Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 1743/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 2677/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 12. Mai 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1964 geborene Kläger war bis Mitte des Jahres 2005 als Paketzusteller versicherungspflichtig beschäftigt und bezog im Anschluss bis 17. Juni 2006 Arbeitslosengeld. Danach sind im Versicherungsverlauf vom 13. Februar 2008 noch Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug bis Dezember 2007 vorgemerkt. Derzeit entrichtet der Kläger aufgrund einer geringfügigen Beschäftigung Pflichtbeiträge zur Beklagten.
Nach Mitralklappenersatz bei symptomatischer mittelschwerer Mitralklappenstenose im Juni 2004 befand sich der Kläger vom 21. Juni 2004 bis 24. Juli 2004 zur medizinischen Rehabilitation in der T.klinik B. K ... Im Entlassungsbericht des Prof. Dr. J. vom 3. August 2004 wird ausgeführt, der Kläger könne noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Heben, Tragen und Bewegen von Lasten größer als 5 kg sechs Stunden und mehr täglich verrichten.
Den Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung vom 20. Februar 2006 lehnte die Beklagte nach Einholung des internistischen Gutachtens des Dr. L. vom 20. März 2006 (Anpassungsstörung nach Mitralklappenersatz und bei familiärer Konfliktsituation sowie Arbeitslosigkeit, dennoch vollschichtiges Leistungsvermögen für mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Arbeitshaltung ohne Zeitdruck, erhöhte Anforderungen an das Umstellungs- und Anpassungsvermögen, Gewichtsbelastungen über 15 kg und erhöhte Unfallgefahr und Erschütterungen) mit Bescheid vom 23. März 2006 ab.
Aus der neuerlichen stationären Rehabilitation vom 25. Oktober 2007 bis 22. November 2007 in der T.klinik B. K. wurde der Kläger für eine körperlich leichte Tätigkeit leistungsfähig entlassen.
Am 28. November 2007 beantragte der Kläger erneut die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Die Beklagte holte das sozialmedizinische und nervenärztliche Gutachten des Dr. H. vom 29. Januar 2008 ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, die seelische Störung bedinge keinesfalls eine zeitliche Leistungsminderung im Erwerbsleben. Leichte bis mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien mehr als sechs Stunden täglich zumutbar.
Mit Bescheid vom 13. Februar 2008 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da der Kläger weder voll noch teilweise erwerbsgemindert sei. Er könne noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und verwies auf den behandelnden Neurologen und Psychiater Dr. H., der mit Attest vom 31. März 2008 über eine depressive Störung berichtete.
Nach sozialmedizinischer Stellungnahme des Dr. L. vom 4. April 2008 wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2008 zurück. Der sozialmedizinische Dienst habe sämtliche Unterlagen geprüft und komme nach Würdigung aller Umstände zu dem Ergebnis, dass dem Kläger unter Berücksichtigung der festgestellten Erkrankungen mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne Zeitdruck und ohne Tätigkeiten mit erhöhter Unfall- oder Verletzungsgefahr mindestens sechs Stunden täglich zumutbar seien.
Mit der dagegen am 13. Juni 2008 erhobenen Klage vor dem Sozialgericht Konstanz (SG) hat der Kläger geltend gemacht, keinesfalls mehr in der Lage zu sein, einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Umfang von sechs Stunden und mehr täglich nachzugehen.
Zur Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG das nervenärztlich-psychosomatische Gutachten des Prof. Dr. S. vom 2. Januar 2009 eingeholt. Dieser hat ausgeführt, beim Kläger liege eine Dysthymia leichteren Grades nach Mitralklappenersatz 2004 vor. Weder psychisch noch körperlich habe sich ein pathologischer Befund gefunden. Der Kläger fühle sich in erheblichem Maße aus verschiedenen Gründen gekränkt und verbittert, diese Belastung sei jedoch nicht gleichbedeutend mit einer chronischen oder dauerhaften psychischen Erkrankung. Der Kläger könne noch Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes und auch die zuletzt ausgeübte Tätigkeit vollschichtig verrichten. Die Umstellungs- und Gehfähigkeit sei nicht eingeschränkt.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 12. Mai 2009 abgewiesen. Der Kläger sei nicht erwerbsgemindert. Dies ergebe sich aus dem Gutachten des Prof. Dr. S. und den Gutachten von Dr. H. und Dr. L ... Die Einschätzung des behandelnden Nervenarztes Dr. H. im Schreiben vom 31. März 2008 sei durch das nachfolgend eingeholte Gerichtsgutachten widerlegt. Der von Dr. H. angenommene Schweregrad der klägerischen Erkrankung habe vom Gutachter auch unter Berücksichtigung der eigenen Angaben des Klägers nicht festgestellt werden können. Es liege lediglich eine leichtergradige depressive Störung vor.
