L 11 KR 1425/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 6450/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 1425/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 1. März 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe der von der Beklagten zu erstattenden Aufwendungen für die Hinzuziehung eines bevollmächtigten Rentenberaters im sog isolierten Vorverfahren.

Der 1947 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert und erhielt von dieser Krankengeld (Krg). Mit Bescheid vom 27. März 2009 teilte die Beklagte dem Kläger mit, es sei davon auszugehen, dass die Arbeitsunfähigkeit mit dem 31. März 2009 beendet sei, und stellte die Zahlung von Krg daraufhin ab 1. April 2009 ein. Widerspruch hiergegen erhob der vom Kläger am 23. Januar 2009 mit einer umfassenden Vollmacht bis auf Widerruf ausgestattete Rentenberater. Mit Bescheid vom 28. April 2009 forderte die Beklagte den Kläger daraufhin auf, einen Antrag auf Maßnahmen zur Rehabilitation innerhalb einer Frist von zehn Wochen zu stellen. Werde der Antrag nicht gestellt, werde die Zahlung von Krg mit dem 10. Juli 2009 eingestellt. Sinngemäß gewährte die Beklagte somit weiter Krg.

Gegen den Bescheid vom 28. April 2009 legte der Kläger, vertreten durch seinen Bevollmächtigten, ebenfalls Widerspruch ein und stellte der Beklagten für das durch Abhilfe beendete Vorverfahren gegen den Bescheid vom 27. März 2009 Kosten in Höhe von 1.261,40 EUR in Rechnung (Geschäftsgebühr nach Nr 2400 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV RVG) in Höhe von 520 EUR, Erledigungsgebühr nach Nr 1005 VV RVG in Höhe von 520 EUR, Auslagenpauschale in Höhe von 20 EUR zuzüglich Umsatzsteuer).

Mit Bescheid vom 15. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 2009 setzte die Beklagte die zu erstattenden Kosten auf 309,40 EUR fest (Geschäftsgebühr in Höhe von 240 EUR zuzüglich der beantragten Auslagenpauschale und der Umsatzsteuer). Da die Tätigkeit weder umfangreich oder schwierig gewesen sei, könne eine Geschäftsgebühr von mehr als 240 EUR nicht gefordert werden. Die Erstattung einer Erledigungsgebühr sei nicht gerechtfertigt.

Hiergegen erhob der Kläger am 16. Oktober 2009 Klage (S 5 KR 5204/09) zum Sozialgericht Freiburg (SG).

Am 23. Juni 2009 schon hatte der Kläger bei dem SG beantragt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 28. April 2009 festzustellen bzw anzuordnen (S 5 KR 3107/09 ER). In diesem Verfahren hatte die Beklagte mit Schriftsatz vom 2. Juli 2009 den Bescheid vom 28. April 2009 zurückgenommen und sich bereit erklärt, Krg über den 10. Juli 2009 hinaus zu gewähren und die außergerichtlichen Kosten des Widerspruchsverfahrens sowie des einstweiligen Anordnungsverfahrens zu erstatten. Für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes machte der Kläger 844,90 EUR geltend, erklärte sich jedoch letztlich mit der Zahlung von 618,80 EUR (Verfahrensgebühr nach Nr 3102 VV RVG in Höhe von 300 EUR, Terminsgebühr nach Nr 3106 VV RVG in Höhe von 200 EUR zuzüglich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer) einverstanden.

Mit Bescheid vom 16. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2009 forderte die Beklagte den Kläger erneut auf, einen Antrag auf Maßnahmen zur Rehabilitation innerhalb einer Frist von zehn Wochen zu stellen.

Mit der Kostenrechnung vom 6. Juli 2009 machte der Bevollmächtigte des Klägers für das Vorverfahren gegen den Bescheid vom 28. April 2009 den Betrag von 1.267,35 EUR geltend (Geschäftsgebühr in Höhe von 520 EUR, Erledigungsgebühr in Höhe von 520 EUR, Auslagenpauschale in Höhe von 20 EUR, Dokumentenpauschale nach Nr 7000 VV RVG in Höhe von 5 EUR und Umsatzsteuer). Die Beklagte beantragte bei dem SG zum Aktenzeichen S 5 KR 3107/09 ER Kostenfestsetzung, da sie nur Gebühren in Höhe von 372,47 EUR als angemessen erachtete, und überwies diesen Betrag an den Bevollmächtigten des Klägers. Der Kostenbeamte des SG wies die Beklagte mit Schreiben vom 24. August 2009 darauf hin, dass das Kostenfestsetzungsverfahren bezüglich des einstweiligen Rechtsschutzes bereits abgeschlossen und unabhängig davon über die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu entscheiden sei.

