Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 2515/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2003/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 17. Dezember 2009 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Der Antrag der Klägerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Die bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Klägerin begehrte ursprünglich die Befreiung von Zuzahlungen für die Kalenderjahre 2005 bis 2007 nach § 62 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Ihren Antrag vom 1. November 2007 lehnte die Beklagte, nachdem sie anteilig die Zuzahlungen erstattet hatte, mit Bescheid vom 04. Dezember 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. März 2008 ab. Eine Nachzahlung in Höhe von 248,40 EUR sei nicht möglich.
Deswegen hat die Klägerin am 20. Mai 2008 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und gleichzeitig den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Mit Beschluss vom 4. März 2008 lehnte das SG den Antrag wegen fehlender Eilbedürftigkeit ab (S 1 KR 678/08 ER). Die Beklagte anerkannte mit Schreiben vom 11. Juli 2008 den Anspruch auf Erstattung von den im Zeitraum vom 01. Januar 2005 bis 02. August 2007 durch die Klägerin erbrachten Zuzahlungen und verpflichtete sich zur Tragung der außergerichtlichen Kosten dem Grunde nach. Daraufhin machte die Klägerin mit Schreiben vom 04. August 2008 geltend, die Beklagte habe zwar am 31. Juli 2008 die von ihr geleisteten Zuzahlungen in Höhe von 213,70 EUR für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis 02. August 2007 ebenso wie die Zahlungen für das Jahr 2004 in Höhe von 157,86 EUR am 05. Juli 2008 erstattet. Die Beklagte müsse aber noch Zinsen in Höhe von insgesamt 23,90 EUR zahlen (Bl 17 SG-Akte) und außerdem ihre außergerichtlichen Kosten, die sie mit 345,20 EUR bezifferte, erstatten. Wenn weniger als die beantragten außergerichtlichen Kosten anerkannt oder bezahlt würden, behalte sie sich eine Schadensersatzklage in Höhe von ca 2.600 EUR vor. Nach dem Hinweisschreiben des SG vom 7. August 2008 hat die Klägerin mit weiterem Schreiben vom 13. August 2008 mitgeteilt, dass sich ihre Hauptforderung erledigt habe. Den Antrag auf Verzugszinsen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Oktober 2008 mit der Begründung ab, zu verzinsen seien Geldleistungen. Zuzahlungen seien aber keine Geldleistungen.
Das SG hat den Antrag der Klägerin daraufhin sinngemäß so ausgelegt, dass nur noch die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Verzugszinsen in Höhe von 23,90 EUR streitig sind. Mit Urteil vom 17. Dezember 2009, der Klägerin zugestellt am 19. März 2010, hat das SG nach der mündlichen Verhandlung vom gleichen Tag die Klage mit der Begründung zurückgewiesen, zu verzinsen seien nach § 44 Abs 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) lediglich Ansprüche auf einmalige und wiederkehrende Geldleistungen, Vorschüsse und vorläufige Geldleistungen. Einen allgemeinen öffentlich-rechtlichen Verzinsungsanspruch gebe es nicht. Vielmehr sei der Gesetzgeber befugt, bestimmte Leistungen von der Verzinsungspflicht auszunehmen. Dies sei bei der Klägerin der Fall, bei der es um Rückerstattung zu Unrecht erbrachter Zuzahlungen gehe, mithin nicht um einen Anspruch auf eine Sozialleistung im Sinne des § 11 SGB I.
