Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 2065/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 617/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 15.11.2006 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung höherer Verletztenrente.
Die Klägerin ist Sonderrechtsnachfolgerin des am 1930 geborenen und am 2006 verstorbenen A. H. (Versicherter). Dieser erlitt am 11.08.1951 bei einem Verkehrsunfall auf dem Weg zu seiner versicherten Beschäftigung eine Verletzung des linken Ellenbogens und eine Verletzung des linken Beines mit nachfolgender Amputation auf 14 cm unterhalb der Leistenfalte. Ab März 1952 war der Kläger mit einer Oberschenkelprothese versorgt und wieder berufstätig. Ab 01.01.1989 bezog der Versicherte von der Landesversicherungsanstalt Württemberg (heute Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg) eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (Bl. 829 Verw. Akte).
Wegen der Unfallfolgen bezog der Versicherte von der Beklagten seit 10.02.1952 eine Verletztenrente, zunächst als vorläufige Rente (MdE 80 v. H. und 70 v. H. ab 01.03.1953; Bescheide vom 22.07.1952 und 29.01.1953), anschließend gewährte die Beklagte vom 30.03.1953 bis 03.05.1953 die gesetzliche Vollrente und ab 04.05.1953 eine Dauerrente nach einer MdE um 70 v. H. (Bescheid vom 20.07.1953), die ab 14.12.1975 mit einer MdE um 80 v. H. neu festgestellt wurde (Bescheid vom 25.06.1976). Der Rentenneufeststellung lag - so die Ausführungen der Beklagten im Bescheid vom 25.06.1976 - eine wesentliche Änderung in den für die Feststellung der Rente maßgeblichen Verhältnissen in Form einer Wirbelsäulenveränderung zu Grunde. Als Unfallfolgen stellte die Beklagte einen Verlust des linken Beines und eine knöchern fest verheilte Fraktur im linken Ellenbogengelenk fest, wohingegen als Nicht-Unfallfolgen eine flachbogige Rechtsausschwingung der Brustwirbelsäule mit Osteochondrose und spondylotischen Randzacken der Deck- und Grundplatten und eine Spondylose und -olisthese L4/5 bezeichnet wurde.
Der Rentenbewilligung nach einer MdE um 80 v. H. lag das Gutachten des Prof. Dr. W. , B. U. Klinik T. zu Grunde. Als unfallabhängige Veränderungen beschrieb Prof. Dr. W. die Oberschenkelamputation links mit Kurzstumpf, eine Beugekontraktur im linken Hüftgelenk, eine kleinfleckige, narbig veränderte Stumpfhaut gegenüber dem Prothesenrand, eine in achsengerechter Stellung knöchern fest verheilte Ellenbogengelenksfraktur links und eine Bewegungseinschränkung im linken Ellenbogen. Durch den Kurzstumpf links mit Beugekontraktur im Hüftgelenk und zu kurzer Prothese komme es zu einer vermehrten Beanspruchung im unteren Lendenwirbelsäulenbereich, weshalb ein Zusammenhang von Oberschenkelamputation bzw. Kurzstumpf mit Beugekontraktur, zu kurzer Prothese und dem zu Folge eingetretener Wirbelsäulenveränderungen im Sinne einer Osteochondrose und Spondylose zu bejahen sei. Die Beschwerden seien sicher nicht allein auf das Tragen der Oberschenkelprothese zurückzuführen, sondern auch auf die anlagebedingte Spondylolyse und -olisthese L4/5, eine richtunggebende Verschlimmerung des anlagebedingten Leidens sei aber gegeben, die allerdings nicht fortdauernd richtunggebend sei. Von dem Versicherten außerdem geklagte Kniegelenksbeschwerden bei beginnender geringer degenerativer Veränderungen an der rechten Kniescheibe hätten sich bei einer Verursachung durch die Oberschenkelamputation bereits zu einem früheren Zeitpunkt als bei dem Kläger zeigen müssen. Unter Berücksichtigung der Verschlimmerung der Unfallfolgen im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule (LWS) schätze er die MdE auf 80 v. H. ein.
In einem von der Beklagten zur Überprüfung der MdE veranlassten Gutachten auf Grund einer Untersuchung des Versicherten am 11.06.2002 beschrieb der Orthopäde Dr. E. , Rehabilitationskrankenhaus U. , einen Zustand nach traumatischer Oberschenkelamputation links mit Kurzstumpf, eine Beuge- und Abduktionskontraktur des linken Hüftgelenkes, ausgeprägte degenerative Veränderungen der gesamten LWS mit Bandscheibenprotrusionen in allen Segmenten, eine linkskonvexe LWS mit in der oberen LWS rechtskonvexem Gegenschwung sowie im thorakalen Bereich linkskonvexem Gegenschwung, eine Spondylolisthese L4 auf L5 und einen kompletten Zusammenbruch der Wirbelbögen in der unteren LWS, einen kompletten Einbruch des 3. Lendenwirbelkörpers im Bereich Deckplatte ventralseitig, einen Aufbrauch aller Bandscheiben der LWS, eine Einengung der Neurophoramina LWK 4/5 und LWK 5/SWK 1, eine relevante Einengung des Spinalkanals in den Segmenten BWK 12/LWK 1, LWK 1/2 und LWK 2/3, eine Pangonarthrose des rechten Kniegelenks, eine erhebliche Knochensalzgehaltminderung der linken Beckenhälfte, eine mäßig gradige Coxarthrose des rechten Hüftgelenks und eine posttraumatische Arthrose des linken Ellenbogengelenks. Anteilmäßig seien Verschleißerscheinungen an der BWS und LWS und eine richtunggebende Verschlimmerung der anlagebedingten Kniegelenksarthrose auf die Unfallfolgen zurückzuführen. Nach der Veröffentlichung von Krämer/Heisel/Ulrich (Spätschäden am Bewegungsapparat der Oberschenkelamputierten und deren Begutachtung, Z. Orthop. 1979, 801-807) habe sich gezeigt, dass ungünstige Stumpfverhältnisse durch die langandauernde, ausgeprägte Fehlbelastung besonders häufig eine fixierte Seitverbiegung der Lendenwirbelsäule und eine fortgeschrittene Arthrose am erhaltenen Kniegelenk entstehen ließen. Die MdE sei mit 100 v. H. zu bewerten.
In der hierzu von der Beklagten eingeholten gutachterlichen Stellungnahme nach Aktenlage führte der Chirurg Dr. S. hinsichtlich der Kniegelenksveränderungen aus, entgegen der von Dr. E. in Bezug genommenen Arbeit von Krämer/Heisel/Ulrich, wonach die Annahme einer Arthrose an unversehrten Gliedmaßen in Folge einer Amputation der gegenüberliegenden Seite dann in Betracht komme, wenn die Amputation zu einer langdauernden und sehr ausgeprägten Fehlbelastung geführt habe, wie beispielsweise bei Beinamputierten bei der Unmöglichkeit eine Prothese zu tragen oder bei einer Hüftbeugekontraktur kämen nicht alle Autoren, die sich mit der Thematik befasst hätten, zu dem selben Resultat. Ahrens (MedSach 1957, 26, 28 f.) habe bei Amputierten weniger Arthrosen am unverletzten Bein als bei nicht Amputierten gefunden, was daran liege, dass der Amputierte nur etwa ein Drittel bzw. die Hälfte der Zeit eines Gesunden gehe und stehe. Da zudem das Gewicht des Kunstbeines geringer sei als das des natürlichen Beines, hätten sich nach Ahrens die Arthrosen auch ohne Amputation entwickelt. Außerdem bestehe nach der Befundung der Röntgenaufnahmen des rechten Kniegelenks von Dr. E. neben dem erheblichen Übergewicht eine deutliche O-Beinbildung und eine Konzentration der Arthrose auf dem mittleren Kniegelenkbereich, weshalb es sich vorwiegend um einen anlagebedingten Aufbrauchschaden handele. Hinsichtlich der Wirbelsäulenbeschwerden sei nach der von Dr. E. in Bezug genommenen Arbeit von Krämer/Heisel/Ulrich bedeutungsvoll vor allem die Frage, ob eine fixierte Seitverbiegung der Lendenwirbelsäule bestehe. Eine wesentlich fixierte Seitverbiegung habe Dr. E. bei Auswertung der Röntgenaufnahmen aber nicht beschrieben. Insgesamt sei die MdE weiterhin mit 80 v. H. zu bewerten.