Der Bevollmächtigte des Klägers setzte der Beklagten zur Kostenfestsetzung eine Frist bis 6. Oktober 2009 und erhob im Anschluss Untätigkeitsklage bei dem SG (Aktenzeichen S 5 KR 4775/09).

Mit Bescheid vom 9. Oktober 2009 setzte die Beklagte die zu erstattenden Kosten auf 372,47 EUR fest (Geschäftsgebühr in Höhe von 288 EUR zuzüglich der beantragten Auslagen- und Dokumentenpauschalen und der Umsatzsteuer), woraufhin der Kläger Widerspruch erhob und die Untätigkeitsklage unter Beifügung einer Kostennote über 785,40 EUR für erledigt erklärte. Für die Untätigkeitsklage anerkannte die Beklagte einen Betrag von 202,30 EUR und wies den Widerspruch gegen den Bescheid vom 9. Oktober 2009 mit Widerspruchsbescheid vom 27. November 2009 zurück. Zur Begründung wiederholte die Beklagte die Ausführungen zur vorangegangenen Kostenfestsetzung bezüglich des Bescheides vom 27. März 2009.

Mit der am 17. Dezember 2009 dagegen erhobenen Klage bei dem SG hat der Kläger geltend gemacht, die Angelegenheit sei von überdurchschnittlicher Bedeutung gewesen. Denn mit der Aufforderung zum Rehabilitationsantrag habe er in einen Rentenantrag hineinmanövriert werden sollen. Mit dem Widerspruch habe sich der Kläger demzufolge die Ansprüche auf Krg und Arbeitslosengeld erhalten und Rentenabschläge verhindert. Die Erledigungsgebühr sei angefallen. Denn wegen der Widerspruchsbegründung sei die Abhilfe der Beklagten erfolgt. Schließlich solle die Erledigungsgebühr eine Erfolgsgebühr darstellen.

Mit Gerichtsbescheid vom 1. März 2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Im vorliegenden Verfahren ist das SG weder von einem überdurchschnittlichen Umfang der anwaltlichen Tätigkeit noch einer überdurchschnittlichen Schwierigkeit des Widerspruchsverfahrens oder einer überdurchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger ausgegangen. Zwar sei es dem Kläger darum gegangen, einen Rehabilitationsantrag, der von dem Rentenversicherungsträger voraussichtlich automatisch in einen Rentenantrag umgedeutet worden wäre, zu vermeiden. Denn bei frühzeitiger Rentenantragstellung hätte er voraussichtlich Abschläge in Kauf nehmen müssen. Abgesehen davon wäre ihm auch der weitere Bezug des grundsätzlich höheren Krg und der spätere nochmalige Bezug von Arbeitslosengeld verwehrt gewesen. Doch relativiere sich die Bedeutung der Sache insofern, als es der Beklagten bei Aufhebung des mit dem Widerspruch angefochtenen Bescheides nicht verwehrt gewesen sei, einen neuen Aufforderungsbescheid nachzuschieben, was mit Bescheid vom 16. Oktober 2009 auch geschehen sei. Erst das nachfolgende Verfahren habe daher möglicherweise eine erheblichere wirtschaftliche Bedeutung für den Kläger. Die Gebühr in Höhe von 240 EUR, höchstens aber die Mittelgebühr in Höhe von 280 EUR, werde vorliegend als angemessen erachtet. Die Beklagte habe 288 EUR gewährt. Eine Erledigungsgebühr setze eine qualifizierte erledigungsgerichtete Tätigkeit des Bevollmächtigten voraus, die kausal für die Erledigung sein müsse. Allein durch die Begründung des Widerspruchs entstehe diese Gebühr nicht.

Am 24. März 2010 hat der Kläger hiergegen Berufung eingelegt, vorliegend mit der Begründung, es sei nicht nachvollziehbar, warum dem zweiten Verfahren eine höhere Bedeutung zukommen solle als dem ersten Verfahren. Die Bedeutung der Angelegenheit sei mit Blick auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 1. Juli 2009 als überdurchschnittlich zu bewerten. Im Übrigen sei die Auslegung des BSG im Hinblick auf die Erledigungsgebühr nicht vertretbar.