Die Klägerin hat hiergegen mit Schreiben vom 19. April 2010, beim SG eingegangen am 20. April 2010, Berufung mit der Begründung eingelegt, sie sei über die öffentliche Sitzung erst mit dem Urteil und damit unzureichend und verspätet informiert worden. Das SG habe ignoriert, dass sie am 04. August 2008 auch ihre Schadensersatzansprüche mit 2.603,- EUR geltend gemacht habe. Auch müssten ihre Verzugszinsen mit 15,75 % berechnet werden. Es ginge ihr mit der Berufung insgesamt noch um weitere 2.708,20 EUR zuzüglich weiterer Zinsen (bis heute über 760,37 EUR). In der Hauptsache ginge es ihr um die Kosten und den Schadensersatz, der von der Beklagten aufgrund ihres zu späten Anerkenntnisses zu ersetzen sei. Es sei ihr keine gesetzliche Regelung bekannt, wonach eine Krankenkasse nicht zum Schadensersatz verpflichtet wäre. Das Urteil sei ihr erst über dreizehn Wochen nach der Verkündung zeitgleich mit der Niederschrift über die mündliche Verhandlung zugestellt worden. Sie hätte das Berufungsschreiben erst am 19. April 2010 gegen 21.00 Uhr fertiggestellt. Eine frühere Erstellung sei ihr aufgrund einer Vielzahl anderer gerichtlicher und behördlicher Termine und Fristen leider nicht möglich gewesen. Die geplante Zusendung vorab per Fax sei an diesem Abend nicht möglich gewesen, da ihr Faxgerät eine unerwartete Funktionsstörung gehabt habe, die erst am Dienstagabend danach hätte behoben werden können. Ein Versandt per Post sei zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich gewesen. Sie habe von Montagabend bis Dienstagmittag über kein Fahrzeug verfügt. Deswegen müsse ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden (Antrag vom 29. Juni 2010).
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 17. Dezember 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Oktober 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr 2.708,20 EUR zzgl Zinsen nach einem banküblichen Zinssatz von 15,25 % zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise sie zurückzuweisen.
Der Senat hat die Klägerin mit Schreiben vom 29. April 2010 auf das Versäumnis der Berufungsfrist hingewiesen. Die Klägerin hat mit Schreiben vom 29. Juni 2010 erklärt, dass sie dieses Schreiben erhalten hat. Mit weiterem Schreiben vom 04. Juni 2010 hat der Senat ferner den Beteiligten Gelegenheit gegeben, sich zu einer beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss nach § 158 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu äußern. Das Schreiben ist der Klägerin am 10. Juni 2010 zugestellt worden. Sie hat sich hierzu mit Schreiben vom 22. Juni 2010 geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist unzulässig, da sie weder fristgerecht eingelegt wurde, noch die nach § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG erforderliche Berufungssumme von 750,- EUR erreicht wird. Der Senat konnte nach § 158 Satz 2 SGG durch Beschluss entscheiden, da die Berufung als unzulässig zu verwerfen ist. Den Beteiligten wurde auch Gelegenheit zur Äußerung zu der beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss eingeräumt.
Die Berufung ist nach § 151 Abs 1 SGG innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufung der Klägerin ist verfristet eingegangen. Denn das Schreiben der Klägerin vom 19. April 2010 ging erst am 20. April 2010 und damit nach Ablauf der einmonatigen Berufungsfrist ein. Die gesetzlich eingeräumten Rechtsmittelfristen dürfen voll, und zwar bis zum letzten Tag und in diesem Rahmen bis zur äußersten Grenze ausgeschöpft werden. Der Rechtsmittelführer darf die Bearbeitung auch noch für den letzten Tag der Frist vorsehen, wenn er die fristwahrende Handlung noch rechtzeitig vornehmen kann. Allerdings trifft ihn bei voller Ausschöpfung der Frist eine erhöhte Sorgfaltspflicht, darauf zu achten, dass die Übermittlung noch rechtzeitig und wirksam innerhalb der Frist erfolgt.
Zur Überzeugung des Senats hat die Klägerin keinen Entschuldigungsgrund geltend gemacht, der eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 67 Abs 1 SGG rechtfertigen würde. Nach dieser Vorschrift ist einem Verfahrensbeteiligten, der ohne Verschulden gehindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zwar muss ein Beteiligter keine besondere Vorsorge für einen plötzlichen Ausfall seines Telefaxgerätes treffen (vgl BSG, Urteil vom 31. März 1993 - 13 RJ 9/92 = SozR 3-1500 § 67 Nr 7). Die Klägerin hätte aber ohne weiteres noch gegen 21:00 Uhr mit öffentlichen Verkehrsmitteln das Berufungsschreiben vom 19. April 2010 in den Briefkasten des SG befördern können. Die Bus- und Bahnverbindung nach Freiburg hätte ihr um diese Uhrzeit noch einen Anschluss mit Bus oder Bahn ermöglicht. Allein um 21:00 Uhr hätte sie drei verschiedene Verbindungen mit einer Fahrzeit von 14 bzw 19 min benutzen können.