Gegen den am 14. Mai 2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 15. Juni 2009, einem Montag, Berufung eingelegt und darauf hingewiesen, dass er seit einiger Zeit in Behandlung bei Neurologe und Psychiater Dr. W. stehe. Dieser vertrete ebenfalls die Auffassung, dass ein erheblicher krankhafter Befund auf nervenärztlichem Fachgebiet vorhanden sei.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 12. Mai 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. November 2007 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung des Befundberichtes des Dr. W. vom 12. August 2009, der beim Kläger eine schwere posttraumatische Verbitterungsstörung diagnostiziert hat. Aufgrund dieser liege seines Erachtens gegenwärtig keine wesentliche Leistungsfähigkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt vor.
Die Beklagte hat hierzu die Stellungnahme des Sozialmediziners Dr. B. vom 31. August 2009 vorgelegt. Dr. W. habe keine Untersuchungsbefunde mitgeteilt, sondern nur allgemeine Ausführungen gemacht. Die Abweichung hinsichtlich der diagnostischen Einordnung lasse sich damit nicht nachvollziehbar begründen.
Die Berichterstatterin hat am 19. März 2010 einen Erörterungstermin durchgeführt. Zu diesem ist der Kläger nicht erschienen und hat die ärztliche Bescheinigung des Dr. W. vom 17. März 2010 vorgelegt, nach der der Kläger aufgrund der schweren posttraumatischen Verbitterungsstörung derzeit nicht verhandlungsfähig sei. Im Erörterungstermin haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann über die Berufung gemäß § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auch ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierfür ihr Einverständnis erteilt haben.
Die gemäß §§ 143, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft im Sinne des § 144 Abs 1 Satz 2 SGG, da die Berufung Leistungen für mehr als ein Jahr umfasst. Die zulässige Berufung ist jedoch unbegründet. Denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, weshalb das SG die Klage zu Recht abgewiesen hat.
Der geltend gemachte Anspruch richtet sich für die Zeit bis 31. Dezember 2007 nach § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung des Art 1 Nr 10 des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (BGBl I 2000, 1827) und für die anschließende Zeit nach § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007 (BGBl I 2007, 554). Denn gemäß § 300 Abs 1 SGB VI sind die Vorschriften des SGB VI von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Die (aufgehobenen) Bestimmungen der §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung finden gemäß § 302b SGB VI keine Anwendung, da im vorliegenden Fall ein Rentenbeginn vor dem 1. Januar 2001 nicht in Betracht kommt.
Versicherte haben gemäß § 43 Abs 2 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bzw gemäß § 43 Abs 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (jeweils Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (jeweils Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (jeweils Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs 2 Satz 2 SGB II Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist gemäß § 43 Abs 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Zur Überzeugung des Senats steht im Hinblick auf die durchgeführte Beweisaufnahme in erster und zweiter Instanz fest, dass der Kläger weder teilweise noch voll erwerbsgemindert ist, weil er noch in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Dies ergibt sich insbesondere aus den Gutachten des Dr. H. vom 29. Januar 2008 und des Prof. Dr. S. vom 2. Januar 2009. Weder Dr. H. noch Prof. Dr. S. konnten psychisch oder körperlich einen pathologischen Befund erheben. Bei der Untersuchung durch Dr. H. war der Kläger psychisch allenfalls leicht depressiv herabgestimmt, keinesfalls tiefergehend depressiv. Der Kläger hat über zeitweilig diffuse Ängste ohne wesentliche emotionale Beteiligung geklagt. Er war affektiv gut schwingungsfähig und ausgesprochen lebhaft in Gestik und Mimik. Dr. H. hat keinen Hinweis auf einen Interessenverlust oder eine Freudlosigkeit finden können. Der Kläger fühlt sich in seiner Krankheit nicht ausreichend ernst genommen von der Familie und vermisst Zuwendung und Verständnis von der Ehefrau und den erwachsenen Kindern. Bei der Untersuchung durch Prof. Dr. S. hat der Kläger erkennbar sehr verbittert, anklagend und vom Leben enttäuscht gewirkt. Der Kläger beschäftigt sich mit Vergeltungsphantasien, ist jedoch nicht eigentlich depressiv. Denn eindeutige psychopathologische Symptome hat auch Prof. Dr. S. nicht feststellen können. Auch wenn der Kläger aus verschiedenen Gründen gekränkt und verbittert ist und sich nutzlos und entwurzelt fühlt, ist diese durchaus nachfühlbare Belastung nicht gleichbedeutend mit einer chronischen und dauerhaften psychischen Erkrankung und entsprechender Leistungsunfähigkeit. Hierauf hat Prof. Dr. S. nachvollziehbar hingewiesen. Unabhängig davon, wie dieser im Wesentlichen unauffällige Befund diagnostisch eingeordnet wird (Angst und depressive Störung jeweils in leichter Ausprägung durch Dr. H. bzw Dysthymia leichteren Grades durch Prof. Dr. S.), ist der Senat in Übereinstimmung mit den Gutachtern davon überzeugt, dass beim Kläger keine Funktionsstörungen vorliegen, die ihn an der Ausübung zumindest einer leichten Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich hindern. Aufgrund des Zustandes nach Mitralklappenersatz unter Marcumar-Therapie müssen lediglich qualitative Einschränkungen, nämlich besonderer Zeitdruck und Tätigkeiten mit erhöhter Unfall- oder Verletzungsgefahr, vermieden werden.