Mit Bescheid vom 23.03.2004 lehnte die Beklagte die Erhöhung der Verletztenrente ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Versicherten (u.a.: seit 06.10.2001 sitze er im Rollstuhl, vorher habe er zum Teil noch Prothese tragen und mit Unterarmkrücken gehen können) wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07.07.2004 zurück.
Hiergegen hat der Versicherte am 20.07.2004 Klage zum Sozialgericht Ulm erhoben und sich auf das Gutachten des Dr. E. berufen. Das Sozialgericht hat ein Gutachten von dem Orthopäden Dr. H. eingeholt. Dieser hat einen Zustand nach Oberschenkelamputation links mit gelegentlichen Stumpf- und Phantomschmerzen, ein chronisches lumbales Schmerzsyndrom bei fortgeschrittenen diffusen Verschleißerscheinungen der gesamten lumbalen und unteren thorakalen Bewegungssegmente sowie einem leichten Vorwärtsgleiten auf dem 5. Lendenwirbelkörper, eine fortgeschrittene Arthrose des rechten Kniegelenkes mit Streckdefizit und verminderter mechanischer Belastbarkeit, schmerzhafte Bewegungsstörungen im linken Schultergelenk bei fortgeschrittener Schultereckgelenksarthrose und entzündlichen Veränderungen unter dem Schulterdach mit Verkalkungen sowie mäßiggradige Bewegungsstörungen im linken Ellenbogen nach knöchern solide ausgeheilter Luxationsfraktur und radiologisch massiver Arthrose im linken Ellenbogengelenk diagnostiziert. Das beschriebene Wirbelgleiten sei unfallunabhängig. Hinsichtlich der Verschleißerscheinungen der gesamten Wirbelsäule erscheine es gerechtfertigt, im Wesentlichen die Wirbelsäulenbeschwerden als indirekte Unfallfolge anzusehen. Die Literatur (Disabil Rehabil. 2004 Jul 8; 26 (13): 794-7, Clin Orthop Relat Res. 1999 Apr; (361):29-38) beschreibe eine deutliche Häufung von Rückenschmerzen bei amputierten Patienten im Vergleich zur Normalbevölkerung. Auch hinsichtlich einer nachfolgenden Kniearthrose auf der nicht amputierten Seite beschreibe die Literatur ein erhöhtes Risiko (J Rheumatol. 2001 Jan; 28(1):169-72). Darüber hinaus werde aber auch eine deutliche Zunahme von subjektiven Beschwerden im Knie des nicht amputierten Beines beschrieben (Arch Phys Med Rehabil. 2005 Mar; 86(3):478-93). Selbst wenn unfallunabhängige Faktoren zur Arthrose des rechten Knies geführt hätten, habe die Amputation doch mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu geführt, dass funktionell bedeutsame Beschwerden aufgetreten seien. Als unfallunabhängig seien hingegen die Schulterprobleme zu beurteilen. Insgesamt hat Dr. H. die MdE mit 90 v. H. bewertet.
Dem ist die Beklagte unter Vorlage von Stellungahmen des Chirurgen Dr. R. , S. Klinikum M. , entgegengetreten. Dieser hat ausgeführt, die von Dr. H. genannten Studien seien nicht geeignet, für den Einzelfall ohne Kausalitätsbeurteilung Wertigkeit zu erlangen. Sowohl die Gonarthrose als auch degenerativ bedingte Wirbelsäulenbeschwerden nähmen in der Gesamtbevölkerung zu. Ungeachtet dessen deuteten die Erfahrungen und Untersuchungen darauf hin, dass der Anteil an Patienten mit derartigen Beschwerden nach Amputation großer unterer Gliedmaßenabschnitte höher anzusiedeln sei, als in der Normalbevölkerung. Deshalb sei es erforderlich, Anknüpfungstatsachen zu eruieren. Solche seien bei dem Versicherten nicht zu erkennen. Selbst wenn ein kausaler Zusammenhang der Wirbelsäulenbeschwerden mit den Unfallfolgen angenommen würde, sei die von Dr. H. insoweit geschätzte MdE mit 30 v. H. zu hoch gegriffen, diese würde allenfalls hälftig Gewicht erlangen.
Mit Urteil vom 15.11.2006 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.03.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.07.2004 verurteilt, der Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin des verstorbenen Versicherten Verletztenrente nach einer MdE um 90 v. H. für den Zeitraum vom 01.12.2002 bis 31.05.2006 zu zahlen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, nach den überzeugenden Ausführungen des Dr. H. seien Folge des Arbeitsunfalls erhebliche Schmerzzustände im Bereich der lumbalen Wirbelsäule, die letztlich von einer Überlastung durch Fehlbelastungen des Achsorganes im Rahmen der Amputation herrührten. Dr. H. habe sich bei seiner Einschätzung auf neueste medizinische Forschungsergebnisse stützen können, die gezeigt hätten, dass bei amputierten Patienten im Vergleich zur Normalbevölkerung eine deutliche Häufung von schmerzbedingten Rückenbeschwerden festzustellen sei. Auch Prof. Dr. W. habe in dem im März 1976 erstatteten Gutachten ausgeführt, dass es auf Grund der Unfallfolgen zu einer vermehrten Beanspruchung im unteren Lendenwirbelsäulenbereich komme und eine richtunggebende Verschlimmerung einer anlagebedingten Spondylose als Unfallfolge gesehen. Zu dem selben Ergebnis sei Dr. E. gelangt. Auch im Hinblick auf die Kniearthrose seien die Ausführungen des Dr. H. überzeugend. Danach bestehe nachweisbar ein erhöhtes Risiko von 200 % für eine nachfolgende Kniearthrose auf der nicht amputierten Seite sowie eine deutliche Zunahme von subjektiven Beschwerden im Knie des nicht amputierten Beines. Für die Bemessung der MdE sei hinsichtlich der Oberschenkelamputation mit kurzem Stumpf von einer Teil-MdE von 70 v. H., für die lumbalen Rückenbeschwerden von einer Teil-MdE um 30 v. H., für die Kniearthrose rechts mit Instabilität von einer Teil-MdE um 30 v. H. und für die Ellenbogengelenksarthrose links von einer Teil-MdE um 10 v. H. auszugehen. Hieraus ergebe sich nach integrierender Gesamtbetrachtung, wie Dr. H. dargelegt habe, eine Gesamt-MdE um 90 v. H.
Gegen das ihr am 25.01.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 05.02.2007 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, das Sozialgericht verkenne, dass die von Dr. H. zitierte Literatur nicht dem allgemein anerkannten und in der entsprechenden Fachliteratur veröffentlichten medizinisch-wissenschaftlichen Kenntnisstand entspreche. In der allgemein anerkannten medizinischen Fachliteratur (z. B. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S. 761/762) werde als mögliche mittelbare Unfallfolge eine fixierte Seitverbiegung der Lendenwirbelsäule beschrieben. Obwohl Dr. H. von einem derartigen Befund nicht ausgehe, komme er entgegen der herrschen Lehrmeinung zu dem Ergebnis, dass die unspezifischen Rückenbeschwerden des Versicherten unmittelbar ursächlich auf den Wegeunfall zurückzuführen seien. Gegen einen ursächlichen Zusammenhang spreche auch, dass die komplette Wirbelsäule massiv degenerativ verändert sei. Auch die Auffassung des Dr. H. hinsichtlich der Kniebeschwerden seien nicht überzeugend. In der allgemein anerkannten Fachliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O. S. 760) werde ausgeführt, dass bei Amputierten 15 bis 20 % weniger Arthrosen am unverletzten Bein als bei nicht Amputierten festgestellt würden. Auch die Ausführungen des Dr. H. , er bewerte im Wesentlichen nicht die bildtechnisch nachgewiesenen Schadensbilder als mittelbare Unfallfolgen, sondern nur die subjektiven Beschwerden des Versicherten, könne nicht überzeugen, da Dr. H. nicht in der Lage sei, den Beschwerden objektivierbare klinische Befunde zuzuordnen. Das Sozialgericht habe übersehen, dass Prof. Dr. W. zwar die Auffassung vertreten habe, dass eine richtunggebende Verschlimmerung der anlagebedingten Spondylose gegeben sei, Prof. Dr. W. habe aber weiter ausgeführt, dass eine fortdauernde - gemeint sei wohl eine fortschreitende - richtunggebende Verschlimmerung nicht bestünde. Ferner habe das Sozialgericht nicht berücksichtigt, dass bereits bei der MdE-Einschätzung vom 80 v. H. unter Berücksichtigung des Gutachtens von Prof. Dr. W. anteilig Wirbelsäulenbeschwerden berücksichtigt worden seien. Letztlich habe das Sozialgericht auch die von Dr. H. genannten Literaturangaben nicht korrekt wiedergegeben. So habe Dr. H. geschildert, dass nach der von ihm zitierten Literatur einerseits das Arthroserisiko nach Amputation auf der nicht betroffenen Seite um ca. 30 % steige, unabhängig von nachweisbaren Arthrosen aber vermehrt Kniebeschwerden mit einer Risikoerhöhung gegenüber Gesunden von ca. 200 % auftreten würden. Das Sozialgericht gehe aber fälschlicherweise von einem über 200 % Arthroserisiko aus.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 15.11.2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet. Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, der Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin für die Zeit vom 01.12.2002 bis 31.05.2006 höhere Verletztenrente zu zahlen.