Dessen ungeachtet hat die Klägerin den Antrag auf Wiedereinsetzung nicht rechtzeitig gestellt. Sowohl der Antrag wie auch die Nachholung der versäumten Rechtshandlung sind nämlich nach § 67 Abs 2 Satz 1 binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen, wobei eine Rechtsbehelfsbelehrung für die Antragsfrist nicht erforderlich ist (Meyer-Ladewig ua, Kommentar zum SGG, 9. Auflage 2008, § 67 Rdnr 11). Die Klägerin wurde vom Senat mit Schreiben vom 29. April 2010 auf die Versäumung der Berufungsfrist hingewiesen. Sie hat dieses Schreiben auch erhalten, wie sie mit Schreiben vom 29. Juni 2010 bestätigt hat. Somit wurde der Antrag vom 29. Juni 2010 erst nach Ablauf der einmonatigen Frist und damit verspätet gestellt. Die insoweit prozesserfahrene Klägerin (vgl Beschluss des erkennenden Senats vom 31. Mai 2005 - L 11 KR 2515/08 PKH-B) wusste, dass sie den Wiedereinsetzungsantrag innerhalb der Frist von einem Monat zu stellen hat. Auch aus diesem Grund war der Klägerin keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Die Berufung ist schließlich auch nicht statthaft. Zwar hat die Klägerin ihren Anspruch mit Schreiben vom 29. Juni 2010 mit 2.708,20 EUR beziffert. Im erstinstanzlichen Verfahren hat sie aber lediglich - zuletzt mit Schreiben vom 13. August 2008 - Zinsen in Höhe von insgesamt 23,90 EUR begehrt. Das SG hat den Antrag daher folgerichtig - nachdem die Klägerin die ursprüngliche Hauptsache für erledigt erklärt hat - nach § 106 Abs 1 SGG entsprechend ausgelegt. Hierauf war die Klägerin auch durch das gerichtliche Aufklärungsschreiben vom 7. August 2008 hingewiesen worden. In dem angefochtenen Urteil hat das SG somit lediglich über Verzugszinsen in Höhe von 23,90 EUR entschieden. Dies ist der streitgegenständliche Anspruch, an dem sich die Berufungssumme orientiert und die unzweifelhaft dazu führt, dass die Berufung nicht statthaft ist. Soweit das Anliegen der Klägerin als Klageerweiterung um den - erstinstanzlich nicht geltend gemachten, da lediglich vorbehalten - Schadensersatzanspruch zu verstehen ist, so kann der Senat hierüber nur auf Klage, nicht aber durch Berufung entscheiden. Für diese Klage wäre aber das Landgericht Freiburg zuständig.
Die Berufung wäre auch unbegründet. Denn bei der Erstattung von Zuzahlungen handelt es sich, wie das SG zu Recht entschieden hat, nicht um eine Geldleistung im Sinne des § 44 SGB I. Durch § 44 SGB I ist für den Bereich des Leistungsrechts eine abschließende Regelung getroffen worden, der die Geltendmachung höherer Zinsen (auch) wegen Verzugs auf der Grundlage des § 288 Zivilprozessordnung ausschließt (BSG SozR 3-7610 § 291 Nr. 1).
Die Berufung war aber bereits als unzulässig zu verwerfen, wobei die Kostenentscheidung auf §§ 158, 193 SGG beruht.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe nach §§ 158 Satz 3, 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
III.
Da die Berufung als unzulässig nach § 158 SGG zu verwerfen war, hat die Klägerin mangels Erfolgsaussicht nach § 73 a SGG iVm § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) auch keinen Anspruch auf die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das anhängige Berufungsverfahren.