Der Beurteilung eines einschränkten Leistungsvermögens durch Dr. W. ist ebenso wie der Einschätzung des Dr. H., dass eine schwere depressive Störung vorliege, nicht zu folgen. Denn Befunde hierzu schildert weder Dr. H. im Attest vom 31. März 2008 noch Dr. W. im Bericht vom 12. August 2009. Mit der Verbitterung des Klägers hat sich Prof. Dr. S. ausführlich befasst und dennoch keinen pathologischen Befund beim Kläger erheben können. Allein die ausführliche Schilderung der Verbitterung des Klägers durch Dr. W. im Bericht vom 12. August 2009 kann daher eine quantitative Leistungsminderung nicht begründen. Hierauf hat Dr. B. in der Stellungnahme vom 31. August 2009 zu Recht hingewiesen.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Anspruch darauf haben gemäß § 240 Abs 1 SGB VI in der ab 1. Januar 2001 bzw 1. Januar 2008 geltenden Fassung nur Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Da der Kläger nicht vor dem 2. Januar 1961 geboren ist, scheidet ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen gemäß § 160 Abs 2 SGG nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1964 geborene Kläger war bis Mitte des Jahres 2005 als Paketzusteller versicherungspflichtig beschäftigt und bezog im Anschluss bis 17. Juni 2006 Arbeitslosengeld. Danach sind im Versicherungsverlauf vom 13. Februar 2008 noch Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug bis Dezember 2007 vorgemerkt. Derzeit entrichtet der Kläger aufgrund einer geringfügigen Beschäftigung Pflichtbeiträge zur Beklagten.
Nach Mitralklappenersatz bei symptomatischer mittelschwerer Mitralklappenstenose im Juni 2004 befand sich der Kläger vom 21. Juni 2004 bis 24. Juli 2004 zur medizinischen Rehabilitation in der T.klinik B. K ... Im Entlassungsbericht des Prof. Dr. J. vom 3. August 2004 wird ausgeführt, der Kläger könne noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Heben, Tragen und Bewegen von Lasten größer als 5 kg sechs Stunden und mehr täglich verrichten.
Den Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung vom 20. Februar 2006 lehnte die Beklagte nach Einholung des internistischen Gutachtens des Dr. L. vom 20. März 2006 (Anpassungsstörung nach Mitralklappenersatz und bei familiärer Konfliktsituation sowie Arbeitslosigkeit, dennoch vollschichtiges Leistungsvermögen für mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Arbeitshaltung ohne Zeitdruck, erhöhte Anforderungen an das Umstellungs- und Anpassungsvermögen, Gewichtsbelastungen über 15 kg und erhöhte Unfallgefahr und Erschütterungen) mit Bescheid vom 23. März 2006 ab.
Aus der neuerlichen stationären Rehabilitation vom 25. Oktober 2007 bis 22. November 2007 in der T.klinik B. K. wurde der Kläger für eine körperlich leichte Tätigkeit leistungsfähig entlassen.
Am 28. November 2007 beantragte der Kläger erneut die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Die Beklagte holte das sozialmedizinische und nervenärztliche Gutachten des Dr. H. vom 29. Januar 2008 ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, die seelische Störung bedinge keinesfalls eine zeitliche Leistungsminderung im Erwerbsleben. Leichte bis mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien mehr als sechs Stunden täglich zumutbar.