Rechtsgrundlage des klägerischen Begehrens ist § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch. Danach (Abs. 1 Satz 1) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung - hier der bestandskräftige Bescheid vom 25.07.1976 über die Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE um 80 v.H. - für die Zukunft aufzuheben, soweit sich die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, ändern.
Eine derartige wesentliche Änderung vermag der Senat nicht zu bejahen. Dem Versicherten stand insbesondere kein höherer Rentenanspruch zu.
Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch richtet sich auch nach Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 01.01.1997 nach den bis dahin geltenden Vorschriften der RVO; denn nach § 212 SGB VII gilt das neue Recht grundsätzlich erst für Versicherungsfälle, die nach dem 31.12.1996 eingetreten sind. Einer der Ausnahmetatbestände nach §§ 213 ff SGB VII ist nicht gegeben.
Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung wird gemäß § 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO in der dem Grad der Erwerbsminderung entsprechenden Höhe gewährt, wenn und solange ein Verletzter infolge des Arbeitsunfalls in seiner Erwerbsfähigkeit um wenigstens ein Fünftel gemindert ist und diese Minderung der Erwerbsfähigkeit über die 13. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus andauert (§ 580 Abs. 1 RVO). Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch einen früheren Versicherungsfall Anspruch auf Rente (§ 581 Abs. 3 Satz 1 RVO). Die Folgen eines Arbeitsunfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern (§ 581 Abs. 3 Satz 2 RVO). Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (so jetzt ausdrücklich § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII, mit dessen Inkrafttreten die früheren Kriterien zur Bemessung der MdE nach der RVO übernommen worden sind, vgl. BSG, Urteil vom 18.03.2003, B 2 U 31/02 R). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Der Versicherte erlitt - dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig - in Folge des Arbeitsunfalls vom 11.08.1951 einen Verlust des linken Beines im oberen Drittel des Oberschenkels und eine - knöchern fest verheilte - Fraktur des linken Ellenbogengelenks. Wegen dieser Unfallfolgen und unter Berücksichtigung einer "Wirbelsäulenveränderung" gewährte die Beklagte dem Versicherten zuletzt eine Verletztenrente nach einer MdE um 80 v. H. Weitere Unfallfolgen, die eine Erhöhung der MdE rechtfertigen würden, sind nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit anzunehmen. Dies geht nach dem im Sozialrecht geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten der Klägerin.
Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Andernfalls ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Gab es neben der versicherten Ursache noch andere, konkurrierende Ursachen (im naturwissenschaftlichen Sinn), z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, sofern die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine überwiegende oder auch nur gleichwertige Bedeutung der versicherten gegenüber der konkurrierenden Ursache ist damit für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht Voraussetzung.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Ob die Wirbelsäulenbeschwerden des Versicherten auf das streitgegenständliche Ereignis zurückzuführen sind, wovon das Sozialgericht unter Bezugnahme auf das Gutachten des Dr. H. und des Prof. Dr. W. ausgegangen ist, lässt der Senat offen. Denn auch wenn die Beschwerden des Versicherten im Bereich der Lendenwirbelsäule als Unfallfolgen angesehen werden, rechtfertigt dies keine höhere MdE als 80 v. H. Der Verlust des linken Oberschenkels mit kurzem Stumpf rechtfertigt - so auch das Sozialgericht und der im erstinstanzlichen Verfahren gehörte Sachverständige Dr. H. - nach der medizinisch-wissenschaftlichen Fachliteratur (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, S. 691) eine MdE um 70 v. H. Bei unfallbedingten Sekundärschäden an der Wirbelsäule sieht die medizinisch-wissenschaftliche Fachliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 695) bei amputationsbedingt fixierter Skoliose eine Höherbewertung der MdE um 10 v. H. als vertretbar an. Auch wenn bei dem Versicherten nach keinem der eingeholten Gutachten eine fixierte Skoliose bestand, gewährte die Beklagte dem Versicherten ausgehend von dem Gutachten des Prof. Dr. W. wegen einer von diesem angenommenen richtunggebenden Verschlimmerung einer anlagebedingten Spondylolyse und -olisthese L4/5 auf Grund der Unfallfolgen einer Verletztenrente nach einer MdE um 80 v. H. ab 14.12.1975 (Bescheid vom 25.06.1976). Dies bedeutet, dass in die der Verletztenrente zu Grunde liegende MdE bereits Wirbelsäulenbeschwerden eingeflossen sind und zu einer Erhöhung der MdE um 10 v. H. geführt haben. Eine höhere Bewertung der MdE auf Grund der Wirbelsäulenbeschwerden kommt ausgehend von der oben genannten medizinisch-wissenschaftlichen Fachliteratur nicht in Betracht. Eine solche ist auch nicht unter Berücksichtigung des Gutachtens des im erstinstanzlichen Verfahren gehörten Sachverständigen Dr. H. gerechtfertigt. Dieser hat zwar die Beschwerden der Lendenwirbelsäule mit einer Teil-MdE von 30 v. H. bewertet, für die von ihm geschätzte Gesamt-MdE um 90 v. H. allerdings neben der Oberschenkelamputation mit einer Teil-MdE um 70 v. H. und einer Ellenbogengelenksarthrose mit einer Teil-MdE um 10 v. H. noch eine fortgeschrittene Kniearthrose mit Instabilität mit einer Teil-MdE um 30 v. H. berücksichtigt. Daraus wird deutlich, dass auch der im erstinstanzlichen Verfahren gehörte Sachverständige Dr. H. hinsichtlich des Erhöhungsanteils der Wirbelsäulenbeschwerden in Bezug auf die Gesamt-MdE nicht von dem in der medizinisch-wissenschaftlichen Literatur angegebenen Wert von 10 v. H. abweichen wollte. Lediglich ergänzend ist anzumerken, das Dr. H. seine Auffassung, die Wirbelsäulenbeschwerden seien auf die Unfallfolgen zurückzuführen im Wesentlichen mit einer in der Literatur beschriebenen deutlichen Häufung von Rückenschmerzen bei amputierten Patienten im Vergleich zur Normalbevölkerung begründet hat. Damit hat Dr. H. jedoch nur die Möglichkeit eines Unfallzusammenhangs dargelegt, ohne dies bezogen auf den konkreten Fall des Versicherten näher zu begründen. Dies reicht zur Feststellung des Ursachenzusammenhangs zwischen Unfallereignis und Unfallfolgen nicht aus, denn dieser muss positiv festgestellt werden (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).