Dieser Beschluss ist nach § 177 SGG unanfechtbar.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Der Antrag der Klägerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Die bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Klägerin begehrte ursprünglich die Befreiung von Zuzahlungen für die Kalenderjahre 2005 bis 2007 nach § 62 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Ihren Antrag vom 1. November 2007 lehnte die Beklagte, nachdem sie anteilig die Zuzahlungen erstattet hatte, mit Bescheid vom 04. Dezember 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. März 2008 ab. Eine Nachzahlung in Höhe von 248,40 EUR sei nicht möglich.
Deswegen hat die Klägerin am 20. Mai 2008 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und gleichzeitig den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Mit Beschluss vom 4. März 2008 lehnte das SG den Antrag wegen fehlender Eilbedürftigkeit ab (S 1 KR 678/08 ER). Die Beklagte anerkannte mit Schreiben vom 11. Juli 2008 den Anspruch auf Erstattung von den im Zeitraum vom 01. Januar 2005 bis 02. August 2007 durch die Klägerin erbrachten Zuzahlungen und verpflichtete sich zur Tragung der außergerichtlichen Kosten dem Grunde nach. Daraufhin machte die Klägerin mit Schreiben vom 04. August 2008 geltend, die Beklagte habe zwar am 31. Juli 2008 die von ihr geleisteten Zuzahlungen in Höhe von 213,70 EUR für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis 02. August 2007 ebenso wie die Zahlungen für das Jahr 2004 in Höhe von 157,86 EUR am 05. Juli 2008 erstattet. Die Beklagte müsse aber noch Zinsen in Höhe von insgesamt 23,90 EUR zahlen (Bl 17 SG-Akte) und außerdem ihre außergerichtlichen Kosten, die sie mit 345,20 EUR bezifferte, erstatten. Wenn weniger als die beantragten außergerichtlichen Kosten anerkannt oder bezahlt würden, behalte sie sich eine Schadensersatzklage in Höhe von ca 2.600 EUR vor. Nach dem Hinweisschreiben des SG vom 7. August 2008 hat die Klägerin mit weiterem Schreiben vom 13. August 2008 mitgeteilt, dass sich ihre Hauptforderung erledigt habe. Den Antrag auf Verzugszinsen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Oktober 2008 mit der Begründung ab, zu verzinsen seien Geldleistungen. Zuzahlungen seien aber keine Geldleistungen.
Das SG hat den Antrag der Klägerin daraufhin sinngemäß so ausgelegt, dass nur noch die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Verzugszinsen in Höhe von 23,90 EUR streitig sind. Mit Urteil vom 17. Dezember 2009, der Klägerin zugestellt am 19. März 2010, hat das SG nach der mündlichen Verhandlung vom gleichen Tag die Klage mit der Begründung zurückgewiesen, zu verzinsen seien nach § 44 Abs 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) lediglich Ansprüche auf einmalige und wiederkehrende Geldleistungen, Vorschüsse und vorläufige Geldleistungen. Einen allgemeinen öffentlich-rechtlichen Verzinsungsanspruch gebe es nicht. Vielmehr sei der Gesetzgeber befugt, bestimmte Leistungen von der Verzinsungspflicht auszunehmen. Dies sei bei der Klägerin der Fall, bei der es um Rückerstattung zu Unrecht erbrachter Zuzahlungen gehe, mithin nicht um einen Anspruch auf eine Sozialleistung im Sinne des § 11 SGB I.