Mit Bescheid vom 13. Februar 2008 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da der Kläger weder voll noch teilweise erwerbsgemindert sei. Er könne noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und verwies auf den behandelnden Neurologen und Psychiater Dr. H., der mit Attest vom 31. März 2008 über eine depressive Störung berichtete.
Nach sozialmedizinischer Stellungnahme des Dr. L. vom 4. April 2008 wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2008 zurück. Der sozialmedizinische Dienst habe sämtliche Unterlagen geprüft und komme nach Würdigung aller Umstände zu dem Ergebnis, dass dem Kläger unter Berücksichtigung der festgestellten Erkrankungen mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne Zeitdruck und ohne Tätigkeiten mit erhöhter Unfall- oder Verletzungsgefahr mindestens sechs Stunden täglich zumutbar seien.
Mit der dagegen am 13. Juni 2008 erhobenen Klage vor dem Sozialgericht Konstanz (SG) hat der Kläger geltend gemacht, keinesfalls mehr in der Lage zu sein, einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Umfang von sechs Stunden und mehr täglich nachzugehen.
Zur Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG das nervenärztlich-psychosomatische Gutachten des Prof. Dr. S. vom 2. Januar 2009 eingeholt. Dieser hat ausgeführt, beim Kläger liege eine Dysthymia leichteren Grades nach Mitralklappenersatz 2004 vor. Weder psychisch noch körperlich habe sich ein pathologischer Befund gefunden. Der Kläger fühle sich in erheblichem Maße aus verschiedenen Gründen gekränkt und verbittert, diese Belastung sei jedoch nicht gleichbedeutend mit einer chronischen oder dauerhaften psychischen Erkrankung. Der Kläger könne noch Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes und auch die zuletzt ausgeübte Tätigkeit vollschichtig verrichten. Die Umstellungs- und Gehfähigkeit sei nicht eingeschränkt.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 12. Mai 2009 abgewiesen. Der Kläger sei nicht erwerbsgemindert. Dies ergebe sich aus dem Gutachten des Prof. Dr. S. und den Gutachten von Dr. H. und Dr. L ... Die Einschätzung des behandelnden Nervenarztes Dr. H. im Schreiben vom 31. März 2008 sei durch das nachfolgend eingeholte Gerichtsgutachten widerlegt. Der von Dr. H. angenommene Schweregrad der klägerischen Erkrankung habe vom Gutachter auch unter Berücksichtigung der eigenen Angaben des Klägers nicht festgestellt werden können. Es liege lediglich eine leichtergradige depressive Störung vor.
Gegen den am 14. Mai 2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 15. Juni 2009, einem Montag, Berufung eingelegt und darauf hingewiesen, dass er seit einiger Zeit in Behandlung bei Neurologe und Psychiater Dr. W. stehe. Dieser vertrete ebenfalls die Auffassung, dass ein erheblicher krankhafter Befund auf nervenärztlichem Fachgebiet vorhanden sei.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 12. Mai 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. November 2007 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung des Befundberichtes des Dr. W. vom 12. August 2009, der beim Kläger eine schwere posttraumatische Verbitterungsstörung diagnostiziert hat. Aufgrund dieser liege seines Erachtens gegenwärtig keine wesentliche Leistungsfähigkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt vor.
Die Beklagte hat hierzu die Stellungnahme des Sozialmediziners Dr. B. vom 31. August 2009 vorgelegt. Dr. W. habe keine Untersuchungsbefunde mitgeteilt, sondern nur allgemeine Ausführungen gemacht. Die Abweichung hinsichtlich der diagnostischen Einordnung lasse sich damit nicht nachvollziehbar begründen.
Die Berichterstatterin hat am 19. März 2010 einen Erörterungstermin durchgeführt. Zu diesem ist der Kläger nicht erschienen und hat die ärztliche Bescheinigung des Dr. W. vom 17. März 2010 vorgelegt, nach der der Kläger aufgrund der schweren posttraumatischen Verbitterungsstörung derzeit nicht verhandlungsfähig sei. Im Erörterungstermin haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann über die Berufung gemäß § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auch ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierfür ihr Einverständnis erteilt haben.
Die gemäß §§ 143, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft im Sinne des § 144 Abs 1 Satz 2 SGG, da die Berufung Leistungen für mehr als ein Jahr umfasst. Die zulässige Berufung ist jedoch unbegründet. Denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, weshalb das SG die Klage zu Recht abgewiesen hat.