Die Kniearthrose rechts kann entgegen der Auffassung des Sozialgerichts nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das streitgegenständliche Ereignis zurückgeführt werden. Das Sozialgericht hat sich für seine Auffassung auf die Ausführungen von Dr. H. gestützt und ist dabei, wie die Beklagte mit der Berufung zu Recht geltend gemacht hat, zu Unrecht davon ausgegangen, dass Dr. H. dargelegt habe, nach der neuesten medizinischen Fachliteratur sei das Risiko für eine nachfolgende Kniearthrose auf der nicht amputierten Seite um über 200 % erhöht. Dr. H. hat jedoch nicht von einem um 200 % erhöhten Risiko einer Kniearthrose, sondern von einem über 200 % erhöhten Risiko vermehrter Kniebeschwerden gegenüber Gesunden referiert, hingegen die Erhöhung des Risikos einer Arthrose auf der nicht betroffenen Seite mit (lediglich) ca. 30 % beziffert. Auch insoweit hat Dr. H. lediglich eine statistische Risikoerhöhung für die Entstehung einer Kniegelenksarthrose und somit wiederum nur die Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem streitgegenständlichen Ereignis und der Kniegelenksarthrose beschrieben. Da der Ursachenzusammenhang jedoch, wie erwähnt, positiv begründet werden muss (BSG, Urteil vom 09.05.2006, a.a.O.), reicht dies nicht aus, den Zusammenhang zwischen der Kniearthrose und dem streitgegenständlichen Ereignis hinreichend wahrscheinlich zu machen.
Gleiches gilt auch für das von Dr. H. angenommene erhöhte Risiko der Entstehung von Kniebeschwerden unabhängig von nachweisbaren Arthrosen mit über 200 %. Darüber hinaus stehen die Kniebeschwerden, wovon auch Dr. H. in seinem Gutachten ausgegangen ist, im Zusammenhang mit der Arthrose, die Dr. H. als Unfallfolge bezeichnet hat. Damit spielt im vorliegenden Fall das von Dr. H. beschriebene Risiko der Entstehung von Kniebeschwerden unabhängig von einer bestehenden Arthrose keine Rolle, eben weil die Beschwerden des Versicherten nicht unabhängig von der Kniearthrose bestanden.
Allerdings hat auch der Beratungsarzt der Beklagten, Dr. R. , in seiner Stellungnahme zum Gutachten des Dr. H. und entgegen den von der Beklagten in Bezug genommenen Ausführung in der medizinisch wissenschaftlichen Fachliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S. 760 bzw. nunmehr 8. Auflage, S. 693/694), wonach bei Amputierten weniger Arthrosen am unverletzten Bein gefunden wurden, als bei nicht Amputierten, ausgeführt, dass die Erfahrungen und Untersuchungen darauf hindeuteten, dass der Anteil an Patienten mit Gonarthrosebeschwerden nach Amputation großer unterer Gliedmaßenabschnitte höher anzusiedeln sei, als in der Normalbevölkerung. Dr. R. hat insoweit allerdings zutreffend ausgeführt, dass allein dies, im Hinblick auf die mit der steigenden Lebenserwartung ansteigende Inzidenz von Gonarthrosen in der Gesamtbevölkerung nicht ausreicht, um für den Einzelfall ohne Kausalitätsbeurteilung Wertigkeit zu erlangen. Dr. R. hat zutreffend das Vorhandensein sogenannter Anknüpfungstatsachen zwischen dem Verlust des linken Beines im Oberschenkel und der Entstehung der Gonarthrose für erforderlich gehalten. Insoweit hat Dr. R. nachvollziehbar dargelegt, dass bei dem Versicherten erhebliche Gesichtspunkte gegen das Auftreten einer unfallbedingten Entwicklung der Gonarthrose des rechten Kniegelenks sprechen. So lag - so Dr. R. - eine Beinachsenabweichung im Sinne eines deutlichen O-Beines vor, darüber hinaus ist, wie Dr. R. dargelegt hat, die geringere Belastung des Beines durch die Einschränkung der Gesamtbelastung eines amputierten Patienten wie auch das im Lebensalter des Versicherten nicht untypische Auftreten der Arthrose im Kniegelenk zu berücksichtigen. Insoweit hat Dr. R. in Übereinstimmung mit der medizinisch-wissenschaftlichen Fachliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, 8. Auflage, a. a. O., S. 694), wonach bei schlechter prothetischer Versorgung und erheblicher Fehlbelastung über viele Jahre bei einem passenden biomechanischen Degenerationsmuster zur Fehlbelastung im Einzelfall von einem Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der Entstehung der Gonarthrose ausgegangen kann, dargelegt, dass das sich erst im höheren Alter des Versicherten entwickelnde arthrotische, medial betonte Leiden des Kniegelenks eher gegen einen Kausalzusammenhang spricht. Soweit Dr. R. außerdem ausgeführt hat, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass durch die Langjährigkeit der bei dem Versicherten bestehenden Amputation eine indirekte Mitwirkung hinsichtlich der bestehenden Veränderung und Funktionsdefizite gegeben gewesen sei, ist dies, wie Dr. R. ebenfalls zutreffend dargelegt hat, nicht ausreichend, um den Kausalzusammenhang mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit positiv zu begründen.
Soweit der im Verwaltungsverfahren gehörte Gutachter Dr. E. hinsichtlich der Kniegelenksarthrose auf Grund der ungünstigen Stumpfverhältnisse und der Unmöglichkeit, eine Prothese zu tragen eine richtunggebende Verschlimmerung der anlagebedingten Kniegelenkarthrose angenommen hat, hat der im Verwaltungsverfahren gehörte Beratungsarzt der Beklagten, Dr. S. , überzeugend dargelegt, dass die radiologischen Befunde (varische Beinachse, erhebliche Verschmälerung des medialen Gelenkspalts, osteophytäre Anbauten und Zystenbildung im Bereich des medialen Femurkondylus, Kalzifikationen im Bereich des medialen Meniskus, Sklerosierung und Aufbrauch des Gelenkspalts lateralseitig) sowie das erhebliche Übergewicht des Versicherten und die Nutzung eines Rollstuhls durch den Versicherten seit Oktober 2001 dafür sprechen, dass die Kniegelenksarthrose wesentlich durch unfallunabhängige Faktoren bedingt wurde.
Insgesamt kann damit nicht hinreichend wahrscheinlich gemacht werden, dass die bei dem Versicherten bestehende Arthrose des rechten Kniegelenks auf die Unfallfolgen in Form einer amputationsbedingten Fehlbelastung ganz bzw. teilweise zurückzuführen ist. Dies geht nach dem im Sozialrecht geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (vgl. oben) zu Lasten der Klägerin.
Für die Bildung der Gesamt-MdE verbleibt es damit bei dem Verlust des linken Oberschenkels mit kurzem Stumpf, den bereits erhöhend berücksichtigten Wirbelsäulenbeschwerden und der Arthrose des linken Ellenbogengelenks.
Hat ein Arbeitsunfall Schäden an mehreren Körperteilen gebracht, so ist die MdE im Ganzen zu würdigen. Dabei ist entscheidend eine "Gesamtschau" der "Gesamteinwirkung" aller einzelnen Schäden auf die Erwerbsfähigkeit (BSG, Beschluss vom 24.11.1988, 2 BU 139/88 unter Hinweis auf Rechtsprechung zum Schwerbehindertenrecht). Dementsprechend sind mathematische Formeln kein rechtlich zulässiges oder gar gebotenes Beurteilungsmittel zur Feststellung der Gesamt-MdE (BSG, Urteil vom 15.03.1979, 9 RVs 6/77 in SozR 3870 § 3 Nr. 4), vielmehr muss bei der Gesamtbeurteilung bemessen werden, wie im Einzelfall die durch alle Störungen bedingten Funktionsausfälle, teilweise einander verstärkend, gemeinsam die Erwerbsfähigkeit beeinträchtigen (BSG, a. a. O.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist, auch unter Berücksichtigung der Ellenbogengelenksarthrose, die Dr. H. unter Heranziehung der medizinisch-wissenschaftlichen Fachliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., 7. Auflage, S. 610; nunmehr 8. Auflage, S. 530) nachvollziehbar und weder von der Klägerin noch der Beklagten angegriffen mit 10 v. H. bewertet hat, keine weitere Erhöhung der Gesamt-MdE gerechtfertigt, zumal der Versicherte bei der Untersuchung durch Dr. H. angegeben hat, im Bereich des linken Ellenbogens keine gravierenden Probleme zu haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung höherer Verletztenrente.