Die Klägerin hat hiergegen mit Schreiben vom 19. April 2010, beim SG eingegangen am 20. April 2010, Berufung mit der Begründung eingelegt, sie sei über die öffentliche Sitzung erst mit dem Urteil und damit unzureichend und verspätet informiert worden. Das SG habe ignoriert, dass sie am 04. August 2008 auch ihre Schadensersatzansprüche mit 2.603,- EUR geltend gemacht habe. Auch müssten ihre Verzugszinsen mit 15,75 % berechnet werden. Es ginge ihr mit der Berufung insgesamt noch um weitere 2.708,20 EUR zuzüglich weiterer Zinsen (bis heute über 760,37 EUR). In der Hauptsache ginge es ihr um die Kosten und den Schadensersatz, der von der Beklagten aufgrund ihres zu späten Anerkenntnisses zu ersetzen sei. Es sei ihr keine gesetzliche Regelung bekannt, wonach eine Krankenkasse nicht zum Schadensersatz verpflichtet wäre. Das Urteil sei ihr erst über dreizehn Wochen nach der Verkündung zeitgleich mit der Niederschrift über die mündliche Verhandlung zugestellt worden. Sie hätte das Berufungsschreiben erst am 19. April 2010 gegen 21.00 Uhr fertiggestellt. Eine frühere Erstellung sei ihr aufgrund einer Vielzahl anderer gerichtlicher und behördlicher Termine und Fristen leider nicht möglich gewesen. Die geplante Zusendung vorab per Fax sei an diesem Abend nicht möglich gewesen, da ihr Faxgerät eine unerwartete Funktionsstörung gehabt habe, die erst am Dienstagabend danach hätte behoben werden können. Ein Versandt per Post sei zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich gewesen. Sie habe von Montagabend bis Dienstagmittag über kein Fahrzeug verfügt. Deswegen müsse ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden (Antrag vom 29. Juni 2010).
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 17. Dezember 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Oktober 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr 2.708,20 EUR zzgl Zinsen nach einem banküblichen Zinssatz von 15,25 % zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise sie zurückzuweisen.
Der Senat hat die Klägerin mit Schreiben vom 29. April 2010 auf das Versäumnis der Berufungsfrist hingewiesen. Die Klägerin hat mit Schreiben vom 29. Juni 2010 erklärt, dass sie dieses Schreiben erhalten hat. Mit weiterem Schreiben vom 04. Juni 2010 hat der Senat ferner den Beteiligten Gelegenheit gegeben, sich zu einer beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss nach § 158 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu äußern. Das Schreiben ist der Klägerin am 10. Juni 2010 zugestellt worden. Sie hat sich hierzu mit Schreiben vom 22. Juni 2010 geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist unzulässig, da sie weder fristgerecht eingelegt wurde, noch die nach § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG erforderliche Berufungssumme von 750,- EUR erreicht wird. Der Senat konnte nach § 158 Satz 2 SGG durch Beschluss entscheiden, da die Berufung als unzulässig zu verwerfen ist. Den Beteiligten wurde auch Gelegenheit zur Äußerung zu der beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss eingeräumt.
Die Berufung ist nach § 151 Abs 1 SGG innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufung der Klägerin ist verfristet eingegangen. Denn das Schreiben der Klägerin vom 19. April 2010 ging erst am 20. April 2010 und damit nach Ablauf der einmonatigen Berufungsfrist ein. Die gesetzlich eingeräumten Rechtsmittelfristen dürfen voll, und zwar bis zum letzten Tag und in diesem Rahmen bis zur äußersten Grenze ausgeschöpft werden. Der Rechtsmittelführer darf die Bearbeitung auch noch für den letzten Tag der Frist vorsehen, wenn er die fristwahrende Handlung noch rechtzeitig vornehmen kann. Allerdings trifft ihn bei voller Ausschöpfung der Frist eine erhöhte Sorgfaltspflicht, darauf zu achten, dass die Übermittlung noch rechtzeitig und wirksam innerhalb der Frist erfolgt.
Zur Überzeugung des Senats hat die Klägerin keinen Entschuldigungsgrund geltend gemacht, der eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 67 Abs 1 SGG rechtfertigen würde. Nach dieser Vorschrift ist einem Verfahrensbeteiligten, der ohne Verschulden gehindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zwar muss ein Beteiligter keine besondere Vorsorge für einen plötzlichen Ausfall seines Telefaxgerätes treffen (vgl BSG, Urteil vom 31. März 1993 - 13 RJ 9/92 = SozR 3-1500 § 67 Nr 7). Die Klägerin hätte aber ohne weiteres noch gegen 21:00 Uhr mit öffentlichen Verkehrsmitteln das Berufungsschreiben vom 19. April 2010 in den Briefkasten des SG befördern können. Die Bus- und Bahnverbindung nach Freiburg hätte ihr um diese Uhrzeit noch einen Anschluss mit Bus oder Bahn ermöglicht. Allein um 21:00 Uhr hätte sie drei verschiedene Verbindungen mit einer Fahrzeit von 14 bzw 19 min benutzen können.
