicht mehr vollziehbar ist. Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG hat die Antragstellerin zwar nicht, da sie auf den entsprechenden Vergleichsvorschlag der Widerspruchsbehörde, ihr eine solche zu erteilen, nicht eingegangen ist. Allerdings ist sie vollziehbar ausreisepflichtig, denn sie hält sich ohne Aufenthaltstitel im Bundesgebiet bzw. hält sich länger als die nach dem Schengener Durchführungsübereinkommen i.V.m. der Verordnung EG Nr. 539/2001 zulässigen drei Monate hier auf und hat auch kein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei (§§ 50 Abs. 1, 58 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG; Verfügung der Ausländerbehörde vom 20. November 2009; Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 2010). Dass "die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht insoweit ausgesetzt" wurde nach Mitteilung des Regierungspräsidiums K. vom 24. Februar 2010, spielt - unabhängig davon, wie diese Regelung zu verstehen ist - vorliegend keine Rolle, da ihr nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens keine Rechtswirkungen mehr zukommen.
Schließlich kann sich die Antragstellerin auch nicht darauf berufen, als Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft mit einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen habe sie einen eigenen Leistungsanspruch nach § 7 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Nr. 3a SGB II. Der Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II für Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II gilt auch für nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige, die mit einem Leistungsempfänger nach dem SGB II in Bedarfsgemeinschaft leben (vgl. BSG, Urteil vom 21. Dezember 2009 - B 14 AS 66/08 R - (juris) m.w.N.).
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Ausschluss der Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende bestehen nicht (vgl. BSGE 102, 60 = SozR 4-4200 § 7 Nr. 10; BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 4 AS 40/07 R -; BSG, Urteil vom 7. Mai 2009 - B 14 AS 41/07 R - (juris)).
Auch aus der vorangegangenen Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II kann die Antragstellerin nicht unter Vertrauensschutzgesichtspunkten die Weitergewährung verlangen. Die (vorläufige) Bewilligung bezog sich allein auf den Bewilligungsabschnitt bis 30. November 2009, darüber hinaus enthält sie keine Regelungen und auch keine Aussagen, die eine Bindungswirkung für nachfolgende Zeiträume entfalten könnten.
Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung kann daher angesichts der fehlenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache nicht von überwiegenden Interessen der Antragstellerin ausgegangen werden, so dass die Beschwerde im Ergebnis ohne Erfolg bleiben muss.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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