Die Klägerin ist Sonderrechtsnachfolgerin des am 1930 geborenen und am 2006 verstorbenen A. H. (Versicherter). Dieser erlitt am 11.08.1951 bei einem Verkehrsunfall auf dem Weg zu seiner versicherten Beschäftigung eine Verletzung des linken Ellenbogens und eine Verletzung des linken Beines mit nachfolgender Amputation auf 14 cm unterhalb der Leistenfalte. Ab März 1952 war der Kläger mit einer Oberschenkelprothese versorgt und wieder berufstätig. Ab 01.01.1989 bezog der Versicherte von der Landesversicherungsanstalt Württemberg (heute Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg) eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (Bl. 829 Verw. Akte).
Wegen der Unfallfolgen bezog der Versicherte von der Beklagten seit 10.02.1952 eine Verletztenrente, zunächst als vorläufige Rente (MdE 80 v. H. und 70 v. H. ab 01.03.1953; Bescheide vom 22.07.1952 und 29.01.1953), anschließend gewährte die Beklagte vom 30.03.1953 bis 03.05.1953 die gesetzliche Vollrente und ab 04.05.1953 eine Dauerrente nach einer MdE um 70 v. H. (Bescheid vom 20.07.1953), die ab 14.12.1975 mit einer MdE um 80 v. H. neu festgestellt wurde (Bescheid vom 25.06.1976). Der Rentenneufeststellung lag - so die Ausführungen der Beklagten im Bescheid vom 25.06.1976 - eine wesentliche Änderung in den für die Feststellung der Rente maßgeblichen Verhältnissen in Form einer Wirbelsäulenveränderung zu Grunde. Als Unfallfolgen stellte die Beklagte einen Verlust des linken Beines und eine knöchern fest verheilte Fraktur im linken Ellenbogengelenk fest, wohingegen als Nicht-Unfallfolgen eine flachbogige Rechtsausschwingung der Brustwirbelsäule mit Osteochondrose und spondylotischen Randzacken der Deck- und Grundplatten und eine Spondylose und -olisthese L4/5 bezeichnet wurde.
Der Rentenbewilligung nach einer MdE um 80 v. H. lag das Gutachten des Prof. Dr. W. , B. U. Klinik T. zu Grunde. Als unfallabhängige Veränderungen beschrieb Prof. Dr. W. die Oberschenkelamputation links mit Kurzstumpf, eine Beugekontraktur im linken Hüftgelenk, eine kleinfleckige, narbig veränderte Stumpfhaut gegenüber dem Prothesenrand, eine in achsengerechter Stellung knöchern fest verheilte Ellenbogengelenksfraktur links und eine Bewegungseinschränkung im linken Ellenbogen. Durch den Kurzstumpf links mit Beugekontraktur im Hüftgelenk und zu kurzer Prothese komme es zu einer vermehrten Beanspruchung im unteren Lendenwirbelsäulenbereich, weshalb ein Zusammenhang von Oberschenkelamputation bzw. Kurzstumpf mit Beugekontraktur, zu kurzer Prothese und dem zu Folge eingetretener Wirbelsäulenveränderungen im Sinne einer Osteochondrose und Spondylose zu bejahen sei. Die Beschwerden seien sicher nicht allein auf das Tragen der Oberschenkelprothese zurückzuführen, sondern auch auf die anlagebedingte Spondylolyse und -olisthese L4/5, eine richtunggebende Verschlimmerung des anlagebedingten Leidens sei aber gegeben, die allerdings nicht fortdauernd richtunggebend sei. Von dem Versicherten außerdem geklagte Kniegelenksbeschwerden bei beginnender geringer degenerativer Veränderungen an der rechten Kniescheibe hätten sich bei einer Verursachung durch die Oberschenkelamputation bereits zu einem früheren Zeitpunkt als bei dem Kläger zeigen müssen. Unter Berücksichtigung der Verschlimmerung der Unfallfolgen im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule (LWS) schätze er die MdE auf 80 v. H. ein.
In einem von der Beklagten zur Überprüfung der MdE veranlassten Gutachten auf Grund einer Untersuchung des Versicherten am 11.06.2002 beschrieb der Orthopäde Dr. E. , Rehabilitationskrankenhaus U. , einen Zustand nach traumatischer Oberschenkelamputation links mit Kurzstumpf, eine Beuge- und Abduktionskontraktur des linken Hüftgelenkes, ausgeprägte degenerative Veränderungen der gesamten LWS mit Bandscheibenprotrusionen in allen Segmenten, eine linkskonvexe LWS mit in der oberen LWS rechtskonvexem Gegenschwung sowie im thorakalen Bereich linkskonvexem Gegenschwung, eine Spondylolisthese L4 auf L5 und einen kompletten Zusammenbruch der Wirbelbögen in der unteren LWS, einen kompletten Einbruch des 3. Lendenwirbelkörpers im Bereich Deckplatte ventralseitig, einen Aufbrauch aller Bandscheiben der LWS, eine Einengung der Neurophoramina LWK 4/5 und LWK 5/SWK 1, eine relevante Einengung des Spinalkanals in den Segmenten BWK 12/LWK 1, LWK 1/2 und LWK 2/3, eine Pangonarthrose des rechten Kniegelenks, eine erhebliche Knochensalzgehaltminderung der linken Beckenhälfte, eine mäßig gradige Coxarthrose des rechten Hüftgelenks und eine posttraumatische Arthrose des linken Ellenbogengelenks. Anteilmäßig seien Verschleißerscheinungen an der BWS und LWS und eine richtunggebende Verschlimmerung der anlagebedingten Kniegelenksarthrose auf die Unfallfolgen zurückzuführen. Nach der Veröffentlichung von Krämer/Heisel/Ulrich (Spätschäden am Bewegungsapparat der Oberschenkelamputierten und deren Begutachtung, Z. Orthop. 1979, 801-807) habe sich gezeigt, dass ungünstige Stumpfverhältnisse durch die langandauernde, ausgeprägte Fehlbelastung besonders häufig eine fixierte Seitverbiegung der Lendenwirbelsäule und eine fortgeschrittene Arthrose am erhaltenen Kniegelenk entstehen ließen. Die MdE sei mit 100 v. H. zu bewerten.
In der hierzu von der Beklagten eingeholten gutachterlichen Stellungnahme nach Aktenlage führte der Chirurg Dr. S. hinsichtlich der Kniegelenksveränderungen aus, entgegen der von Dr. E. in Bezug genommenen Arbeit von Krämer/Heisel/Ulrich, wonach die Annahme einer Arthrose an unversehrten Gliedmaßen in Folge einer Amputation der gegenüberliegenden Seite dann in Betracht komme, wenn die Amputation zu einer langdauernden und sehr ausgeprägten Fehlbelastung geführt habe, wie beispielsweise bei Beinamputierten bei der Unmöglichkeit eine Prothese zu tragen oder bei einer Hüftbeugekontraktur kämen nicht alle Autoren, die sich mit der Thematik befasst hätten, zu dem selben Resultat. Ahrens (MedSach 1957, 26, 28 f.) habe bei Amputierten weniger Arthrosen am unverletzten Bein als bei nicht Amputierten gefunden, was daran liege, dass der Amputierte nur etwa ein Drittel bzw. die Hälfte der Zeit eines Gesunden gehe und stehe. Da zudem das Gewicht des Kunstbeines geringer sei als das des natürlichen Beines, hätten sich nach Ahrens die Arthrosen auch ohne Amputation entwickelt. Außerdem bestehe nach der Befundung der Röntgenaufnahmen des rechten Kniegelenks von Dr. E. neben dem erheblichen Übergewicht eine deutliche O-Beinbildung und eine Konzentration der Arthrose auf dem mittleren Kniegelenkbereich, weshalb es sich vorwiegend um einen anlagebedingten Aufbrauchschaden handele. Hinsichtlich der Wirbelsäulenbeschwerden sei nach der von Dr. E. in Bezug genommenen Arbeit von Krämer/Heisel/Ulrich bedeutungsvoll vor allem die Frage, ob eine fixierte Seitverbiegung der Lendenwirbelsäule bestehe. Eine wesentlich fixierte Seitverbiegung habe Dr. E. bei Auswertung der Röntgenaufnahmen aber nicht beschrieben. Insgesamt sei die MdE weiterhin mit 80 v. H. zu bewerten.