Der Kläger beantragt (teilweise sinngemäß),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 1. März 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 9. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. November 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm weitere Kosten der Vertretung durch den bevollmächtigten Rentenberater im Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 28. April 2009 in Höhe von 894,88 EUR zu erstatten, hilfsweise, die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für rechtmäßig.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Denn der Bescheid vom 9. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. November 2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Erstattung weiterer Aufwendungen für die Vertretung durch den bevollmächtigten Rentenberater im isolierten Vorverfahren.

Gemäß § 63 Abs 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist. Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten im Vorverfahren sind gemäß § 63 Abs 2 SGB X erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war. Gemäß § 63 Abs 3 Satz 1 SGB X setzt die Behörde, die die Kostenentscheidung getroffen hat, auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen fest; dabei bestimmt die Kostenentscheidung gemäß § 63 Abs 3 Satz 3 SGB X auch, ob die Zuziehung eines Rechtsanwalts oder sonstigen Bevollmächtigten notwendig war.

Die Beklagte hat zwar ausdrücklich keine Feststellung dazu getroffen, ob die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war. Zusätzlich zu der erhobenen Anfechtungs- und Leistungsklage war jedoch eine Verpflichtungsklage mit dem Ziel, dass die Beklagte auch verurteilt werden soll, gemäß § 63 Abs 3 Satz 2 SGB X die Zuziehung eines Rechtsanwalts für notwendig zu erachten (vgl BSG, Urteil vom 27. Januar 2009, B 7/7a AL 20/07 R, SozR 4-1935 § 14 Nr 1), nicht erforderlich. Denn zumindest konkludent hat die Beklagte die Notwendigkeit der Zuziehung eines sonstigen Bevollmächtigten anerkannt, indem sie grundsätzlich die Erstattungsfähigkeit der Kosten des Bevollmächtigten anerkannt hat (BSG, Urteil vom 5. Mai 2009, B 13 R 137/08 R, juris mwN).

Die Vergütung (Gebühren und Auslagen) für anwaltliche Tätigkeiten der Rechtsanwälte bemisst sich seit 1. Juli 2004 nach dem RVG, hier in der Fassung ab 1. Juli 2006 gemäß Art 3, 5 und 6 des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom 5. Mai 2004 (BGBl I 2004, 718). Dieses Gesetz gilt gemäß § 4 Abs 1 Satz 1 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts (BGBl I 2007, 2840) auch für die Vergütung der Rentenberaterinnen und Rentenberater. Deshalb kann auch der Prozessbevollmächtigte des Klägers, ein Rentenberater, die Vergütung nach dem RVG geltend machen.

Die Höhe der Vergütung bestimmt sich gemäß § 2 Abs 2 Satz 1 RVG nach dem VV der Anlage 1 zum RVG. In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, entstehen gemäß § 3 Abs 1 Satz 1, Abs 2 RVG (auch) außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens Betragsrahmengebühren. Da es sich bei dem Kläger als Versichertem um einen kostenprivilegierten Beteiligten im Sinne des § 183 Satz 1 SGG handelt, findet das GKG gemäß § 197a Abs 1 Satz 1 SGG keine Anwendung.

Gemäß Nr 2400 VV RVG umfasst die Geschäftsgebühr einen Betragsrahmen von 40 EUR bis 520 EUR, bzw, wenn eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist, gemäß Nr 2401 VV RVG 40 EUR bis 260 EUR. Eine Gebühr von mehr als 240 EUR (bzw von mehr als 120 EUR gemäß Nr 2401 VV RVG) kann aber nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war (sog Schwellengebühr). Innerhalb dieses Gebührenrahmens bestimmt der Rechtsanwalt gemäß § 14 Abs 1 Satz 1 RVG die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Damit hat der Gesetzgeber dem Bevollmächtigten ein Beurteilungs- und Entscheidungsvorrecht eingeräumt, wobei die Literatur und ihr folgend die Rechtsprechung den Bevollmächtigten darüber hinaus einen Spielraum von 20 % (Toleranzgrenze) zugesteht, der sowohl von Dritten wie auch von Gerichten zu beachten ist (BSG, Urteil vom 1. Juli 2009, B 4 AS 21/09 R, SozR 4-1935 § 14 Nr 2 mwN). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Bevollmächtigten getroffene Bestimmung gemäß § 14 Abs 1 Satz 4 RVG nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.