Der geltend gemachte Anspruch richtet sich für die Zeit bis 31. Dezember 2007 nach § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung des Art 1 Nr 10 des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (BGBl I 2000, 1827) und für die anschließende Zeit nach § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007 (BGBl I 2007, 554). Denn gemäß § 300 Abs 1 SGB VI sind die Vorschriften des SGB VI von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Die (aufgehobenen) Bestimmungen der §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung finden gemäß § 302b SGB VI keine Anwendung, da im vorliegenden Fall ein Rentenbeginn vor dem 1. Januar 2001 nicht in Betracht kommt.
Versicherte haben gemäß § 43 Abs 2 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bzw gemäß § 43 Abs 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (jeweils Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (jeweils Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (jeweils Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs 2 Satz 2 SGB II Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist gemäß § 43 Abs 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Zur Überzeugung des Senats steht im Hinblick auf die durchgeführte Beweisaufnahme in erster und zweiter Instanz fest, dass der Kläger weder teilweise noch voll erwerbsgemindert ist, weil er noch in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Dies ergibt sich insbesondere aus den Gutachten des Dr. H. vom 29. Januar 2008 und des Prof. Dr. S. vom 2. Januar 2009. Weder Dr. H. noch Prof. Dr. S. konnten psychisch oder körperlich einen pathologischen Befund erheben. Bei der Untersuchung durch Dr. H. war der Kläger psychisch allenfalls leicht depressiv herabgestimmt, keinesfalls tiefergehend depressiv. Der Kläger hat über zeitweilig diffuse Ängste ohne wesentliche emotionale Beteiligung geklagt. Er war affektiv gut schwingungsfähig und ausgesprochen lebhaft in Gestik und Mimik. Dr. H. hat keinen Hinweis auf einen Interessenverlust oder eine Freudlosigkeit finden können. Der Kläger fühlt sich in seiner Krankheit nicht ausreichend ernst genommen von der Familie und vermisst Zuwendung und Verständnis von der Ehefrau und den erwachsenen Kindern. Bei der Untersuchung durch Prof. Dr. S. hat der Kläger erkennbar sehr verbittert, anklagend und vom Leben enttäuscht gewirkt. Der Kläger beschäftigt sich mit Vergeltungsphantasien, ist jedoch nicht eigentlich depressiv. Denn eindeutige psychopathologische Symptome hat auch Prof. Dr. S. nicht feststellen können. Auch wenn der Kläger aus verschiedenen Gründen gekränkt und verbittert ist und sich nutzlos und entwurzelt fühlt, ist diese durchaus nachfühlbare Belastung nicht gleichbedeutend mit einer chronischen und dauerhaften psychischen Erkrankung und entsprechender Leistungsunfähigkeit. Hierauf hat Prof. Dr. S. nachvollziehbar hingewiesen. Unabhängig davon, wie dieser im Wesentlichen unauffällige Befund diagnostisch eingeordnet wird (Angst und depressive Störung jeweils in leichter Ausprägung durch Dr. H. bzw Dysthymia leichteren Grades durch Prof. Dr. S.), ist der Senat in Übereinstimmung mit den Gutachtern davon überzeugt, dass beim Kläger keine Funktionsstörungen vorliegen, die ihn an der Ausübung zumindest einer leichten Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich hindern. Aufgrund des Zustandes nach Mitralklappenersatz unter Marcumar-Therapie müssen lediglich qualitative Einschränkungen, nämlich besonderer Zeitdruck und Tätigkeiten mit erhöhter Unfall- oder Verletzungsgefahr, vermieden werden.
Der Beurteilung eines einschränkten Leistungsvermögens durch Dr. W. ist ebenso wie der Einschätzung des Dr. H., dass eine schwere depressive Störung vorliege, nicht zu folgen. Denn Befunde hierzu schildert weder Dr. H. im Attest vom 31. März 2008 noch Dr. W. im Bericht vom 12. August 2009. Mit der Verbitterung des Klägers hat sich Prof. Dr. S. ausführlich befasst und dennoch keinen pathologischen Befund beim Kläger erheben können. Allein die ausführliche Schilderung der Verbitterung des Klägers durch Dr. W. im Bericht vom 12. August 2009 kann daher eine quantitative Leistungsminderung nicht begründen. Hierauf hat Dr. B. in der Stellungnahme vom 31. August 2009 zu Recht hingewiesen.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Anspruch darauf haben gemäß § 240 Abs 1 SGB VI in der ab 1. Januar 2001 bzw 1. Januar 2008 geltenden Fassung nur Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Da der Kläger nicht vor dem 2. Januar 1961 geboren ist, scheidet ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen gemäß § 160 Abs 2 SGG nicht vor.
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