Mit Bescheid vom 23.03.2004 lehnte die Beklagte die Erhöhung der Verletztenrente ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Versicherten (u.a.: seit 06.10.2001 sitze er im Rollstuhl, vorher habe er zum Teil noch Prothese tragen und mit Unterarmkrücken gehen können) wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07.07.2004 zurück.
Hiergegen hat der Versicherte am 20.07.2004 Klage zum Sozialgericht Ulm erhoben und sich auf das Gutachten des Dr. E. berufen. Das Sozialgericht hat ein Gutachten von dem Orthopäden Dr. H. eingeholt. Dieser hat einen Zustand nach Oberschenkelamputation links mit gelegentlichen Stumpf- und Phantomschmerzen, ein chronisches lumbales Schmerzsyndrom bei fortgeschrittenen diffusen Verschleißerscheinungen der gesamten lumbalen und unteren thorakalen Bewegungssegmente sowie einem leichten Vorwärtsgleiten auf dem 5. Lendenwirbelkörper, eine fortgeschrittene Arthrose des rechten Kniegelenkes mit Streckdefizit und verminderter mechanischer Belastbarkeit, schmerzhafte Bewegungsstörungen im linken Schultergelenk bei fortgeschrittener Schultereckgelenksarthrose und entzündlichen Veränderungen unter dem Schulterdach mit Verkalkungen sowie mäßiggradige Bewegungsstörungen im linken Ellenbogen nach knöchern solide ausgeheilter Luxationsfraktur und radiologisch massiver Arthrose im linken Ellenbogengelenk diagnostiziert. Das beschriebene Wirbelgleiten sei unfallunabhängig. Hinsichtlich der Verschleißerscheinungen der gesamten Wirbelsäule erscheine es gerechtfertigt, im Wesentlichen die Wirbelsäulenbeschwerden als indirekte Unfallfolge anzusehen. Die Literatur (Disabil Rehabil. 2004 Jul 8; 26 (13): 794-7, Clin Orthop Relat Res. 1999 Apr; (361):29-38) beschreibe eine deutliche Häufung von Rückenschmerzen bei amputierten Patienten im Vergleich zur Normalbevölkerung. Auch hinsichtlich einer nachfolgenden Kniearthrose auf der nicht amputierten Seite beschreibe die Literatur ein erhöhtes Risiko (J Rheumatol. 2001 Jan; 28(1):169-72). Darüber hinaus werde aber auch eine deutliche Zunahme von subjektiven Beschwerden im Knie des nicht amputierten Beines beschrieben (Arch Phys Med Rehabil. 2005 Mar; 86(3):478-93). Selbst wenn unfallunabhängige Faktoren zur Arthrose des rechten Knies geführt hätten, habe die Amputation doch mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu geführt, dass funktionell bedeutsame Beschwerden aufgetreten seien. Als unfallunabhängig seien hingegen die Schulterprobleme zu beurteilen. Insgesamt hat Dr. H. die MdE mit 90 v. H. bewertet.
Dem ist die Beklagte unter Vorlage von Stellungahmen des Chirurgen Dr. R. , S. Klinikum M. , entgegengetreten. Dieser hat ausgeführt, die von Dr. H. genannten Studien seien nicht geeignet, für den Einzelfall ohne Kausalitätsbeurteilung Wertigkeit zu erlangen. Sowohl die Gonarthrose als auch degenerativ bedingte Wirbelsäulenbeschwerden nähmen in der Gesamtbevölkerung zu. Ungeachtet dessen deuteten die Erfahrungen und Untersuchungen darauf hin, dass der Anteil an Patienten mit derartigen Beschwerden nach Amputation großer unterer Gliedmaßenabschnitte höher anzusiedeln sei, als in der Normalbevölkerung. Deshalb sei es erforderlich, Anknüpfungstatsachen zu eruieren. Solche seien bei dem Versicherten nicht zu erkennen. Selbst wenn ein kausaler Zusammenhang der Wirbelsäulenbeschwerden mit den Unfallfolgen angenommen würde, sei die von Dr. H. insoweit geschätzte MdE mit 30 v. H. zu hoch gegriffen, diese würde allenfalls hälftig Gewicht erlangen.
Mit Urteil vom 15.11.2006 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.03.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.07.2004 verurteilt, der Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin des verstorbenen Versicherten Verletztenrente nach einer MdE um 90 v. H. für den Zeitraum vom 01.12.2002 bis 31.05.2006 zu zahlen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, nach den überzeugenden Ausführungen des Dr. H. seien Folge des Arbeitsunfalls erhebliche Schmerzzustände im Bereich der lumbalen Wirbelsäule, die letztlich von einer Überlastung durch Fehlbelastungen des Achsorganes im Rahmen der Amputation herrührten. Dr. H. habe sich bei seiner Einschätzung auf neueste medizinische Forschungsergebnisse stützen können, die gezeigt hätten, dass bei amputierten Patienten im Vergleich zur Normalbevölkerung eine deutliche Häufung von schmerzbedingten Rückenbeschwerden festzustellen sei. Auch Prof. Dr. W. habe in dem im März 1976 erstatteten Gutachten ausgeführt, dass es auf Grund der Unfallfolgen zu einer vermehrten Beanspruchung im unteren Lendenwirbelsäulenbereich komme und eine richtunggebende Verschlimmerung einer anlagebedingten Spondylose als Unfallfolge gesehen. Zu dem selben Ergebnis sei Dr. E. gelangt. Auch im Hinblick auf die Kniearthrose seien die Ausführungen des Dr. H. überzeugend. Danach bestehe nachweisbar ein erhöhtes Risiko von 200 % für eine nachfolgende Kniearthrose auf der nicht amputierten Seite sowie eine deutliche Zunahme von subjektiven Beschwerden im Knie des nicht amputierten Beines. Für die Bemessung der MdE sei hinsichtlich der Oberschenkelamputation mit kurzem Stumpf von einer Teil-MdE von 70 v. H., für die lumbalen Rückenbeschwerden von einer Teil-MdE um 30 v. H., für die Kniearthrose rechts mit Instabilität von einer Teil-MdE um 30 v. H. und für die Ellenbogengelenksarthrose links von einer Teil-MdE um 10 v. H. auszugehen. Hieraus ergebe sich nach integrierender Gesamtbetrachtung, wie Dr. H. dargelegt habe, eine Gesamt-MdE um 90 v. H.
Gegen das ihr am 25.01.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 05.02.2007 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, das Sozialgericht verkenne, dass die von Dr. H. zitierte Literatur nicht dem allgemein anerkannten und in der entsprechenden Fachliteratur veröffentlichten medizinisch-wissenschaftlichen Kenntnisstand entspreche. In der allgemein anerkannten medizinischen Fachliteratur (z. B. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S. 761/762) werde als mögliche mittelbare Unfallfolge eine fixierte Seitverbiegung der Lendenwirbelsäule beschrieben. Obwohl Dr. H. von einem derartigen Befund nicht ausgehe, komme er entgegen der herrschen Lehrmeinung zu dem Ergebnis, dass die unspezifischen Rückenbeschwerden des Versicherten unmittelbar ursächlich auf den Wegeunfall zurückzuführen seien. Gegen einen ursächlichen Zusammenhang spreche auch, dass die komplette Wirbelsäule massiv degenerativ verändert sei. Auch die Auffassung des Dr. H. hinsichtlich der Kniebeschwerden seien nicht überzeugend. In der allgemein anerkannten Fachliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O. S. 760) werde ausgeführt, dass bei Amputierten 15 bis 20 % weniger Arthrosen am unverletzten Bein als bei nicht Amputierten festgestellt würden. Auch die Ausführungen des Dr. H. , er bewerte im Wesentlichen nicht die bildtechnisch nachgewiesenen Schadensbilder als mittelbare Unfallfolgen, sondern nur die subjektiven Beschwerden des Versicherten, könne nicht überzeugen, da Dr. H. nicht in der Lage sei, den Beschwerden objektivierbare klinische Befunde zuzuordnen. Das Sozialgericht habe übersehen, dass Prof. Dr. W. zwar die Auffassung vertreten habe, dass eine richtunggebende Verschlimmerung der anlagebedingten Spondylose gegeben sei, Prof. Dr. W. habe aber weiter ausgeführt, dass eine fortdauernde - gemeint sei wohl eine fortschreitende - richtunggebende Verschlimmerung nicht bestünde. Ferner habe das Sozialgericht nicht berücksichtigt, dass bereits bei der MdE-Einschätzung vom 80 v. H. unter Berücksichtigung des Gutachtens von Prof. Dr. W. anteilig Wirbelsäulenbeschwerden berücksichtigt worden seien. Letztlich habe das Sozialgericht auch die von Dr. H. genannten Literaturangaben nicht korrekt wiedergegeben. So habe Dr. H. geschildert, dass nach der von ihm zitierten Literatur einerseits das Arthroserisiko nach Amputation auf der nicht betroffenen Seite um ca. 30 % steige, unabhängig von nachweisbaren Arthrosen aber vermehrt Kniebeschwerden mit einer Risikoerhöhung gegenüber Gesunden von ca. 200 % auftreten würden. Das Sozialgericht gehe aber fälschlicherweise von einem über 200 % Arthroserisiko aus.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 15.11.2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet. Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, der Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin für die Zeit vom 01.12.2002 bis 31.05.2006 höhere Verletztenrente zu zahlen.