Die in § 14 Abs 1 Satz 1 RVG genannten Kriterien (somit die objektiven Kriterien des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit und die subjektiven Kriterien der Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber sowie dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie gemäß § 14 Abs 1 Satz 3 RVG das besondere Haftungsrisiko) sind nicht abschließend und im Übrigen selbständig und gleichwertig (BSG aaO). Zu Recht verweist der Bevollmächtigte des Klägers auch darauf, dass die Schwellengebühr die Mittelgebühr nicht ersetzt hat (BSG aaO). Deshalb ist zunächst die billige Gebühr anhand der Kriterien des § 14 RVG zu bestimmen und erst in einem zweiten Schritt zu beurteilen, ob es bei der ermittelten Gebühr bleibt (wenn der Umfang und/oder die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit mehr als durchschnittlich sind) oder die zutreffende Gebühr in Höhe des Betrages der Schwellengebühr gekappt wird. Eine gesonderte Bedeutung kommt dem Umfang und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit damit nicht innerhalb der Abwägung nach § 14 RVG zu, sondern einzig für die Öffnung des Gebührenrahmens über die Schwellengebühr hinaus. Der Umfang oder die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit müssen daher über dem Durchschnitt liegen, um im Ergebnis eine höhere Gebühr als die Schwellengebühr zu erreichen (BSG aaO mwN).

Darüber hinaus kommt eine Erledigungsgebühr nach Nr 1005 VV RVG bei einer Einigung oder Erledigung in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen in gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen, in Betracht. Nach den amtlichen, vom Gesetzestext umfassten Erläuterungen zu Nr 1002 Satz 1 VV RVG setzt diese Vorschrift voraus, dass "sich die Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt". Dem steht nach Satz 2 gleich, dass "sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt".

Der Kläger hat weder Anspruch auf die Erstattung einer Geschäftsgebühr von mehr als 240 EUR noch einer Erledigungsgebühr.

Im Rahmen der Ermittlung der Geschäftsgebühr ist zunächst zu berücksichtigen, dass eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren nicht vorausgegangen war und sich die Gebühr damit nach Nr 2400 VV RVG richtet. Zwar hat der Kläger dem Rentenberater schon am 23. Januar 2009 eine umfassende Vollmacht erteilt, jedoch stellt das Vorverfahren gegen den Bescheid vom 27. März 2009 kein Verwaltungsverfahren zu dem Bescheid vom 28. April 2009 dar.

Sowohl der Umfang als auch die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sind als durchschnittlich zu bewerten.

Weder hat der Bevollmächtigte des Klägers auf einen besonderen Umfang der Tätigkeit hingewiesen noch ist ein solcher ersichtlich. Denn eine durchschnittliche Tätigkeit umfasst bezüglich des (zeitlichen) Umfangs den Aufwand für eine Besprechung und Beratung, das Anfordern von Unterlagen, deren Sichtung, eine Rechtsprechungs- und Literaturrecherche, die Auseinandersetzung hiermit und mit dem von der Behörde herangezogenen Sachverhalt einschließlich Beweismitteln, den Schriftverkehr mit dem Mandanten und der Behörde sowie ergänzend alle Tätigkeiten, die mangels entsprechender Gebührenvorschriften nicht durch eine besondere Gebühr vergütet werden (BSG aaO). Vorliegend kann allenfalls ein Anhaltspunkt für einen geringeren Aufwand gesehen werden. Denn da der Bevollmächtigte mit den Angelegenheiten des Klägers schon aufgrund der umfassenden Vollmacht seit 23. Januar 2009 und insbesondere mit dem krankenversicherungsrechtlichen Sachverhalt befasst war, da er den Kläger schon im Vorverfahren gegen den Bescheid vom 27. März 2009 vertreten hat, ist ein geringerer Aufwand für die Einarbeitung entstanden. Möglicherweise hat aufgrund der umfassenden Vollmacht auch keine Besprechung mit dem Kläger mehr stattgefunden. Zugunsten des Klägers wird allerdings unterstellt, dass eine Besprechung stattgefunden hat. Eine solche allerdings löst zusammen mit den übrigen Kriterien lediglich einen maximal durchschnittlichen Umfang aus.

Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ist vorliegend ebenfalls durchschnittlich. Die vom Umfang zu unterscheidende Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit meint die Intensität der Arbeit. Ausgehend von einem objektiven Maßstab ist auf einen Rechtsanwalt abzustellen, der sich bei der Wahrnehmung des Mandats darauf beschränken kann und darf, den Fall mit den einschlägigen Rechtsvorschriften, gegebenenfalls unter Heranziehung von Rechtsprechung und Kommentarliteratur, zu bearbeiten. Dies beinhaltet aber auch, dass hierfür spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten in eingeschränktem Umfang erforderlich sein können. Überdurchschnittlich schwierig ist die Tätigkeit zB dann, wenn erhebliche, sich üblicherweise nicht stellende Probleme auftreten (BSG aaO). Diese können sowohl im tatsächlichen als auch im juristischen Bereich liegen. Vorliegend sind weder Probleme im Umgang mit dem Mandanten noch rechtliche Probleme ersichtlich. Denn der Bevollmächtigte hat sich lediglich mit einem kurz gehaltenen medizinischen Gutachten des MDK und der rechtlichen Problematik des § 51 SGB Fünftes Buch Sozialgesetzbuch auseinandersetzen müssen. Insgesamt hat es sich daher um einen Normal- bzw Routinefall ohne umfangreichere Beweiswürdigung und eingehende Auseinandersetzung mit Rechtsprechung und Literatur gehandelt.

Die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger ist nicht überdurchschnittlich. In Bezug hierauf kommt es auf eine unmittelbare tatsächliche, ideelle, gesellschaftliche, wirtschaftliche oder rechtliche Bedeutung für den Auftraggeber, nicht aber für die Allgemeinheit, an (BSG aaO). Die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger bestand vorliegend mittelbar darin, den Anspruch auf die Gewährung von Krg und ggf Arbeitslosengeld aufrechtzuerhalten und eine (mögliche) Prüfung des Rentenversicherungsträgers, ob der Rehabilitationsantrag in einen Rentenantrag umzudeuten sein könnte (mit den für den Kläger zu erwartenden Abschlägen), zu verhindern. Offen bleiben kann, ob die Bedeutung der Angelegenheit zum Zeitpunkt der Erteilung des Mandats oder retrospektiv zu beurteilen ist. Denn auch wenn auf den für den Kläger günstigeren Zeitpunkt der Erteilung des Mandats abgestellt wird, ergibt sich kein Anspruch auf eine höhere Geschäftsgebühr. Denn letztlich geht es dem Kläger nur darum, Abschläge bei der Rentengewährung zu verhindern und höhere Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen, sodass es nicht um die Sicherung des Lebensunterhaltes an sich geht, sondern nur um die Höhe der zu gewährenden Sozialleistungen. In Bezug auf seine wirtschaftlichen Verhältnisse hat der Kläger keine Besonderheiten geltend gemacht, so dass diese jedenfalls nicht als überdurchschnittlich angesehen werden können. Eine Überschreitung der Schwellengebühr ist nicht begründet, denn weder der Umfang noch die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit waren überdurchschnittlich.

Schließlich sind die Voraussetzungen einer Erledigungsgebühr vorliegend nicht erfüllt, weil sich das isolierte Vorverfahren nicht "durch die anwaltliche Mitwirkung" iS der Nrn 1005, 1002 VV RVG erledigt hat. Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des BSG kann ein Rechtsanwalt oder Rentenberater für die Mitwirkung an der Erledigung eines isolierten Vorverfahrens durch Abhilfebescheid nur dann eine Erledigungsgebühr verlangen, wenn er eine über die Einlegung und Begründung des Widerspruchs hinausgehende besondere Tätigkeit und damit eine qualifizierte erledigungsgerichtete Mitwirkung entfaltet hat, die über das Maß desjenigen hinausgeht, das schon durch den allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im sozialrechtlichen Widerspruchsverfahren abgegolten wird (vgl BSG, Urteile vom 5. Mai 2010, B 11 AL 14/09 R, Terminbericht Nr 27/10; vom 5. Mai 2009, B 13 R 137/08 R, juris mwN; und dem folgend die dem Bevollmächtigten des Klägers bekannten Beschlüsse des erkennenden Senats vom 29. Juni 2010, L 11 KR 1363/10 NZB; vom 2. Juni 2010, L 11 R 5463/09 und vom 16. April 2010, L 11 KR 5348/09 NZB). Allein die Widerspruchsbegründung, die der Kläger als streitvermeidende Tätigkeit erachtet, reicht daher nicht aus, um die Erledigungsgebühr auszulösen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen gemäß § 160 Abs 2 SGG nicht vor. Insbesondere ist die Frage, wann eine Erledigungsgebühr anfällt, höchstrichterlich schon geklärt.
Rechtskraft
Aus
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