Dessen ungeachtet hat die Klägerin den Antrag auf Wiedereinsetzung nicht rechtzeitig gestellt. Sowohl der Antrag wie auch die Nachholung der versäumten Rechtshandlung sind nämlich nach § 67 Abs 2 Satz 1 binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen, wobei eine Rechtsbehelfsbelehrung für die Antragsfrist nicht erforderlich ist (Meyer-Ladewig ua, Kommentar zum SGG, 9. Auflage 2008, § 67 Rdnr 11). Die Klägerin wurde vom Senat mit Schreiben vom 29. April 2010 auf die Versäumung der Berufungsfrist hingewiesen. Sie hat dieses Schreiben auch erhalten, wie sie mit Schreiben vom 29. Juni 2010 bestätigt hat. Somit wurde der Antrag vom 29. Juni 2010 erst nach Ablauf der einmonatigen Frist und damit verspätet gestellt. Die insoweit prozesserfahrene Klägerin (vgl Beschluss des erkennenden Senats vom 31. Mai 2005 - L 11 KR 2515/08 PKH-B) wusste, dass sie den Wiedereinsetzungsantrag innerhalb der Frist von einem Monat zu stellen hat. Auch aus diesem Grund war der Klägerin keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Die Berufung ist schließlich auch nicht statthaft. Zwar hat die Klägerin ihren Anspruch mit Schreiben vom 29. Juni 2010 mit 2.708,20 EUR beziffert. Im erstinstanzlichen Verfahren hat sie aber lediglich - zuletzt mit Schreiben vom 13. August 2008 - Zinsen in Höhe von insgesamt 23,90 EUR begehrt. Das SG hat den Antrag daher folgerichtig - nachdem die Klägerin die ursprüngliche Hauptsache für erledigt erklärt hat - nach § 106 Abs 1 SGG entsprechend ausgelegt. Hierauf war die Klägerin auch durch das gerichtliche Aufklärungsschreiben vom 7. August 2008 hingewiesen worden. In dem angefochtenen Urteil hat das SG somit lediglich über Verzugszinsen in Höhe von 23,90 EUR entschieden. Dies ist der streitgegenständliche Anspruch, an dem sich die Berufungssumme orientiert und die unzweifelhaft dazu führt, dass die Berufung nicht statthaft ist. Soweit das Anliegen der Klägerin als Klageerweiterung um den - erstinstanzlich nicht geltend gemachten, da lediglich vorbehalten - Schadensersatzanspruch zu verstehen ist, so kann der Senat hierüber nur auf Klage, nicht aber durch Berufung entscheiden. Für diese Klage wäre aber das Landgericht Freiburg zuständig.
Die Berufung wäre auch unbegründet. Denn bei der Erstattung von Zuzahlungen handelt es sich, wie das SG zu Recht entschieden hat, nicht um eine Geldleistung im Sinne des § 44 SGB I. Durch § 44 SGB I ist für den Bereich des Leistungsrechts eine abschließende Regelung getroffen worden, der die Geltendmachung höherer Zinsen (auch) wegen Verzugs auf der Grundlage des § 288 Zivilprozessordnung ausschließt (BSG SozR 3-7610 § 291 Nr. 1).
Die Berufung war aber bereits als unzulässig zu verwerfen, wobei die Kostenentscheidung auf §§ 158, 193 SGG beruht.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe nach §§ 158 Satz 3, 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
III.
Da die Berufung als unzulässig nach § 158 SGG zu verwerfen war, hat die Klägerin mangels Erfolgsaussicht nach § 73 a SGG iVm § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) auch keinen Anspruch auf die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das anhängige Berufungsverfahren.
Dieser Beschluss ist nach § 177 SGG unanfechtbar.
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