Rechtsgrundlage des klägerischen Begehrens ist § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch. Danach (Abs. 1 Satz 1) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung - hier der bestandskräftige Bescheid vom 25.07.1976 über die Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE um 80 v.H. - für die Zukunft aufzuheben, soweit sich die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, ändern.
Eine derartige wesentliche Änderung vermag der Senat nicht zu bejahen. Dem Versicherten stand insbesondere kein höherer Rentenanspruch zu.
Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch richtet sich auch nach Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 01.01.1997 nach den bis dahin geltenden Vorschriften der RVO; denn nach § 212 SGB VII gilt das neue Recht grundsätzlich erst für Versicherungsfälle, die nach dem 31.12.1996 eingetreten sind. Einer der Ausnahmetatbestände nach §§ 213 ff SGB VII ist nicht gegeben.
Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung wird gemäß § 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO in der dem Grad der Erwerbsminderung entsprechenden Höhe gewährt, wenn und solange ein Verletzter infolge des Arbeitsunfalls in seiner Erwerbsfähigkeit um wenigstens ein Fünftel gemindert ist und diese Minderung der Erwerbsfähigkeit über die 13. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus andauert (§ 580 Abs. 1 RVO). Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch einen früheren Versicherungsfall Anspruch auf Rente (§ 581 Abs. 3 Satz 1 RVO). Die Folgen eines Arbeitsunfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern (§ 581 Abs. 3 Satz 2 RVO). Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (so jetzt ausdrücklich § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII, mit dessen Inkrafttreten die früheren Kriterien zur Bemessung der MdE nach der RVO übernommen worden sind, vgl. BSG, Urteil vom 18.03.2003, B 2 U 31/02 R). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Der Versicherte erlitt - dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig - in Folge des Arbeitsunfalls vom 11.08.1951 einen Verlust des linken Beines im oberen Drittel des Oberschenkels und eine - knöchern fest verheilte - Fraktur des linken Ellenbogengelenks. Wegen dieser Unfallfolgen und unter Berücksichtigung einer "Wirbelsäulenveränderung" gewährte die Beklagte dem Versicherten zuletzt eine Verletztenrente nach einer MdE um 80 v. H. Weitere Unfallfolgen, die eine Erhöhung der MdE rechtfertigen würden, sind nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit anzunehmen. Dies geht nach dem im Sozialrecht geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten der Klägerin.
Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Andernfalls ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Gab es neben der versicherten Ursache noch andere, konkurrierende Ursachen (im naturwissenschaftlichen Sinn), z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, sofern die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine überwiegende oder auch nur gleichwertige Bedeutung der versicherten gegenüber der konkurrierenden Ursache ist damit für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht Voraussetzung.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Ob die Wirbelsäulenbeschwerden des Versicherten auf das streitgegenständliche Ereignis zurückzuführen sind, wovon das Sozialgericht unter Bezugnahme auf das Gutachten des Dr. H. und des Prof. Dr. W. ausgegangen ist, lässt der Senat offen. Denn auch wenn die Beschwerden des Versicherten im Bereich der Lendenwirbelsäule als Unfallfolgen angesehen werden, rechtfertigt dies keine höhere MdE als 80 v. H. Der Verlust des linken Oberschenkels mit kurzem Stumpf rechtfertigt - so auch das Sozialgericht und der im erstinstanzlichen Verfahren gehörte Sachverständige Dr. H. - nach der medizinisch-wissenschaftlichen Fachliteratur (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, S. 691) eine MdE um 70 v. H. Bei unfallbedingten Sekundärschäden an der Wirbelsäule sieht die medizinisch-wissenschaftliche Fachliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 695) bei amputationsbedingt fixierter Skoliose eine Höherbewertung der MdE um 10 v. H. als vertretbar an. Auch wenn bei dem Versicherten nach keinem der eingeholten Gutachten eine fixierte Skoliose bestand, gewährte die Beklagte dem Versicherten ausgehend von dem Gutachten des Prof. Dr. W. wegen einer von diesem angenommenen richtunggebenden Verschlimmerung einer anlagebedingten Spondylolyse und -olisthese L4/5 auf Grund der Unfallfolgen einer Verletztenrente nach einer MdE um 80 v. H. ab 14.12.1975 (Bescheid vom 25.06.1976). Dies bedeutet, dass in die der Verletztenrente zu Grunde liegende MdE bereits Wirbelsäulenbeschwerden eingeflossen sind und zu einer Erhöhung der MdE um 10 v. H. geführt haben. Eine höhere Bewertung der MdE auf Grund der Wirbelsäulenbeschwerden kommt ausgehend von der oben genannten medizinisch-wissenschaftlichen Fachliteratur nicht in Betracht. Eine solche ist auch nicht unter Berücksichtigung des Gutachtens des im erstinstanzlichen Verfahren gehörten Sachverständigen Dr. H. gerechtfertigt. Dieser hat zwar die Beschwerden der Lendenwirbelsäule mit einer Teil-MdE von 30 v. H. bewertet, für die von ihm geschätzte Gesamt-MdE um 90 v. H. allerdings neben der Oberschenkelamputation mit einer Teil-MdE um 70 v. H. und einer Ellenbogengelenksarthrose mit einer Teil-MdE um 10 v. H. noch eine fortgeschrittene Kniearthrose mit Instabilität mit einer Teil-MdE um 30 v. H. berücksichtigt. Daraus wird deutlich, dass auch der im erstinstanzlichen Verfahren gehörte Sachverständige Dr. H. hinsichtlich des Erhöhungsanteils der Wirbelsäulenbeschwerden in Bezug auf die Gesamt-MdE nicht von dem in der medizinisch-wissenschaftlichen Literatur angegebenen Wert von 10 v. H. abweichen wollte. Lediglich ergänzend ist anzumerken, das Dr. H. seine Auffassung, die Wirbelsäulenbeschwerden seien auf die Unfallfolgen zurückzuführen im Wesentlichen mit einer in der Literatur beschriebenen deutlichen Häufung von Rückenschmerzen bei amputierten Patienten im Vergleich zur Normalbevölkerung begründet hat. Damit hat Dr. H. jedoch nur die Möglichkeit eines Unfallzusammenhangs dargelegt, ohne dies bezogen auf den konkreten Fall des Versicherten näher zu begründen. Dies reicht zur Feststellung des Ursachenzusammenhangs zwischen Unfallereignis und Unfallfolgen nicht aus, denn dieser muss positiv festgestellt werden (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).
Die Kniearthrose rechts kann entgegen der Auffassung des Sozialgerichts nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das streitgegenständliche Ereignis zurückgeführt werden. Das Sozialgericht hat sich für seine Auffassung auf die Ausführungen von Dr. H. gestützt und ist dabei, wie die Beklagte mit der Berufung zu Recht geltend gemacht hat, zu Unrecht davon ausgegangen, dass Dr. H. dargelegt habe, nach der neuesten medizinischen Fachliteratur sei das Risiko für eine nachfolgende Kniearthrose auf der nicht amputierten Seite um über 200 % erhöht. Dr. H. hat jedoch nicht von einem um 200 % erhöhten Risiko einer Kniearthrose, sondern von einem über 200 % erhöhten Risiko vermehrter Kniebeschwerden gegenüber Gesunden referiert, hingegen die Erhöhung des Risikos einer Arthrose auf der nicht betroffenen Seite mit (lediglich) ca. 30 % beziffert. Auch insoweit hat Dr. H. lediglich eine statistische Risikoerhöhung für die Entstehung einer Kniegelenksarthrose und somit wiederum nur die Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem streitgegenständlichen Ereignis und der Kniegelenksarthrose beschrieben. Da der Ursachenzusammenhang jedoch, wie erwähnt, positiv begründet werden muss (BSG, Urteil vom 09.05.2006, a.a.O.), reicht dies nicht aus, den Zusammenhang zwischen der Kniearthrose und dem streitgegenständlichen Ereignis hinreichend wahrscheinlich zu machen.
Gleiches gilt auch für das von Dr. H. angenommene erhöhte Risiko der Entstehung von Kniebeschwerden unabhängig von nachweisbaren Arthrosen mit über 200 %. Darüber hinaus stehen die Kniebeschwerden, wovon auch Dr. H. in seinem Gutachten ausgegangen ist, im Zusammenhang mit der Arthrose, die Dr. H. als Unfallfolge bezeichnet hat. Damit spielt im vorliegenden Fall das von Dr. H. beschriebene Risiko der Entstehung von Kniebeschwerden unabhängig von einer bestehenden Arthrose keine Rolle, eben weil die Beschwerden des Versicherten nicht unabhängig von der Kniearthrose bestanden.
Allerdings hat auch der Beratungsarzt der Beklagten, Dr. R. , in seiner Stellungnahme zum Gutachten des Dr. H. und entgegen den von der Beklagten in Bezug genommenen Ausführung in der medizinisch wissenschaftlichen Fachliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S. 760 bzw. nunmehr 8. Auflage, S. 693/694), wonach bei Amputierten weniger Arthrosen am unverletzten Bein gefunden wurden, als bei nicht Amputierten, ausgeführt, dass die Erfahrungen und Untersuchungen darauf hindeuteten, dass der Anteil an Patienten mit Gonarthrosebeschwerden nach Amputation großer unterer Gliedmaßenabschnitte höher anzusiedeln sei, als in der Normalbevölkerung. Dr. R. hat insoweit allerdings zutreffend ausgeführt, dass allein dies, im Hinblick auf die mit der steigenden Lebenserwartung ansteigende Inzidenz von Gonarthrosen in der Gesamtbevölkerung nicht ausreicht, um für den Einzelfall ohne Kausalitätsbeurteilung Wertigkeit zu erlangen. Dr. R. hat zutreffend das Vorhandensein sogenannter Anknüpfungstatsachen zwischen dem Verlust des linken Beines im Oberschenkel und der Entstehung der Gonarthrose für erforderlich gehalten. Insoweit hat Dr. R. nachvollziehbar dargelegt, dass bei dem Versicherten erhebliche Gesichtspunkte gegen das Auftreten einer unfallbedingten Entwicklung der Gonarthrose des rechten Kniegelenks sprechen. So lag - so Dr. R. - eine Beinachsenabweichung im Sinne eines deutlichen O-Beines vor, darüber hinaus ist, wie Dr. R. dargelegt hat, die geringere Belastung des Beines durch die Einschränkung der Gesamtbelastung eines amputierten Patienten wie auch das im Lebensalter des Versicherten nicht untypische Auftreten der Arthrose im Kniegelenk zu berücksichtigen. Insoweit hat Dr. R. in Übereinstimmung mit der medizinisch-wissenschaftlichen Fachliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, 8. Auflage, a. a. O., S. 694), wonach bei schlechter prothetischer Versorgung und erheblicher Fehlbelastung über viele Jahre bei einem passenden biomechanischen Degenerationsmuster zur Fehlbelastung im Einzelfall von einem Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der Entstehung der Gonarthrose ausgegangen kann, dargelegt, dass das sich erst im höheren Alter des Versicherten entwickelnde arthrotische, medial betonte Leiden des Kniegelenks eher gegen einen Kausalzusammenhang spricht. Soweit Dr. R. außerdem ausgeführt hat, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass durch die Langjährigkeit der bei dem Versicherten bestehenden Amputation eine indirekte Mitwirkung hinsichtlich der bestehenden Veränderung und Funktionsdefizite gegeben gewesen sei, ist dies, wie Dr. R. ebenfalls zutreffend dargelegt hat, nicht ausreichend, um den Kausalzusammenhang mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit positiv zu begründen.
Soweit der im Verwaltungsverfahren gehörte Gutachter Dr. E. hinsichtlich der Kniegelenksarthrose auf Grund der ungünstigen Stumpfverhältnisse und der Unmöglichkeit, eine Prothese zu tragen eine richtunggebende Verschlimmerung der anlagebedingten Kniegelenkarthrose angenommen hat, hat der im Verwaltungsverfahren gehörte Beratungsarzt der Beklagten, Dr. S. , überzeugend dargelegt, dass die radiologischen Befunde (varische Beinachse, erhebliche Verschmälerung des medialen Gelenkspalts, osteophytäre Anbauten und Zystenbildung im Bereich des medialen Femurkondylus, Kalzifikationen im Bereich des medialen Meniskus, Sklerosierung und Aufbrauch des Gelenkspalts lateralseitig) sowie das erhebliche Übergewicht des Versicherten und die Nutzung eines Rollstuhls durch den Versicherten seit Oktober 2001 dafür sprechen, dass die Kniegelenksarthrose wesentlich durch unfallunabhängige Faktoren bedingt wurde.
Insgesamt kann damit nicht hinreichend wahrscheinlich gemacht werden, dass die bei dem Versicherten bestehende Arthrose des rechten Kniegelenks auf die Unfallfolgen in Form einer amputationsbedingten Fehlbelastung ganz bzw. teilweise zurückzuführen ist. Dies geht nach dem im Sozialrecht geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (vgl. oben) zu Lasten der Klägerin.
Für die Bildung der Gesamt-MdE verbleibt es damit bei dem Verlust des linken Oberschenkels mit kurzem Stumpf, den bereits erhöhend berücksichtigten Wirbelsäulenbeschwerden und der Arthrose des linken Ellenbogengelenks.
Hat ein Arbeitsunfall Schäden an mehreren Körperteilen gebracht, so ist die MdE im Ganzen zu würdigen. Dabei ist entscheidend eine "Gesamtschau" der "Gesamteinwirkung" aller einzelnen Schäden auf die Erwerbsfähigkeit (BSG, Beschluss vom 24.11.1988, 2 BU 139/88 unter Hinweis auf Rechtsprechung zum Schwerbehindertenrecht). Dementsprechend sind mathematische Formeln kein rechtlich zulässiges oder gar gebotenes Beurteilungsmittel zur Feststellung der Gesamt-MdE (BSG, Urteil vom 15.03.1979, 9 RVs 6/77 in SozR 3870 § 3 Nr. 4), vielmehr muss bei der Gesamtbeurteilung bemessen werden, wie im Einzelfall die durch alle Störungen bedingten Funktionsausfälle, teilweise einander verstärkend, gemeinsam die Erwerbsfähigkeit beeinträchtigen (BSG, a. a. O.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist, auch unter Berücksichtigung der Ellenbogengelenksarthrose, die Dr. H. unter Heranziehung der medizinisch-wissenschaftlichen Fachliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., 7. Auflage, S. 610; nunmehr 8. Auflage, S. 530) nachvollziehbar und weder von der Klägerin noch der Beklagten angegriffen mit 10 v. H. bewertet hat, keine weitere Erhöhung der Gesamt-MdE gerechtfertigt, zumal der Versicherte bei der Untersuchung durch Dr. H. angegeben hat, im Bereich des linken Ellenbogens keine gravierenden Probleme zu haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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